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Volume Nro. 145., Sonnabend den 21. July

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue2.1804 (Public Domain)

SB 
tun, daß die Deutschen je zuweikrn bei ihren Ueber- 
setzungen — wenigsten« in der Wahl de« Gegenstan 
des, den Geschmack zu Rathe gezogen haben. Viel 
mehr dürfte man sich daher über Herrn Adelung 
wundern: daß derselbe bei seinen archäologischen, und 
nicht geringen Kenntnissen der klassischen Literatur, sich 
einer so undankbaren und wenig belohnenden Arbeit 
unterzogen hat, indem Calpurnius bekanntlich kein 
eigentlich klassischer Dichter ist und überdies ein bloßer, 
oft wörtlicher — und nicht immer glücklicher — Nach 
ahmer Theocritö und Virgils, man ihm übrigens auch 
nur, in Hinsicht mancher einzelnen Aufschlüsse über 
die Sittengeschichte seiner Zeit, bisher historischen 
Werth zugestanden hat. 
Hier sind nun auch die dem Nemesian bisher 
zugeschriebenen Hirtengedichte in die Uebersetzung auf 
genommen und, nach Wernsdorffe frühererMei- 
nung, die nicht geringe Wahrscheinlichkeit für sich 
hat, dem Calpurnius beigelegt worden. Es befinden 
sich daher hier in allem eilf Idyllen; bekanntlich 
wurden immer nur sieben unter dem Namen keS 
hier übersetzten Dichters angeführt. 
Außer einer historischen Einleitung über Calpur 
nius und seine Idyllen, in welcher H. A. hauptsäch 
lich die Aufnahme der Pseudo Nemesianischen tut* 
theidigt, und übrigens von seiner Arbeit mit lobeuS- 
werther Bescheidenheit spricht, hat derselbe jeder Idylls 
noch besonders eine historische Erklärung und kritische 
Anmerkungen beigefügt, die, ohne eben erschöpfend 
zu seyn, oder Neues zu enthalten, zur Verständlich 
keit des Dichters das ihrige zweckmäßig beitragen. 
Diese und der gegenüberstehende Lateinische Text 
nehmen den größten Theil des — übrigens typogra 
phisch-schönen — Werks ein. 
Was die Uebersetzung selbst betrifft, so ist 
sie in — Nicht-Dossischen Hexametern und, bei 
aller schulgerechten Treue, die nicht selten den wah 
ren Sinn entstellt, großtentheil« ohne allen poetischen 
Werth. Gleich die Anfangszeilen der ersten Idylle 
mögen hier zur Probe stehn und das Gesagte bestätigen. 
OrnituS. Sinkend ,ahmet der Sommer noch nicht die Pferde 
der Sonne, 
tt»d doch druckten die Presse» nun schon auf saftige 
Reden, 
Und es schäumet der gährendc Most mit dumpfm 
Geräusche. 
Coridon. Ornitus, siehest Du wie die uns vom Vater ver 
trauten 
Kühe sich weich gelagert unter struppige» Eiuster? 
Warum sollen auch wir nicht Schatten suchen der 
Rahe? 
Sollen gesenkt das Haupt mir bloßem Huthe be 
schützen 7 
Ornitus. daß uns, Vrudcr, de« Hain, laß jene Höhle «n« 
suchen. 
Unserem Fanus geweiht, wo im dichte» Walde die 
Pinien 
Schlank die Acste verschränke«, der drcnnenteu 
Sonnerm» Obdach, (!!) 
Wo die Buche beschattet den Quell, der Wur;el 
cntsvrudelt, 
Und ihm webet ein schützendes Zelt mit irrenden 
Aesten. 
Coridon. Wo Du mich intmer hinrufst, ich folge Dir, Orni- 
tus, willig, 
Da mir Seuce versagt Umarmung und nächtliche 
Freude», 
Stehet mir offen der Hain des hörnertragenden 
Faunus. 
Das ist nur die erste, aber noch nicht die 
schlechteste Stelle im Buch. Auf Harten, Elisio 
nen, mangelnde Cäsur und Inversionen stößt man 
häufig. Den Sinn des Originals findet man wohl 
heraus, aber fast nirgends findet man poetischen 
Sinn und dichterischen Ausdruck. — Hätte Herr 
Adelung nicht vielleicht besser gethan, da es doch ein 
mal auf eine Verdeutschung des Calpurnius von ihm 
abgesehen war, sie uns io ungebundener Rede zu 
geben? 
A — 
Diesjährige Johannis-Freuden in Mttan. 
Ein hellerer Punkt im Leben der Mitauer ist — 
die Iohanniözeit. Der Glanz des Geldes, welches 
nur einmal im Jahr hier eine dedeutende Rolle 
spielt, erheitert die sonst so grämliche Physiognomie 
der guten Stadt und das Antlitz jedes ihrer Bewoh 
ner. Alle Geldgeschäfte des ganzen Landes werden 
nemlich um diese Zeit hier in Mitau gemacht, die 
Contrakte und Pfandbriefe erneuert und neue ge 
schlossen. Man rechnet, daß auf dieser jährlichen 
Geidmesse, in dem Zeitraume weniger Tage, eine 
halbe Million umgesetzt werde. Auch kann man 
eben so gut annehmen, daß um diese Zeit das halbe 
Land in die Hauptstadt zusammengedrängt sey, dir 
alsdann einem bi« oben angefüllten Deckcltopfe gleicht, 
der inwendig siedet und außerhalb schäumt. Denn 
schon außerhalb der Stadt drangen sich Menschen 
und Vieh zum Ziel der allgemeinen Wallfahrt und 
drinnen wogt und kocht es wie — eine Rumfordsche 
Suppe. Den Heimischen wie den Fremden, treibt 
sein Interesse dahin; und wer nicht an dem allgr- 
Nieinen Geldconimcrz besonderen Theil hat, nimmt 
wenigstens Theil an dem damit verknüpften Gewühl 
und den mancherlei Freuden in seinem Gefolge. Uns 
sollen hier gleichfalls nur die letzteren beschäftigen. 
Eine Gallerir derselben von diesem Jahr, möge einen
	        
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