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Volume Nr. 112, (Freitags, den 15ten Julius.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

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her es fick denn von selbst verficht/ daß das Publikum mit 
ihnen zufrieden/ der Schauspieler aber unzufrieden ist. — 
Den Tanz lieben die Polen, haben aber diese Kunst nie sehr 
aufgemuntert. Unter August HI. und Stanislaus Po< 
niaiowsky wurde das Warschauer Publikum durch Ve- 
stris, Le Picg, Madame Rosst u. s. w. bezaubert; doch 
war dies nur eine vorübergehende Erscheinung. .Ver 
schiedene Große ließe» mit ungeheuern, aber nicht ver- 
geblichen Kosten, Künstler aus Frankreich und Italien 
kommen. 17*1 engagirte der Unterschatzmeister Graf Ae» 
senhaujen Ledoux au« Paris, der in Litthauen eine Tanz 
schule aus 36 königl. Unterthanen errichtete, welche nach 
drei Jahren Noverre'S Ballette recht gut aufführte. Als 
Graf T. starb, wurde diese Schule nach Warschau ver 
setzt; man schenkte den Tänzern die Freiheit, und nahm 
sie in königl. Dienste. Nach is Jahren, wahrend wel 
cher sie dem Publikum oft Vergnügen gewährten, trennte 
sie die Polnische Revolution: mehrere wurden gelöster, 
andere trugen ihre Talente in da» Ausland. Seitdem 
Hane Warschau kein Ballett mehr. Vor einem Jahre 
ungefähr bildete Ledoux ein neues Institut, jn welchem 
er täglich acht Stunden unentgeltlich unterrichtete. Da 
durch brachten cs die jungen Leute so weit, daß sie im 
April dieses Jahrs in. der Oper.Telemach zgm ersten Mal 
mit Beifall auftraten. Bei der dritten Vorstellung sam 
melte man schnell im Theater 74 Dukaten, und warf 
sie mit den Worten: xour ie» ensan», auf die Bühne.— 
Vor kurzen sahen wir ein neues drollige« Lustspiel von 
Dmuezewsky, die Schauspielerin den Elysäi- 
schen Feldern, welches sehr dazu geeignet ist, die Ta 
lente einer Gesellschaft, alle auf einmal, dem . Publikum 
zu zeigen, weil jeder Schauspieler seine Lieblingsrolle da 
rin spielt. Merope und Sultan Wampum, Mon« 
t alb an und der Tanz Meister in den Unglücklichen, 
der Advokat aus der Lasterschule, und der Essigkrä 
mer, Aballino und der Jude aus dem Kind der Lie 
be, re. erscheinen an den Ufern des Styx und wollen 
vom Charon übergesetzt seyn. Der aue Fährmann will 
dieienigen zuerst übersetzen, die am besten gelebt haben, 
worauf den» jeder, im Charakter seiner Rolle, seine Tha, 
ten herzahlt. Da Charon wegen des vielen Selbstlobes 
am Ende unschlüssig bleibt, so schließt der Effigkramer 
endltck mit den Worten: „wir alle erscheinen hier in 
verschiedenen Gestalten, zum Vergnügen und zur Beleh 
rung de« Publikum«. Wir alle sind Zöglinge der Polni 
schen Melpomene, welche durch Erinnerung an große und 
tugendhafte Menschen die Weil befferr und ersetzt. — 
Kommt Brüder, laßt uns in die Oberwelt zurückkehren, 
und unser» Beruf getreu erfüll n Heil dem, von dem 
man einst sagen witd: er har sich um die.Mitwelt ver 
dient gemacht!" 
Französisches Theater zu Paris. 
Ich fahre, meinem Versprechen gemäß, fort, Ih, 
nen da» Merkwürdigste von dem mitzutheilen, was auf 
unsern vorzüglichsten Bühnen seit einigen.Monaten er 
schienen ist. 
I- Theätre de l'Opera. I. I’ro'erpiiic, eine alte 
Oper von Quinault, aber mit einer neuen herrlichen Mu 
sik von Paesiello, welche großen verdienten Beifall erhal 
ten hak. Man findet sie nur hier und da zu empfind,am 
monoton. Da ist alle« sanft. Pluto.hat seine schmelzenden 
Arie» so gut wie der Schäfer Tire s ; die seligen 
Schatten und die Furien singen einerlei Weiie. — 
Die Dekorationen sind trefflich, besonders Pluro's Pal 
last. In Gardcls B-rllctt zeichneten sich ein Tanz der 
Schatten aus, die wirklich Lustgeftalreii zu sey» schie 
nen, die sich weder stoßen noch berühren können: so leicht 
and schön schwebten sie durcheinander. — 2. Saul, Ora 
torium in Handlung gesetzt von Morel, Deschamp» und 
Despres. Die.sogenannten Concerts »pimuels, welche 
jährlich in der Charwoche gegeben wurden, wäre» oft 
kalt und langweilig;, man ging hin, weil man nichts Bes 
seres zu.thun wußte. Daher war die Idee sehr glücklich, 
eine dramatische Handlung zu erfinden, durch welche ma» 
diejenigen Musikstücke, welche man im Concert geben 
wollte, in ein Ganzes vereinigte. 
(Die Fortsetzung in der i« diesem Stücke gehörige» außeror- 
een.tiidKn Beilage.) 
Stutkgare. 
Anstatt der Jungfrau von Orleans hat uns 
Madame Unzelmann auf ihrer Rückreise von Mün 
chen die Johanna v»n Montfaucon gegeben. Ein 
sehr volle« Haus bezeugte de» Eindruck, den sie zurü-k- 
gelaffen hakte. Die Rolle war ein neuer Beweis der 
Unerfchöpflichkeit ihrer Kunst. Wenn ihrer Stimme die 
Sprache der stolzen Verachtung, der heroischen Ruhe, am 
schönsten glückt, so drückt ihr Körper die heftigeren oder 
weicheren Empfindungen desto hinreißender au«. Kein 
Moment erscheint studiert, und doch ist jeder ein Slu- 
dium — in der Erinnerung, die sich gern umständlicher 
zurückrufen möchte, wa» auf einmal ergriff. Jeden von 
den Wechseln de» Affekts, an denen diese Rolle so reich 
ist, begleitete eine Stellung, die man von einem Flax, 
man aufgefaßt wünschte, und jede Stellung war, den 
Flaxmanschen Figuren gleich, unauffaßliche Eingebung 
de» Augenblicks.
	        
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