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<..^cr machte, daß e« seine Tugenden forterben konnte,
.fci» auf unsere Zeiten. Hier also ist das Bächlein ent
sprungen, das, jetzt ein mächtiger Fluß, ss herrlich »wi
schen gesegneten Ufern ström«! In stille, mannichfalti«
ge Betrachtungen versunken, sah ich lange mit unver
wandtem Blick hinauf; dcrMondschein kam meiner Phan,
taste zu Hülse, und ich glaubte endlich, den behelmten
Kopf des alten Thassilo zu sehen, der über die grauen
Mauern herabschauke. — Ja- wenn er das könnte, die
Freude möchte ich ihm gömien! —
Zkiri'L.
Sie sehen, ich bin in der Schweiz. Erwarten Sie
aber ja keine mahlerische Beschreibung der großen Natur-
schönheiten, die ich hier gesehen habe. Der Reisen in die
Schweiz giebt e» bei Dutzenden, gute, mittelmäßige und
schlechte, und es laßt sich über die Naturwunder dieses
Lande» nicht allein nicht« Neues mehr sage», sondern es
wäre auch von Anbeginn besser gewesen, man hatte gar
nicht« darüber gesagt. Denn — aufrichtig gestanden —
hat noch je die Beschreibung einer schönen Gegend,
wäre sie auch von Meisterhand, Ihnen ei» deutliche« Bild
vor die Seele geschoben? — Mir nie. Man kann mir frei
lich einen See, dessen Ufer mit lieblichen Landhäusern be
säet ist, zur Rechten hinmahlen, man kann mir die Kette
des Iura-Gebirge« zur Linken zeigen, den Montblanc in
den Hintergrund stellen, u.s. w.; man kann sich derpoe-
tischen Bildersprache dabei bedienen: in meiner Phantasie
wird man doch immer nur ein konfuses Bild von allen
diesen Gegenständen wecken; konfus und nichr emmaloyr,-
lich schwimmt e« vor mir herum, und ich suche vergebens
es festzuhalten. Darum war ich von jeher einFeind von
allen solchen Beschreibungen. Die Schweiz muß man
selbst sehen, so wie man ein Concert selbst hören muß.
Wer mir mit Worten Gegenden mahlt, der thut noch we,
Niger, al» der, der mir eine Symphonie vortrallert. Ich
kann und will also weiter nicht» von der Schweiz sagen,
als daß ich hier und da auf Stellen gestanden habe, auf
denen vermuthlich der liebe Gott stand, als er »ach dcr
Schöpfung die Well ansah und sagte: sie ist gut.-Der
Rhcuisall hat meine Bewunderung nicht überrroffen, aber
in einem hohen Grade befriedigt. Manche Reisende hat
ten mir die Wirkung seine« Anblicks geringer schildern
wollen, al« ich sie wirklich fand. E« ist ein imponiren,
des Schauspiel, an dessen Beschreibung sich keine Feder
wagen darf. — Die Gegend um Zürich hat mir sehr gefal
len, vielleicht doch nur mehr als alle übrigen, weil der
Aufenthalt durch gute Menschen mir interessant wurde.
Die Aussicht vom Därgeli über den S:e „ach den Schnee-
koppen ist sehr reißend. Fast noch reitz-nder, wenigsten«
noch mannichfalriger, ist die au« den Zimmern de» Gast-
Hofer (zumSchwert), welche ich bewohnte. Man hat
dieser Aussicht im Vorbeigehen schon oft erwähnt; ich
will Ihnen etwa« umständlicher — nichr beschreiben
( davor behüte mich Gort!) sondern nur aufzahlen, wa»
Sie alle» sehe». Das Zimmer ist ein Eckzimmer. Oeff-
ne» Sie ein Fenster linker Hand, so sehen Sie un
ter sich den Fluß, die Limmat, und eine sehr breite
Brücke darüber, welche zu beiden Seiten mir dichten bun
ten Reihe» von Gemüse- und Obstv-rkauferinnen besetzt
ist; zwischen denselben spazieren die Französischen Chas
seur» herum, deren Wachthau« Sie jenseit» der Brücke
gewahr werden. Sie glauben nicht, welch ein Leben und
Gewimmel auf dieser Drücke herrscht. Links hinunter er,
blicke» Sie längs dem Flusse zwei lange Straßen, und
«inen Theil der Stadt. Ocffnen Sie »as Fenster rech
ter Hand, so haben Sie unter ihren Füßen einen freien
sehr lebhaften Platz, und gerade vor sich den Züricher
See, von lachenden Landhäujcrn eingefaßt, die wiederum
von den Alpen begränzt sind, über denen sich wiederum
die Schneekoppe» erheben. Dies Amphitheater, au« sanf
ter und rauher Natur zusammengesetzt, mit dem Men
schengewimmel gerade unter sich, ist einzig — Die herr
lichen Spaziergänge um Zürich würden selbst einen Poda
gristen zum Spazierengehen verleuen. Geßner« Denkmahl
ist so einfach schön erfunden, daß man einer Thräne sanf
ter Wehmuth sich kaum erwehren kann. Schade nur, daß
vie Französischen Chasseur», die eben j-tzt keine andere
Gelegenhell haben, ihren Nahmen zu verewigen, sich be,
mühen, e» auf diesem Marmor zu thun. An vielen Stel
len fand ich bas drerzehnle R gnnenl »er Chasseur» an-
gekritzctt, was sich denn freilich zu dieser Jdyllenwelt
paßt, wie eine Flinte zu einem Rosenstrauch. Auf dcr
Biblivthck — nun, da stehen viele Bücher. Mehr kan»
ein gewöhnlicher Reisender wohl selten von einer Biblio
thek sagen. Ern Paar eigenhändige Briefe von der be
rühmten und unglücklichen Johanna Gray haben mich
inreressirt. Sie sind in Religion«anqel?genheiten, in sehr
gutem Latein, und so schön geschrieben, al» habe sie jede»
Zug dem Schreibmeister nachgemahlt.
K.
( Wird fortgesetzt.)
(Hierbei da« -oste Viatt de« Iller. und artig. ltn«eig«rS.)