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setzt in einer Note hinzu: die Phrase sei wahrhaft
erhaben, denn sie enrhalte drei rhetorische Figuren,
die Hyperbel ic. Hat Darier diese Note gemacht,
weil er die drei Figuren kennt? Nein, weil er da«
Erhabene nicht kennt.
Der Pedant legt sich vorzüglich auf Eine Sache;
er glaubt sie gut zu versiehe», weil er alle Theile
kennt, aber von ihren Verhältnissen zu andern Wis
senschaften, von ihrem Werth in den Augen der
Welt, weiß er nicht«. Er isi ein Wilder, der eine
Insei von zwei oder vier Meilen Umfang bewohnt:
er kennt jeden Hügel, jeden Daum, jede Quelle der
selben, aber — er ahnet nicht, daß jenseit de« Mee
re« andre Lander sind, gegen die sein Inseichen kaum
einen Punkt ausmacht. Je ausgebreiteter da« Wis
sen eine« Gelehrten ist, desto einfacher werden seine
Aeußerungen seyn: denn da er viel weiß, setzt er
alle« an seinen Platz. Wer nur Eine Art von Kennt
niß hat, mischt sie in alle«, wie derjenige, der nur Ei
nen Rock hat, ihn täglich trägt. — Doch um ge
recht zu seyn: der Pedant ist nicht überall Pedant;
er ist e« nur, wo er nicht hingehört. Schickt den
Schulfuchü in die Klaffe, und er ist ein Mann von
Verdienst, bi« — er wieder über die Schwelle getre
ten ist. Im Leben hingegen gleicht er immer jener
Mutter, die ihren ungezogenen Zungen der Aufwär
terin eine Ohrfeige geben sah, und ausrief: „ Schon
wieder — mit der linken Hand!" Haltet ihm eine
feurige Rede über den nahen klntergang de« Vater
landes, und er wird die ungewöhnlichen Redensarten
rügen, die euch entschlüpft seyn können. —
Fragment eines Briefes des verstorbenen
Engel, über manche Erfordernisse
einer guten Oper.
Berlin, den 26. Januar 1790.
!sDie Zeit de« Carnevals isi für mich eine höchst un
ruhige böse Zeit. Kaum will sich der Augenblick finden,
wo ich mein Wort halten und über den als
Oper, meine Gedanken hinwerfen kann. Zuerst
dünkt mich, daß gewisse Regeln, die sonst den
Dichter nicht binden, dem musikalischen
wichtig seyn müffen. Die Italiäner beobachten diese
Regeln weit sorgsamer, als die wesentlichen, aber nicht
so mein liebster Freund, der Berfasser de«
Dieser erlaubt sich z. D. Arien, die sich mit einem
weiblichen Verse schließen; und so ein *8er« giebt
in einer3(rie allemal einen so unbequemen
Schluß, al« ein männlicher ihn in einem
Recitativ g!ebt. Zweiten«: mehrereArien von
einerlei Charakter hinter einander ermüden,
ebenso mehrereArien von derselben Stimme,
oder auch nur von ähnlicher Stimme gesungen, wie
z. B. mehrere Baß-oder Tenor-Arien. Auch die«
vermeiden die Italiener sorgfältig; nicht so mein Freund»
der den Pedrillo mehrmalen hintereinander singen
läßt. Dritten«: wenn viel Handlung und interessante
Handlung in einem Singspiele ist, so muß die Hand
lung selbst in der Musik fortgehn; der Gesang muß
nicht bloß die Empfindungen ausdrücken, welche
diese oder jene Situation bei den Personen veran
laßt, sonst leidet ohne Unterlaß da« Interesse einen
Stillstand; die fortstrebende Erwartung wird aufge
halten, und den unangenehmen Eindruck hiervon
macht keine noch so schone Melodie wieder gut. Auch
hierdurch, glaube ich, und nicht bloß durch die musi
kalischen Vortheile, sind die Italiäner darauf gefallen,
in ihren Finalen ganze Scenen durch, singen zu lassen,
und auch sonst in ihre Quartetten, Quintetten, Sep
tetten einen so großen Theil der Handlung zu brin
gen, daß, wer bloß die dazwischen geworfenen Reci
tative (bei uns den prosaischen Dialog) lesen wollte,
au« dem Ganzen unmöglich klug werden könnte.
Au« dem können Sie alle Verse wegneh
men, und da« Stück ist vollständig da. Die Arien
sind nicht« al« Aufenthalt und oft besonder« in den
letzten so interessanten Situationen ein unangenehmer
Aufenthalt. Würde e« denn aber gut seyn, wenn diese
so interessanten Situationen ganz in Gesang gebracht
würden? Ich glaube, nein. Gesprochen werden sie
allemal eine weit größere Wirkung thun, u«d wir
würden un« ärgern, diese Wirkung vermindert zu
sehen. Sollte ich über diesen Punkt mich hinlänglich
erklären, so müßte ich eine ganze und nicht leichte
Abhandlung schreiben. Die Grundideen stehen indeß
im zweiten Theil meiner Mimik. Ein Mann, wie
Sie, wird nun schon selbst errathen, warum ich
sagte, daß der Verfasser de« für einen Opern
dichter ein zu guter Dichter sey. u. s. w.
Die Dryade.
(Als man anfing, das Rosenthal bei Leipzig
auszubauen.) ')
Ä6olkenumschleiert war der Himmel, die Miitrortje gönne
ganf tu den Hesperiden hinab, mit Trauer im Antlitz,
Als dem offenen Hain der Rosen fernhin der Klage
Jammernde Stimmen entströmte», und in die Rahe mich zogen.
Also weinten die Göttinnen laut; und Eine »or alten,
Eine der hehrsten des Thales, das jetzt Verwüstung dnrchstürmte.
„Jammert, ihr Schwestern und Kinder, ach jammert, meine
Verwandten,
Meine Lieblinge, «einet mit mir die Zahre der Wehmulh!
*) Slmn. de» Red. .' : ! !