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Nicht-politische Zeitung. Nro. F2.
Winter-Zeitvertrcsb in St. Petersburg.
c Fortsetzung von Nr.
Range der «»eite und im Atter vielleicht tcr erste, ist der
Englische Klubb, so genannt, weit vorzüglich die Englische
Faccorei daran Theil nimmt. Er hat bereit» seil bieten Jah
ren sein eigene« Hau« und zeichnet sich durch eine gewisse Wahl
seiner Mitglieder aus. Die« ist eigentlich der Klnbb siir die
vornehmer» Kaufleute aller Nationen, doch enthalt er auch
viele Personen vom hohen Adel, die hier ihre Sptelparticen
machen, und zwar zu sehr hohen Preise». Der verstorbcne be-
riihmte Fürst Be«borodto, die Galovine, die G »l » v-
kine u. s. w. brachten und bringen zum Theil noch, ihre
Abende dort zu. Dieser Klubb erlitt auch in den bedenklichste»
Zeiten nie eine Anscchtung. Zeitungen, Spiel und die Freuden
der Tafel füllen hier die müßige» Stunden au«. — Die Zahl
der Mitglieder betaust sich stet« aus mehrere Hunderte.
Ein ähnlicher Klubb siir hie Mittelklasse der Kaufleute,
vorzüglich siir die Conimi«, und dann auch sür Künstler, lim
terbeamt« in den Evllegien.und Gerichien, Schausviclcr, seigere
Handwerker, ist der Bürgerkiubb, »er in dem schönste» Stadt-
theile die mittlere Etage eine« sehr weitlausttgen Eckhausc« ein-
nimmt. Hier ist die GeseUschast täglich am zahlreichsten, denn
Verheirathtte und Unverl,«rathete au« Len benannten Klassen
dringen hier gewöhnlich ihre Abende zu. Die Lage in dem
Mittelvunkte der Stadt, die Gewißheit hier seiye Bekannten
anzutreffen, die Freiheit, ganz nach seiner Laune den Abend
hinzubringen, ei» im Ganzen ziemlich guter und wohlfeiler
Tisch gute« Getränk, haben siir d,e meisten Mitglieder so viel
Anziehende«, dag sie ungern einen Abend vorbei gehen lassen,
»hne ihr GIa«chcn Punsch in diesem Klubb zu trinken. Auch
zieht manchen die Dcaucmlichkeit, seine politische Neugier zu be
friedigen dahin, denn hier trifft man in einem eigenen dazu be-
stimmten Zimmer fast alle Deutsche politischen Blakttr, Vom
Reich» - Anzeiger bi« aus da« politische Journal, und auch Eng
lische Zeitungen an; außerdem noch verschiedene nMit - politische.
Was sur Eine» oder de» Andern ein besondere« Interesse hat,
rvird denn auch wohl »uegerisse» au« dem hölzernen Leserah
men, worin sie unter Schloff liegen, und eingesteckt. — Bor-
,»glich behauptet man, daff Deutsche Schauspieler oft den
Freimüthigen so lieb gewonnen haben. Der Haupt-Zeitvertreib
ist aber auch hier da« Boston, und die Mitglieder diese«
Klubb« sind so berühmt als Virtuosen in diesem Spiele, daff
man in andern Gesellschaften sich nur mtt einer heiligc» Scheu
mit ihnen »um Spiele setzt. L'Hombre-Partien sind selten,
»her stiidet man Piket und Schach, in welchem letzter» Spiele
e« inehrcre Meister giebt, so wie auf dem Billard, deren hier
zwei fast stet« besetzt sind. Billard, Karten und Getränke ge
hören zur Einnahme der Gesellschaft und tragen beträchtliche
Suiiimen ein, da« Essen besorgt der Sckonom, dem auch der
Punsch überlassen ist; dagegen gebort Tischzeug und Silberzeug
nebst alle»! übrigen Gerarhe dem Klubb, Um ir ubr wird
der Klubb geschlossen, den Tag über ist er selren ganz »ecr.
Die »leisten der unv-rbeiralhe.cn Mitglieder, vorzüglich an«
dem Kausmannsstande, nehmen an dem Mttrag«l,s»e Theil,
der sehr mäßig im Preise und immer sehr besetzt ist. uebri-
gcn« steht e» einem leben frei zu verzehren «a» vnd wieviel ex
will. auch gar nicht«, wenn e« ihm nicht beliebt, unttr rer
vorigen Regierung wurde dieser Kiubb geschlossen; gleich im
erste,, Jahre der ictzigon aber wieder eröffnet, und diese Unter
brechung halte sür die «esellschast den Vortheil, daß sie dadurch
sich selbst rcknizke. — Die Ursache, »aß ste geschlossen wurde,
lag wo bi mit darin, daß bei dem Znsammenstnffe so vieler
Mrnichen an« alle» Standen, worunter sich natürlich auch viel«
geschäftige Müffigganger und Ncnigkntskramer fanden, dieser
Kiubb gleichsam bie Niederlage und »ft anch »er Gerichtshof
der Begebenheiten de« Tage« war. Hter wurde dann und wann
ein wenig getannegicffcrt, der Punsch schloff dann oft da« Herz
aus und e« traten Urchetle hervor, die man sonst eben nicht
laut werde» ließ, auch fand woist zuweilen ein kleiner vorwitzi
ger Widerspruch gegen die Dictakur der Polizei -osstciere Stall,
und was der Grunde in jenen Zetten noch mehrere se»n moch
ten. — Jetzt laßt man die allen friedlichen Bürger bei ihrem
Psetsche» Liihig »otirisireii, und da« Deutsche Theater ist siir
viele dort eine reiche Fundgrube an Unterhaltung. — Bor der
Periode ilwcr Regen« atton wurde der Ealharineiitag mit ei
nem Balle gefeiert. Jede« Mitglied erhielt gegen eine» sehr
mäßige» Beitrag, sür pen die Erleuchtung und Muht bestrit
ten wurde, zwei Damenbiilettc und e« wurden auch niehrerc
Gastbillettr «»«getheilt. Daß an diesem Abende keine der ehr
baren Handwerk»-Frauen und Töchter, deren Männer, Daker
oder Bruder Mitglieder waren — »nd deren gab c« damal«
eine grob« Zahl, — von dem Balle wegblieb, »ersteht sich von
selbst. Doch drängten sich auch wohl Damen höherer Stande
hiuzu, die sonst vielleicht mit Naserümpfen auf den Bürgerktubb
herabsahen. Freilich gingen sie auch diekmal in inner affvern
Absicht hi», a» um an Orr und Stelle selbst da« Naschen zu
rümpfen und Stoss zur Thee - Unterhaltung sür cmige Wochen
,u gewinnen; denn als Ball krönte diese Eesellschast wobt we-
ulg Reizende« haben. In einem Lokal, welches eben groß ge
nug ist einige bunbert Mttgliedcr mit Beanemiichtett zu fasse«,
preßten sich setz« Tausende zusammen. In den Sälen wo ge
ranzt wurde, waren erhöhte Banke an den Wanden umher, wo
da« schone Geschlecht ln bnnlcr Mischung von alle» Standen,
alle» Nationen, alle« Familien, allen Anzügen und Aussätze»
Platz nahm. Die Instwandelndeu Hrrreu füllien den großien
Theil de« übrigen Raum« an« und sür die Tanzenden blieb
äußerst wenig Platz. Da« Gedränge, die Ansdimstungen der
Menschen, die einer Wolke gleich sich an der ober» Decke la-
gcrieu, der Dampf und die Glut der Wachkkcrzcu, in de»
Nebenzimmern der Tabacksrauch, da« beraubende Getose der
Instrumente da« hin und her Wogen der ganzen Masse, wahr
lich die« erforderte eine» überwiegende« Genuß, wenn e< nicht
unerträglich werden sollte. Auch schwur ein Jeder, wenn er
den Ball verließ, die« solle das Letztem»! sinn, daß er für seine
Person Narr genug gewesen wäre, daran Theil zu nehmen,
und i« künftige» Jahr war er doch gewiß wieder da. Aber
iM Grunde gewahrte ein solcher Abend auch reichllcheu Ersatz
für alle diese unkequemlichketten, denn die droUigstcn Erschei-'
nnnaeu die settsaiusten Abcniheucr die kelustigendste» Jnttigucn
iu unerschöpflicher Mannigfaltigkeit sesseiicn die einen; Reich
thum , Luru« Moden, Schönheit die andern z fremdartige
Mischung der Sitten, »er Belker, »er Stande die »ritten; und
die gutmüthigen Geschöpfe, die cigenUich um de« Batte« willen
selbst da waren und da« ganze Schauspiel in unschuldiger Un
wissenheit aufführten, hatten ja auch ihren Genuß. Daß hier
tw»i die Rede von denen Frauen und Töchtern lener Stande
iß, welche durch Reichthum und Derbiudtingcn sich an den
Kausmannkstand anschließen, an den öffenilichc» Tanzgesell-
schasten mit dem mittlern Adel, ja wohl selbst mtt Fürstinnen
Antheil nelmicn, verstellt sich ungesagt, denn diese sind von den
»prnehmern Standen weder in Politur noch Kul or im gertna-
ften zu unterscheide«. An diesen, Abende holte aber auch die
Frau, die keine Ansrrüche auf Theilnahme an den Freuden der
höher» Stande macht, ihre stoffene gedlümte Roberonde »der
«hri-nue, die seit dem Hochzeitstage ihrer vuserstehung in dem
K.nicu unter dem r-ettc ruhig entgegen gesehen hatte, hervor,
setzte da« Holle Kopszeug mtt de«, feurige« Bande oder »er künst
liche» Rosenguiriandc auf, und schmück« da« Töchkcrchea «>i
allen Landern und Kränzen, die nur aufzutreibca waren.
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(Di« Fortsetzung folgt.)