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Volume Nro. 15., Sonnabend den 21. Januar

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue2.1804 (Public Domain)

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Angabe des Inhalts einer solchen, dann ein Beweis 
ihrer Möglichkeit u. f. w- — Beide schließen mit 
einer Aufforderung und Hoffnung, daß sie von Deut 
schen geschrieben werden möge. — 
Daß der gelehrte Philosoph die frühere Abhand 
lung nicht gelesen hak, ist gewiß: denn — er hat sie 
nirgend angeiührt, ob sie gleich so durchaus mit sei 
nen Ideen übereinstimmt. 
Frohe Aussichten. 
Herr Hofrath Spazier hat den vorjährigen Iah- 
gang seiner Zeitung für die elegante Welt mit dem 
Versprechen geschloffen, daß er in dem diesjährigen 
„nach dem U »e n d lich en streben wolle." Eine 
unendliche Eleganz: das ist in der That eine 
erhabene Idee! Freilich sind alle vernünftige Leute 
überzeugt, es gebe gewisse Grenzen der Eleganz, 
jenseit welcher sie in Fadheit und Abgeschmacktheit 
ausartet: — aber der Verfasser des Earl Pilger, oder 
gar Herr Earl Pilger selbst, wird den Flug 
ins Unendliche wagen: — welche Aussichten auf — 
Belustigung! 
Herr Spazier verheißt ferner, künftig keine Han 
del mit dem Freimüthigen anzufangen. Die Heraus 
geber des Freimüthigen fassen ihn dankbar bei dem 
edle» Worte. Sie werden desto unbefangener ■— ihn 
und seine Sprünge ins Unendliche belachen können. 
Zu spät! 
In Nr. 3. der diesjährigen Zeitung für die ele 
gante" Welt thut ein Herr v. G. die sehr vernünf 
tige Bitte an die Dichterlinge Deutschlands, in Rück 
sicht auf Herder: sie möchten doch den großen Mann 
in Frieden ruhen, ihn in seiner Unsterblichkeit 
wie einen Gott unter uns leben lassen, ihm keine 
Nesseln und Stinkblumen aufs Grab legen, in der 
Meinung es feien schone, süßduftende Blumen u. s. w. 
Wer den Werth des hohen, edlen, während seines 
Lebens so oft verkannten und verfolgten Mannes und 
seines Genies, nur einigermaaßen zu fassen vermag, 
wird in diese Bitte herzlich einstimmen, aber — sie 
kommt zu spat! Schon in Nr. 1. der besagten Zeitung 
steht ein prosaischer Singsang von Herrn Falk 
auf ihn, den schwerlich einer unserer zehntausend 
Dichterlinge an Plattheit wird zu übertreffen vermö 
gen. Er enthält unter andern folgende Verse, die 
ein künftiger Verfasser einer Deutschen Abhandlung: 
„UeberdieKunstdesSinkenS" ja nicht übersehen darf: 
Fuhrt zu Herd«m »iich, rem Hohen. 
Dem ick kranken LandSmannS Gruß, 
Fernem Üststestrand enkftohen, 
Noch henk Abend bringen muß. 
Dieses „Noch heut Abend u. s.w." ist in der That 
erhabene Plattheit. Noch gelungener in ihrer 
Art sind aber folgende Verse: 
Diese Füße, die dich suchte«, 
Finden dich in Grabesnachk. 
Also die Füße des Wanderers suchten Herd ern? 
Seine Füße finden ihn? Hielt er den großen Ver 
storbenen etwa für einen Schuhmacher? — Ob nicht 
diese Reimelei die nächste Veranlassung zu der Bitte 
des Herrn von G. gewesen ist? — Weg, Armselige, 
von dem Grabe, das in jedem neuen Jahrhundert 
der Nation ein höheres Heiligthum seyn wird! — 
Berlin. 
m 17. Januar wurde hier das ganze Musikliebende 
Publikum in einer sorgfältig erregten Erwartung un 
angenehm getäuscht. Herr Lebrun, erster Wallchornist 
der Königlichen Capelle, hatte seit ein Paar Wochen 
öffentlich zu einem Concerte eingeladen, dessen zweiter 
Theil aus einer Erfindung von ihm, die er Mclopoesie 
nannte, bestehen sollte, und von der er einen ergrei 
fenden Effekt erwartete und versprach. Die aufge 
reizte Neugier zog eine sehr große Zahl von Zuhörer» 
herbei, aber gleich Anfangs wurde allgemeines Mis- 
vergnügen durch die Bemerkung veranlaßt, daß eine 
unverhaitnißmäßig-große Menge von Billets ausge 
geben waren. Der Saal und der Platz des Orchesters 
wurden nicht nur überfüllt: selbst in dem Vorzimmer 
war ein Gedränge von Zuhörern, die nicht mehr Platz 
fanden; und die Anwesenden wurden durch den Aus 
gang des Concerts für die Unbehaglichkeit ihrer Lage 
durchaus nicht entschädigt. Zwar bezauberte in dem 
ersten Theile Madame Marchetti durch hinreißend 
schönen Gesang und Himmel durch sein meisterhaf 
tes Spiel, aber die Melopocsie blieb tief unter aller Erwar 
tung. Sie bestand darin, daß eine unsrer vorzüglich 
sten Künstlerinnen ein an sich sehr artiges Gedicht nicht 
deklamirte, sondern nur mit Pausen ablas, in welchen 
Herr Lebrun die in den Versen ausgedrückten Empfin 
dungen auch auf dem Waldhorne vorzutragen ver 
suchte. Er zeigte sich als Virtuos auf seinem Instru 
mente: aber Aehnlichkeit zwilchen dem Gelesenen und 
dem was er vortrug aufzufinden, dazu gehörte wohl 
eine größere Spannung der Phantasie und des Ge 
fühls, als in dem überfüllten Saale irgend jemand 
haben konnte. Wirkung auf das Herz zu thun, 
möchte sich die ganze Erfindung, auch auf einem an 
dern Instrumente ausgeführt, schwerlich eignen: da 
bei diesem musikalischen Kunststück, bei dieser Ueber- 
setzung aus der Sprache durch artikulirte Töne, 
in die Sprache durch unartikulirte, — wohl nur 
der Verstand beschäftigt ist, zu untersuchen, ob die 
Uebersetzung treu^ ist. Die Zuhörer sind zu sehr mit 
Dergleichen beschäftigt, als daß sie Zeit hatten, zu 
empfinden. 
D - T. 
Neuigkeiten aus Paris. 
Der schon bekannte und geschätzte Dichter Tssiö- 
vsnsu hat den Plan und den eisten Gesang eines 
Heldengedichts bekannt gemacht, dessen Held Karl 
der Große seyn soll, — um die Aussprüche der Kri 
tiker darüber zu hören, und damit, wenn er etwa 
vor der Vollendung sterben sollte, ein andrer es vol 
lenden könne. Das verräth viel Beschs denheit, zu 
viel, — denn wer so kalt die Aussprüche der Kri 
tiker auffordert, um ja correkt zu seyn, und sich so 
ruhig mit der Idee beschäftigen kann, daß ein an 
derer sich sein Thema zueigne, — kann unmöglich 
sehr lebhaft von demselben ergriffen und begeistert 
seyn. Es ist zu fürchten, daß dieser Karl der Große 
eben nicht dir große Lücke in der Französischen Poe 
sie ausfüllen werde, die der Mangel eines wahren, 
großen Heldengedichts, in derselben ist.
	        
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