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Volume Nro. 82., Dienstag den 24. April

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue2.1804 (Public Domain)

326 — 
darüber lange ungewiß bleiben konnte, ob es, wie 
bei uns die Alemannischen Gedichte, von einem neuen 
Dichter in der alten, kräftigen und sehr wohlklingen 
den Sprache geschrieben sey. 
Der Inhalt des zweiten Bandes ist dem des 
ersten ähnlich, und eben so geordnet. Den Anfang 
macht auch hier ein in poetischer Prosa geschriebe 
ner Roman: La Cour d'Amours, in welchem die 
Gebrauche und Wettkampfe die man, angeblich oder 
wirklich, bei den dichterischen Festen, Gerichtshöfe 
der Liebe genannt, im Mittelalter zuweilen be 
gangen haben soll, zu einer Schilderung verarbeitet 
worden sind. Di» wetteifernden Gesänge scheinen 
wenigstens nach originalen Proven^alischen Gedichten 
gemacht. Das Ganze hat den Werth, daß es man 
cherlei interessante Ansichten jenes Zeitalters giebt. — 
Den größten Theil dieses Bandes nehmen indeß 
glückliche Nachahmungen Ovids, Virgils und andrer 
Dichter, selbst Gesners, in Proven^alischen Versen 
ein, denen wiederum prosaische Uebersctzungcn beige 
fügt wurden. Die Anmerkungen zu beiden Bänden ent 
halten hin und wieder Proben wirklich alter Gedichte, 
die bemerkenswerth sind. Den Schluß macht ein 
Wörterbuch der Occitanischen Sprache. — 
Das Werk, obgleich nicht von großem dichteri 
schen Werth, ist als Erscheinung merkwürdig. §S 
scheint, so wie die früher erschienenen kossiej äs 
Clotilde de Surville, darauf hinzudeuten, daß die 
Französischen Dichter, das Absterben der poetischen 
Kraft ihrer Sprache lebhaft fühlen. Woher sonst 
die Versuche, längst vergessene Mundarten wieder 
zu beleben? Auch bei uns scheinen die mit Recht ge 
schaßten Allemannischen Gedichte und selbst (ich bitte 
den Verfasser jener Gedichte wegen dieses Zusammen 
stellen« um Verzeihung,) die lächerlichen alten Wort 
formen und Sonett - Schnißeleien gewisser schnell 
verschollener Reimer, etwas Aehnliches anzuzeigen: — 
nicht daß ein neuer Dichterlenz im Beginnen, son 
dern, daß der erlebte seinem Ende nahe ist. — Eine 
Auferweckung alter Mundarten wird ihn nicht zurück 
bringen: denn die Sprache ist ja nur das Organ der 
Poesie, nicht sie selbst. Das Poetischeistaus unserer 
Denk - und Empfindungsweise entflohn: daher das Sin 
ken der Dichtkunst. Gegen dieses Uebel, — wenn es 
ein Uebel ist, — giebt es kein Mittel. — T. — L. 
Fortschritte des Guten in der Schwäbisch- 
Baierischen Provinz. 
(Schluß.) 
2. Aufklärung überhaupt, 
^eberzeugt, daß die wahre Veredlung des Herzens 
von der zweckmäßigen Bildung des Verstandes größ- 
tentheilr abhange und beide nicht von einander gk- 
krenilt werden sollen, überzeugt, daß Religion und 
Sittlichkeit die wesentlichsten Grundpfeiler des Staats 
seien und daß Erforschung jeder nützlichen Wahrheit 
kemesweges erschwert, sondern vielmehr befördert 
werden müsse, ') hatte der Churfürst von Psaizbaiern 
das bei seinem Regierungs-Antritt noch bestehende 
Censur-Collegium, weil es den liberalen Gang der 
Wissenschaften aufzuhalten schien, aufgehoben und 
dafür eine Censur- Commission mit der Einweisung zu 
einem bescheidenen und liberalen Verfahren angeorb- 
net. Allein auch diese Censur-Commissionen, die die 
Absicht des erleuchteten Fürsten nicht erfüllten, sind 
nun wieder aufgehoben, und eine völlige Preß - und 
Duchhandcisftelheit ist unter nachfolgenden nöthigen 
Einschränkungen gegeben: 1) Es sollen die Buch 
händler, Antiquarien >c. bei Vermeidung 100 Thaler 
Strafe der Polizei, Obrigkeit ihre Katalogen überge 
ben. 2) Ohne Erlaubniß darf niemand mit Büchern, 
Kupferstichen rc. handeln, Meßzeiten ausgenommen. 
3) Bücher, welche a) die Ehre und den guten Namen 
eines Dritten beleidigen, b) verläumderischc und belei 
digende Urtheile über den Regenten, c) Spott der 
Landesgesetze, d) Aufmunterungen zum Aufruhr, 
e) etwas gegen die im Staat bestehenden Kirchen, 
f) gegen die Sittlichkeit enthalten, oder g) offenbar 
schädliche Vorurtheiie des Volks fortpflanzen, — sol 
len nicht geduldet werden. 4) Der Police! kommt 
weder Censur noch Bestrafung zu, wenn nicht ein 
Police! - Vergehen (wie Nr. 1 und 2.) begangen 
worben ist; sie soll blos wachen, damit die Gesetze 
beobachtet und Uebel, dir entstehen könnten, in Zei 
ten verhütet werden, z) Statistische Notizen und 
andere Bemerkungen, die jemand nur vermöge seiner 
Dienstverhältnisse bekommen kann, sollen nicht ohne 
Erlaubniß gedruckt werben, u. s. w. 
Den Schulen widmet die Regierung ihre beson 
dere Aufmerksamkeit. Schon sind allenthalben In 
spektionen angeordnet, die Errichtung der Industrie- 
Schulen ist befohlen, das Alter festgesetzt, während des 
sen Schulen frequenlirt werden müssen, und dir Land 
schulmeister müssen bei Vertheilung der Gemeinheiten 
besonders bedacht werden, besonders, wenn sie sich durch 
Haltung von Sonn-und Feitrtagsschulen auszeichnen. 
Man hat auch Hoffnung, daß das protestantische 
Ober-Consistorium zu Ulm auf die Errichtung eines 
Schulmeister-Seminarium« Bedacht nehmen werde. 
3. Gesundheits-Polizei. 
Aber nicht nur die geistige Verbesserung seiner 
Unterthanen, sondern auch ihre körperliche Gesund- 
*) Abermals »tarne Worte der ehurfürlllichm Verorbuuaz.
	        
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