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Volume Nro. 256., Montag den 24. December

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue2.1804 (Public Domain)

;or — 
1430 die Rhetoryk-, kamer zu Middelburg in Zeeland, 
(bet bloempje van Jesae) deren Mitglieder auch 
Sprooksspreekers (rdelores proverbioruui) genannt 
wurden. Auf diese folgten die Rhetoryk-kamers von 
Diaardingen, von Nieuwkerk und von Gouda (in 
den Zähren 143z bis 1447.) So wurde schon im 
Jahr 1401 die Auferstehung Christi in Gegenwart 
des Herzogs Albrecht von Daiern gespielt, und im 
Jahr 1418 wurden allerlei biblische Geschichten, j. 95. 
HerodeS und seine Thaten, in der Domkirche zu 
Utrecht vorstellt. Unter den moralischen Gemälden 
kommen z. C. vor: „bed schaakspel gemoraliseerd“ 
— „de Moralisatien in de destructie van Troye 
u. s. w. Zm Zahr 1452 ward ein Zinnespel vaa 
de Maagd Maria vor dem Rathhause zu Arnheim 
vorgestellt. Das älteste Stück, das man hat auffin 
den können, führt den sonderbaren Titel: 
„Meyspel amoureus, daar Pluto Proserpina 
ontscaect. 
(Verliebtes Maispiel, worin Pluto Proserpina 
entführt. 
Philipp der Schöne selbst schämte sich nicht, 
Mitglied der Rhetoryk-kamer von Brüssel (hetboek) 
zu werden. Za noch mehr! Er errichtete zu Me- 
cheln eine „souversyno Kamer" für dieRhetoryker, 
und machte seinen eigenen Kaplan Pieter Aelturs 
zum Haupt (souvereyne Princo der Käme). Ael- 
tmts versetzte in der Folge diese Kammer nach Gent, 
und Maximilian I. und Carl V. bestätigten seine 
Einrichtungen. 
Aue allen Beschreibungen dieser ersten Vorstel 
lungen erhellt, daß im Anfang, hier wie überall, die 
Geistlichen die ersten Dichter und Schauspieler wa 
ren. Um diese biblischen Schauspiele und Vorstellun 
gen noch mehr zum Gegenstand des öffentlichen Ver 
gnügens zu machen, wurden sogenannte Lattenrenten 
(Lustspiele), und Kluchten (Possenspiele), die man 
auch zotte Kiuiten nannte, denselben beigefügt. 
Der moralische Zweck dieser Vorstellungen ward ge 
wöhnlich durch einen Prolog oder Epilog näher ent 
wickelt; und nicht allein die weltlichen Fürsten, son 
dern auch selbst Erzbischöfe und Pabste begünstigten 
dieselbe. Allein die sittlichen Zwecke verloren sich gar 
bald, und man erlaubte sich selbst in diesen Stücken 
so viele Bitterkeit, Anspielungen und Zügellosigkeit, 
daß sie schon im Zahr 1445 hier und da verboten 
wurden. Aber diese Sittenlosigkeit herrschte doch 
noch lange fort, und das Volk ließ sich fein Vergnü 
gen nicht rauben; so daß man wenigstens in der 
Folge diese Vorstellungen und die Schauspieler selbst 
an den meisten Orten der Obrigkeit subvrdiniren, 
und alle Stücke erst durch dieselbe untersuchen lassen 
mußte. Dis gegen das XVTte Jahrhundert hin 
waren cs die Geistlichen, welche von diesen Spielen 
oder Vorstellungen Mißbrauch machten, um ihre po 
litische» oder Privat-Zwecke zu erreichen, und den 
Weltlichen übel mitzuspielen. Allein schon >m Anfang 
des XVIten Jahrhunderts waren cs im Gegentheile 
die Weltlichen, welche die Geistlichen auf alle nur 
mögliche Wesse in ihren Dramen herabwürdigten, 
und Geistlichkeit und Religion nur zu oft zum Ge 
genstände ihres Gespöttes machten. So harten zu 
Amsterdam einige Rhetorykerö im Zahr 1533, ohne 
Wissen der Regenten, eine Kamer errichtet, und ein 
Lustssgel aufgeführt, in welchem sie die schlechte Le 
bensweise und Sitten der Geistlichkeit auf die aus 
gelassenste Weise zur Schau stellten. Allein die 
Strafe folgte ihnen auf dem Fuße. Nicht allein 
wurden ihrer neune verurtheilt, nach Rom zu wall 
fahrten , sondern man machte auch ein Gesetz, wo 
durch alle Battement« verboten wurden, welche nicht 
zuvor durch die Regenten der Stadt untersucht und 
zugelassen waren. Ein gleiches geschah zu Vosmeer 
und zu Zierikzee in Zeeland, und an verschiedenen 
andern Platzen. Allein weder Gesetze noch Prokla 
mationen, noch Strafen waren im Stande, die (aty 
pische Geissel der Rhetorykerö zurückzuhalten, und es 
kam so weit, daß im Zahr 1564 zu Harlem durch 
aus alle Spiele verboten wurden, .die nicht durch den 
Bischof oder feine Kommissarien untersucht und ge 
billigt waren. Doch die Geistlichen ergriffen ein 
noch viel sichereres Mittel, dem Schimpf und der 
Schande, denen sie durch diese Kamerspelen ausge 
setzt waren, fürs künftige vorzubeugen; und dies be 
stand darin, daß sie alle Mitglieder einer solchen Re- 
denlchkkamer, Schauspieler und Schauspieldichter, bei 
dem Volke in das gehässigste Licht zu stellen, und mit 
den schwärzesten Farben abzuschildern bemüht waren; 
so, daß von der Zeit an durch der Einfluß der Geist 
lichkeit die Schauspieler auf lange Zeit hin alleAchtung 
bei ihren Mitbürgern verloren, und ihnen eine (wahr 
lich nicht blos levis - notae) macula angehängt wurde, 
wovon sie sich niemals vollkommen reinigen konnten, 
und die selbst noch in unserm erleuchteten Zeitalter 
unverkennbare Spuren deePriestcrhasseü zurückgelassen 
haben. Freilich trug, wie überall, so auch hier die Le 
bensweise der Schauspieler am meisten dazu bei, um 
die Verunglimpfungen der ganzen Klasse, (welche alle 
zeit unverdient sind, und gerügt zu werden verdienen) 
wenigstens bei dem größten Theil derselben al« ge 
gründet ansehen zu müssen. ^ 0) 
(Die Fortsetzung folgt.- 
') Anm. des Red. Der Verfasser ist ein Bruder »es
	        
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