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tun, daß die Deutschen je zuweikrn bei ihren Ueber-
setzungen — wenigsten« in der Wahl de« Gegenstan
des, den Geschmack zu Rathe gezogen haben. Viel
mehr dürfte man sich daher über Herrn Adelung
wundern: daß derselbe bei seinen archäologischen, und
nicht geringen Kenntnissen der klassischen Literatur, sich
einer so undankbaren und wenig belohnenden Arbeit
unterzogen hat, indem Calpurnius bekanntlich kein
eigentlich klassischer Dichter ist und überdies ein bloßer,
oft wörtlicher — und nicht immer glücklicher — Nach
ahmer Theocritö und Virgils, man ihm übrigens auch
nur, in Hinsicht mancher einzelnen Aufschlüsse über
die Sittengeschichte seiner Zeit, bisher historischen
Werth zugestanden hat.
Hier sind nun auch die dem Nemesian bisher
zugeschriebenen Hirtengedichte in die Uebersetzung auf
genommen und, nach Wernsdorffe frühererMei-
nung, die nicht geringe Wahrscheinlichkeit für sich
hat, dem Calpurnius beigelegt worden. Es befinden
sich daher hier in allem eilf Idyllen; bekanntlich
wurden immer nur sieben unter dem Namen keS
hier übersetzten Dichters angeführt.
Außer einer historischen Einleitung über Calpur
nius und seine Idyllen, in welcher H. A. hauptsäch
lich die Aufnahme der Pseudo Nemesianischen tut*
theidigt, und übrigens von seiner Arbeit mit lobeuS-
werther Bescheidenheit spricht, hat derselbe jeder Idylls
noch besonders eine historische Erklärung und kritische
Anmerkungen beigefügt, die, ohne eben erschöpfend
zu seyn, oder Neues zu enthalten, zur Verständlich
keit des Dichters das ihrige zweckmäßig beitragen.
Diese und der gegenüberstehende Lateinische Text
nehmen den größten Theil des — übrigens typogra
phisch-schönen — Werks ein.
Was die Uebersetzung selbst betrifft, so ist
sie in — Nicht-Dossischen Hexametern und, bei
aller schulgerechten Treue, die nicht selten den wah
ren Sinn entstellt, großtentheil« ohne allen poetischen
Werth. Gleich die Anfangszeilen der ersten Idylle
mögen hier zur Probe stehn und das Gesagte bestätigen.
OrnituS. Sinkend ,ahmet der Sommer noch nicht die Pferde
der Sonne,
tt»d doch druckten die Presse» nun schon auf saftige
Reden,
Und es schäumet der gährendc Most mit dumpfm
Geräusche.
Coridon. Ornitus, siehest Du wie die uns vom Vater ver
trauten
Kühe sich weich gelagert unter struppige» Eiuster?
Warum sollen auch wir nicht Schatten suchen der
Rahe?
Sollen gesenkt das Haupt mir bloßem Huthe be
schützen 7
Ornitus. daß uns, Vrudcr, de« Hain, laß jene Höhle «n«
suchen.
Unserem Fanus geweiht, wo im dichte» Walde die
Pinien
Schlank die Acste verschränke«, der drcnnenteu
Sonnerm» Obdach, (!!)
Wo die Buche beschattet den Quell, der Wur;el
cntsvrudelt,
Und ihm webet ein schützendes Zelt mit irrenden
Aesten.
Coridon. Wo Du mich intmer hinrufst, ich folge Dir, Orni-
tus, willig,
Da mir Seuce versagt Umarmung und nächtliche
Freude»,
Stehet mir offen der Hain des hörnertragenden
Faunus.
Das ist nur die erste, aber noch nicht die
schlechteste Stelle im Buch. Auf Harten, Elisio
nen, mangelnde Cäsur und Inversionen stößt man
häufig. Den Sinn des Originals findet man wohl
heraus, aber fast nirgends findet man poetischen
Sinn und dichterischen Ausdruck. — Hätte Herr
Adelung nicht vielleicht besser gethan, da es doch ein
mal auf eine Verdeutschung des Calpurnius von ihm
abgesehen war, sie uns io ungebundener Rede zu
geben?
A —
Diesjährige Johannis-Freuden in Mttan.
Ein hellerer Punkt im Leben der Mitauer ist —
die Iohanniözeit. Der Glanz des Geldes, welches
nur einmal im Jahr hier eine dedeutende Rolle
spielt, erheitert die sonst so grämliche Physiognomie
der guten Stadt und das Antlitz jedes ihrer Bewoh
ner. Alle Geldgeschäfte des ganzen Landes werden
nemlich um diese Zeit hier in Mitau gemacht, die
Contrakte und Pfandbriefe erneuert und neue ge
schlossen. Man rechnet, daß auf dieser jährlichen
Geidmesse, in dem Zeitraume weniger Tage, eine
halbe Million umgesetzt werde. Auch kann man
eben so gut annehmen, daß um diese Zeit das halbe
Land in die Hauptstadt zusammengedrängt sey, dir
alsdann einem bi« oben angefüllten Deckcltopfe gleicht,
der inwendig siedet und außerhalb schäumt. Denn
schon außerhalb der Stadt drangen sich Menschen
und Vieh zum Ziel der allgemeinen Wallfahrt und
drinnen wogt und kocht es wie — eine Rumfordsche
Suppe. Den Heimischen wie den Fremden, treibt
sein Interesse dahin; und wer nicht an dem allgr-
Nieinen Geldconimcrz besonderen Theil hat, nimmt
wenigstens Theil an dem damit verknüpften Gewühl
und den mancherlei Freuden in seinem Gefolge. Uns
sollen hier gleichfalls nur die letzteren beschäftigen.
Eine Gallerir derselben von diesem Jahr, möge einen