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Volume Nro. 123., Donnerstag den 21. Juny

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue2.1804 (Public Domain)

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in tcr Melodik finden können, man hatte jeden der 
vorgeschlagenen Töne unterschieben können. 
Es wurde später und wir wurden zum Abend 
essen gerufen, das, Voßm zu gefallen, nicht in der 
Laube sondern im Freien gehalten wurde, wo eine 
hohe weißstämmige Birke über die Bänk' 
und den Tisch hinsäuselte. Es war ein herr 
licher Abend und die Gesellschaft innig vergnügt, lind 
unsern Voß hätten Sie sehn sollen, -wie der sich 
ganz als den lieblichen Zdyllendichter offenbarte, wie 
er ruhig schmaus'te und eben so ruhig das Gespräch 
führte. Hundertmal dachte ich an alle Scenen in 
der Luis«. Er sprach mit vieler Liebe von vergange 
ner Zeit, ohne^ jedoch öt>8 seiner Ruhe gebracht zu 
werden; von Stolberg, Klopstock, Hölty, und aß'da 
zwischen ungestört fort. Es traf sich, daß die brau 
nen Handschuh der Hofrakhin zwischen den Tellern 
lagen. Er hielt sie für Brotschnitte und stach dar 
unter, um einen anzustechen. „O weh, es sind meine 
Handschuh!" sagte die Hvsräthin, und Voß: „Za so 
geht es, wenn man schlechte Augen hat. Zch habe 
schon einmal meiner Butterbüchse eine Ohrfeige gege 
ben, weil ich glaubte, es sei eine Kahe, dir auf dem 
Tische läge." Dabei blieb er so unbefangen wie vor 
her. Aber als Phlegma dürfen Sie sich das nicht den 
ken. E« scheint mir durch Ueberlegung gewonnene un 
wandelbar« Ruh« und Charakterfestigkeit. Das Essen 
verschwand nach und nach; die Gespräche wurden 
traulicher, Voß leitete und hob sie allein. O daß ich 
so reichlich schon auf der ersten Stufe meiner Wan 
derschaft belohnt war und doch nicht sagen konnte, 
wie froh ich sey, wie sehr ich ihn verehre! Und seine 
Ernestine saß still unter den Damen, sprach wenige, 
aber besonnene Worte und sah gewöhnlich denkend 
vor sich hin mit gradgehobenem Blick, der dem An 
redenden verständig zu sprechen gebot. — 
Siehe! nun k.'m mikdwchend »et Abend» heilige Kühlung 
„ever die Flur, et verstummte »er Grund und den strahlenden 
FelShöli'N 
Nagender Berg' entschwanden die Leuchtnnqen, ivelche die Sonne 
Ueber sie goß, hinsinkend, es wcheten tüchtige Lüfte 
Wandelnd über die Wiesen heran und den rauschende» Gießbach. 
Aber von neuem begann das Gefvrach vom Eutinischen Karten, 
Und Von der Laub' am waldigen Sec, die er oft,chcr Luise 
Liebliche Dichtung sinnend, umwandelte, schauend des Aufgangt 
Rofenglonz und darauf die vergoldete» Abendwolken. 
Auch vo» den Jugendfreunden erzähln er, ieneu gevricsene» 
Jünglinge«, wie sie vereint de» Ruhmes Pfade betreten. 
Innig erfreut. Doch hatte sie bald ein Trauervechangniß 
Sille getreust und »cn letzten in dunkelwaltendeui Irrwahn. 
„ I» da waren wir froh, wie die Himmlische«, als wir verbünde» 
Nachbarlich wvhnten und er, was immer die Musi ihn gelehrt, 
uns in verkündigen kam I» eilendem Laufe die Trepp' auf. 
Einmal harte der Eifer das nengefungcne Lied uns 
feurig annoch ,u »erlesen, ihn sonderbar irre geführt. 
Denn, nickt achtend die Trevvc, »erieth er tiefer im Stockwerk, 
Wo ein Maurer wohnte, »er eben über dem Betbucl, 
Saß und staunend de« Gast einstürmen sab in die Stube. 
Aber dieser, gedrängt von Begeisterung, schauete wild um, 
Faß» den Stuhl vorstellend und las, und der ruhige Beter, 
Still hinlegend die Brill' und das Betbuch, hörne willig 
Bis er in Ende war. Da nahm dm verhiillenden Schleier 
Ihm die Muse hinweg von dem Angesicht, daß er aus einmal 
Sah verwandelt die Stub' «nd des Freundes Gestalt in den Maurer 
Umgeraubert. Dock schnell auch die andere Rebelhüll 
Fcrnekc sie uud wir sah«, wie er nun mit gewaltigem Lache« 
Kam aus der Stube gestobn und kaum ji, erzählen vermochte. 
Aber das ist nun alles dahin und ist alles verwandelt, 
Seit er katholfich worden und abgestorben den freunden!" 
Also erzählte der Säuger im Kreis der Horchenden ringsum. 
Auch noch gab er uns Knude vom heiligen Sänger »on Sion, 
Welcher so etwa zurück in die Heinialhfluren gewandelt 
War. um den Pater zu schauen mildem viel ausduldenden Sohne. 
Siehe! uns Hörenden wäre genaht die heilige Frühe, 
Halte nicht selbst ausstehend vermahnt der gevriescne Sänger, 
lind s» gingen wir heim, ein »«der in seine Behausung, 
Denn schon nahte der Nacht llmdunkelung, aber die Sternlein 
Blinkte« in drängender Fülle iu-r Ruh amuahneud hernieder. 
F. Th. 
M i s c e l l e n. 
Aktes, probates Mittel singen zu lehren, und eint 
helle, wohlklingende und d-uiernde Stimme ru ver 
schaffen. 
Äie ehemalige Nonnen - Abtei Vilich, bei Bonn 
wurde im zehnten Zahrhuridcrt von einem Grasen 
von Geidern gestiftet, und seine Tochter Adelheit 
wurde di« erst« Aebtissin. Wenn zu ihrer Zeit die 
Nonnen im Chor singen mußten, und keine Helle 
Stimme hatten, so gab die fromme Aebtissin, wie 
die Chroniken gar ernsthaft berichten, einer solchen 
Nonne nur einen Backeiistreich, von welchem sie 
sogleich «ine Helle Stimme bekam, und sie 
auch nie wieder verlor. „Sahe das Mittelchen 
nicht ein wenig zu unfreundlich aus, — in der That, 
es wäi'e der Mühe werth, in gewissen Fällen zu 
versuchen, ob die Frau^ Aebtissin eine Wundergabe 
besaß, oder ob es natürlich iss!" — sagte kürzlich 
jemand im Schauspiel zu mir. Z. E. 
Nachricht. 
uch in Rußland scheint man angelegentlich dahin 
zu streben, bei allen Klassen von Staatsbürgern den 
militärischen Geist rege zu machen. Wie wirksam 
dazu di« Feststellung der Verhältnisse zwischen den 
einzelnen Ständen, Rangbestiumiungen, selbst die Er- 
theilung von Uniformen u. s. w.sind, braucht nicht erst 
gesagt zu werden. Zn dieser Hinsicht allein sind fol 
gende freilich nicht neue Nachrichten merkwürdig: 
„Die Studenten der Russischen Universitäten ha 
ben, sobald sie lmmatrikulirt sind, Fähnrich'« Charakter, 
und tragen Uniform. Die der Studirenden zu Dor 
pat ist ein blaues Kleid mir schwarz - saniuietenem 
Kragen, auf welchem zwei Knopflöcher mit Gold 
gestickt sind; Weste und Unterkleider sind weiß mit 
Knöpfen von gelbem Metall. Auf den Knöpfen ist 
ein Altar in erhabener Arbeit mit der Umschrift: 
Humanität. Zu dieser Kleidung tragen sie einen 
Officier«-Hut, oder ein Kasket mit einer großen Fe 
der; bei Schuhen und Strümpfen, einen OfficierS- 
Degcn, bei Stiefeln einen Säbel, der gewöhnlich 
an einem schwarzen von der Schulter herabgehcn- 
dem Gehänge befestigt ist." 
„Die Professoren haben dieselbe Uniform, nur sind 
auch ihre Aufschläge mit brodirten Knopflöchern geziert." 
„Der Prorektor trägt Rabatten mit brodirten 
Knopflöchern, und, da er Brigadiers-Charakter hat, 
während seiner AnttSführung einen Federhut." u. s. w. 
— u. —
	        
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