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Aber auch ln Ansehung des Tons, der dort
herrschend ist, verdient Tuckkum eine ehrenvolle Er
wähnung. Zede kleine Stadt muß dieser hierin wei
chen, und manche größere darin vdn ihr beschämt
werden. Da e« der Adel ist, der, als dir erste Ein
wohnerklaffe, ihn vornehmlich angiebt, — und der
Adel dieser Gegend zu dem gebildetesten und reichsten
Landadel Kurland« gezählt wird, der sich noch vorzüg
lich durch ein liebevolles, zuvorkommendes und feines
Benehmen auszeichnet, außerdem aber auch mehrere
angesehene bürgerliche Beamte und Gelehrte, und ei
nige wenige gebildete Kaufleute an der Spitz« der
Übrigen Bewohner des Städtchens stehen, zwischen
welchen und dem ersteren keine Scheidewand von al
tem Pergament den freien Umgang hindert; seist
es natürlich und sehr begreiflich, daß, bei aller Herz-
Uchkeit im engen Lebenskrei>e, nicht nur sogar Ge
schmack und ein gewisser Glanz in ihren Cirkela
herrscht sondern auch die steife Etikette und die Freu
descheuchende Cemplimenkii jucht — ein Paar Götzen,
di« nur in beschrankten Räumen, sey's im engen Kö
pfen oder kleinen Städten, Hause», — hier verbannt und
bloß zuweilen Gaste sind.— Wer die Einsamkeit- liebt,
phue dabei der gesellschaftlichen Freude entsagt zu haben,
der ziehe nach Tuckkum: dorr empfangt ihn die eine,
sobald ihn die andre aus ihren Armen entlassen hat. 2t.
Nicht-poltkische Zeitung. Nro. 93.
Aus Berlin.
(Fortsetzung des Theatrrherichts.)
Personen sind In dem neuen Schauspiele: di« Strick«
»adeln, nur wenige, aber ei sind lauter bestimmte, gut gc-
wadlic und gut ausgcsichrie Charaktere: den Baron Durla»
nehm' iw aus, denn der mlßfalU, troy seiner uderschwcngi,cl,en
Güte und Edelmürhigkcit. Er ist e,u aus Lzebe zu seiner Gat
tin s hr schwacher Mann trotz einem hellen Verstände, Man ge-
ritth säst i» Versuchung, es seiner Gattin als ein großes Ver
dienst anzurechnen, daß ste wenigste»-, den Vorsatz ha«, ihm
treu i» bleibe». Wollte der Dersasser einen solchen Mann
zeichnen, so lst ihm seine Absicht vollkommen gelungen: aber er
hatt' ihn hier nicht zeichnen sollen, er schadet dem Ganzen.
Die Hcriensschwache, die an Weiber, oft so reizend ist, wird
an Männern immer widerlich, und setzt sie herab, Zfflaud
stellte den Baron mit sehr hoher pmchologischer Wahrheit dar;
auch gegen diesen großen Künstler kann ich mich indes' nicht
eines Ader erwehren: — aber — hatte er, was er sonst so
meisterhaft thu«, den Misgriss des Dichters nicht durch Abwei
chungen milder», verbessern sollen? — Die iunge Baronin ist
einer »er wahrrste» voumdetesten Charaktere. dicKotzcbue, wenn
or ander» «er Vers, ist, aus die B»hue gestellt hat: eine iunge,
lebhafte, wohlerzogene Frau, die sich wenigstens das erste Mal
nicht dal» culscbiieüen wird, untreu zu nun, es aber sehr
leicht, ohne es »u wollen, werden kann: die ihren Werth »n»
ihre Würde lebhaft suhlt, so oft man ihre Eit>lk.ir oder ihren
Skoli krankt, aber so oft man diesen schmeichelt, nahe daran ist,
lene zu verschleudern; eine Frau, deren Rechilichkeit, so gut
ihre Vorsatze auch sto», durch die Zuversicht, mit der sie sich
irden Augenbiiek der Gefahr aussetzt, ihnen untre« zu werden,
fast nur durch den Zufall gerettet wird: kur; eine der gewöhn
lichen iutcressap.'lll Frauen, deren Tngcodgrschichie Marmoniei
in seinem Hcmeusemint liefert, Wad. UNlelmann spielte sie
wahr sein, reizend, lebhaft, kurz, wie sie gesviclt werden müh,
und wie — wolil nicht zwei berühmte Künstlerinn»» ste ihr
»achlus»ielcn vermöchten, — Dem. Döbbelin svielke die Mutter
des Barons mir so großer Natürlichkeit und so vollendet, das
man wahrend der Vorstellung fast verleitet wurde, in glauben,
der Verfasser habe in »ieseui Charakter ein Meisterstück geliefert:
aber dem iS nicht so. Die alte Baronin ist zwar meistenihfil«
richtig,, «der doch nur mit groben umrissen gezeichnet: ilire
Zuge und alle schon iu zwanzig andern Stücken zu einem Gan
zen -n,ammeng,stellt, und der Dichk.r opfert manche schöne Si
tuation dem Vergnügn, aus, stc tomnche Dinge außer» zu
lassen. Wenn ste !. B. in der Angst um ihrn, Sohn, der sich
eben schlag«, unter seinen Vorzugeu auszahlt, daß er s>« de, sei
nen Gastmählern immer h>rbe oben an sitzen lassen, so ist das
freilich — nichi unwahr geschildert, aber Nicht iede Wahrheit
ist überall an ihrer Stelle, — Der Gras von Eßlingen ist
ein etwas geistloser Lovclace doch Hr. Schwadke gad seine zärt
lichen Aeußerungen mit so viel Feuer, daß er interestirte.
Berichtigung.
«3D.t Herausgeber eines öffentlichen Englischen Blattes, in wei
chem vor einiger Zeit von einer angeblich zwischen den
Mährischen Briidern (in England gemeiniglich ! ois-
viam genannt), und den Methodisten in vondv» vorgefallenen
Streitigkeit über den Gebrauch der K-rpelle in viilt end new
low« Nachricht gegeben Mlirde, (s, Nr. ly?, de» Freimuihigen
vom ;t:nOkt. 1804- £. 276.) hat bald hernach IN eben dasselbe
Blatt eine ihm vo» zuverlässiger Han» znaekominenr Anzeige
ausgenommen, aus welcher zu ersehe» ist dag die Evangelischen
Bruder in London niemals einigen Antheil an gedachter Ka
pelle gehabt, noch jemals ein anerkannter Prediger der Eoaiige-
lisch«! Brnderkirchc in derselben gepredigt, folglich auch ein
Streik über deren Gebrauch zwischen letzterer und einer an
dern Neligionsgesellschaft nieiuils hab.' Eiati finden können:
wie denn auch IN eben der Nummer des Zeitung-blattes, welche
diese Anieige enthalt, von dem Herausgeber icilü hinzugesetzt
wird: „Wir vernehmen, »aß die erwähnte Kapelle nicht von
„den Moravians, sondern von den Anhängern der Pro-
„ phetin Johanna Sonthgate gemiethet worden."
Berlin, d. ZO. Nov. 1804.
Jpeinr. Christian Tschirpe,
Prediger der Eoangel. Brüdergemeint allhicr.
Aus W e i ni a r.
Äer Einzug und die iibrigeii darauf folgenden Feierlichkeiten
waren mir dem feinste« Geschmack angeordnet; — aber die
Hcerschaar der hiesigen Poeten — 0 weh!
Um von dem Mittelmäßigen anzufangen, so hat Hr.
(Wochenblatt. Nr. 89) dergleichen in einer Anrede an das hohe
Paar gewiß geliefert, und uns fürchterliche Proben seiner hera-
metrischen Bcrsknnst ans Licht gestellt. Als den leisesten Nach
hall einer -Poeste, lesen wir ein Poem von deiiJustizamretm deS
Fürste,ithunis E: ft» ach, in welchem Ströme, gleich, einer Chan»
pagncrflasche, entsiegelt, und »och andere ganz unerhörte Wun
derdinge vorgenommen werde», die von dem Streben des Dich
ters noch oben zeigen, dem aber feine Kräfte nichts weniger
al« Genüge leisten. Durchweg schlecht stud zivti, (eit
artig — Schade um das schone Parier! — bei Wessel
höft in Jena gedruckte Reimereien. Der Vater der eine» kleinen
Mißgeburt ist rin für die Poesie völlig verdorbener Koos, Herr
Friedrich — — au» Vnttstadr. Die Vezchreibung der Krieas-
unruheu, durch welche „das im Sitzen spinnende Schicksal Elinra
zerrüttet, scheint von der im Kopse des Dichters schon imAnftiige
herrschenden Wahrung zu zeigen, die ihn denn. nachdem er den
Erbprinzen die Paulojdin (!) stch hak erringen lassen, im vor
letzten Verft seines sinnlosen Machwerks, in welchem Buttstädt,
Petersburg wrir übertrifft ko Patriotismus, du bist noch Nicht
verschwunden!) zur größten Unverschämtheit verleitet hak.
kDre Fprtsetzung folgt.)