Path:
Volume Nr. 184, (Freitags, den 18ten November.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

— 734 
in der Zukunft gerechte Erwartungen für die Litteratur' 
haben darf, selbst ein Beweis, daß der wissenschaftliche 
Geist, und die Geschmacksbildung unten den höhern Stän 
den in Italien nicht so selten ist, al« man gewöhnlich 
glaubt. Der Principe Chigi und der Duca di Ser- 
mo netta in Rom, wenden ihre Muße zu litterarischen 
Beschäftigungen an. Die beiden Bruder Grafen Polca- 
ßro werden, der eine als Chemiker, der andre al« Dich 
ter, geschaht, und die Italiänischen Damen danken dem 
gelehrten Naturforscher, dem Grafen Marazzo, eben 
so verbindlich für seine Naturgeschichte der Papageien, als 
es nur ein düstrer Alterrhumskenner für seine über dar 
Ichneumon, und über die bei Rom ausgegrabenen unge 
heuern Thierknochen angestellten Untersuchungen thun kann^ 
Das Unglück. 
(Beschluß.) 
Ueberhaupt aber - wie selten ist der Sinn für' 
die Heiligkeit de« Unglücks! Man entstellt es durch fremd 
artigen Schmuck, um e« zu verschönern; man begei 
stert sich für ein Unglück, da« eben die Fibern berührt, 
welche ein interessanter Roman, welche die Täuschung 
der Schaubühne in Bewegung setzt. Diese Gefühle sind 
eine klägliche Feier de« wahren Unglücks. Berühmte 
Unglückliche, Ihr, deren erlittenes Unrecht, deren ausge, 
standene Drangsale au« dem großen Ganzen der mensch 
liche» Schicksale hervorragen: die Augenblicke, wo man 
euch mit den Theakerstiltcrn der öffentlichen Theilnahme 
behängt, sind nicht die, wo ich euch am wenigsten be- 
daure. Lästig müssen euch diese Thränen seyn, in denen 
keine sympathetische Ahndung dessen, was Ihr empfan, 
det, euch erfreut — oder zwischen euerm Schicksal und 
euch müßte ein sehr großer Abstand seyn. Dann aber 
laßt es euch in euerm Triumph nicht stören, wenn meine 
alte Frau, die am Brunnen wusch, mich inniger rührt 
als Ihr. 
Wohl ist da» Unglück schön, aber in seiner wahren 
Gestalt, anspruchloe und sinlich wie cs ist, vom Ekel de» 
Geiste« au den goldenen Sälen in den Pallästen der Gro 
ßen, und vom Ekel des Fleische« am Schmutz der Bett- 
lekhütlen gleich unabhängig - das Unglück, von welchem 
Euripides fang: 
Da» Schicksal nahm mein Theuerste« zum Lohn dahin, 
Und gab mir Weisheitk 
•y. 
Nachricht. €in großer Theil diese« Aufsatze« wur, 
de in der Censur gestrichen: daher der Mangel an Zu, 
sammenhang. 
Englische Litteratur, oder Irre» ist menschlich. 
Es passtet auch den Englischen Recensenten zuweilen, 
daß fie jämmerlich fehl schließen, und elendiglich vorbei 
schießen. Und ob cs gleich, Herrn Kirchenraih Leß, seli 
gen Andenken«, zufolge, ein heidnischer Trost ist, sich 
mit dem Unglück seine« Nächsten zu trösten, so mögen 
doch gleichwohl viele unserer Deutschen Recensenten Her, 
denthums genug im Magen haben, um solch eines Tro 
stes empfänglich und bedürftig zu seyn. So viel zur 
Einleitung, und vorläufigen Nutzanwendung zugleich. 
Zur Sache: Als die unnachahmlichen Volksmärchen 
des seligen Musäug herausgekommen, und einige 
Zeit nachher ins Englische übersetzt waren, freu 
te sich ein Englischer Recensent- über die« echt Engli 
sche Produkt über die Maßen sehr. Denn, daß es nur 
fingirter Weise, um einsaitige Leser bei der Nase 
zu haben, eine Uebersetzung au« dem Deutschen, 
wirklich und wahrhaftig aber ein original Englische« 
Produkt sey, darüber könne der Kritikus keinen Augen, 
blick ungewiß seyn. So wie man nehmlich sagen könne, 
die Wirklichkeit sey da« Complement der Möglichkeit, so 
gelte der Sag auch eben so unwidersprechlich: die Nicht, 
existenz ist da« Complement der Unmöglichkeit. Oder 
populärer zu reden: e« gebe kein solche« Deutsche« Buch, 
weil e« kein solches geben könne. Denn einmal, da« 
Englische in dieser sogenannten Uebersetzung sey nicht nur 
viel zu gelenksam, sondern auch zu sehr ganz im Geniu« 
der Englischen Sprache geschrieben, als daß eine feine 
Nase nicht alsobald hieraus schon den Trug wittere. 
Zweiten«, so sey das Buch auch — obgleich viele Mär 
chen ganz und gar auf Deutschen Boden verpflanzt seyen, 
und also einen Engländer zu erkennen gäben, der stch 
lange dort aufgehalten, und beinahe einheimisch gewor, 
den, — e« sey ein Buch überall voll Humor«, also über, 
all zeugend von einem Talente, und voll von einem 
Schatze, für welches der Deutsche so wenig organistret 
sey, und für welchen er so wenig Sinn habe, daß ihm 
auch sogar da» Wort in seiner Sprache fehle. Und end, 
lich, nebenher, dritten«, so sey ja auch der Nahme Mu, 
säu« offenbar kein Deutscher Name, sondern ein fremder 
au« der lateinischen Sprache entlehnter, hinter welchem 
der Englische Verfasser de« Buch« nur seinen Nahmen 
habe verbergen wellen. W. Z. E- W. — 
Noch ein Pröbchen: Al« da» Münchha»fische 
Lügenbuch an» Licht trat, und bald auch ine En 
glische übersetzt wurde, da geberdeke fleh ein En 
glischer Recensent gar seltsam bei dem Buche. Daß die 
vorgegebenen Lügen, al« solche, nur Hülle, Schale, Ve-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.