Sorge für unfern Leib möget ihr besser uns selbst über-
lösten! — So steht die Sache. Die Leute verfahien mit
einer so- großen Bescheidenheit und Besonnenheit, daß
man ste auch nicht auf dar entfernteste der Widcrseglich-
feit beschuldigen kann. Vermuthlich wird also die Sache
durch einen Bericht bis an den Monarchen kommen —
und wohl der Menschheit, daß dieser Monarch Alexander ist!
Zweites Schreibe« aus Miete«.
In diesen Tagen ereignete sich hier ein Vorfall, der
der Seltenheit wegen der Aufbehalten» und der Bekannt
machung wohl werth scheint. Die vom Kaiser kllerandcr
der Kurlandischen Ritterschaft geschenkten Güter Trendzin
und Jrmclau sollten derselben durch eine Kommission
förmlich übergeben werden. Als nun an dem zur Ueber-
gäbe bestimmte» Tage die au« 250 Gesindewirthen beste
hende Banerschafk versammelt war, um erst solenn be
wirthet und durch Speis' und Trank erquickt — hernach
aber eben so solenn verzeichnet, und der neuen Herrschaft
übergeben zu werden, war e» schon auffallend, daß kein ein
ziger unter dieser großen Anzahl etwas genießen wollte,
sondern Alle sich die Bcwirlhung verbaten, indem sie äu
ßerten: „daß sie zu Hause »och Dr>,t hatten," - auf
fallender aber noch, als sie hernach, in Absicht der Haupt
sache, mit großer Ruhe und Bescheidenheit erklärten:
„daß sie immerfort Kronbauern zu bleiben,
und nach wie vor nur dem Monarchen zu ge
horchen wünschten," wobei sie aller Ermahnungen
und Vorstellungen ungeachtet bis an« Ende verharrten,
und sich unter andern de« im Protokoll befindlichen Aus
drucke« bedienten: „sic wollten wie Kletten an
dem Kaiser hangen!" Als man sie nachher auffoder-
te, einem bei dieser Gelegenheit besonders veranstalteten
Gottesdienste beizuwohnen, schickten sic ihre Weiber und
Kinder in die Kirche, und äußerten, indem sie selbst zu-
rückbticben: „der Prediger könne zwar für ihre Seele,
nicht aber für ihren Leib sorgen." — Wie glücklich
fühlt sich der geringste Unterthan Alexander'«, daß er sich
sogar fürchtet, aufhören zu mästen, e« ,u seyn!
S —.
Aus Schlesien.
Ich habe die Berichtigung in der Zeitung für die
elegante Welt, da« gesellige Leben in Breslau betreffend,
gelesen, und finde, daß der Einsender weiter keine Ant
wort verdient; denn alle« wa« er vorbringt, wimmelt
von neuen Unwahrheiten. Ein Bürgerlicher z. B. in
den höher» Aemtern müffe sich nothwendig adeln lassen.
Man darf ja nar den Adreßkalender durchblättern, so
wird man Geheime- Finanz-, Justiz- und Tribunalsräihe,
auch Kammerdirckroren genug finden, die nicht von Adel
sind, und auch gar keine Nothwendigkeit verspüren, den
Adel nachzusuchen. Also — mag der elegante und
wahrhafte Herr Correspondenr in Gokle« Nahmen da«
letzte Mort behalten. Erlauben Sie mir dagegen über
die, auch in der oben genannten Zeitung, vorkommende
Behauptung: der Adel verdränge die Bürgerli
chen aus den ersten Stellen in denLandes-
Collegien, und lasse ihnen blos diejenigen
Posten, welche mir vieler Arbeit verknüpft
seyn, ein recht freimüthiges Mort zu sagen. Es mag
vielleicht in Deutschland »och Provinzen geben, in wel
chen der Adel aus diese Weise dominirk; in unserm Lande
aber — ich wage eine auffallende, doch darum nicht min
der wahre Behauptung — in unserm Lande ist cs fast
umgekehrt. Die Stande eine«'Staates können, ohne
eine vorhergegangene zerstörende Revolution, ihren Ge,
rechtsamen nicht entsagen; folglich hat der Bürger eben
so wenig Anspruch auf die ersten Slaakrbedienungcn zu
machen, al« der Edelmann auf bürgerliche Nahrung und
Gewerbe. Daß ausgezeichnete Talente eine Ausnahme
machen, versteht sich von selbst; dem verdien,tvol-
l e n Bürger muß der v e rdienstb a a r e Edelmann freilich
nachstehen. — Die Sucht, ihre Kinder studieren zu lassen,
ist in alle Dauern und Handwerker gefahren, die etwa«
wohlhabend sind. Ursprünglich aber ist es die Bestim
mung de» Edelmanns, als Ssldat oder Staatsmann,
durch Ehr« belohnt, von innen und außen den Staat
zu schätzen; der Bauer soll die Produkte de« Lande« er
ziehen, der Bürger sie veredeln und ausführen. Jetzt sind
alle Stände durcheinander geworfen, welche« zu mangel
hafter Erreichung aller Zwecke führt. — Dem studieren
den Sohne des Bauer« oder Bürgers, werde er auch
noch so geschickt, wird e« doch immer an Erziehung feh
len, um einem Stande oder Amte die gehörige Wür
de zu verleihen, die nicht immer allein auf Kennt
nissen beruht. Har er vollends nicht, studiert, sondern sich
etwa vom Bedienten oder Schreiber bi« zu bedeutenden
Stufen hinaufgeschwungen (wie das oft genug der Falk
ist), so verbindet er mit dem Mangel an Erziehung auch
den an soliden Kenntnissen. Seltene Ausnahmen gelten
auch hier. — Wozu soll denn aber am Ende der unbe<
gülerke Edelmann seine Zuflucht nehmen, wenn er au«
irgend einer Ursache abgehalten wird, im Militair sein
Fortkommen zu finden? Bürgerliche Nahrung darf er
nicht treiben, da« verbieten die Gesetze; nur die Bürger,
lichrn haben die Erlaubniß, ihn zu verdrängen, nicht um.