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Volume Nro. 90., Sonnabend den 5. Mai

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue2.1804 (Public Domain)

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nun«, im ffnwn Welttheil« ausgestreut, über dessen 
Früchte vielleicht das folgende Jahrhundert staunt. 
Wir Deutsche sind ja doch nur eine Pflanz-, und 
Baumschule für die andern Nationen, wo sie Saa- 
men und Schößlinge und junge Stämme holen. — 
2) Ein Herr Garnier, der sich Direkteur eine« i. 
Pari» vor einigen Jahren abgebrannten Theater« 
nannte, und im rothen Hause eine theatralische Bor- 
stellung gab, welche der mäßigsten Erwartung nicht 
einmal entsprach. 
Natürlich nahm unter solchen Umständen da« 
Publikum, welche« Unterhaltung suchte, seine Zu 
flucht zum Theater, welche« sehr besucht war, und 
jetzt durch einige ehemalige Mitglieder des Casseler 
Theaters noch vervollkommnet worden ist. Unter 
andern neuen Stücken gefiel besonders Adelheid von 
Guesclin, eine Oper, die Musik von Simon Mair; 
die Musik ist schön, und wurde von dem trefflichen 
Orchester trefflich execulirt; Fischer, Keilholz, Mad, 
fange und Dlle Buchwieser vereinigten ihr Talent, 
um die Vorstellung zu heben; auch Mad. Heine 
mann entsprach ganz der Erwartung, welche man von 
ihreni Talent, so wie von ihrem Geschmack, ihrer 
Eleganz und ihrer Gefälligkeit hat. — Dem. Buch- 
wieser bewies auf« Neue, daß sie in jedem Sinne 
eine große Sängerin werden kann; aber die auf 
gehende Sonne überstrahlt die untergehende (wenn 
es erlaubt ist Mezarts treffliche Schwägerin so zu 
nennen) noch lange nicht. — Adelheid von Gue«- 
elin interessirt« mich doppelt, weil ich ihre Geschichte 
schon au«: Bertranddu-Guesclin (eine roman 
tische Biographie, von Friedrich Majer) kannte. 
Da« Buch ist interessant und verdient doppelt denen 
zur Lectüre empfohlen zu werden, welche die neue 
Oper kennen, oder noch kennen lernen wollen. 
Da« Vergnügen de« Publikums wurde zwar 
neulich einmal durch das ungezogene Betragen eines 
jungen Fremden unterbrochen, dessen Eltern vornehme 
Leute sind; er mußte zum Theater hinausgebracht 
werden, und wenn man ihm sein Vergehen gegen 
das ganze Publikum und gegen seinen eigenen Stand 
einigermaßen verzeiht, so ist cs hauptsächlich, weil 
man hofft, daß einige einheimische Inproyalsse, und 
Oontleiusn durch ein anständigeres und ruhigere« 
Betragen in Zukunft beweisen werden, daß sie zu 
den gesitteten Leuten gehören. — Hierüber ließe 
sich, erforderlichen Fall«, noch vieles sagen. 
Mit dem hiesigen Theater geht es im Ganzen 
gut, besser als man er unter der Leitung eines Man 
nes erwarten sollte, welcher sich selbst in der Zeitung 
für die elegante Welt als einen rückwärts gekehr 
ten Propheten ankündigt; dezm bei einem 
solchen, sollte man denken, müßte alle« rückwärt« 
gehn. Schlegel nennt den Historiker einen rückwärts- 
gekehrten Propheten; in eben dem Sinne verdient 
der diesen Namen, welcher nach seiner eigenen Er 
klärung die wunderbare Gabe besitzt, die Fehler ein 
zusehen, nachdem sie gemacht sind. — Wie es heißt 
wird er, mit diesen Wundergaben ausgerüstet, den 
?lctionärs des Theaters nächstens vorschlagen, ihm 
die Leitung desselben ganz allein zu überlassen. Viel 
leicht würben sie seinen Vorschlag lieber annehmen, 
wenn er statt rückwärts, vorwärts gekehrt wäre, und 
die Fehler voraussähe, «he sie gemacht werden. — ') 
E. 
Bemerkung. 
(y 
^)odeß wir Deutschen uns der für uns sehr entbehr 
lichen, für die Französischen Gelehrten aber wahrlich 
sehr heilsamen Aufmerksanikcit freuen, mit welcher 
man jetzt in Pari« Deutsch lernen soll, — theilt 
das Journal de Paris (Nr. 2iZ.^ die große Neuig 
keit mit, daß sich dir Französische Sprache in Deutsch 
land immer mehr zur Universal-Sprache erhebe, 
daß mau in den Gesellschafts-Zirkeln übereingekom 
men sey, nur Französisch zu sprechen u. s. w. Zun, 
Belege wird — Frankfurt am Mayn (4 Stunden 
von der Franz. Gränze) angeführt, aber sogleich hin 
zugefügt: diese Suprematie der Franz. Sprache habe 
sich bis an die äußersten Gränzen Rußlands verbrei 
tet: selbst zu Todo lek in Schlesien") lese man fast 
nichts als Französische Zeitungen. Diese wichtige 
Nachricht sch.ießt mit folgenden Worten: „Ein Volk, 
dem die andern Völkern schweigend durch Annahme 
seiner Sprache huldigen, genießt dadurch einer be 
sondern Achtung, die sehr zum glücklichen Erfolg sei 
ner Unterhandlungen und Unternehmungen beitragen 
muß." Ueber die Französischen Zeitungsschreiber! 
Die herrschende Sprache der feinen Weit in» alten 
Rom, war Griechisch, aber nicht die Kriechen er 
oberten Rom, sondern die Römer Griechenland. 
Ehemals, in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, 
aiv die Schwäche der alten Franz. Regierung fast das 
Mährchen von Europa war, war in Deutschland die 
Franz. Sprache wenigstens fünfmal mehr feine Mode 
als jetzt. 
•) Der Herr Jntenvant bat durch den üben berührten Arki- 
tä in der eleg. Zeitung iu viel Bloßen gegeben, als daß nicht, 
selbst auch der gutmüthigste, ei» wenig über ihn lachen sollte. — 
Des LachcnS ungeachtet, bin ich ihn, herzlich gut, weil ich glaiibe, 
daß er es gut nie int, und damit er nicht glaubt, ich mache 
ein Geheimniß aus meinem Name», und der canvniiche Ionas 
fürchte lief, vor de», avokryphifchen Tobias, so wird mich der Re 
dacteur dieses BlattS auf Verlange» »rauen. — Denn ich scheue 
des Herrn znkendanren Fluch, den er gegen alle ?tnon»n,e schirm 
dert, und habe selbst keine Ursache, Aiiougniitat iu suchen. — 
Mein Zweck ist, das Wahre und Gute »u befördern, wo ich kann, 
und nebenbei spotte und lache ich gern. Da» so» manchmal Ham 
del nach sich ziehen; aber da ich nicht» sage, wa» ich nicht ver 
antworten kann, so fürchte ich mich davor nicht, u„d bekenne 
mich zu jedem meiner Aufsätze. Daß ich sie nicht mit meinem 
ganze» Namen unterzeichne, geschieht, weil ich eS für Eitelkeit 
Halte, den überall hinzukleckfen. 
Kein Druckfehler: e» steht in zwei Pariser Zeitungen.
	        
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