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die uns mit ihrer Deutschen Reinheit und reinen Deutsch-
heit chne Erbarmen martern; so viele- die sich besonder»
darauf zu Gut« thun, wenn sie Maskerade in Larven
tanz, Frisur in Haarbau, und Sofa in Lotterbctt
verwandelt haben! —
Reinheit ist allerdings ein wichtiger Theil der Doll«
Kmmenhcit einer Sprache. Wenn man nun aber, um
unsere Ideen deutlicher, richtiger, bündiger und
stärker zu bezeichnen, ein ausländisches Wort aufneh
men muß, und allgemein aufgenommen hat: wozu
diese entsetzliche Beängstigung, um da« ausländische Wort
zu verdrängen? wozu da« bedauernswürdige Martern
und Zerren, um das verdrängte Wort durch eine lächer
liche, weitschweifige Komposition von zwei, drei und
mehrern Wörtern zu ersetzen? —Wer an einen männ
lichen Styl gewöhnt ist, wem er um Kraft und Präci
sion zu thun ist, wählt in solchen Fällen sicherlich da«
fremde Wort, und laßt den Herren Puristen ihre fade,
schwankende, sinn - und kraftlose Reinheit. —
Stärke, Energie und Präcision machen die Engli
sche Sprache beinahe zu der ersten in der Welt. Wür
de sie diese Vorzüge wohl haben, wen» die Engländer
sich eben so possierlich wie unsere Deutschen Puristen ge,
berdcn wollten, wenn ihnen einmal ein fremde« Wort in
den Wurf kommt? — E» ist vielmehr im Gegentheil bc,
kannt, daß die Engländer sich gar kein Bedenken machen,
irgend ein Wort au« irgend einer Sprache in die ihrige
aufzunehmen, wenn nur diese« fremde oder ausländische
Wort die Idee, die dadurch bezeichnet werden soll,
deutlich und kräftig ausdrückt *). Daher auch die
Leichligkeit, womit die meisten Ausländer die Englische
Sprache — wenigsten« verstehen — lernen. Unsere
Gelehrten, ohne die geringste Anweisung genossen zu ha
ben, lesen die klassischen Schriften der Engländer, in der
Originalsprache, und das bloß, weil sie so viele Wörter
au« mancherlei Sprachen, so viele von ihren allen Freun,
den und Bekannten darin antreffen Daß diese
Leichligkeit, womit die Englische Sprache von Ausländern
gelesen und verstanden werden kann, zur allgemeinen
Ausbreitung der Englischen Litteratur, und folglich zur
Ehre und zur Achtung der Nation, sehr viel beitragen
muß, wird wohl Niemand bezweifeln wollen. Mit uu<
Deutschen ist c« ganz anders. Wir ersinnen Schwierig,
keilen über Schwierigkeiten, um dem Ausländer das Stu,
dium unserer Sprache und Litteratur zu erschweren.
Wenn unsere schöne, kraftvolle Muttersprache, durch die
•) Man mfimc der Lateinischen Sprache das, war ge von bk»
tziricchen enit.hnk hat, und sehe iu, Iva« nlrig dteidt
lächerliche Neuheitssucht der sogenannten Sprachberciche-
rcr, erst einmal genug entstellt, genug verdreht und ver
hunzt siyn- wird, so wird der Deutsche seine Sprache
wieder von neuem lernen müsse»; und der Ausländer
wird lieber dem Jupiter eine Siatuc errichte», oder der
Diana einen neuen Tempel bauen, als sich in das Laby
rinth der verworrenen, unet lernbaren Deutschen Spra
che verlieren.
Bei den Engländern konnten dergleichen litterarisch-
philologische Albernheiten, die bei uns für Sprachberei
cherung gelten, nie Statt finden. Ihr ernster, fester,
männlicher Charakter; ihr liefe« Forschen nach Sinn, nicht
nach Worten; ihr Durst nach Wahrheit, ni ch t nach Schein,
würde da» Nutzlose solcher Neuerungen za bald entdecken.
Man nehme da» erste beste Engliiche Wort, aus fremder
Sprache; z. B. Colvnnade. Diese» Wort haben die
Engländer von de» Jlaltäuerir, von colonna entlehnt.
Wenn nun ein Englischer Spra chbereichcrer auf
treten, und sich einfallen lassen wollte, statt Colonnade,
PiUar-w.dk, oder Pillar-row*) vorzuschlagen, so wür
de sich bald ein Drillischer Menichenfrcund finden, der den
Puristen mit Doktor Willis") bskannr machen, und ihn
seiner besten Pflege empfehlen würde . . .
Wie sehr es aber unsern Puristen am Herzen liegt,
unsere Spruche zu reinigen und zu erweitern, gehr auch
noch daraus hervor, daß Herr Campe und andere Sprach,
bcreicherer uns sogar die Schatze der Holländiichen Spra,
che geöffnet haben. Der Holländischen! die doch im
Grunde nichk» anders ist, als ein plumpes, verhuuzics Ge,
mengsel der bessern, reinern Deutschen und anderer Spra
chen! — Ist e» in der harten, Herden, ungeschmeidigen
Sprache der Holländer, wo unsere rastlosen Sprachfo-'cher
tke ease and Speed, which equals die progress oF our
vcry thougt» — die Leichtigkeit und Schnelle,
welche dem Flug unserer Gedanken gleicht —
suchen wollen? — Sollen wir hier, bei einem Volke, dar
sich eben so langsam bewegt, al« c» gemächlich
denkt, die Worte finden, die Homer die geflügelten
nennt? — Unsere Puristen wollen diese philologische Cr-
travaganza durch folgende Proben einiger Holländi,
scheu Kunstwörter empfehlen, die, wie sic sagcn, wjr nur
wörtlich übersetzen dürfen, um eben so viele Dculsche
Kunstwörter daraus zu schaffen. Z. B. Boek.be waar-
•) Und auch (o würde tiefe Umschreibung sich noch keiner Eng
lisch« Originalität rühmen tonnen: denn Fi Har i,i
kanntl-ch von dem Iranjistöchr» filier, und dem Ilatiäni-
seicn pilastro; — walk von IVAUcR, und row
von Reihe einstanden.
*') Ei» berühmter Englischer «rzt für Wahnsinnige. —