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in tcr Melodik finden können, man hatte jeden der
vorgeschlagenen Töne unterschieben können.
Es wurde später und wir wurden zum Abend
essen gerufen, das, Voßm zu gefallen, nicht in der
Laube sondern im Freien gehalten wurde, wo eine
hohe weißstämmige Birke über die Bänk'
und den Tisch hinsäuselte. Es war ein herr
licher Abend und die Gesellschaft innig vergnügt, lind
unsern Voß hätten Sie sehn sollen, -wie der sich
ganz als den lieblichen Zdyllendichter offenbarte, wie
er ruhig schmaus'te und eben so ruhig das Gespräch
führte. Hundertmal dachte ich an alle Scenen in
der Luis«. Er sprach mit vieler Liebe von vergange
ner Zeit, ohne^ jedoch öt>8 seiner Ruhe gebracht zu
werden; von Stolberg, Klopstock, Hölty, und aß'da
zwischen ungestört fort. Es traf sich, daß die brau
nen Handschuh der Hofrakhin zwischen den Tellern
lagen. Er hielt sie für Brotschnitte und stach dar
unter, um einen anzustechen. „O weh, es sind meine
Handschuh!" sagte die Hvsräthin, und Voß: „Za so
geht es, wenn man schlechte Augen hat. Zch habe
schon einmal meiner Butterbüchse eine Ohrfeige gege
ben, weil ich glaubte, es sei eine Kahe, dir auf dem
Tische läge." Dabei blieb er so unbefangen wie vor
her. Aber als Phlegma dürfen Sie sich das nicht den
ken. E« scheint mir durch Ueberlegung gewonnene un
wandelbar« Ruh« und Charakterfestigkeit. Das Essen
verschwand nach und nach; die Gespräche wurden
traulicher, Voß leitete und hob sie allein. O daß ich
so reichlich schon auf der ersten Stufe meiner Wan
derschaft belohnt war und doch nicht sagen konnte,
wie froh ich sey, wie sehr ich ihn verehre! Und seine
Ernestine saß still unter den Damen, sprach wenige,
aber besonnene Worte und sah gewöhnlich denkend
vor sich hin mit gradgehobenem Blick, der dem An
redenden verständig zu sprechen gebot. —
Siehe! nun k.'m mikdwchend »et Abend» heilige Kühlung
„ever die Flur, et verstummte »er Grund und den strahlenden
FelShöli'N
Nagender Berg' entschwanden die Leuchtnnqen, ivelche die Sonne
Ueber sie goß, hinsinkend, es wcheten tüchtige Lüfte
Wandelnd über die Wiesen heran und den rauschende» Gießbach.
Aber von neuem begann das Gefvrach vom Eutinischen Karten,
Und Von der Laub' am waldigen Sec, die er oft,chcr Luise
Liebliche Dichtung sinnend, umwandelte, schauend des Aufgangt
Rofenglonz und darauf die vergoldete» Abendwolken.
Auch vo» den Jugendfreunden erzähln er, ieneu gevricsene»
Jünglinge«, wie sie vereint de» Ruhmes Pfade betreten.
Innig erfreut. Doch hatte sie bald ein Trauervechangniß
Sille getreust und »cn letzten in dunkelwaltendeui Irrwahn.
„ I» da waren wir froh, wie die Himmlische«, als wir verbünde»
Nachbarlich wvhnten und er, was immer die Musi ihn gelehrt,
uns in verkündigen kam I» eilendem Laufe die Trepp' auf.
Einmal harte der Eifer das nengefungcne Lied uns
feurig annoch ,u »erlesen, ihn sonderbar irre geführt.
Denn, nickt achtend die Trevvc, »erieth er tiefer im Stockwerk,
Wo ein Maurer wohnte, »er eben über dem Betbucl,
Saß und staunend de« Gast einstürmen sab in die Stube.
Aber dieser, gedrängt von Begeisterung, schauete wild um,
Faß» den Stuhl vorstellend und las, und der ruhige Beter,
Still hinlegend die Brill' und das Betbuch, hörne willig
Bis er in Ende war. Da nahm dm verhiillenden Schleier
Ihm die Muse hinweg von dem Angesicht, daß er aus einmal
Sah verwandelt die Stub' «nd des Freundes Gestalt in den Maurer
Umgeraubert. Dock schnell auch die andere Rebelhüll
Fcrnekc sie uud wir sah«, wie er nun mit gewaltigem Lache«
Kam aus der Stube gestobn und kaum ji, erzählen vermochte.
Aber das ist nun alles dahin und ist alles verwandelt,
Seit er katholfich worden und abgestorben den freunden!"
Also erzählte der Säuger im Kreis der Horchenden ringsum.
Auch noch gab er uns Knude vom heiligen Sänger »on Sion,
Welcher so etwa zurück in die Heinialhfluren gewandelt
War. um den Pater zu schauen mildem viel ausduldenden Sohne.
Siehe! uns Hörenden wäre genaht die heilige Frühe,
Halte nicht selbst ausstehend vermahnt der gevriescne Sänger,
lind s» gingen wir heim, ein »«der in seine Behausung,
Denn schon nahte der Nacht llmdunkelung, aber die Sternlein
Blinkte« in drängender Fülle iu-r Ruh amuahneud hernieder.
F. Th.
M i s c e l l e n.
Aktes, probates Mittel singen zu lehren, und eint
helle, wohlklingende und d-uiernde Stimme ru ver
schaffen.
Äie ehemalige Nonnen - Abtei Vilich, bei Bonn
wurde im zehnten Zahrhuridcrt von einem Grasen
von Geidern gestiftet, und seine Tochter Adelheit
wurde di« erst« Aebtissin. Wenn zu ihrer Zeit die
Nonnen im Chor singen mußten, und keine Helle
Stimme hatten, so gab die fromme Aebtissin, wie
die Chroniken gar ernsthaft berichten, einer solchen
Nonne nur einen Backeiistreich, von welchem sie
sogleich «ine Helle Stimme bekam, und sie
auch nie wieder verlor. „Sahe das Mittelchen
nicht ein wenig zu unfreundlich aus, — in der That,
es wäi'e der Mühe werth, in gewissen Fällen zu
versuchen, ob die Frau^ Aebtissin eine Wundergabe
besaß, oder ob es natürlich iss!" — sagte kürzlich
jemand im Schauspiel zu mir. Z. E.
Nachricht.
uch in Rußland scheint man angelegentlich dahin
zu streben, bei allen Klassen von Staatsbürgern den
militärischen Geist rege zu machen. Wie wirksam
dazu di« Feststellung der Verhältnisse zwischen den
einzelnen Ständen, Rangbestiumiungen, selbst die Er-
theilung von Uniformen u. s. w.sind, braucht nicht erst
gesagt zu werden. Zn dieser Hinsicht allein sind fol
gende freilich nicht neue Nachrichten merkwürdig:
„Die Studenten der Russischen Universitäten ha
ben, sobald sie lmmatrikulirt sind, Fähnrich'« Charakter,
und tragen Uniform. Die der Studirenden zu Dor
pat ist ein blaues Kleid mir schwarz - saniuietenem
Kragen, auf welchem zwei Knopflöcher mit Gold
gestickt sind; Weste und Unterkleider sind weiß mit
Knöpfen von gelbem Metall. Auf den Knöpfen ist
ein Altar in erhabener Arbeit mit der Umschrift:
Humanität. Zu dieser Kleidung tragen sie einen
Officier«-Hut, oder ein Kasket mit einer großen Fe
der; bei Schuhen und Strümpfen, einen OfficierS-
Degcn, bei Stiefeln einen Säbel, der gewöhnlich
an einem schwarzen von der Schulter herabgehcn-
dem Gehänge befestigt ist."
„Die Professoren haben dieselbe Uniform, nur sind
auch ihre Aufschläge mit brodirten Knopflöchern geziert."
„Der Prorektor trägt Rabatten mit brodirten
Knopflöchern, und, da er Brigadiers-Charakter hat,
während seiner AnttSführung einen Federhut." u. s. w.
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