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Volume Nr. 158, (Dienstags, den 4ten Oktober.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

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an jenen Schlcimfaden, da wo er von der Schnecke nus 
ging, und nun schlangen sich beide so um einander her 
um, daß sie einen vollkommenen Merkurstab, oder noch 
besser gesagt, einen doppelten Schraubengckng bildeten. 
Dieser blieb aber nicht in Ruhe da hangen, sondern dre- 
hcte sich, etwa« ungestüm, und gerade wie ein Schrau 
bengang, bald eine Zeitlang hin, und dann eben so lan 
ge ivredcr her. Die« Wesen mochten sie etwa zwei M- 
jjuten getrieben haben, ake da« Winden und Drehen ge 
mäßigter wurde, und sich zu gleicher Zeit aus der Oeff- 
nung, welche diese Thiere hinter dem Kopfe haben, und 
deren sie sich, wie bekannt, zum Luflschö-fe» und als Af 
ter bedienen, bei beiden ein kleines wcißlichte« Glied her 
vor that, welches etwa einen kleinen Zoll lang und einen 
dünnen Pfeifenstiel dick seyn mochte. Dieses Glied trat 
au« jener Oeffnung so hervor, daß es mit dem übrigen 
Körper de« Thieres einen rechten Winkel bildete. Es 
behielt aber nicht lange diese Stellung, sondern fing bald 
an, bei beiden sich zu senken, und im Senken sich unbe 
schreiblich, beinahe um Lar Doppelte, zu verlängern, und 
auch zu verdünnen; c» hing zuletzt vollkommen senkrecht 
bei beiden Thieren eines guten Zoll» länger als der 
Kopf herunter, und die Thiere, wie sich versteht, immer 
noch jenen überall festanschließenden Merkurstab bildend, 
waren jetzt auch nicht mehr so aufgebläht. Da« Winden 
wurde immer schwa'cher. Jetzt verwandelte sich das vor 
hin verschlossene und kegelariig zugehende Ende mehr 
besagten Gliede» in etwa«, das ich nicht besser, als mit 
einer — Handkrause, ober Manchetke, jedoch in Minia 
tur, — der Durchmesser mochte überhaupt einen halben 
Zoll hallen — vergleichen kann. Beide Handkrauscn dieser 
Glieder suchten sich nun, und fanden sich bald, und leg 
ten sich auf einander. Jetzt hörte da» Drehen der Thiere 
vollkommen auf; die Glieder selbst aber singen an, sich 
zu bewegen, auf die Art, daß in jener senkrecht«,, Stel 
lung die Handkrausrn auf einander etwas hin und her 
geschoben wurden. Etwa nach einer halben Minute bil, 
bete» sich die Krausen zu einer kleinen Kugel, die sich mit 
jedem Augenblicke vergrößerte, und so wie sie sich vergrö 
ßerte, so verkleinerten sich auch die Mauchetlcn, die zu 
letzt nur ein dünne« Gcrände, um die Mine der Kugel 
laufend, ausmachten. Oie Kugel selbst mochte wohl die 
Groß« einer gewöhnlichen Haselnuß, jedoch vollkommen 
gerundet, haben. Die Glieder waren übrigens durch je 
ne Handkrause, und die aus ihne», gebildete Kogel eben 
nicht merklich kürzer geworden; aber sie wechselten jetzt 
in unlerschikdiichen Farben, zwischen weißlich und blau 
insonderheit. Besonder» war die Kugel fast hellblau. Jetzt 
stand die Bewegung der Glieder stille. Eine, nicht etwa 
schleimichke, sondern wgfferichte Flüssigkeit troff jetzt ziem 
lich reichlich an dem Geranve der Kugel, den Ueb^rblcib- 
sein der Handkrause, heraus. Da« dauerte etwa ein Paar 
Minuten, da spürte man keine Flüssigkeit mehr. Die Thie 
re waren jetzt erbärmlich dünne geworden. Die Kugel, 
deren bläuliche Farbe sich schnell verlor, fing an, sich zu 
verkleinern, die Handkrause aber, sich wieder zu vergrö 
ßern. Jene schwand zuletzt ganz, und diese halte wieder 
ihren erste., größten Umfang. Jetzt rieben sich diese wie 
der auf einander, wurden aber immer kleiner, und schlüpf 
ten plötzlich von einander ab. Nun ging da» Gewinde 
und Bedrehe der Schnecken selbst wieder an. Jene beiden 
Glieder verloren gänzlich ihre Mancheltcn, und wurden 
wieder zum Kegel umgeformt. Dieser müde seiner senk 
rechten, oder Hängestellung, sing bei beiden zugleich — 
die Thiere trieben und machten alle» im größtmögli 
chen, erstaunenewürdig pünktlichen Verein, gleich al« auf 
Kommando nach militärischem Fuß — wieder an, sich zu 
heben, und nahm die Position de« rechten Winkel» wie 
der ein. Aber bald zogen sich beide so in ihre Oeff 
nung wieder zurück, wie sie aus derselben hervorgekom 
men waren, und diese schloß sich dann allmählich völlig 
s», wie sie ganz Anfangs geschloffen war. Nun zerarbei« 
tcten sich die Schnecken wiederum in Winden und Dre 
hen; wa« sie aber jetzt thaten, schien mir eine Bemü 
hung, um den Merkurstab aufzulösen, und so au« einan 
der zu kommen. Da» geschah denn auch; langsam wan 
den sie sich allmählich, enen Schlag nach dem andern, 
wieder von einander lo«. Die Schnecke, welche sich über 
die hangende hergemacht harre, verließ diese ganz. Und 
sie, die hangende, sing an, sich etwas hin und her zu 
schwingen, um die Planke, an der sie hing, wieder zu ge, 
Winnen. Es geschah. Sie riß dann plötzlich durch eine 
ganz eigene, uichr gut zu beschreibende hurtige Schwen 
kung ihre« Körpers, jenen Schleimfaden von ihrem Schwan, 
ze ab; die Ueberrcfte des Fadens blieben an der Planke 
hangen, wo ich sie früh am folgenden Tage ganz ver 
trocknet fand, und die Thiere krochen nun beide ihres 
Weges, hierhin und dahin. — Lin sehr angesehener Na- 
turhiftoriker, dem ich meine Beobachtung miuheilte, dank 
te mir dafür, da durch sie, wie er mir versicherte, ein 
wichtiger Irrthum in der Geschichte der nackten Schnek- 
ken berichtigt würde. Giebt es unter de« Lesern de« Frei 
müthigen Naturforscher, so werden sie nur hoffentlich 
michl weniger Dank wissen. —
	        
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