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Volume Nro. 241., Montag den 3. December

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue2.1804 (Public Domain)

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Aber auch ln Ansehung des Tons, der dort 
herrschend ist, verdient Tuckkum eine ehrenvolle Er 
wähnung. Zede kleine Stadt muß dieser hierin wei 
chen, und manche größere darin vdn ihr beschämt 
werden. Da e« der Adel ist, der, als dir erste Ein 
wohnerklaffe, ihn vornehmlich angiebt, — und der 
Adel dieser Gegend zu dem gebildetesten und reichsten 
Landadel Kurland« gezählt wird, der sich noch vorzüg 
lich durch ein liebevolles, zuvorkommendes und feines 
Benehmen auszeichnet, außerdem aber auch mehrere 
angesehene bürgerliche Beamte und Gelehrte, und ei 
nige wenige gebildete Kaufleute an der Spitz« der 
Übrigen Bewohner des Städtchens stehen, zwischen 
welchen und dem ersteren keine Scheidewand von al 
tem Pergament den freien Umgang hindert; seist 
es natürlich und sehr begreiflich, daß, bei aller Herz- 
Uchkeit im engen Lebenskrei>e, nicht nur sogar Ge 
schmack und ein gewisser Glanz in ihren Cirkela 
herrscht sondern auch die steife Etikette und die Freu 
descheuchende Cemplimenkii jucht — ein Paar Götzen, 
di« nur in beschrankten Räumen, sey's im engen Kö 
pfen oder kleinen Städten, Hause», — hier verbannt und 
bloß zuweilen Gaste sind.— Wer die Einsamkeit- liebt, 
phue dabei der gesellschaftlichen Freude entsagt zu haben, 
der ziehe nach Tuckkum: dorr empfangt ihn die eine, 
sobald ihn die andre aus ihren Armen entlassen hat. 2t. 
Nicht-poltkische Zeitung. Nro. 93. 
Aus Berlin. 
(Fortsetzung des Theatrrherichts.) 
Personen sind In dem neuen Schauspiele: di« Strick« 
»adeln, nur wenige, aber ei sind lauter bestimmte, gut gc- 
wadlic und gut ausgcsichrie Charaktere: den Baron Durla» 
nehm' iw aus, denn der mlßfalU, troy seiner uderschwcngi,cl,en 
Güte und Edelmürhigkcit. Er ist e,u aus Lzebe zu seiner Gat 
tin s hr schwacher Mann trotz einem hellen Verstände, Man ge- 
ritth säst i» Versuchung, es seiner Gattin als ein großes Ver 
dienst anzurechnen, daß ste wenigste»-, den Vorsatz ha«, ihm 
treu i» bleibe». Wollte der Dersasser einen solchen Mann 
zeichnen, so lst ihm seine Absicht vollkommen gelungen: aber er 
hatt' ihn hier nicht zeichnen sollen, er schadet dem Ganzen. 
Die Hcriensschwache, die an Weiber, oft so reizend ist, wird 
an Männern immer widerlich, und setzt sie herab, Zfflaud 
stellte den Baron mit sehr hoher pmchologischer Wahrheit dar; 
auch gegen diesen großen Künstler kann ich mich indes' nicht 
eines Ader erwehren: — aber — hatte er, was er sonst so 
meisterhaft thu«, den Misgriss des Dichters nicht durch Abwei 
chungen milder», verbessern sollen? — Die iunge Baronin ist 
einer »er wahrrste» voumdetesten Charaktere. dicKotzcbue, wenn 
or ander» «er Vers, ist, aus die B»hue gestellt hat: eine iunge, 
lebhafte, wohlerzogene Frau, die sich wenigstens das erste Mal 
nicht dal» culscbiieüen wird, untreu zu nun, es aber sehr 
leicht, ohne es »u wollen, werden kann: die ihren Werth »n» 
ihre Würde lebhaft suhlt, so oft man ihre Eit>lk.ir oder ihren 
Skoli krankt, aber so oft man diesen schmeichelt, nahe daran ist, 
lene zu verschleudern; eine Frau, deren Rechilichkeit, so gut 
ihre Vorsatze auch sto», durch die Zuversicht, mit der sie sich 
irden Augenbiiek der Gefahr aussetzt, ihnen untre« zu werden, 
fast nur durch den Zufall gerettet wird: kur; eine der gewöhn 
lichen iutcressap.'lll Frauen, deren Tngcodgrschichie Marmoniei 
in seinem Hcmeusemint liefert, Wad. UNlelmann spielte sie 
wahr sein, reizend, lebhaft, kurz, wie sie gesviclt werden müh, 
und wie — wolil nicht zwei berühmte Künstlerinn»» ste ihr 
»achlus»ielcn vermöchten, — Dem. Döbbelin svielke die Mutter 
des Barons mir so großer Natürlichkeit und so vollendet, das 
man wahrend der Vorstellung fast verleitet wurde, in glauben, 
der Verfasser habe in »ieseui Charakter ein Meisterstück geliefert: 
aber dem iS nicht so. Die alte Baronin ist zwar meistenihfil« 
richtig,, «der doch nur mit groben umrissen gezeichnet: ilire 
Zuge und alle schon iu zwanzig andern Stücken zu einem Gan 
zen -n,ammeng,stellt, und der Dichk.r opfert manche schöne Si 
tuation dem Vergnügn, aus, stc tomnche Dinge außer» zu 
lassen. Wenn ste !. B. in der Angst um ihrn, Sohn, der sich 
eben schlag«, unter seinen Vorzugeu auszahlt, daß er s>« de, sei 
nen Gastmählern immer h>rbe oben an sitzen lassen, so ist das 
freilich — nichi unwahr geschildert, aber Nicht iede Wahrheit 
ist überall an ihrer Stelle, — Der Gras von Eßlingen ist 
ein etwas geistloser Lovclace doch Hr. Schwadke gad seine zärt 
lichen Aeußerungen mit so viel Feuer, daß er interestirte. 
Berichtigung. 
«3D.t Herausgeber eines öffentlichen Englischen Blattes, in wei 
chem vor einiger Zeit von einer angeblich zwischen den 
Mährischen Briidern (in England gemeiniglich ! ois- 
viam genannt), und den Methodisten in vondv» vorgefallenen 
Streitigkeit über den Gebrauch der K-rpelle in viilt end new 
low« Nachricht gegeben Mlirde, (s, Nr. ly?, de» Freimuihigen 
vom ;t:nOkt. 1804- £. 276.) hat bald hernach IN eben dasselbe 
Blatt eine ihm vo» zuverlässiger Han» znaekominenr Anzeige 
ausgenommen, aus welcher zu ersehe» ist dag die Evangelischen 
Bruder in London niemals einigen Antheil an gedachter Ka 
pelle gehabt, noch jemals ein anerkannter Prediger der Eoaiige- 
lisch«! Brnderkirchc in derselben gepredigt, folglich auch ein 
Streik über deren Gebrauch zwischen letzterer und einer an 
dern Neligionsgesellschaft nieiuils hab.' Eiati finden können: 
wie denn auch IN eben der Nummer des Zeitung-blattes, welche 
diese Anieige enthalt, von dem Herausgeber icilü hinzugesetzt 
wird: „Wir vernehmen, »aß die erwähnte Kapelle nicht von 
„den Moravians, sondern von den Anhängern der Pro- 
„ phetin Johanna Sonthgate gemiethet worden." 
Berlin, d. ZO. Nov. 1804. 
Jpeinr. Christian Tschirpe, 
Prediger der Eoangel. Brüdergemeint allhicr. 
Aus W e i ni a r. 
Äer Einzug und die iibrigeii darauf folgenden Feierlichkeiten 
waren mir dem feinste« Geschmack angeordnet; — aber die 
Hcerschaar der hiesigen Poeten — 0 weh! 
Um von dem Mittelmäßigen anzufangen, so hat Hr. 
(Wochenblatt. Nr. 89) dergleichen in einer Anrede an das hohe 
Paar gewiß geliefert, und uns fürchterliche Proben seiner hera- 
metrischen Bcrsknnst ans Licht gestellt. Als den leisesten Nach 
hall einer -Poeste, lesen wir ein Poem von deiiJustizamretm deS 
Fürste,ithunis E: ft» ach, in welchem Ströme, gleich, einer Chan» 
pagncrflasche, entsiegelt, und »och andere ganz unerhörte Wun 
derdinge vorgenommen werde», die von dem Streben des Dich 
ters noch oben zeigen, dem aber feine Kräfte nichts weniger 
al« Genüge leisten. Durchweg schlecht stud zivti, (eit 
artig — Schade um das schone Parier! — bei Wessel 
höft in Jena gedruckte Reimereien. Der Vater der eine» kleinen 
Mißgeburt ist rin für die Poesie völlig verdorbener Koos, Herr 
Friedrich — — au» Vnttstadr. Die Vezchreibung der Krieas- 
unruheu, durch welche „das im Sitzen spinnende Schicksal Elinra 
zerrüttet, scheint von der im Kopse des Dichters schon imAnftiige 
herrschenden Wahrung zu zeigen, die ihn denn. nachdem er den 
Erbprinzen die Paulojdin (!) stch hak erringen lassen, im vor 
letzten Verft seines sinnlosen Machwerks, in welchem Buttstädt, 
Petersburg wrir übertrifft ko Patriotismus, du bist noch Nicht 
verschwunden!) zur größten Unverschämtheit verleitet hak. 
kDre Fprtsetzung folgt.)
	        
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