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Volume Nro. 231., Montag den 19. November

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue2.1804 (Public Domain)

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grfnjf angenommen ist. Das Klima, welches irr 
Neuschlesien herrscht, ist, wegen der Nähe der Gebirge 
vorzüglich im Pilicacr Kreise, für rauher als das 
Oberjchlesische anzunehmen. — Kommt man über 
die Tarnowiz in dies Ländchen, so erhebt sich allmäh 
lich ein Gebirge, das nach drei Meilen den Wandrer 
rundherum zwischen Bergrhale einführt. Es ist ein 
schwer mürhiger, nicht mehr Schlesiens heiterer An 
blick, der uns umgiebr. Hier und da abwechselnd 
mit pitoreoken Situationen, sieht man bald Waldung, 
dürftige Dörfer, zerstreute Felder, nackte Bergrücken, 
Felsengruppen und Ruinen alter Bergschlbffer, nur 
selten eine lachende Wiese oder ein anmuthiges Thal. 
Die meisten Städte gleichen Dörfern oder Markt- 
flccken Deutschen Scyis, und gewähren keine freund 
liche 'Ansicht. — Die Häuser in Städten und Dör 
fern gleichen Hütten. Man sieht ein langes, beinahe 
bis zur Erde herabgchendes Dach, einige Fenster 
darunter, und inwendig selten mehr. Eine kleine 
Thüre führt inü Innere, Dachbalken producircn sich 
da zuerst, und in irgend einer Seite zeigt sich ein 
Derschlag, — Balken auf Balken gelegt, mit Lehm 
und Kalk überschmierk, — der die Wohnung des Be 
sitzers enthält. Die Küche ist ein Kamin in der 
Stube am Ofen, dessen Rauchsang, me-st von Holz, 
mit Kalk und Lehm, entweder außerhalb diese« Der 
schlags oder dicht über dem Dache seinen Ausgang 
hat. Da wohnt der genügsame Pople und theilt 
freundlich sein Brod mit dem Hausrhier, unbeküm 
mert um alle elegante Bedürfnissel — Dieser Häu- 
secdürftigkeit ist indeß jetzt schon sehr abgeholfen, 
auch gab eS von jeher darin Ausnahmen; massive 
Gebäude stehen in Menge schon neben den ärmli 
chen Hütten. — Ueber die Menschen selbst — will 
ich schweigen; sie sind ja in gewissen Graden — die 
kultivieren sowohl» als die rohesten, — sich überall 
gleich; auch der gemeine Pohle steht in der Reihe 
deS Ganzen mit Uebereinstimmung. — 
Die Gegenden sind wirklich hie und da in die 
sem Erdstrich rouiantisch, und von Mutter Natur in 
guten und bösen Launen gleich mannigfaltig gebildet. 
Um Pilica her fand ich die schönsten. Gegen Abend 
weilt der Blick auf fruchtbaren breiten Bergrücken, 
die m der Ferne die Ruinen eines alten Schlosses 
beiOgrvdzieniez begrenze». Gegen Mittag sieht man 
auf Bergen dichte Tannenwälder, au» weichen in 
den mannigfaltigsten Gestaltungen Kalksteinfelsen her 
vorragen, und das zerfallene Bergschloß in Smoiin 
im Kaiserlichen furchtbar herum,chaur. Dies Schloß 
hebt sich auf einem hohen Felsen amphr.heatraiich 
empor, und man genießt auf ihm eine herrliche Aus 
sicht über io Meile» in die Runde. — Don da aus 
geht eine Bergreihe in steigender und fallender Rich 
tung, längs dem Thale gegen das kaiserliche Städt 
chen Zarnowitz hin, verflächt sich dort auf der eine» 
Seite in eine lachende Ebene, und nimmt südostwärk« 
im Rücken seinen Zug ins Innere Westgallizienü zu 
den Karpaten hinüber. Eine andere Reihe Berge— 
aus Eüdpreußen hereinziehend — läuft jenen gegen 
über auf der Nord- und Westseite gegen Pilica her 
an, und ist mit dem Gebirge von Südwest aus 
Schlesien verbunden. Eö hat ebenfalls mannigfaltige 
Situationen. Längs dem Pilicaer Thai schlängelt 
sich die Pilica hin; sie entspringt f Meile unfern 
der Stadt aus einem Kalksteinfelsen, in zwei Quellen 
köstlichen Wassers, und rieftlt sanft aus den weissen 
Sternen hervor, fließt der Weichsel zu und fällt bei 
Guca in dieselbe. — 
Ich schilderte diese Gegend vorzüglich, um, da die 
Schilderung aufs Ganze paßt, aus diesem Einzelnen 
einen Begriff über dasselbe zu geben. Wo auch die 
Natur Stiefmütterlichkeit ausübte, gab die Allgute 
in anderer Rücksicht desto mehr Segen, und >m 
Streben ums Eine Zweckmäßige, findet sich endlich 
doch die Kompensation des andern. 
Kalkstein ist beinahe der ganze Bestandtheil der 
Neuschlesischen Gebirge, man findet aber auch Eisen 
und Steinkohlen. Die Gestalt und das äußere An 
sehen derselben ist sehr verschieden. Einige, die ich 
di« Ersten nennen will, steigen gleich vom Thale an 
steil auf und bilden schmale, unfruchtbare Rücken, 
ziehen sich meistens von Abend gegen Südvsten 
hin, haben zum Theil öde Abhänge, die mit dem von 
den häufig hervorragenden Felrthürmen abgewitter 
ten Kalk- und marmorartigen Sandstein überschüttet 
sind, und gönnen neben verschiedenen Moesarlen nur 
wenigen Tannen und Birken, der Schleehecke und 
der Wachholderflaude ihr kärgliches Fortkommen. — 
Die zweite Art läuft nicht so jähe an, und erreicht 
die Hohe der vorigen nicht. Sie haben breitere 
Rücken, mit Tannen, Birken, Buchen und Eichen 
bekränzt, und erlauben dem Landman», Früchte zu 
" pflanzen. Die Hügel der dritten Art erheben sich 
unmerklicher vom Thale bis zu geringerer Höhe. 
Felder, Grasweiden und Obst-tragende Bäume sin 
ken auf ihrer Oberfläche Fortkommen. Hie und da 
beschattet sie auch ein Wäldchen von Tannen, und 
so wird diese Gegend durch die Abwechselungen ihrer 
Oberfläche dem Freunde ungeschmückter Natur ange 
nehm, und ihr Inneres dürfte wohl bei nähern Ver 
suchen dem prüfenden Naturforscher ohne Zweifel 
auch merkwürdig seyn. — 
Don der Kultur Neoschiesiens kann ich rühmen, 
daß sie jetzt täglich zunimmt. Beweise davon sin'
	        
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