Path:
Volume Nro. 161., Montag den 13. August

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue2.1804 (Public Domain)

123 
Die Priesten» »es Schöne», Porste! 
Und alle Wese» folgien ihrem Tritte, 
Es jvg ste an mir heiL'ger Simpnlhie: — 
Das Lebe» hob sich aus des Liedes Wogen , 
Zinn Höchsten ward der Sin» emporzeioge». 
Und wie ste schön und lieblich sich gestaltet, 
Lag die Natur rein vor dein innern Blick» 
Wie stch das Ideal dem Geist entfaltet, 
Schafft sich der Mensch ein unsichtbares Glück» 
Das freie Spiel vcrborg'ner Kräfte waltet, 
Der Traum entstiebt, die Tauschimg weicht zurück» 
Und aus der Menschheit stillerrnng'nen Höhen, 
Sieht man der Wahrheit lichten Tempel stehen! — 
Welch neuer Geist, in heil'ger Glut entsprossen, 
Rührt meiner Harfe gold nes Saitensoiel? 
Ist ste es selbst, von Aetherglan- umflossen, 
Die flammender mir aufregt das Gefühl? 
Was rauscht, wie wenn fortwälzend stch ergossen, 
Auf reicher Trist der stebenarm'ge Ml ? 
Hör' ich ApollonS würdige Genossen, 
Hat er stch selbst mir liebend ausgeschlossen? 
Ein kühner Aar, theilt niit gewalt'gen Schwinge» 
Die Lüste Pindar; des Olympos Höh, 
Unsterblich das unsterbliche zu stngen, 
Erreicht Homer im Flug der Epovee. 
Bon Liebe hör' ich TejoS Leier klinaecn, 
Tyrtäos Muth in Heldenliedern wehn,— 
De» fügen Schmerz in Savphos Klage flöten 
Uild Sophokles der Götter Sprache reden! — 
Doch welche Wandlung? Welcher düstre Schleien 
Verhüllt der alte» Säuger heil'ges Chor? 
Was stört Mineroriis, was Dioncns Feier, 
Welch ödes Schweigen trist mein lauschend Ohr? 
Ist sie verstimmt, des Mufeiigoikes Leier, 
Tritt keiner aus dein Kreis der Himmlische» hervor? 
Was rastet ihr, Achajas edle Sohne, 
Dem Nachhallzu entwecken Orpheus Töne? — 
Die Muse schweigt! — von ungewcih'ten Schaare» 
Erfüllet sich der Göttin Heilizthum! 
Ihr Bild umdrängen stannende Barbaren, 
Mit rohem Sin» verspottend ihren Ruhm! — 
Ist keiner, der ste rette den Gefahren? 
Wird auch die Kunst des Schicksals Eigenthum? 
Must auch das Schöne die Gewalt zerstören, 
Kann solch mcheil'gem Frevel niemand wehre»? 
Und steh! ein edles Volk am Tibcrstrande, 
Von göttlicher Begeisterung entgluht, 
Empfangt mit hoher Feier die Verbannte, 
Von tausend Lippen schallt der Weihung Lied. 
Der Paan tönt, — die Glut des Atters brannte» 
Zu stiller Andacht schwang stch das Gemüth,, 
Und auf des Kapitols erhob'»er Spitze, 
Trug Jovis Adler die gewcih'tc» Blitze. 
CH. Schreiber. 
( Die Fortsetzung folgt.) 
Ueber Wahrheit. 
Fragment aus einer Rede» 
(Gehalten im Jahr 1794.) 
„ 9?>cht jede Wahrheit taugt dazu» bekannt zu 
werben! Manche ist ein berauschendes Gift!" 
Aufgeblasener Thor, der Du so sprichst! Hältst Du 
dich denn für ein Wesen höherer Gattung, baß Du 
vermeinest, deine Brüder vermöchten nicht zu ertra 
gen, was Du ertragest? Vermessener! Weißt Du 
denn nicht: alles was die jetzige Generation denkt, 
sey nur Resultat von dem, was die vorhergehende 
gedacht hat? Der lichte Gedanke, der in deinem 
Kopfe aufblitzt, leuchtete gestern schon tausend andern, 
in andern Gegenden der Erde, wird morgen wieder 
taufend andern von selber leuchten. — Die Aufklä 
rung ist eine helle, wohlthätige Flamme, die über den 
Erdball erwärmend und erhellend hinflutet. Du, 
Lächerlicher, willst ein Theilchen derselben in deine 
Hand beschließen, weil Du sie für schädlich hältst, 
indeß dich ein ganzes Flammenmeer umwallt? Wie 
kindisch! — Und vermöchtest Du es: wie verbreche 
risch! Wahrheit ist die Sonne der moralischen Welt, 
und was im Schatten steht, artet aus oder erstirbt.' 
Neun Zehntheile alles Unglücks, das je die Mensch 
heit in großen Massen, oder ein Individuum elend 
machte, waren Folgen des Irrthums, und seiner 
Tochter, der Inkonsequenz. Willst Du einen Be 
weis? Seit Jahrtausenden schielen alle politiiche 
und religiöse Einrichtungen und Verfassungen auf 
der Erde, in eine andre Welt hinüber, deren Daseyn 
noch immer problematisch ist. Gieb dem Glauben 
Gewißheit, die vor der schärfsten Prüfung der Ver 
nunft besteht, oder — vernichte ihn durch Gründe, 
wenn er ein Irrwahn ist, und fast alle Inkonse 
quenz, an welcher so viele Generationen aller Völker 
erkrankten, verdarben» ist verschwunden» Keine 
Kreuzzüge dann, keine Religionskriege, keine vertilgte 
Ketzer und Heiden . Völker, keine Klöster, kein 
Tyrannensinn, oder doch — keine geduldig er 
tragene Sklaverei» G. M. 
Aphorismen» 
ie wenigsten Menschen sind von Natur Thoren, 
die meisten werden es aus Eitelkeit. 
Die größte Tugend ist die, der Tugend treu zu 
bleiben. 
Der witzige Kopf gleicht einer elektrischen Wolke. 
Jede Berührung schlagt Funken aus ihm. Der 
nachlalle,ide Witzling ist der Blitzableiter, der den 
Fun.en auffängt, und ihn — ins Wasser führt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.