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Volume Nr. 112, (Freitags, den 15ten Julius.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

lug.) 
e s e r. 
Nr. II?. 
Theater der Ausländer. 
Russisches Theater in St. Petersburg. 
^ie Ruffcn haben ein neues Original.Schauspiel von 
Fedoroff auf die Bahne gebracht, betitelt: der gute 
Soldat. Der Inhalt ist kur, folgender: Ein seil drei 
Jahren verabschiedeter Soldat wohnt aus dem kande bei 
dem Verwalter de« Gutsherrn, und verliebt sich in dessen 
Tochter; er ist aber, nicht jung mehr, wird also nur hoch 
geschätzt, nicht widergclicbt. Ihn drückt noch ein ande 
rer Kummer. Er har im Kriege, in einer erstürmten 
Stadt, ein Kästchen mit Diamanten von großem Werth 
zur Beule gemacht; er wirft sich unaufhörlich vor, viel, 
leicht das Glück einer ganzen Familie vernichtet zu ha 
ben, und will in die Stadt, um es sich vom Halse zu 
schaffen. Da erscheint der von seinen Bauern angebetete 
Gutsherr, und wird mit großem Jubel empfangen. Doch 
die Freude verkehrt sich in Trauer», als er erklärt, daß 
ein verlorner Prozeß ihn zwinge, dieses Gut zu verkau 
fen. Jetzt holt der Soldat sein Kästchen, und alle Bauern 
bringen herbei, was sie nur immer entbehren können, um 
sich ihren guten Herrn zu erhallen. Diese Scene wurde 
mir außerordentlichem Beifall aufgenommen, und ver 
dient die Aufmeiksamkcil der Deutschen um so mehr, da 
sie in Rußland nicht bloß auf dem Theater gespielt wird, 
sondern sehr oft wirklich vorfällt, also die Sklaverei der 
Russen oder oa» Herz der Guisbesig.r nicht so hart 
seyn muß, als man gewöhnlich glaubt. Der Gutkh-rr 
nimmt da« Kästchen des Soldaten als Darlehn an, und 
d.« Verwalter« hübsche Tochter, durch feinen Edel-- 
muih gerührt, wirft sich als Braut in seine Arme. Sa 
ch aroff, der erste Schau pieler, gab die Rolle des gu 
ten Soldaten vortrefflich. Das Stück würde noch 
besser seyn, wenn es nicht einige sentimentale Kor, si'o-n- 
vres halte, und einige Scenen, die bloß geschrieben sind, 
um dem Naiionalstolze zu schmeicheln. Au den ersten rech 
ne ich die Scene, wo Anuta einen Kuß verweigert und 
erzählt, daß der liebe Gott die bewahrte Unschuld in jener 
Welt mit ewigen Freuden belohnen wird. Von den leg 
iern hier eine Probe, die ohne Aufhören bcklatschl wor, 
den ist. Ein Bedienter spricht zu dem guten Sol, 
dalen: Wie? du bist in Uniform? 
Soldat. Ja, ich lasse nicht mit mir spaßen. In 
Uniform bin ich noch immer ein braver Soldat. 
Bedienter. Schon recht; aber sage mir auf dein 
Gewissen: kanntest du auch wohl dann und wann dieRe- 
tirade? 
Soldat. Retirade? da« muß eine Deutsche Fami 
lie seyn, die kenne ich nicht. 
Bedienter. Du verstehst mich nicht. Hast du 
Wunden auf dem Rücken? 
Soldat. Keine; aber sechs auf der Brust. 
Bedienter. Ei, so versteh niich rech:! Ich frage: 
wie oft du vor dem Feinde geflohen bist? 
l nr )
	        
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