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Volume Nro. 137., Dienstag den 10. July

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue2.1804 (Public Domain)

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Ueber Schillers Wilhelm Tell. 
(Fortsetzung.) 
^)?an wiederholte am 6. Julius dieses Trauerspiel: 
ich bin also im Stande, eine nähere Beurtheilung 
desselben schnell nachzuliefern. 
Auch nach dieser wiederholten kälteren Ansicht 
des Stückes, find' ich nicht Ursache von dem Lobe 
viel zurückzunehmen. Der Plan ist in der That mei- 
sterhast, nehmlich so weit das Stück geht, das heißt, 
bis zum Ende des vierten Aktes: keine Scene ließe 
sich entbehren, ohne daß eine Lücke in der Handlung 
(diese ist aber, wohl zu merken, nicht Tell's Ge 
schichte, sondern die Befreiung der Schweiz) 
entstünde, und für die Hauptscenen hat der Verfas 
ser alles vortrefflich berechnet» was ihren dichterischen 
Werth erhöhen konnte. Zn dieser Rücksicht ist der 
Schluß des vierten Aktes vorzüglich meisterhaft. Zch 
kenne wenig so schöne auf der Bühne ausgeführte 
Zdeen, als der Kontrast zwischen Tell, der in dem 
Hohlwege, in der Exaltation verzweifelter Entschlos 
senheit, dem Augenblick entgegensieht, eine That zu 
begehen, die das entscheidende Loos über sein Schick 
sal, das Schicksal seiner Familie und seines Vater 
landes werfen soll, — und dem frohen Hochzeitszuge, 
der an ihm vorüber wallt; ferner zwischen dem Weh 
klagen von GeßlerS Begleiter neben der Leiche, dem 
stummen, frohen Erstaunen der befreiten Landleute, 
und dem erhabenen Todtengesange der Mönche. Der 
Effekt, den die« Alles zu machen fähig ist, gehört 
zu dem Höchsten, was sich durch poetische Gruppirung 
leisten läßt. — Der fünfte Akt hingegen aus dem 
nur ein Paar Scenen dem Ganzen nothwendig sind, 
ist, wie der von Kotzebue's Huffiten, ein, in künstleri 
scher Hinsicht, nachlheiliger Zusatz, der die Wirkung 
des Ganzen sehr beeinträchtigt, und den Zuschauer 
abgekühlt entläßt. Da er aber wirklich sehr groß« 
dichterische Schönheiten besitzt, (z. B. die schauervolle 
Situation, in welcher der Kaisermörder erscheint, und 
die Beschreibung von dem Wege nach Ztaiien, u. a.) 
besonders aber da die, durch Johanns Erscheinung 
herbeigeführte Erörterung, warum seine That Selbst- 
rache, ein Verbrechen, — Tell'S Thal hingegen, als ab 
gedrungene Vertheidigung seiner Familie und Be 
freiung des gedrückten Vaterlandes, verdienstlich ist, — 
da diese Erörterung sage ich, obgleich nicht dem Stück, 
doch vielen Zuschauern eine nothwendige Zugabe 
ist, so betrachte man diesen Akt al« ein Nachspiel, 
un b _ sthr es nicht, wenn man die Wirkung des 
Stückes selbst ungeschwächt mitsich hinwegnehmen will. 
Zn Rücksicht der Charaktere verdient bemerkt zu 
werden, daß Schiller keinen einzigen über die Na- 
turwahrhrit hinaufgetrieben, innerhalb der Gränzen 
derselben, aber sie äußerst kraftvoll und schön ausge 
führt hat. Es ist kein einziger unter allen, der zu 
seinen Handlungen, wie in den ältern Schlllelffchen 
Stücken bloß durch philosophisch-gefühlvolle Senti 
ments und Ansichten bestimmt wird, sondern jeder 
wird durch Motive die aus dem Drange des Lebens 
selbst genommen sind, zum Handeln getrieben. Nicht 
durch Sophismen, durch Thaten und durch Leiden 
schaften werden hier die Thaten erzeugt. 
Am vorzüglichsten ist ihm der Charakter der 
Tell selbst gelungen. Tell ist ein feuriger Mann in der 
Blüthe seiner Kraft, der noch immer nrehr durch 
rasches Gefühl als durch langes Nachdenken bestimmt 
wird: aber doch schon so reifen Geistes ist, die Ge 
fahr der Uebereilung zu erkennen und zu vermeiden. 
So nahm ihn Zffland, so hielt er ihn im Sturm 
der Gefühle: überall zeigte er, den Kampf der prüfen 
den Vernunft mit dem aufbrausenden Herzen, — und 
durch tausend charakteristische Züge bezeichnete er den 
Zuschauern, was ihn auf den Weg trieb, den er endlich, 
zwischen beiden hin. mit Entschlossenheit betrat. — 
Neben ihm ließ Herr Mattausch, als Arnold Melch- 
thal, in den leidenschaftlichen Scenen fast überall 
sehr schön den Züngling sehn, der in wenig Zähren 
ein solcher Mann seyn wird, als Tell jetzt ist. Auch 
Herrn Bethmann, als Ulrich von Rüden;, Herrn 
Reinhardt als «Ltauffacher — und der Ausführung ver 
schiedener kleinerer Rollen, gebührte lebhafter Bei 
fall: — im Ganzen aber schien die Darstellung nicht 
gehörig vorbereitet. Selbst bei der zweiten Auffüh 
rung noch, mußte der Souffleur oft so laut werden, 
daß er in mancher Scene allen Effekt vernichtete. 
Der geliebte Hund. 
Grabschrift. 
Dieben ein Löwe, Galane« ein Lamm, 
War er ein Liebling »on Herr und Madam. 
Ehefrruden. 
Zwei Freuden find'S, womit die Eh' das Herz erfüllt: 
Ein Weib ins Braut- und Sterbe- Hemd gehüllt. 
C süßer Stand, in dem die letzte Stunde, 
So schwarj sie auch vei quasi niedersteigt, 
Der ersten an Entzücken gleicht! 
Flach und Tief. 
Lyee schrieb mit ihrem Hirtenstabc 
In den Sand: Mein ganzes Herz ist dein! 
Ich schnitt in die Eiche: „Bis ium Grabe 
Soli dies treue Herz dein eigen seyn." — 
«ch da blies der West: 0 Jammerklag!, 
Ihre Liebe flog von Flur zu Flur, 
Mit dem Sand, auf welchem sie mir schwur — 
Ach! und meine wachst mit jedem Lage. 
' «. 
AIü Lirus drohte. 
Wenn mich, ob meiner Kritik «nd Lehre, 
In seine komischen Charaktere 
Der Lnstsoielmachcr aus Grolle mischt: — 
• Entsetzliche Rache! — Bei meiner Ehre! 
Dan» werd' ich »om Publikum ausgezischt. 
____ Hg-
	        
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