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Volume Nro. 122., Dienstag den 19. Juny

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue2.1804 (Public Domain)

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historischen Untersuchungen kn den neuesten Zeiten in 
Portugal sehr eifrig getrieben wurden, Poesie und 
Beredsamkeit aber blieben, wae sie unter Joseph dem 
Ersten waren, das heißt, seit 1750. still standen. 
Ueber Wielands Grazien, von Vaa- 
derbourg: eine geist-und talentvolle Würdigung 
des Wielandischen Meisterwerks. Die verdiente 
Warme, mit welcher der Französische geschätzte Dich 
ter davon spricht, muß den geschmackvollen Deutschen 
um so erfreulicher seyn, da nur vor ganz kurzer Zeit 
in Deutschland selbst eine Horde literarischer Hunnen 
den unsterblichen Dichter zur Zielscheibe ihrer frosti 
gen Scherze und nervenlosen Angriffe machte, und 
seine Reize und Vorzüge herabsetzen wollte, weit — sie 
fühlte, wie unfähig sie war, ihm auch in der weite 
sten Entfernung nachahmen zu können. 
Ueber den gegenwärtrgen Zustand der 
Philosophie in Deutschland, von Schweig 
häuser, — mit mehr Unbefangenheit und daher 
mit richtigerm Blick geschrieben, als die meisten in 
Deutschland selbst erschienenen Aussage darüber. 
Ueber Lichtenberg; — über Kant, von 
Dillers; — über Herder, vorzüglich über seine 
Ideenic. — überKlopstockunddieMessiade. 
nebst einer sehr gut gerathenen Uebersetzung einer 
Episode aus dem Messias: — vier kleine interessante 
Schriften, die uns gegen unsre großen Schriftsteller 
so gleichgültige Deutschen, beschämen müssen. 
Nachrichten über Heyne'S Homer und 
mehrere Deutsche Werke; über die neuesten Produkte 
der Französischen Literatur u. s. w. 
Beiträge zur schönen Literatur die nur auf 
Unterhaltung berechnet scheinen, sind: die Uebersetzung 
von einigen Sonnetten Alfieri's; — eines ungedruck 
ten Italienischen Gedichts: Amour et Valeur; zwei 
Russischer Erzählungen; und fünf noch ungedruckte halb- 
rersisicirte Briefe von Voltaire an Friedrich den Zweiten. 
Unter den historischen Artikeln zeichnen sich vor 
züglich aus: Der falsche Prinz von Modeftia, 
«ine Anekdote, die in der That sehr merkwür 
dig ist, wenn man sie für wahr halten will, — was 
sie mir aber nicht scheint, ob sie gleich von mehrern 
Deutschen Journalisten so behandelt wurde. 
Ein Memoire des Präsidenten d'Ai- 
guille, der im Jahr 1745. den Prätendenten nach 
Schottland begleitete. 
Betrachtungen über die Herrschaft 
der Meere, und Nachricht von einer neuen 
Reise der Spanier nach der Westseite 
von Nord-Amerika u. s. w. 
Den philosophischen Artikeln dieser Zeitschrift 
würden die neuen Haar-spaltenden Phantasten, die 
seit einigen Jahren in Deutschland mit dem Heerruf: 
„Philosophie!" gegen die gesunde Vernunft wüthen, 
schwerlich jenen Namen zugesiehn. Denn, weit ent 
fernt sich in die übersinnlichen und — übervernünsti- 
gen a priori-Regionen zu versteigen, in welchen die 
ausgearteten Nachkommen Kants sich endlich zum 
blinden Kapuziner-Glauben verirren, — beschäftigen 
sich die Verfasser der hier gelieferten ?fufsätze, mit 
wahrhaft - philosophischem Geiste über Dinge 
die innerhalb der Erfahrung liegen, die Begriffe zu prüfen 
und zu sichten. Auchdie angehangteOa?.etts ist interessant. 
— Ich endige mit dem Geständnisse: daß wir 
in Deutschland in der That nicht eine Monatsschrift 
haben, die an Reichhaltigkeit des Inhalts diesen 
Belanges an die Seite gesetzt werden könnte; ob 
gleich manche, die sie in jedem der einzelnen Fächer 
übertreffen. 
G. Merkel. 
Ein Paar Worte 
über die gelehrten Schulen in Ostfrieöland. 
(Schlu ß.) 
erner hat der Geist und das Bedürfniß der 
Zeit manche Eltern in den gcblldeternStänden auf 
die Idee geleitet, daß ihre Söhne auf den höher» 
Schulen des Landes nicht die äußere Politur ge 
winnen können, welche sic ihnen wünschen, und wor 
auf jetzt schon in den Jünglings - Jahren reflektirt 
wird. Allerdings ist es schwierig, daß junge Leut« 
bereits auf der Schule den guten Ton lernen, zumal 
wenn ihre Eltern nicht an dem Orte derselben woh, 
lim, und sie sich in Bürgerhäuser daselbst aufhalten 
müssen, so, daß sie ohne weitere Aussicht, und meist 
sich selbst allein überlassen sind. Gewöhnlich herrscht 
unter den Schülern an den höheren Schulen in Ost 
friesland ein roher Ton, und eine auffallende Platt 
heit der Sitten, die mit dem Didicisse fideliter 
arte* etc. oft sehr absticht. Niemand kann sich 
wichtiger dünken, und sich größere Unverschämthei 
ten und Unhöflichkeiten öffentlich erlauben, als eia 
Primaner. Die Aussicht, die von Seiten der Lehrer 
auf die Moralität ihrer Lehrlinge verwendet wird, 
ist in der'Regel viel zu sorglos und unbedeutend. 
E« ist desfalls sehr verzeihlich, wenn einige El 
tern es gerathener finden, für ihre Kinder, unter 
welchen sich einige oder mehrere den Wissenschaften 
widmen sollen, einen Hauslehrer zu halten, von 
den» sodann auch die andern Kinder, die nicht studi- 
rcn sollen, das nöthige lernen können, zumal da 
das Feld des Wissen« auch für Unstudirte und für 
das andere Geichlecht um Vieles ausgebreiteter ist, 
als vor zwanzig Iahrem Dazu kömmt, daß die
	        
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