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darüber lange ungewiß bleiben konnte, ob es, wie
bei uns die Alemannischen Gedichte, von einem neuen
Dichter in der alten, kräftigen und sehr wohlklingen
den Sprache geschrieben sey.
Der Inhalt des zweiten Bandes ist dem des
ersten ähnlich, und eben so geordnet. Den Anfang
macht auch hier ein in poetischer Prosa geschriebe
ner Roman: La Cour d'Amours, in welchem die
Gebrauche und Wettkampfe die man, angeblich oder
wirklich, bei den dichterischen Festen, Gerichtshöfe
der Liebe genannt, im Mittelalter zuweilen be
gangen haben soll, zu einer Schilderung verarbeitet
worden sind. Di» wetteifernden Gesänge scheinen
wenigstens nach originalen Proven^alischen Gedichten
gemacht. Das Ganze hat den Werth, daß es man
cherlei interessante Ansichten jenes Zeitalters giebt. —
Den größten Theil dieses Bandes nehmen indeß
glückliche Nachahmungen Ovids, Virgils und andrer
Dichter, selbst Gesners, in Proven^alischen Versen
ein, denen wiederum prosaische Uebersctzungcn beige
fügt wurden. Die Anmerkungen zu beiden Bänden ent
halten hin und wieder Proben wirklich alter Gedichte,
die bemerkenswerth sind. Den Schluß macht ein
Wörterbuch der Occitanischen Sprache. —
Das Werk, obgleich nicht von großem dichteri
schen Werth, ist als Erscheinung merkwürdig. §S
scheint, so wie die früher erschienenen kossiej äs
Clotilde de Surville, darauf hinzudeuten, daß die
Französischen Dichter, das Absterben der poetischen
Kraft ihrer Sprache lebhaft fühlen. Woher sonst
die Versuche, längst vergessene Mundarten wieder
zu beleben? Auch bei uns scheinen die mit Recht ge
schaßten Allemannischen Gedichte und selbst (ich bitte
den Verfasser jener Gedichte wegen dieses Zusammen
stellen« um Verzeihung,) die lächerlichen alten Wort
formen und Sonett - Schnißeleien gewisser schnell
verschollener Reimer, etwas Aehnliches anzuzeigen: —
nicht daß ein neuer Dichterlenz im Beginnen, son
dern, daß der erlebte seinem Ende nahe ist. — Eine
Auferweckung alter Mundarten wird ihn nicht zurück
bringen: denn die Sprache ist ja nur das Organ der
Poesie, nicht sie selbst. Das Poetischeistaus unserer
Denk - und Empfindungsweise entflohn: daher das Sin
ken der Dichtkunst. Gegen dieses Uebel, — wenn es
ein Uebel ist, — giebt es kein Mittel. — T. — L.
Fortschritte des Guten in der Schwäbisch-
Baierischen Provinz.
(Schluß.)
2. Aufklärung überhaupt,
^eberzeugt, daß die wahre Veredlung des Herzens
von der zweckmäßigen Bildung des Verstandes größ-
tentheilr abhange und beide nicht von einander gk-
krenilt werden sollen, überzeugt, daß Religion und
Sittlichkeit die wesentlichsten Grundpfeiler des Staats
seien und daß Erforschung jeder nützlichen Wahrheit
kemesweges erschwert, sondern vielmehr befördert
werden müsse, ') hatte der Churfürst von Psaizbaiern
das bei seinem Regierungs-Antritt noch bestehende
Censur-Collegium, weil es den liberalen Gang der
Wissenschaften aufzuhalten schien, aufgehoben und
dafür eine Censur- Commission mit der Einweisung zu
einem bescheidenen und liberalen Verfahren angeorb-
net. Allein auch diese Censur-Commissionen, die die
Absicht des erleuchteten Fürsten nicht erfüllten, sind
nun wieder aufgehoben, und eine völlige Preß - und
Duchhandcisftelheit ist unter nachfolgenden nöthigen
Einschränkungen gegeben: 1) Es sollen die Buch
händler, Antiquarien >c. bei Vermeidung 100 Thaler
Strafe der Polizei, Obrigkeit ihre Katalogen überge
ben. 2) Ohne Erlaubniß darf niemand mit Büchern,
Kupferstichen rc. handeln, Meßzeiten ausgenommen.
3) Bücher, welche a) die Ehre und den guten Namen
eines Dritten beleidigen, b) verläumderischc und belei
digende Urtheile über den Regenten, c) Spott der
Landesgesetze, d) Aufmunterungen zum Aufruhr,
e) etwas gegen die im Staat bestehenden Kirchen,
f) gegen die Sittlichkeit enthalten, oder g) offenbar
schädliche Vorurtheiie des Volks fortpflanzen, — sol
len nicht geduldet werden. 4) Der Police! kommt
weder Censur noch Bestrafung zu, wenn nicht ein
Police! - Vergehen (wie Nr. 1 und 2.) begangen
worben ist; sie soll blos wachen, damit die Gesetze
beobachtet und Uebel, dir entstehen könnten, in Zei
ten verhütet werden, z) Statistische Notizen und
andere Bemerkungen, die jemand nur vermöge seiner
Dienstverhältnisse bekommen kann, sollen nicht ohne
Erlaubniß gedruckt werben, u. s. w.
Den Schulen widmet die Regierung ihre beson
dere Aufmerksamkeit. Schon sind allenthalben In
spektionen angeordnet, die Errichtung der Industrie-
Schulen ist befohlen, das Alter festgesetzt, während des
sen Schulen frequenlirt werden müssen, und dir Land
schulmeister müssen bei Vertheilung der Gemeinheiten
besonders bedacht werden, besonders, wenn sie sich durch
Haltung von Sonn-und Feitrtagsschulen auszeichnen.
Man hat auch Hoffnung, daß das protestantische
Ober-Consistorium zu Ulm auf die Errichtung eines
Schulmeister-Seminarium« Bedacht nehmen werde.
3. Gesundheits-Polizei.
Aber nicht nur die geistige Verbesserung seiner
Unterthanen, sondern auch ihre körperliche Gesund-
*) Abermals »tarne Worte der ehurfürlllichm Verorbuuaz.