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Volume Nro. 143., Donnerstag den 19. July

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue2.1804 (Public Domain)

1804. 
D 
Donnerstag, 
Ern 
Nro. 145. 
den 19. Zuly. 
Literatur. 
Lebensgeister, aus dem Klarfeldischen Archive. Er 
ster Band. (Gotha, in der Veckerschcn Buch 
handlung.) 
dieses vortreffliche Buch, mit dem ich das 
Publikum jetzt näher bekannt machen will, noch von 
keinem Recensenten angezeigt, und vielleicht auch von 
den Freunden roniantischer Lektüre übersehen ist, mag 
wohl an der Deriagehandlung liegen, die den Ver 
fasser, der durch sein „goldnes Kalb" so viele 
Verehrer sich erwarb, auf deni Titelblatte naher zu 
bezeichnen, unterlassen hat. Auch der unverständliche 
Titel selbst, mag nianche Leser abgeschreckt haben; 
denn nur dann, wenn man das Buch gelesen und 
darüber nachgedacht hat, kann man mit dem Werte: 
„Lebensgeister", eine deutliche Idee verbinden. 
Das ist sehr Schade; denn es verdiente von allen ge 
bildeten Menschen gelesen zu werden. Man sieht 
nehmlich, daß der Verfasser ein erfahrner Mann ist, 
der die Welt, und die unter den Menschen, beson 
ders in den höhern Standen, obwaltenden Verhält 
nisse genau kennt. Seine Reflexionen darüber theilt 
er nun hier in acht reizenden Erzählungen dem Pu 
blikum. welches das Nützliche gern.mit dem Schö 
nen verbunden sieht, mit. Sie sind sehr interes 
sante Beiträge zur Philosophie des Lebens, über die 
in unserm Zeitalter schon viel geschwatzt und geschrie 
ben worden ist, die aber demungeachtet nur leiten 
praktisch angewendet wird, weil sie meistens weife 
Beherrschung der Affekten und Begierden bezweckt, 
und es leider! wenige Menschen giebt, die sich selbst 
so in der Gewalt haben, daß sie diese, die ehrendste 
unter allen Herrschaften, über sich ausüben können. 
Gern würde ich mich über diesen Punkt weit- 
läuftiger erklären; — aber der Raum gebietet mir, 
hier abzubrechen, um den Lesern des Freimüthigen 
noch etwas über die Erzählungen selbst, die wir hier 
finden, sagen zu können. Die erste, die „F r ü h- 
lingsleben^ überschrieben ist, gewährt eine sehr an 
ziehende Lektüre, und verdient besonders wegen des 
trefflich gezeichneten Charakters des Vaters, vielAuf 
merksamkeit. Nicht weniger interessirt im: „Bil- 
dermann," der zweiten Erzählung, der Schwär 
mer Adolf. Ob er aber nicht etwas zu grell ge 
malt sinn mag? Zch dächte fast. Die dritte und 
vierte Erzählung, welche die Worte: „die Werk- 
stätte" und — „Nichts" an der Stirn führen, 
verdienen aber nach meiner Einsicht den Preis. 
Zn der ersten zeigt der Verfasser, daß Kultur der 
schönen Wissenschaften, als Nebenbeschäftigung für 
GcschäftSinänner, die edelste sey, die sie wählen 
können, daß sie aber niemand in Ausübung seiner 
eigentlichen Berufspflichten hinderm dürfe. O nioch- 
ten doch manche Jünglinge, die ohne belohnt zu 
werden, den Musen Pflicht und Glück opfern, diese 
Erzählung beherzigen; vielleicht wäre diese Lektüre fä 
hig, manchen Verblendeten zu ernsterer Thätigkeit zu 
rückzuführen. und ihn dahin zu bewegen, daß erstatt 
des Dichterlorderö, Bürgerkronen zu erringen strebte. 
Die vierte Erzählung wird besonders jungen Frauen 
zimmern, die in das^ebeiiche Leben treten wollen, 
sehr nützlich werden. «5ie erfahren hier ein Geheim 
niß, wie das Unglück mancher che durch Klugheit 
der Gattin vermieden werden konnte. Hier will
	        
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