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Volume Nro. 102., Dienstag den 22. Mai

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue2.1804 (Public Domain)

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setzt in einer Note hinzu: die Phrase sei wahrhaft 
erhaben, denn sie enrhalte drei rhetorische Figuren, 
die Hyperbel ic. Hat Darier diese Note gemacht, 
weil er die drei Figuren kennt? Nein, weil er da« 
Erhabene nicht kennt. 
Der Pedant legt sich vorzüglich auf Eine Sache; 
er glaubt sie gut zu versiehe», weil er alle Theile 
kennt, aber von ihren Verhältnissen zu andern Wis 
senschaften, von ihrem Werth in den Augen der 
Welt, weiß er nicht«. Er isi ein Wilder, der eine 
Insei von zwei oder vier Meilen Umfang bewohnt: 
er kennt jeden Hügel, jeden Daum, jede Quelle der 
selben, aber — er ahnet nicht, daß jenseit de« Mee 
re« andre Lander sind, gegen die sein Inseichen kaum 
einen Punkt ausmacht. Je ausgebreiteter da« Wis 
sen eine« Gelehrten ist, desto einfacher werden seine 
Aeußerungen seyn: denn da er viel weiß, setzt er 
alle« an seinen Platz. Wer nur Eine Art von Kennt 
niß hat, mischt sie in alle«, wie derjenige, der nur Ei 
nen Rock hat, ihn täglich trägt. — Doch um ge 
recht zu seyn: der Pedant ist nicht überall Pedant; 
er ist e« nur, wo er nicht hingehört. Schickt den 
Schulfuchü in die Klaffe, und er ist ein Mann von 
Verdienst, bi« — er wieder über die Schwelle getre 
ten ist. Im Leben hingegen gleicht er immer jener 
Mutter, die ihren ungezogenen Zungen der Aufwär 
terin eine Ohrfeige geben sah, und ausrief: „ Schon 
wieder — mit der linken Hand!" Haltet ihm eine 
feurige Rede über den nahen klntergang de« Vater 
landes, und er wird die ungewöhnlichen Redensarten 
rügen, die euch entschlüpft seyn können. — 
Fragment eines Briefes des verstorbenen 
Engel, über manche Erfordernisse 
einer guten Oper. 
Berlin, den 26. Januar 1790. 
!sDie Zeit de« Carnevals isi für mich eine höchst un 
ruhige böse Zeit. Kaum will sich der Augenblick finden, 
wo ich mein Wort halten und über den als 
Oper, meine Gedanken hinwerfen kann. Zuerst 
dünkt mich, daß gewisse Regeln, die sonst den 
Dichter nicht binden, dem musikalischen 
wichtig seyn müffen. Die Italiäner beobachten diese 
Regeln weit sorgsamer, als die wesentlichen, aber nicht 
so mein liebster Freund, der Berfasser de« 
Dieser erlaubt sich z. D. Arien, die sich mit einem 
weiblichen Verse schließen; und so ein *8er« giebt 
in einer3(rie allemal einen so unbequemen 
Schluß, al« ein männlicher ihn in einem 
Recitativ g!ebt. Zweiten«: mehrereArien von 
einerlei Charakter hinter einander ermüden, 
ebenso mehrereArien von derselben Stimme, 
oder auch nur von ähnlicher Stimme gesungen, wie 
z. B. mehrere Baß-oder Tenor-Arien. Auch die« 
vermeiden die Italiener sorgfältig; nicht so mein Freund» 
der den Pedrillo mehrmalen hintereinander singen 
läßt. Dritten«: wenn viel Handlung und interessante 
Handlung in einem Singspiele ist, so muß die Hand 
lung selbst in der Musik fortgehn; der Gesang muß 
nicht bloß die Empfindungen ausdrücken, welche 
diese oder jene Situation bei den Personen veran 
laßt, sonst leidet ohne Unterlaß da« Interesse einen 
Stillstand; die fortstrebende Erwartung wird aufge 
halten, und den unangenehmen Eindruck hiervon 
macht keine noch so schone Melodie wieder gut. Auch 
hierdurch, glaube ich, und nicht bloß durch die musi 
kalischen Vortheile, sind die Italiäner darauf gefallen, 
in ihren Finalen ganze Scenen durch, singen zu lassen, 
und auch sonst in ihre Quartetten, Quintetten, Sep 
tetten einen so großen Theil der Handlung zu brin 
gen, daß, wer bloß die dazwischen geworfenen Reci 
tative (bei uns den prosaischen Dialog) lesen wollte, 
au« dem Ganzen unmöglich klug werden könnte. 
Au« dem können Sie alle Verse wegneh 
men, und da« Stück ist vollständig da. Die Arien 
sind nicht« al« Aufenthalt und oft besonder« in den 
letzten so interessanten Situationen ein unangenehmer 
Aufenthalt. Würde e« denn aber gut seyn, wenn diese 
so interessanten Situationen ganz in Gesang gebracht 
würden? Ich glaube, nein. Gesprochen werden sie 
allemal eine weit größere Wirkung thun, u«d wir 
würden un« ärgern, diese Wirkung vermindert zu 
sehen. Sollte ich über diesen Punkt mich hinlänglich 
erklären, so müßte ich eine ganze und nicht leichte 
Abhandlung schreiben. Die Grundideen stehen indeß 
im zweiten Theil meiner Mimik. Ein Mann, wie 
Sie, wird nun schon selbst errathen, warum ich 
sagte, daß der Verfasser de« für einen Opern 
dichter ein zu guter Dichter sey. u. s. w. 
Die Dryade. 
(Als man anfing, das Rosenthal bei Leipzig 
auszubauen.) ') 
Ä6olkenumschleiert war der Himmel, die Miitrortje gönne 
ganf tu den Hesperiden hinab, mit Trauer im Antlitz, 
Als dem offenen Hain der Rosen fernhin der Klage 
Jammernde Stimmen entströmte», und in die Rahe mich zogen. 
Also weinten die Göttinnen laut; und Eine »or alten, 
Eine der hehrsten des Thales, das jetzt Verwüstung dnrchstürmte. 
„Jammert, ihr Schwestern und Kinder, ach jammert, meine 
Verwandten, 
Meine Lieblinge, «einet mit mir die Zahre der Wehmulh! 
*) Slmn. de» Red. .' : ! !
	        
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