Nr. 141
(Montags)
(den Ziel, September.)
Berlinische Zeitung für
e-ildete, unbefangene Leser.
Fragmente aus dem Tagcbnche des.letzten Königs
von Polen.
(§«rtseyung.)
Möttau, de« loten April.
Am 7ttn besah der König da« Hau« de« Minister» Gra,
fen Te»borodko, welche« der Kaiser bewohnen wird. —
In ganz Europa existirl wohl kein Hau», wo mehr Pracht
und Geschmack vereinigt wäre. Besonder« zeichnen sich
die Bronce», die Tapeten und die Stühle au«; die letzte,
rcn sind eben so bequem, al« reich, verziert. Man schätzt
diesen Pallast auf 700000 Rubel. Graf Berborodko, der
sich selbst eiugefunden hatte, um dem Könige die Honneur«
zu machen, sagte, er sey in neun Jahren erbaut. Sein
Hau« in Petersburg enthält mehr kostbare Gemählde,
sonst aber kommt es diesem bei weitem nicht gleich. Per,
svnen, welche St. Cloud in dem Augenblicke gesehen ha,
ben, al» die Königin von Frankreich e« vollendet harte,
versichern, daß die Verzierungen de« Bcsborodkoschen
Pallastes noch weil reicher und geschmackvoller sind. Da«
vergoldete Schnitzwerk und die kostbaren Stühle sind
größleniheil« i« Wien verfertigt, die schönsten Broncen
find von Französischen Emigrirten gekauft. Im Speise,
saal ist ein Parade-Büffet, dessen Stufen mit mehr al«
zweihundert trefflich gearbeiteten Gefäßen von Gold,
Silber, Elfenbein, Korallen u. s. w. besetzt sind Die kost
baren Hauleliffen hat Theil« da« Ausland, Theil« Ruß
land selbst geliefert. Auch Chinesische Möbeln finden sich
hier in Ueberfluß.
Moskau, den rsien Mai.
Der König hat die Abwesenheit de« Hofe« benutzt,
um die Merkwürdigkeiten de« Kremlin zu beschauen.
Hier trifft man die Reliquien von der Pracht d«r alten
Zaaren und Patriarchen an. Unter den Gewändern, mit
Perlen reich gestickt, finden sich welche, die gerade so viel
wiegen, al» die Rüstung der heutigen Chevalier - Garden,
d. h. sechzig Pfund. Man zeigte dem König auch ein
spiralförmig aufgerollte« Pergament, welche« eine Art
von Gesetztafcl de« Zaar« Alexei Michailowitsch, Vater«
Peter de« Großen, enthält, und auf Befehl der Kaiserin
Katharina in einer goldenen Büchse verwahrt wurde.
Dieselbe Monarchin hat die Kathedralkirche von Moskau
mit Priesterschmuck und heiligen Gefäßen von Gold mit
Brillanten besetzt beschenkt, an welchen die Emailinahle,
rei und die künstlerische Arbeit alle« übertreffen, wa« je
in dieser Art au« Frankreich kam. Da» Grab von Sil
ber, weiche« sie für einen kürzlich kanonistrten Heiligen
hat verfertigen lassen, da« Gemählde diese« Heiligen und
die uingebenden Iicrachcn tragen da« Gepräge eine»
ganz andern Geschmack«, air der war, der unter den
Griechischen Kaisern herrschte. Der König hat auch di- Krone
Wladimir» de» Großen besehen, der einst zu Kiew die Rus
sische Monarchie gründete. Die ältesten Gewänder sind
mit kleinen Glocken garnirt, wa» an Aaron« Kleidung er,
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