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Volume No. 196, (Freitags, den 9ten December.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

sich der Königin zu nähern, zu deren Fügen er es todt 
hinstreckte. Z» Walrou sieht man Hcwing's Grabmahl, auf 
welchem jrncr Vorgang in Basrelief» abgebildet ist. Tin 
sentimentaler Alrcrlhumsforschcr bemerkt bei Erzählung 
des Vorganges: Elisabeth wäre wahrscheinlich aber die 
Tödiung de« Hirsche» sehr empört gewesen. Der ehrliche 
Mann dachte nicht daran, daß sie Fassung genug hatte, 
da» TodcSurihcil ihres Lieblings Effep zu unterschreiben. 
Die Sucht zu wetten, die unter den Engländern herrscht, 
ist allbekaunt. Dar auffallendste, hoffentlich aber nur er, 
sonnene, Beispiel von der Höhe, auf die sie steigen kön» 
ne, ist folgende Anekdote, die man übrigen« als unbe, 
stritten richtig erzählt. Ein Mensch war in die Them 
se gefallen: sogleich schloffen mehrere unter denen, die 
am Ufer gingen, mit einander Wetten darüber, ob er er, 
trinken werde, oder nicht. — Ein Boot stieß vom Lande, 
um ihm zu Hülfe zu eilen. „Halt! hall!" riefen dieje, 
nigen, dte für die erste Meinung gewettet hatte»» „da« ist 
kein ehrlich Spiel! Ihr werdet un» unsre Wette verlie- 
ren machen!" — 
Fragmente rc. 
( Forssctzuag, ) 
Beschluß a«S Heilkronn. 
Kann ich die Briefe nicht sehen, dachte ich, so will 
ich wenigsten« den allen Thurm besuchen, worin Göy v. 
Berlichingen gefangen saß; ich will auf derselben Stelle 
gehen und stehen, wo dieser rauhe Biedermann den Hohn 
der Heilbronner Rathsherren erduldete. Diesen Thurm, 
meinte ich, werde jedes Kind mir nachweisen können» 
aber da irrte ich sehr. Wenigstens ein Dutzcich Menschen 
von allen Ständen wurden befragt, die alle nicht begrif 
fen, wovon die Rede sey, mid von welchen keiner den 
ehrlichen Gvtz jemals hatte nennen hören. Also auch nach 
Jahrhunderten gilt »och die traurige Wahrheit, daß ein 
berühmter Mann, da, wo er einst wandelte, vergessen 
wird. Ach l alle« Große und Gute wirkt der Mensch 
nur i» die Ferne hinaus; die ihn umgeben, sehen er gleich 
gültig, oder «ollen er gar nicht sehen. — Endlich fand 
sich dcch ein Häscher, der mir den Thurm zu zeigen 
versprach. Er ging, holle eine Menge Schlüssel, führte 
mich in einen der schmutzigsten Winkel der Stadt, zu ei, 
nein allen viereckigen Thurme, mehrere abscheuliche 
Hühncrlreppen hinauf, bi« aus die Platteforme, die eine 
schöne Aussicht gewährte. Aber, wo ist Bcrlichingen» 
Kerker? — Er erbot sich, mir ihn auszuschließen; es sä 
ßen aber eben zwei Ucbelrhätcr darin. — Wie? der Ker 
ker wird noch gebraucht? — Allcrding»! — Wird nicht 
al« ein intcrcffauter Denkmal de« Alterthum« behandelt? 
— Ach nein, es fehlt an Platz. Man hak ihn sogar ab 
getheilt, um »och mehr arme Sünder hincinsperren zu 
können. — So, nun habe ich genug. Die Thür de« Ker 
kers betrachtete ich von außen; sie war im obersten Stock 
werk des Thurm« und sehr niedrig. Götz, der sich bc< 
kannllich sehr ungern bückte, muß beim Hineinlreten sich 
gewaltig gebückt haben. — Unmuthig stieg ich wieder 
hinab. Wohl Schade, daß auch Jahrhunderte nicht itn 
Stande waren, den Magistrat von Heilbronn achlung»- 
vollcre Gesinnungen gegen Götz von Bcrlichingen einzu 
flößen l 
Wa< ich sonst noch von dieser alten Stadt Ihnen zu 
sagen weiß, ist blutwenig. In einer Kirche finden Sie 
die zwölf Apostel — rathen Sie einmal al» was? — «l« 
Karyatiden! wahrhaftig, als Karyatiden! Sie tragen ganz 
geduldig die Säulen de« Gewölbe«, vielleicht als ein 
Symbol der christlichen Gelassenheit. — An einem Hause 
lesen Sie in großen Buchstaben: daß Carl der Fünfte sich 
im Monat December in einer Sänfte hineintragen las 
sen (vermuthlich, weil er krank war), und daß er im 
Januar zu Pferde wieder herau«geritlen, (vermuthlich, 
weil er gesund geworden.) 
Stuttgart. 
Ich habe in Stuttgart da« Theater besucht. Der 
Saal ist nicht tinposaiit, und wird noch durch eine sehr 
schmutzige Lampe verunziert, die in der Mitte herabhangt. 
Man gab die Oper Achilles, in welcher ich einen braven 
Tenoristen hörte, der Krebs heißt, ein schinerMann, und, 
»va« man so selten beisammen trifft, zugleich ein guter 
Schauspieler ist. Die Chöre gingen gut, wurden auch 
lebhaft gespielt. Das Orchester, unter Kränzen» 
Direktion, war vortrefflich. Alle« übrige verdient keine 
Erwähnung.— Daß Stuttgart eine berühmte Bibelsamm 
lung besitzt, können Sie überall lesen; dar Dibelsammeln 
ist eine Liebhaberei, von der ich nicht« begreife. 
Hechnigkn und Outtlingkn. 
Fast mit derselben Empfindung, mit der ich am letz 
ten Orte da» Bächlein ansah, welche« der Donau 
einen Nahmen giebt, und fernerhin al« ein majcstälischer 
Fluß zwischen blühenden Ufern sich fortwälzt, fast mit 
derselben Empfindung betrachtete ich zu Hechingen da» 
alle Schloß Hohenzollern, die Stammburg unser» 
guten König». Dort oben war e» also, wo dte reine 
heitere Bcrglufl da» Geschlecht seiner Ahnherren stark und
	        
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