Nr. 95.
«80Z.
(Donnerstag«)
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(den »6r-o Junius )
Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser.
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(üorresponsien;- Nachnchreu.
aus Mletau, Schlesien, Dresden, Mauheim, Wien,
Dessau und Leipzig.
SJHfMU.
23ii uns ist jetzt ein nrerkwÜrdigcr Falk, der i» den
Thatsachen gewiß entstellt werden wird, und daher schrei,
bc ich Ihnen au« authentischen Quellen, d. h. aus dem
Munde derer, die wider sich selbst zeugen. — Unser wohl
thätiger Kaiser Alcrandcr hak kürzlich dem Kurländischcn
Adel zwei große Güter geschenkt. Lin Geschenk kan»
inan e» allerdings nennen; denn es sind diejenige» Gü,
tcr, welche ehemals der König non Polen in casum aper-
turae feudi der Ritterschaft evcntualiier verliehen Halle.
Welcher Rcchksvcrständige würde nun wohl eine apenu-
ram feudi darin finden, wen» die Vasallen eines Fürsten
aus bloß politischen Gründen sich eine», andern Fürsten
unterwerfen. Dies war ja wohl der Fall bei der Sub-
jckiion von 1795, und ohne diese Unterwerfung würde e«
ja an Lchnrfolgern in Kurland nicht fehlen. Inzwischen
dem sey wie ihm wolle. Der jetzige Landcsbevollinächtig-
te, Geheimer Rath von Korff, hatte es durch seine Vor
stellungen dahin gebracht, daß der Monarch die Güter
Grendzin und Irmelau -c. al« ein dem Ganzen gehörige«
Ligenthum der Ritterschaft au« jenem Titel gab. — In
der vergangenen Woche sollte nun die Uebergabe seyn»
allein die Herren Kommiffarien wunderten sich nicht we,
nig, al« die Bauern dieser Güter (die wohlhabendsten im
ganzen Lande) sich weigerten, der neuen He-rschaft zu
huldigen und sich iuveutircn zu lasten. Sie fod^rlei
Anfangs nur vier Wochen Frist, weil in dieser Zeit der
Monarch h.rkomnien würde, und es sein Wille nicht seyn
könne, sie wegzugeben. Man versprach ihnen mündlich
Erlassung einiger Abgaben, und daß sie ganz auf dem
Fuße bleiben sollten, auf welchem sie jetzt wären. Sie
erklärten hierauf: die Erlassung der Abgaben wä
re für sie von wenigem Werlhe, und sie woll
ten sie nach wie vor zahlen; auch zweifelten
sie nicht, daß sie von den jetzigen Herren in ih
ren bisherigen Rechten würden gelassen wer,
den: allein sie fürchteten, daß man sie entwe
der auskaufen, oder der Geist ihrer Herren
sich ändern könnte. Sie bäte» daher um eine
kontraktmäßige Versicherung, weil sie an ih
ren Nachbar», ehemaligen Kronbauern, die
traurige Erfahrung gemacht hätten, daß die,
selben ehemals reicher als die reichsten unter
ihnen, jetzt aber ärmer al« die ärmsten unter
ihnen wären, seitdem sic Privateigemhümern, wie dem
Herrn Geh. Rath von H ' ', General von Dr ' * ic. a»,
gehörten. Auf Drohungen antworteten sie mit stiller Be
scheidenheit, daß sie denn alle insgesammt straf
fällig wären; und einem Prediger, der ihnen zuredete,
antworteten sie: Ihr seyd bisher unser geliebter Seelsor
ger gewesen, und da« werdet Ihr auch bleiben; aber die