r~ Was fit dem zweiten Theil von den Wundern, von
Engeln, von Jesu (als Sohn Gotte« und selbst Gott,)
von Himmelfahrt und dergl. gesagt wird, kam mir sehr
unverdaulich vor. Lächeln muß man über die Bestimmt,
heit, mit welcher der Verfasser die liebe Jugend lehrt,
die Erde werde einst durch Feuer zerstört werden, u. d. m.
Sind die« die ersten Religionsbcgriffe? Sind die»
wohl Gegenstände, welche überhaupt ein gebildeter Dereh,
rer der Religion auch nur noch zu den Religionswahrhei,
len rechnet? — Glauben die« alle« die aufrichtigen Freun,
de der Religion Jesu selbst? Wird nicht durch den
dogmatischen Sauerteig mehr Gleichgültigkeit gegen die
Religion gewirkt, al« durch offenbare Gegner derselben? —
Mein Gefühl erwärmt sich, meine ganze Seele wird
Freude und Dank, wenn ich den göttlichen Mensche» den,
ke; ich hange mit ganzer Seele an seiner Religion, die
meiner Einsicht nach die heiligste, reinste, menschlichste und
ewig wahre ist. Aber ich gestehe auch aufrichtig, daß ich
die genannten Säge gar nicht zur Religion Jesu rechne;
daß ich sie theil« nicht glaube, theil« dahin gestellt seyn
lasse, weil ich mir nicht» dabei denken kann. Urtheilen
nicht die meisten unsrer protestantischen Theologen so? Nur
wagen die wenigsten, «« so aufrichtig zu gestehn.
Und doch soll ich die Stirn haben, solche Sachen
meinen Kindern vorzulesen, und auseinander zu seyen?
Kindern, die über alle», wa« sie nicht verstehen, Erklärung
fordern; die gewohnt find, bei dem Unglaublichen zu lachen
und zu sagen: da« glaub' ich nicht. Schmerzlich ist
e« mir, in solchen Fällen erklären zu müssen: Kinder, da«
verstehe ich selbst nicht; dabei kann ich mir selbst nicht«
Deutliche« denken! — Wenn Ihr einmal älter seyd, so
prüfet selbst, und folget redlich eurer Ueberzeugung.
Könnte die», der Anlage und dem Plane nach, sehr
gute Buch, durch Säuberung von dem dogmatische» und
empfindsamen Unralhe, nicht dem denkenden Religionever,
ehrcr werth, und von reellem praktischen Nutzen gemacht
werden? Sollte nicht statt der zärtlichen Geschichten zwi,
scheu Gumal, Lina, Widdum rc. lieber reinere Familien»
liebe oder Freundschaft zum Vehikel dienen? etwa wie
in Salzmann« moralischem Elemeitlarwerk?
Ein Verehrer der Religion Jesu.
Herbsiunrcrhaltnngcn in Wien.
Wim dm rZKen November 180Z.
Mehrere sehr angenehme Herbsttage scheinen un» ei,
nigermaßen für den regnerischen und unangenehmen Som,
mer entschädigen zu wellen. Unterdessen hak der schöne
Praier seine belaubte Pracht verloren, die frühere Dun,
kelhcit verhindert gioßcre kandpartieen, und beschränkt
unsere Spaziergänger auf den Wall, wo sich zwischen
zwölf und ein Uhr Mittag« wirklich alle« Schöne und
Elegante zu einer sehr glänzenden Versammlung zusam»
men findet, die nicht selten mit der Pracht eines festlichen
Balle» wetteifert. Kehrt aber der herannahende Winter
seine rauhere Seite vor, so flächtet sich in dieser musikali,
schen Kaiserstadt alle» zu den Reitzen der Harmonie, der
man hier auf die verschiedenste Art huldiget. Mehrere
Privatgesellschaften, zu denen auch jeder gebildetere Frem,
de ohne Schwierigkeiten Zutritt findet, fähren grcße Mu
sikstücke, al» Symphonien, Concerte und Ouvertüren, mit
einer Präcision und Richtigkeit au«, die um so bewunde,
rungswürdiger ist, da diese größten Theil« sehr stark besetz,
ten Orchester, beinahe durchaus au« Dilettanten bestehen,
wenn man wenige Blase-Instrumente ausnimmt, auf die
man sich hier nicht so häufig legt. — Die Wahl dieser
großen Muflkstücke beschränkt sich fast einzig auf Mozart,
Haydm und Cherubini, womit nur selten eine Symphonie
von Beethoven oder Wranitzky abwechselt. In sehr ge
mischten Abendgesellichaften werde» gewöhnlich Klavier,
stücke mit oder ohne Begleitung gegeben. Die Eberlschen
Compofllionen sind jetzt mooern, und die« Mal har e« sich
glücklich getroffen, daß die Mode und da« Verdienst Hand
in Hand gehen; denn indem da« originelle Genie diese«
Composticur« immer neue und glänzende Gedanken faßt,
weiß er sie mit einer klaren Anmuth darzustellen, die selbst
den bloßen Musikliebhader unwiderstehlich fesselt und an,
zieht, wenn gleich der ergentliche Kenner noch einen vor»
züglicheren Genuß dabei findet. So war ich bei dem Hof»
sekrelckr von F •"> einem sehr geschätzten Geschäftsmanne,
Zeuge de« außerordentlichen Effekt«, den da« der Kaise
rin zugeeignete Klavierquartetk von Eberl hervorbrachte,
welche» jetzt beinahe von allen unsern guten Klavierspie,
lertnnen studiert wird, unter denen Fräulein Hohenadel
durch Stärke, Präcision, Feuer und Richtigkeit, einen der
ersten Plätze behauptet. Noch beliebter ist eine Polonaise
auf vier Hände von diesem Tonscßer, eine zarte, glückliche
Blüthe de« Augenblick«, und cineKlaviersvnatc mit Dio,
linbeglcituiig, der Baronne Erlmann zugeeignet, welche
einen Reichthum von neuen und angenehmen Ideen cnt<
fallet. Nebst diesen Kompositionen und mehreren Beet,
hovischen, erhalten sich Mozart«, Haydn«, Dementis Mei,
stersiücke »och immer in ihren Rechten, und bieten ihren
Verehrern eine unerschöpfliche Fülle de« Genusse«. Merk-
würdig ist c«, daß in Linz, einem Städtchen in Obcröst,
reich, wo sich kaum eine erträgliche Gesellschaft von Di,
iellaulku und meine« Wissen» kein einziger Tonsctzcr von