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Volume Nro. 255, Montag den 23. December

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue1805 (Public Domain)

scheidenheit, oder ncr der Schein davon, anfangs 
weigerte, diese Würde anzunehmen. 
Nichts lag nun unserm Zgnaz mehr am Herzen, 
«IS seinem Orden die mbglichflen Vorrecht zu ver 
schaffen, und denselben überall auszubreiten. Pabst 
PaulIII., der sehr wohl einsah, wie nützlich der 
wankenden Macht der päbstlichen Stuhls eine ihm 
sclavisch ergebene Gesellschaft leyn könnte, der jedes 
Mitrel gerecht war, um mm Ziele zu kommen, ertheilte 
den Jesuiten in zwei Bullen sehr verfänglichen Vor 
rechte: „die Zahl der Mitglieder darf willkührlich 
vermehrt werden; jede beliebige Veränderung io ih 
rer OrdenSeonstitukion vorgenommen werden, ohne 
pLbstliche Bewilligung; der Ordensgeneral hat un 
beschränkte Gewalt über die Mitglieder der Gesell 
schaft, und steht, nebst sämmtlichen Ordensgliedern, 
einzig nur unter dem Pabste; kein Jesuit darf den 
Orden verlgffen, ausgenommen, wenn er Karthäujer 
werden will, und es steht dem General frei, selbst 
mit Gewalt, den Abtrünnigen zurück zu führen, und 
ihn zu bestrafen; der Orden hat die Befugniß, Ver 
brecher als Mitglieder aufnehmen zu können , wenn 
sie sich keinen absichtlichen Mord haben zu Schulden 
kommen lassen; mit Bewilligung des Generals ist 
allen Ordensgliedern vergönnt, in den Ländern der 
Ketzer und Ungläubigen zu wohnen u. f. w." Es 
bedarf wohl kaum eines Fingerzeiges, wie gefährlich 
»ine solche Gesellschaft jedem Staate werden muß, 
die außer der päbstlichen Macht keine Gewalt über 
sich erkennt, und jede beliebige Veränderung in ihrer 
Verfassung vornehmen kann, ohne jemanden Rechen 
schaft davon zu geben, also einen Staat im Staate 
bildet! Wie listig berechnet ist es, daß die Glieder 
des Ordens unter Ketzern leben können, um — die 
verirrten Schafe in den Mutterschoß der Kirche zu 
rück zu fübren! Auch Verbrecher sind nicht ausge- 
gesch offen denn zu einem Verbrechen gehört gewöhn 
lich List und Verschlagenheit und solche Leute weiß 
der Or en zu gebrauchen. 
Zg.iaz und seine Genossen waren übrigens un 
unterbrochen überaus thätig, den Orden zu vergrösi 
sern, und da sie sich oller möglichen Kunstgriffe 
bedienten, so gelang es ihnen nur zu gut damit. 
Zn Portugall wurden laute Klagen gegen die Je 
suiten erhoben , daß sie sich der niedrigsten Ranke 
und selbst der Gewaltthätigkeiten bedienten, um Mit 
glieder an sich zu ziehn, aber König Johann III. 
stand bereits so «ehr unter der jesuiki'chen Botmäßig 
keit, daß alle Klagen vergebens waren. 
Neben seinen Ordensgeichäften bemühctr sich 
Zgnaz noch, die Römsichen öffentlichen Matchen zu 
bekehren, und für sie eine Besserungsanstalt zu stif 
ten, wohin er oft am Tage ganze Scharen solcher 
Mädchen führte. Don seinem zu großen Bekehrungs- 
eifer ließ er sich einst verleiten, eine verheirathetr 
Frau, die eben nicht im Ruft der Ehrbarkeit stand, 
in diese Anstalt zu führen, und dies zog ihm und 
feinen Gesellschaftern von der bösen Welt die üble 
Nachrede zu, daß es mit der belobten Stttenreinheit 
der Zesiiiten nicht so ganz richtig seyn möchte, und 
sie sich wohl selbst der Sünde theilhaftig machten, 
gegen die sie so mächtig eiferten. 
So vielerlei Beschäftigungen, das vormalige 
barbarische Wüthen gegen seinen Körper, der Eifer, 
mit dem er die Ausbreitung seines Ordens bettieb, 
und die damit verknüpften Unannehmlichkeiten, zo 
gen endlich Zgnaz zu spät für die Welt, — den Tod 
zu. Er starb am zrsten Zuiius 1556» an einer 
völligen Entkräftung, aber er hinterließ feinen neuge 
stifteten Orden in voller Kraft und Blüthe. — Ein 
jährlich »euer, ein unaustilgbarer Ansiug von Gift- 
pfianzen bedeckt die beklagenswerthe Gegend, in wel 
cher einmal Lolch und Schierling rei-ftem R. 
Randglossen. 
Nil admirari. 
as „Nichts bewundern," sagt Horaz, Mache den 
Weisen und Glücklichen. Pythagoras äußert die« 
selbe Meinung. Es ist aber mit diesem Satze, wie 
mit — jedem Dinge, wovon Epiktet sagt, daß es 
zwey Henkel habe; es komme darauf an. bey wel 
chem man es anfasse. Plato nehmiich behauptet, wie 
auch Wieland angemerkt hat, von dem Bewun 
dern eben die schönen Dinge, die Horaz aus dem 
Nichtbewundern herzuleiten sucht. Unstreitig einleuch 
tender und bestimmter wäre die Wahrheit des Saz- 
jes, wenn er hieße: Sich nicht bewundern mache 
den Weisen und Glücklichen. Sokrates bekannte, 
daß er nichts wisse, und seinem eigenen Geständniß 
zufolge war die Einsicht, die ihn das bekennen 
hiess, die Summe seiner Weisheit. 
Derschwiegenheik. 
„Die Tugend genügt sich selbst" —? Warum 
ist denn Geduld eine so schwere Tugend, und warum 
ist Verschwiegenheit so äußerst selten? Wenn doch 
jemand die Kunst erfänoe, wodurch man Andern 
offenbaren könnte, welche Geheimnisse man vor ih 
nen geheim halte!! Nun heißt es immer, wenn das 
arme Herz unter dem Drucke des Geheimnisses nach 
Luft schnappt: „Wenn man wüßte, was ich weiß!" 
Was gilt die Wette? Drei Minuten nach dieser 
Ankündigung, daß ein Geheimniß da sey, hat eben 
dieses Geheimniß seine Existenz überlebt. S ch I—f
	        
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