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in der Zukunft gerechte Erwartungen für die Litteratur'
haben darf, selbst ein Beweis, daß der wissenschaftliche
Geist, und die Geschmacksbildung unten den höhern Stän
den in Italien nicht so selten ist, al« man gewöhnlich
glaubt. Der Principe Chigi und der Duca di Ser-
mo netta in Rom, wenden ihre Muße zu litterarischen
Beschäftigungen an. Die beiden Bruder Grafen Polca-
ßro werden, der eine als Chemiker, der andre al« Dich
ter, geschaht, und die Italiänischen Damen danken dem
gelehrten Naturforscher, dem Grafen Marazzo, eben
so verbindlich für seine Naturgeschichte der Papageien, als
es nur ein düstrer Alterrhumskenner für seine über dar
Ichneumon, und über die bei Rom ausgegrabenen unge
heuern Thierknochen angestellten Untersuchungen thun kann^
Das Unglück.
(Beschluß.)
Ueberhaupt aber - wie selten ist der Sinn für'
die Heiligkeit de« Unglücks! Man entstellt es durch fremd
artigen Schmuck, um e« zu verschönern; man begei
stert sich für ein Unglück, da« eben die Fibern berührt,
welche ein interessanter Roman, welche die Täuschung
der Schaubühne in Bewegung setzt. Diese Gefühle sind
eine klägliche Feier de« wahren Unglücks. Berühmte
Unglückliche, Ihr, deren erlittenes Unrecht, deren ausge,
standene Drangsale au« dem großen Ganzen der mensch
liche» Schicksale hervorragen: die Augenblicke, wo man
euch mit den Theakerstiltcrn der öffentlichen Theilnahme
behängt, sind nicht die, wo ich euch am wenigsten be-
daure. Lästig müssen euch diese Thränen seyn, in denen
keine sympathetische Ahndung dessen, was Ihr empfan,
det, euch erfreut — oder zwischen euerm Schicksal und
euch müßte ein sehr großer Abstand seyn. Dann aber
laßt es euch in euerm Triumph nicht stören, wenn meine
alte Frau, die am Brunnen wusch, mich inniger rührt
als Ihr.
Wohl ist da» Unglück schön, aber in seiner wahren
Gestalt, anspruchloe und sinlich wie cs ist, vom Ekel de»
Geiste« au den goldenen Sälen in den Pallästen der Gro
ßen, und vom Ekel des Fleische« am Schmutz der Bett-
lekhütlen gleich unabhängig - das Unglück, von welchem
Euripides fang:
Da» Schicksal nahm mein Theuerste« zum Lohn dahin,
Und gab mir Weisheitk
•y.
Nachricht. €in großer Theil diese« Aufsatze« wur,
de in der Censur gestrichen: daher der Mangel an Zu,
sammenhang.
Englische Litteratur, oder Irre» ist menschlich.
Es passtet auch den Englischen Recensenten zuweilen,
daß fie jämmerlich fehl schließen, und elendiglich vorbei
schießen. Und ob cs gleich, Herrn Kirchenraih Leß, seli
gen Andenken«, zufolge, ein heidnischer Trost ist, sich
mit dem Unglück seine« Nächsten zu trösten, so mögen
doch gleichwohl viele unserer Deutschen Recensenten Her,
denthums genug im Magen haben, um solch eines Tro
stes empfänglich und bedürftig zu seyn. So viel zur
Einleitung, und vorläufigen Nutzanwendung zugleich.
Zur Sache: Als die unnachahmlichen Volksmärchen
des seligen Musäug herausgekommen, und einige
Zeit nachher ins Englische übersetzt waren, freu
te sich ein Englischer Recensent- über die« echt Engli
sche Produkt über die Maßen sehr. Denn, daß es nur
fingirter Weise, um einsaitige Leser bei der Nase
zu haben, eine Uebersetzung au« dem Deutschen,
wirklich und wahrhaftig aber ein original Englische«
Produkt sey, darüber könne der Kritikus keinen Augen,
blick ungewiß seyn. So wie man nehmlich sagen könne,
die Wirklichkeit sey da« Complement der Möglichkeit, so
gelte der Sag auch eben so unwidersprechlich: die Nicht,
existenz ist da« Complement der Unmöglichkeit. Oder
populärer zu reden: e« gebe kein solche« Deutsche« Buch,
weil e« kein solches geben könne. Denn einmal, da«
Englische in dieser sogenannten Uebersetzung sey nicht nur
viel zu gelenksam, sondern auch zu sehr ganz im Geniu«
der Englischen Sprache geschrieben, als daß eine feine
Nase nicht alsobald hieraus schon den Trug wittere.
Zweiten«, so sey das Buch auch — obgleich viele Mär
chen ganz und gar auf Deutschen Boden verpflanzt seyen,
und also einen Engländer zu erkennen gäben, der stch
lange dort aufgehalten, und beinahe einheimisch gewor,
den, — e« sey ein Buch überall voll Humor«, also über,
all zeugend von einem Talente, und voll von einem
Schatze, für welches der Deutsche so wenig organistret
sey, und für welchen er so wenig Sinn habe, daß ihm
auch sogar da» Wort in seiner Sprache fehle. Und end,
lich, nebenher, dritten«, so sey ja auch der Nahme Mu,
säu« offenbar kein Deutscher Name, sondern ein fremder
au« der lateinischen Sprache entlehnter, hinter welchem
der Englische Verfasser de« Buch« nur seinen Nahmen
habe verbergen wellen. W. Z. E- W. —
Noch ein Pröbchen: Al« da» Münchha»fische
Lügenbuch an» Licht trat, und bald auch ine En
glische übersetzt wurde, da geberdeke fleh ein En
glischer Recensent gar seltsam bei dem Buche. Daß die
vorgegebenen Lügen, al« solche, nur Hülle, Schale, Ve-