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Volume Nro. 66., Montag den 2. April

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue2.1804 (Public Domain)

verläßig kiele und Achtung erwerben. Liese zolle ich 
ihm seilst mit willigem Herzen. 
dt. *) 
DaS PalaiS-Royal 
gleicht noch ganz dem Gemälde, welches unser Lands 
mann Friedrich Schulz einst davon entwarf. 
Nur der innere Hof, 320 Schritt lang und 150 
breit, ist neu bepflanzt worden. Die jetzige Gene 
ration wird es schwerlich erleben, unter dem Schat 
ten dieser Pflanzungen zu wandeln. Indessen, be 
schattet oder unbeschattet, bleibt das Palais-Royal 
doch immer ein täglicher Sammelplatz vieler taufend 
Menschen, und unter den Arkaden desselben ist es 
den größten Theil des Tages über so voll, daß man 
nur mit Hülfe der Elbcgen sich durchwinden kann. 
Kein Wunder, denn man findet hier r8 Kaf 
feehäuser, 10 Restaurateurs, ein halbes 
DutzendPasteten-Bäcker, eben so m;l Viktua 
lienhändler, mehrere Weinhändler, Eisver- 
käufer, Obstweiber, ein Paar Billards, 
eine Menge Zuckcrbecker, kurz man kann hier 
essen und trinken so viel und so delikat als irgendwo 
in der Welt. Unter andern ist auch eine eigene 
Waffelbude hier, wo einige Menschen, den gan 
zen Tag vor dem Feuer fitzend, nichts anders thun, 
als Waffeln backen, und zwar ganz vortreffliche Waf 
feln. Zn einem kleinen Stübchen hinter der Bude 
werden sie heiß aufgetragen, und, wenn man Lust 
hat, ein Glas Mallaga dazu. E« war mein ge 
wöhnliches, den Magen nicht beschwerendes Früh 
stück. Wem das nicht genügt, der kann aus der 
nächsten Bude sich eine kalte Pastete von rothen 
Rebhühnern holen, oder sonst eine von den tausend 
kalten Speisen, die ihn, höchst appetitlich für das 
Auge zubereitet, überall locken. — Ist er satt, so 
kann ereine Treppe hoch, in schon geschmückten Sä 
len, mit allen möglichen Hazardspielen sich die Zeit 
vertreiben, und den Beutel fegen; oder er kann dem 
Gesänge einer Syrene folgen, der aus den Fenstern 
des Entresaals ihm herabtönt; oder er kann in einem 
Kaffeehause die Zeitungen lesen, oder in das Lese- 
kabinet gehen, welches ein gewisser Iorre hält, 
wo man stet« zwei warme Zimmer findet, und, für 
sechs Livres monatlich von Morgens ibie Abends ci- 
*) Bemerkung. Man hat von vielen schätzbaren Seiten 
her dem Redakteur verbindlich« Sachen über die Beurtheilung 
Schillers, und ein Paar andre mit,,— dt." unterzeichn«- 
dluiiatze, gesagt, «eil inan ihn für den Versasser derselben 
hielt. So angenehm ihm auch eine solche Verwechselung ist, 
so glaubt cr doch seinem Freunde die Erklärung schuldig zu se»n, 
dah inan sich irre. Herr — dt. ist ein iunger Mann »0« aus 
gezeichneten Lalcntcn, der in Sachse» lebt, 
nlge 40 Zeitungen und Journale lesen kann. Ist 
er auch Lessen üderdrülfig, so mag er, — (man merke 
wohl, immer unter denselben .Ariaden,)— 
ins Theater Montanster gehen, oder die 
Chinesischen Schatten des MonsieurSeraphin 
besuchen, (wo noch ininier, wie vor dreizehn Jah 
ren, die Russin, die durchaus von ihrem Mann 
geprügelt seyn will, um dessen Liebe zu erkennen, 
den Parisern großen Spas macht,) oder eine Kin 
der- und Puppen-Komödie, oder ein Grfrll- 
schaftstheater unten im Keller. Zu meiner Zeit 
waren auch Pyramus und Thisbe in Wachs ziischauen, 
und der guten Thiöbe, die sich, verniulhlich von 
Pyramus, in gesegneten Leibesumständen befand, 
konnte der Leib aufgethan und die Lage des Kindes 
gezeigt werden. Vor der Thür stand ein Ausrufer, 
den man schon von ferne den ganzen Tag schreien 
hörte. Messieurs, voyez en passant le dies 
d’oeuvre de Part, curieux et interessant, le pro- 
fesseur va comxnencer Pexplication dans Pin- 
sinnt, Entrez! entrez! Diese Einladung wurde gleich 
sam nach einer Art von Melodie abgesungen, und 
unaufhörlich wiederholt, daß man endlich von dieser 
Melodie, wie von einem Gespenst verfolgt wurde, 
und sie noch immer zu hören glaubte, wenn man 
das Palais schon längst verlassen hatte. — Ernstere 
Unterhaltung bietet, wie ich schon oben erwähnt, ei 
nige Schritt weiter, Bertrands physikalisches Kabi- 
nct dar. — Auch das Theatre Fra^ais (das Erste 
in Paris) ist dergestalt mit dem Palais - Royal ver 
bunden, daß eine Fortsetzung der Arcaden trockne» 
Fußes bis dahin führt. — Sind alle diese Zeitver 
treibe erschöpft, so wird doch wohl einer von den 
zwanzig Buchhändlern, die unter den Arkaden 
Hausen, eine pikante Nouveaute haben? — oder man 
gldbt dem Drange der Eitelkeit nach, und läßt sich 
von einem Ministür-Maler portratiren. Nicht 
weniger als neunzehn haben ihre Tafeln und Pro 
ben ausgehängt, gut und schlecht, wohlfeil und 
theuer, für sechs Livres und für zehn Louis. Es sind 
welche darunter, die in einer Stunde ein fertiges 
Gemälde zu liefern versprechen, und, wenigstens was 
Aehzzlichkeit betrifft, Verdienst haben. So habe ich 
z. D, da« schlecht gemalte, aber wohlgetrossene Dild- 
niß des Erbprinzen von Weimar, während meines 
ganzen Aufenthalts im Palais - Royal hänge» se 
hen. — Ist man trotz alle dem noch immer mit 
seiner Zeit verlegen, (welches doch schwer möglich) 
so gewährt das Lesen der vielen tausend angeschlage 
nen Zettel und das Angaffen der schön aufgeputzten 
Buden schon allein Unterhaltung, denn da sind nicht 
weniger als sechzehn Putzmacherinnen, zwanzig
	        
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