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Volume No. 196, (Freitags, den 9ten December.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

w'irdiges.psychologisches Problem zu lösen." Dies wäre 
a:.o die Absicht bet Vers.? kr will ein psychologische» 
Problem lösen? Der Derf. hat also eine wirklich leben« 
de Person im Gesicht? Er kennt also eine Verbrecherin, 
die sich einen Theil der hier beschriebenen Verbrechen — 
baß sie sic alle begehen konnte, daran würde selbst da« 
schöpferische Genie de« Derf. verzweifeln — schuldig ge« 
macht hat? Al« Dichtung wäre sein Buch nur ekelhaft 
und verächtlich gewesen; gründet e« sich aber auf ein wah« 
res Ereigniß, so ist e» abscheulich: dann weiß jedermann, 
wen er gemeint hat, und — diese Gefallene, diese Un 
glückliche stellt der Derf. unaufgefordert, und ehe noch 
ihr förmliche« Urtheil öffentlich bekannt ist, 
dem Abscheu und der Verachtung ihrer Richter, ihrer 
Mitbürger und de« ganzen Publikum« dar? kr 
schöpft eine Fiktion au» der Tiefe der Hölle, um eine ge« 
fallene Sünderin, die, im Kerker schmachtend, und unter 
den zerrcißendsten Gefühlen der Schmach und der Reue, 
ihr letzte« Urtheil erwartet, — noch elender zu ma 
chen? Er verwirrt in seiner scheußlichen Darstellung 
Wahrheit und empörende Dichtung, und besticht so da« 
Gefühl der Richter und de« ganzen Publikum» zum Nach 
theil der Angeklagten? Und die« alle« unter dem 
Deckmantel der „Auslösung eine» psychologischen Pro 
blem»." Da« ist ein so grobe« Attentat gegen die Menichheit, 
daß die unsittliche, schmutzige, allen Wohlstand beleidi 
gende Gestalt, die er seiner Ausgeburt gab, dagegen ge, 
ringfügig wird. Er verfolgt eine Giftmifcherin, und er 
selbst streut, auf dreihundert vollen Okravseiten, da« 
gefährlichste Gift öffentlich in da« Publikum! Wahrlich, 
diese Erscheinung verdiente eben so sehr, psychologisch er, 
läutert zu werden, als dasjenige Problem, dessen Auflö 
sung er gegeben zu haben vermeint. 
Was die vorliegende Schrift noch besonder« tadeln«, 
würdig macht, ist die Einstreuung von Anekdoten und 
Anspielungen, die durch Beifügung von Anfang»- und 
Endbuchstaben bekannter Namen verläumderisch werden. 
Wir, oder will der angebliche Psycholog c« etwa für 
einen Zufall erklären, daß die Buch staben. die er zur 
Bezeichnung wählte, wirklich di« Namen der Personen 
in Berlin anfangen oder endigen, auf die seine Schilde, 
rungen — nur da« Verwerfliche da» er hineinlegte, ab, 
gerechnet — paffen? Dahin gehört unter ander», wa« 
S. 114 u. f. von einer Demoiselle D . . . . und den De- 
moiselle» . . . . k« gesagt wird. Was der Derf. hier 
(©. 115.) sehr beleidigend, ein Gelegenheit».Bü, 
reau nennt, ist eigentlich ein Wohlthätigkeit«- 
Komtoir, unter der Aufsicht und Pflege einiger wohl, 
thätigen Damen, die ihrem Geschlecht und unserer Zeit 
Ehre machen: eine Einrichtung, der mancher Einwohner 
dieser Königsfiabt sein Glück und seine Versorgung ver 
dankt. — Gehören Verdrehungen der Art vielleicht auch 
dazu, ein psychologisches Problem zu lösen? — 
An lächerlichen Paradoxen und hohlen Sentenzen, 
fehlt e» auch nicht in diesem Buche. Der Verfasser 
scheint einer von den wortreichen Schriftstellern zu seyn, 
die die Phrasenmacherei, als das höchste und schätzbarste 
Schriftsteller, Talent, mit rastlosem Eifer kultivirc». Da» 
Hauptprincip dieser Kunst besteht darin, klingende 
Worte in runde Phrasen zu drehen. Dringt 
man diese aber auf die Kapelle der Vernunft, so 
bleibt von solchen Phrase» und Sentenzen gewöhnlich nur 
Ein Wort übrig, und diese» caput mortuum heißt ; — 
Unsinn So sagt z. B. der Vers. (S. ;co.) 
„ Die List läßt sich nur durch Furcht besiegen." 
Diese Sentenz ist aber grundfalsch. Die List läßt 
sich so wenig durch Furcht besiegen, daß vielmehr die 
Furcht, al» die Mutter der List angesehen werde» kann. 
Wäre keine Furcht vor dem Mißlingen eine« Plane« oder 
vor der Strenge de» Gesetzes; wären keine Strafen vorhan 
den: was sollte den Lasterhaften zur List bewegen? Um das 
Gesetz zu eludiren, um der Strafe, deren Andenken ihn 
mir Furcht erfüllt, zu entgehen, strengt der Verbre 
cher seine ganze List an. — Hätte der Vers, sich nicht ge 
fürchtet, daß sein verächtliche«, Surcn-vcrdcrbliche« 
Buch ihm allgemeinen Tadel und schwere Ahndung zu 
ziehen würde, so hätte er wahrscheinlich nicht die psy 
chologische Maske angelegt; und hätte er nicht ge, 
fürchtet, daß feine vecläumdenschen Angriffe gegen ach- 
tungswürsige Personen, al« Pasquille geahndet werden 
würden, so hätte er seine Verunglimpfungen nicht hin 
ter die Anfang«- und Endbuchstaben der Derläumdeeen 
versteckt. — Kann der Derf. wohl einen stärker» Beweis 
begehren, daß die Lift nicht durch die Furcht besieg! wird, 
sondern daß die Furcht die Mutter der List ist? — 
Berlin, den 1. Dec. 1*03. K. I. L. 
Anekdoten. 
Unter ihre berühmtesten Jäger zählen die Engländer 
John Hewing, der unter der Königin Elisabeth Ober, 
Aufseher de» Park» zu Oaftland war. Er besaß eine er, 
siaunliche Stärke und Behendigkeit, von der er selbst unter 
den Auge» der Königin Beweise gab. Bei einer sehr 
hitzigen Jagd, schwang er sich einst von seinem Pferde 
auf den Rücken ve» gejagten Hirsche«, und erhielt sich 
nicht nur aus demselben, sondern zwang sogar das Thier
	        
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