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Shakespeare besitzen wir nur Hamlet/ Othello und Ro<
mco und Julie/ und nur das letztere gefällt. Aber She-
ridans Lasierschule ist mit vielem Erfolg nakionalisirt wor,
dem — Fast all« jetzt in Deutschland beliebte Opern ha,
ben wir auch. — Ach! wäre nur nicht die allerilliberalste
Censur für unser Theater so drückend/ wir würden
längst größere Fortschritte gemacht haben. Alle« seufzt
hier darüber/ und wendet seine Blicke um gerechte Ab,
hülfe zu dem guten König. — Warschau besitzt eigentlich
vier Theater; jetzt wird aber nur, abwechselnd mit den
Jtalianern, auf dem großen Theater gespielt, welche« vor
mehr al« zwanzig Jahren der Baumeister Solary auf
Kosten des Skarosten Ryx erbaute. Das Aeußcre ist sehr
barvk; der Weg dahin eng, für Kutscher ein Probierstein,
für Fußgänger unsicher; Parierrlogen und Gallerte haben
nur einen einzigen Haupteingang; zwei hölzerne Trep,
pen (deren eine kürzlich, mit Menschen beschwert, zusam«
men stürzte) führen hinauf; kurz, es ist nichts verab,
säumt, um zu zeigen, wie ein Theater — nicht gebaut
seyn muffe. Es hat in allem achtzig Logen, und faßt
überhaupt zwölfhundert Menschen. Die Dekorationen sind
vortrefflich (von Plesch und Sz muglewicz); denn der
Direktor spart kein Geld. — Uebrigenö giebt cs auch Re»
douten und Cvncertsäle in diesem Hause, welches Gott
vor Feuer bewahren wolle; denn was würde, bei diesem
einzigen Eingang, au« zwölfhundert Menschen werden!
Zwei Seitenthürcn sind zwar noch da, werden aber nie
geöffnet. Zwei kürzlich engagirtc, vortreffliche Sange»
rinnen, Stephani und Petrasch, (die letztere singt
bi« in da« dreigestrichcne g) haben da« Publikum so be»
zaubert, daß ihnen nach der zweiten Vorstellung 160 Du
katen auf da« Theater geschickt wurden. (So elivas ge
schieht in Deutschland nicht. Anm. d. H.) — Da« erste
Stück von Kvyebue, welche« hier gegeben wurde, war
Menschcnhaß und Reue. Man kam zwanzig, dreißig bi«
fünfzig Meilen weit au« den Provinzen, um c« spielen zu
sehen. Denjowsky erregte, bevor das Stück verboten
wurde, au« leicht begreiflichen Ursachen, den allerhöchsten
Enthusiasmus. Jffland« alte und neue Welt hat
sehr gefallen, weniger die Jäger, weil Charaktere und
Sitten uns zu fremd waren. Babo'S Otto von Wittel«,
bach wurde mit großer Warme aufgenommen, aber auch
gleich verboten (!I) Den Rittergeist lieben die Polen
sehr, vorzüglich aber alle Stücke, in welchen die Schwä
cher» sich gegen Unterdrückung der Mächtigern aufleh,
nen. Schiller« Räuber sind, »ach vielem fruchtlosen Bit
ten, endlich diese» Jahr zu spielen erlaubt worden. Die
Deutsch en hatten es schon längst hier auffüh»
ren dürfen (!) Den Polen mißfiel e« sehr, und esist nicht
wieder gegeben worden. Da der National »Charakter der
Polen bekanntlich zu dem Französischen hinneigt, so ist nicht
zu verwundern, daß die Französische Muse »och unumschränk
ter auf unserer Bühne herrscht, al» die Deutsche. Opern
zieht aber doch der Pole allen andern Schauspielen vor,
besonder« seitdem wir alle die neuern großen Opern von
Mozart, Winter u. s. w. kennen gelernt haben. Die
Casperliaden alle sind zwar versucht, aber verschmäht
worden. Die Original,Oper, die Krakauer und Go-
ralen (ein poetisches Meisterwerk von Boguslaweky)
bleibt der Liebling des Publikums. Sie wurde zum er
sten Mal kurz vor der Revolution gegeben, und falsche
Patrioten waren so dumm, sie als die Ursache dieser Ka
tastrophe zu verschreien. Eine Beobachtung lassen Sie
mich, als Arzt, bei Gelegenheit der Opern, hinzufügen.
Man findet hier sehr viele Vaßsiiinmcn, aber äußerst we
nige Tenoristen. I» Italien ist c« umgekehrt. Vermuth
lich eine Wirkung de« Klima. Im vorigen Winter ver
loren fast alle Jtaliäner ihre Stimmen, und mußten ihre
Opern aussetzen, bi« die größte Kalke vorüber war. —
Die Männcr-Rollen auf unsern Bühnen sind größten Theil«
trefflich besetzt (die Nahme» der vorzüglichsten Künst
ler können da« Deutsche Publikum wchl nicht iiilcressiren);
von den Weibern laßt sich weniger Gute« sagen. — Die
Italiänische Opera buffa, unter Direktion eines gewissen
Herrn Chiavacci, wird wenig besucht. Außer Signora
Dclicat» und Signor Santi, ist auch keiner dabei, der ge
rühmt zu werden verdient. Der Buffo ist ein Bajazzo,
bei dessen Spiel die Damen ihre Fächer vorhalten müssen.
— Noch ein Wort von unserm Publikum! E« ist zum
Theil sehr gebildet, und besitzt durchgehend« ein sehr re
ge« Gefühl, besonders für die Vaterlandsliebe. Da«
einzige Wort Vaterland setzt oft, wie durch einen elek
trischen Schlag, da« ganze Publikuin in Bewegung; in
jede« Weibe» Auge rollt eine Thräne, und jedem Mann
schlägt da« Herz höher. Eine Tiradr, die von Vater
landsliebe glüht, wird nicht allein enthusiastisch beklatscht,
sondern muß sogar oft zwei- und dreimal wiederholt wer
den. (Hierin liegt viellelchl ein Grund der überstrcngen
Censur.) Uebcrhaupt ist bei jeder edlen Handlung die
Freude, bei jedem Schurkenstreich der Unwille in den be
weglichen Gcslchlsmuekeln de« Polen zu lesen; den»
seine Nation ist brav und großmüthig. Gern gewährt sie
auch den Künsten Unterstützung; die Schauspieler, welch«
Benefiz-Vorstellungen geben, haben oft glänzende Pro,
ben davon erhalten. — Auch Theaterkritiken haben
wir in den Zeitungen, die meistens sehr gerecht sind, da-