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Volume Nr. 129, (Montags, den 15ten August.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

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trugen von Künsten längst gefeiert worden, und noch täg 
lich gefeiert werden, die wechselseitige Am,%tiniq zwi 
schen dem Dichter und dem Publikum mehr erleichtern 
würden.. Mochten so durch die Bemühung eines Schrift 
stellers, der — wenn er will, und litterarische Partcigän, 
gerei ihn nicht verblendet — so viel Geschmack und Ein 
ficht daran zu wenden hat, die herrlichen Gestalten de» 
Oedipu», der Antigone, de« Herkules, der Kassandra, der 
Hekuba, unsre Bühnen erleuchten! — b — 
Englische und Französische Spitzbüberei. 
El» paar Anekdoten vom vorige»: Winter. 
Ein wohlgeklcideter Mensch, der wie ein Fremder 
aussah, kam zu einem Tuchkrämcr in London. Er trug 
unter dem linken Arm eine Rolle Musikalicn und in der 
rechten Hand ei« Diolin. Futteral, welches er mit gro 
ßer Vorsicht auf den Zähltisch legte. Darauf suchte er 
das feinste Tuch zu einem Kleide aus, und, .während, man 
es abschnitt, öffnete, er das Futteral, untersuchte cs sorg 
fältig, wandte die Violine um, probierte fic, that sie wie 
der hinein, und erwähnte beiläufig, es sey ein sehr kost 
bare« Instrument, wofür man ihm bereit« vierzig Gui 
neen geboten habe. Den Menschen, der da« Tuch zu 
sammenlegt, bittet er zu eilen, weil sei» Kleid schon mor 
gen zu einem Concert bei Lord B — fertig sey» müsse. 
Er fordert dann schnell seine Rechnung, greift in die Ta 
sche, sucht, wird ungeduldig und schreit: „Verflucht! 
ich habe meinen Beutel vergessen! ” Der Kaufmann er 
bietet sich, ihm das Tuch durch feinen Lehrburschcn nach 
tragen zu lassen» der das Geld empfangen werde. — lsn« 
möglich! Der Fremde har nur eben sv viel Zeit, nach 
seinem Schneider zu gehn, von dort muß er zum Dejeu- - 
ncr und Concert bei Mylady A.; versäumt er die Stun 
de, so büßt er zwanzig Guineer dabei ein. Was ist an 
zufangen? Ihm fällt etwas bei : „2ch könnte 2h»en, sagt 
er, meine Violine bis morgen hier lassen.; ich würde bloß 
das Futteral tnilnehmen, um eine andere hineinzulegen, 
die ich im Vorbeigchn bei dem Marquis C. abholen könn, 
re, wo ich sie gestern gelassen hrve." — Der Kaufmann 
bedenkt sich, will es aber doch nicht gradczu abschlagen. 
— „Wenn ich ganz sicher wäre" (hob der Musikus wie 
der an, indem er die Violine au» dem Fu-teral zog und 
sich in dem Laden umtah) „wenn ich ga,.z sicher wäre, 
daß man sie mir hier nicht zu Schaden ioinmen ließe, - 
und — aber ich sehe kein Plätzchen — hier st e» zu nahe 
am Jähliisch — ein Groß mit »er Elle oder dem Besen • 
und sie wäre dahin! — Dort würde sie w-eder zu sehr 
erschüttert beim Aus- und Zumachen der Thüre, und dort 
möchte die Zugluft aus dem Fenster ihr schaden. Ich 
sehe wohl, es geht nicht; auch könnte ich sie vielleicht heute 
brauchen; lieber will ich doch morgen mein Kleid ent, 
behreii." Damit ging er, ohne das Tuch mitzunehmen. 
— .Die Frau gab ihrem Mann einen Wink, rief den Mu 
sikus zmück, redete ihm zu, und half ihm feine Violine 
an einem Orte de» Ladens aufhängen, wo sie schwor, daß 
weder Mensch noch Wind sie berühren werde. Jetzt nahm 
er das Tuch, und ging, nochmals sein kostbare» Jnstru- 
mcnk anempfehlend. — Einige Stunden nachher kommt 
ein Herr in einem Wagen, steigt au», und verlangt al 
lerlei zu sehen. Er befiehl, feilscht, handelt um die« und 
jenes, und belastet, gleichsaht in Gedanken, die'Violine, 
die hoch über dem Zähllisch hängt. Kaum hat er einige 
Töne herausgeklimpert, als er sie hastig herunternimmt, 
trotz den Billen der Krämerin sie versuche, und entzückt 
ausruft: Wolle» Sie mir dies Instrument für 
fünf und zwanzig Guineen überlassen? Der 
Kaufmann anlwortel: er gehöre ihm nicht zu. Ich zah 
le dreißig Guineen, sagt der Fremde. Auch fünf 
und dreißig. Der Kaufmann wiederholt, die Violine 
sey das Eigcnlhum eines andern, dem schon vierzig Gui, 
neen dafür geboten worden. Ohne Bedenken erbietet der 
Fremde sich gleichfalls zu vierzig'Guineen, und zu einem 
Douceur obendrein: Der Kaufmann verspricht, sein Mög 
lichstes zu thun, und der Fremde will morgen Mittag wie 
derkommen. — Der Dämon der Gewinnsucht ergreift 
den Krämer. Der Muflkus erscheint, um da« erhandelte 
Tuch ehrlieb zu bezahlen. Der Kaufmann bietet ihm fünf 
und dreißig Guineen für seine Violine. — Sie ist dem 
Künstler nicht feil. — Er steigt bi» acht und dreißig — 
».Aber mein Gott! ich konnte ja schon vierzig dafür ha 
ben ! " — Aber die Violinen, meint der Krämer, wären « 
indessen im Preise gefallen. Der Musikus vertheidigt sich 
schwach — freilich, er besitz! auch noch mehrere Instru 
mente von gleichem Werthe — er will überdies eben eine 
Reife machen, wo dieser Violinen -Neberfluß ihn sehr in- 
commodireii würde — kurz, er giebt nach: der Handel 
wird geschloffen. — „Ich mache einen dummen Streich, - 
sagt der Musikus, indem er das Geld einstreicht. Mylord 
B. wird mir da« nie verzeihe». Wenigsten« verralhen 
Sic mich nicht." Er geht. Der andre mit dem Wa 
gen kommt auch nicht wieder. Die Violine war fünf 
Schilling werihä 
Eine Pariser Hebamme von siebzig Jahren ging t 
schnell zu einer Wöchnerin über einen öffenilichen Plag. 
Ein Me»sch, zwei Schritt von ihr, bückt sich plötzlich, 
und hebt ein Papier auf, in welchem sich ein Diamant
	        
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