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Volume Nr. 9, (Montags, den 17ten Januar.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

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Gesicht verziehen, wenn sie etwa einmal eine Neben 
rolle spielen sollen, und bei der Zumuthung, gar eine 
stumme Rolle zu übernehmen, dem Dirckteur wohl so 
gleich das Engagement aufsagen würden! 
Jfflands edler Kunstgcist beseelt aber auch alle die 
vorzüglichen Mitglieder der Berliner Bühne. Es ist kein 
geringes Vergnügen, z. B. in den Hussiten, zu sehen, 
wie Madame Unzelmann, Madam« Schick, Madame 
Fleck, Mlle. Döbbelin, kurz, alle die Sterne an dem Ber 
liner dramatische» Horizont, sich beeifern, die Dolkssce- 
»en zu beleben; wie sie — nicht etwa da stechen und ei 
nen Platz ausfüllen, sondern — immer und j?den Augen 
blick mitspielen, und da« Gemählde der leidenden 
Mütter zu dem höchsten Grade der Täuschung erheben. 
Wir würden sagen: das Publikum und der Dichter seyen 
ihnen großen Dank schuldig; wenn wir nicht überzeugt 
waren, daß sie in dem Bewußtseyn, zur Vervollkomm 
nung der Kunst beizutragen, ihren schönsten Lohn finden, 
Notizen. 
Wohl nicht ganz mit Unrecht ist man in Paris ge 
gen die Englischen Zeitungsschreiber erbittert. Anekdoten, 
wie folgende, die das Blatt: The times, erzählt, sollten 
strengerer Prüfung unterworfen werden, ehe man sie 
für zuverlässig ausgäbe. 
Ein Mitglied des Tribunats, welches zugleich Lehrer 
des Rechts ist, und ein Buch über die Moralphilosophie 
geschrieben hat, sprach neulich in: Gesellschaft billigend 
davon, daß jetzt äoosoo« im Gebrauch wären, in wel 
che» der Eingekerkerte weder sitzen, noch liegen, noch 
aufrecht stehen könne, und welche daher jeden Widerspan- 
sngen in 24 Stunden auf andere Gedanken brächten. Cr 
wunderte sich, als er bemerkte, daß man ihn mit Unwil 
len anhörte. Einer aus der Gesellschaft, der, zur Ehre 
der Menschheit, seinen Worten keinen Glauben beimaß, 
erkundigte sich näher bei einem Beamten, und erfuhr — 
der Herr Tribun habe allerdings die Wahrheit gesagt. 
In den Englischen Theatern ist, nach Aussage eiues 
Augenzeugen, die Sittlichkeit nicht zu Hause. „Das Er 
ste, was ein Fremder bemerkt, ist die Stille in allen 
Theilen des Hause«, die man sieht, und der Lärm in 
allen denen, die man nicht sieht. Ohne den Anstand 
zu beleidigen, kann man dem Leser keinen Begriff davon 
machen. Trunkenheit auf einer, Liederlichkeit auf der an 
dern Seite. Selten geht ein Abend hin ohne Zank und 
Schlägerei. Ich habe dergleichen zwischen wohlgekleidc- 
ten Herren und vor Frauenzimmern, die achkungswerth 
schienen, mit angesehen; und Niemand nahmAnstoß daran." 
Ein Officier, Nahmens Elifford, hat, während der 
letzten Campagne, ein beschreibendes Gedicht über Aegyp 
ten geliefert. Es ist unter dem Geräusche der Waffen, 
im engen Zelt, auf heißem Sande, geschrieben, und be 
darf also Nachsicht. Doch hat cs vielleicht muh gerade 
diesem Umstande, seine gute Aufnahme zu verdanken. E» 
ist in drei Gesängen, in gereimten Jamben, die zuweilen 
ein wenig prosaisch klingen und ei» wenig fehlerhaft ge 
reimt sind. Doch Eleganz und Harmonie kann man dem 
Ganzen nicht absprechen. 
Don den Versuche» über die Gothische Architektur, 
von Warton, Ventham, Grose und Milncr, mit zwölf 
Kupferstichen von alten Monumenten, ist bereits die 
zweite Ausgabe erschienen. Kein Wunder; denn dar 
Werk ist in seiner Art vortrefflich. Jetzt ist noch hin 
zugekommen: eine Ansicht vom Innern der Kathedral, 
kirche, von Durham, und eine vom Innern der Westmin- 
ster - Abtei. ______ 
„ Weibliche Heldinnen, oder interessante Anekdoten 
von dem heldenmükhigen Benehmen der Weiber während 
der Französischen Revolution," sind in Englischer Spra 
che erschienen. Die Idee einer solchen Sammlung ist 
allerdings anziehend. Die Gegenstände sind z. B. Mut 
terliebe, Gattinliebe, kindliche Liebe, Geschwisterliche, 
Opfer der Liebe u. s. w. An der Spitze dieser Heldinnen 
stehen: die Königin, die Prinzessinnen Elisabeth, Lam- 
balle, Monaco, und die Herzogin von Orleans. 
In England ist eine sehr gute metrische Uebersetzung 
vom Kleists Frühling erschienen. Dem angehängt ist 
Gcßners erster Schiffer, und Gray's Elegie auf einem 
Dorfkirchhof. Oer Verfasser unterzeichnet sich ->ll — 
Coriolan, ein Trauerspiel vom Verfasser des Re 
gulus, ist mit großem Pomp auf das Wiener Hofthcater 
gebracht worden, und hat an Dekorationen und Kleidun 
gen gegen 4000 Fl. gekostet. Dennoch erhielt das Stück 
nicht den allgemeinen Beifall, dessen sich Regulus zu er, 
freuen hatte. — Jetzt werden die Hu ssiten vor 
Naumburg einstudiert, zu welchen Salieri sämmlli- 
liche Chöre komponirt hat. Die Censur ist sehr säuberlich 
damit umgegangen, und nur in der Rede des Herol 
des ist einiges gestrichen worden. 
An der Spitze des Polnischen Nationalthcaters in 
Warschau steht ein Mann von großen Talenten, Herr 
von Dogoslawski, der seit zwanzig Jahren mit unge- 
thcilrcm Beifall die ersten Rollen spielt, auch selbst Thea 
terdichter ist, und aus den meisten lebenden Sprachen 
mir Glück übersetzt.
	        
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