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Nr. 19.
Die Ne»,jähr-nacht.
Eine Scene, von L. F. Huber.
Hausmeisteri» Werner.
Mitten Abend, liebe Schwägerin.
Rcferendarius Herrmann. Willkommen, Lie
be. — Wie hast du so bald abkommen könne»?
M a d. Werner. Die Tafel ist servirl; ich habe nun
nichts zu thun, bis abgetragen wird — Ich sah euch so
lange nicht! Und diese Nacht hatte ich nicht verstreichen
lasten mögen, ohne jemanden zu sehen, der meinem Her,
zcn nahe ist —
Mad. Herrin, (sie umarmend.) Gute Seele! — Ich
begreife freilich nicht, wie man in der Neujahrsnacht
fremdes Getümmel ertragen kan». Don mir will ich
nicht reden. Wer so manchen Tag durch irgend ein trau
riges Andenken zu feiern gehabt hat, der zieht am letzten
Tag im Jahre den Strich unter die Leidenrechnung. Aber
auch glückliche Menschen sollten an dem Abend sich nach
Stille sehnen, um sich dankbar zu erweisen, und die Fort,
dauer ihres Glückes dadurch zu verdienen. (Nack es,
«er Pause.) Ich habe nun einen starken Transport auf die
Rechnung vom künftigen Jahre zu setzen!
Mad. Wern. Ach, ich scheute mich, davon mit dir
zu sprechen — Es hat mir so weh gethan! — Und ich be
greife es nicht; denn so viel ist doch gewiß, der gnädige
Herr hält sehr große Stücke auf Saldern —
Mad. Herrm. Eben darum vielleicht. Au« Eigen
nutz mag er ihm lieber seine Hauskorrespondenz lasten,
bei der ihm Salderns Sprachkcnntniffc zu Statten kom
men. Er muß ihm ja oft Französische Briefe schreiben,
auch Italiänische und Englische, er muß ihm in diesen
Sprachen vorlesen. Zum Amtmann ist ein bloßer Jurist,
der sonst nichts versteht, auch gut genug. Einen solchen
setzt er denn nach RupertSheim, und Saldern bleibt sein
Leibeigner — und mein Iulchen verblüht als Braut!
Mad. Werner. Wie nahm das gute Kind die Fehl,
schlagung?
Mad. Herrm. Ach, sie war klüger als wir gewe,
fcn! Sie hatte schon früher keinen rechten Glauben. Wen»
Saldern so zuversichtlich auf das nächste Frühjahr rech
nete, so sagte sie wohl: lieber Freund, wir dürfen uns
keinen Kummer bereiten; wenn nichts daraus würde, so
wären wir sehr unglücklich. — Gestern früh zeigte sie ihm
ein schönes Stück Leinwand, von ihr selbst gesponnen,
das ihr vom Weber gebracht worden war. Das wäre
doch ein artiger Jahresschluß, meinte sic. — Ja, sagte er
scherzend, und im Frühjahr bleichen wir's auf unserm
eignen Grasplatz. — Da sah sie ernsthaft aus, und sagte:
e« stört mich immer, wen» man so von einer gegenwär
tigen Freude hinweg nach einer künftigen sieht — Er be->
thcuerte, daß ihn der Frühling nicht freuen würde, wenn
er sie nicht sein Weib nennen könnte. — Das liebe Kind
wurde roth, und fragte ihn, ob die drei Frühlinge, seit
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