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Volume Nr. 94, (Dienstags, den 14ten Junius.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

einer vollkommenen Vertheidigung hätte abgeben können. 
„Die Angeklagte," sagte ich, „bekennt ihre fürchterliche 
That mit kaltem Blute; sie bekennt mit kaltem Blute, 
daß ihr Vorsatz langst gefaßt und überlegt war; sie bei 
kennt mit kaltem Blute alle die abscheulichen Umstande; 
kurz, sie bekennt alles, findet ihren Ruhm in allem, und 
sucht sich über nicht» zu entschuldige». Hierin liegt 
ihre ganze Rechtfertigung. Diese unerschütterliche 
Ruhe bei einem so jungen Mädchen, diese erhabene Ent 
sagung ihrer selbst, gleichsam im Angesicht de» Todes, sind 
nicht natürlich, sondern entspringen aus dem politischen 
Fanatismus, der ihr den Dolch in die Hand gab. An 
euch ist e», diese Bemerkung auf der Wage der Gerech 
tigkeit zu wagen." — Al« ich so redete, glanzte Zufrie, 
dcnheit auf Charlotten« Gesichte. — Die Geschwornen 
sammelten die Summen; natürlich war Tod ihr einstim 
mige« Urtheil. Der Präsident sprach das Todesurthcil 
aus sammt der Konfiskation ihre« Vermögen«. Darauf 
fragte er sie: ob sie etwa« gegen die Anwendung des Ge- 
setze« einzuwenden hab«? — Statt aller Antwort ließ 
sse durch die Wache sich zu mir führen, und sagte 
mit außerordentlich vieler Sanftheit und Grazie: „mein 
Herr, ich danke Ihnen für den Muth, mit welchem Sie 
mich auf eine Art vertheidigt haben, die Ihrer und mei 
ner würdig war. Diese Herren (indem sie sich gegen 
die Richter wendete) haben nicin Vermögen konfi«cirt — 
aber ich will Ihnen ein größere« Merkmahl meiner Dank 
barkeit geben: ich bitte Sie, für mich zu bezah 
len, wa« ich im Gefängniß schuldig geworden 
bin, und ich zahle auf Ihre Großmuth." — (Nicht 
mehr al« Livre« in Assignaten war sie schuldig, die 
ich am folgenden Morgen sogleich bezahlt habe.) — Sie 
wurde hierauf in die Coneiergerie zurückgeführt, und ver, 
ließ sie bloß, um das Schaffst zu besteigen. Da ich^sie 
seitdem nicht wiedersah, so weiß ich nur vom Hörensa 
gen, daß die nehmliche sanfte Ruhe, welche sie beim Ver, 
höre zeigte, sie auch in den Tod begleitete. 
Notizen. 
In der alten Stadt Frejus (Torum Julii) wird jetzt 
»ach Alterthümern gegraben. Man hat mehrere Brun 
nen entdeckt, in einem derselben eine ltrne von gebrann 
tem Thon, und drei andere Vasen oder Flaschen wie Bom 
ben gestaltet. Die Urne und eine der Vasen find noch 
ganz. Uebrigens findet man Gewölbe, Kanüle und der 
gleichen; auch einen kleinen spiralförmigen Cylinder von 
Bernstein, oder gelbem Ambra, hat man ausgegrabc». 
Das Wichtigste von alle;; ist ein fchö- er B ikrelief, einen 
mit Guirlanden bekränzten Ochsenkopf vorstellend. Leider 
konnte die» schön erhaltene Stück nicht an demselben Ta 
ge fortgeschafft werden, an dem man e« fand; und in die 
ser Zwischenzeit haben muthwillige Buben den Kopf ver 
stümmelt. 
Auch zu Dijon, auf dem Platze der alten Saime Cha- 
pelle, fahrt man eifrig fort zu graben, und hat kürzlich 
zwei Kapitaler von Korinthischer Säulenordnung entdeckt, 
die aus den blühendsten Zeiten der Bildhauerkunst zu seyn 
scheinen; ferner, einige Steinblöcke, aufweichen man noch 
die Spuren von Basreliefs fleht; auch zerbrochene Grab, 
steine mit Hebräischen Charakteren, die man noch 
nicht hat entziffern können. Noch weiß man nicht, za 
welcher Gattung von Denkmählern die verschiedenen 
Marmore gehört haben mögen; aber sie beweisen doch 
immer, daß Dijon bereit« in der grauen Vorzeit eine 
glanzende Stadt seyn mußte. 
Der Hofschauspieler Gley in Stuttgart ist mit seiner 
Frau bei Nacht und Nebel davon gegangen, nachdem er 
erst im vorigen Jahre, gegen ein ansehnliche« Gehalt und 
eine Pension, iin Fall er zum Dienst unfähig würde, sich 
auf Lebenszeit engagirt hatte. Die Hof-Theater, Inten 
danz läßt diese Wortbrüchigen in allen Zeitungen ankö 
dern, zu ihrer Pflicht zurückzukehren, und warnt alle Thea- 
rerdircklionen, sich in Verbindungen mit ihnen einzu- 
laffcn. 
Die Englischen Blatter machen viel Rühmens von 
der Schönheit einer Lady Turner, welche neulich bei Ho 
fe präfcntirt wurde. Sie war bei dieser Gelegenheit au 
ßerordentlich elegant und geschmackvoll gekleidet ; ihre 
Kleidung bestand nehmlich bloß au« Points mit geschla 
genem Silber garnirt, auf dem Kopfe trug sie ein silber 
nes Diadem mit einer Straußenfeder. Sie soll unaus 
sprechlichen Liebrcitz haben, und allgemein bewundert 
worden seyn. 
Englische Reisende, welche den Luxus in Paris be 
schreiben, halten sich besonders bei den Bellen gewisser 
Damen von großem Ton auf, von deren Pracht und Be 
quemlichkeit nur derjenige träumen könne, der das Glück 
gehabt habe, darin zu schlafen. 
In Paris ist ein lateinische» Kriegslied, ad Gallos, 
erschienen, wodurch ein zweiter Tyrtäu« seine Mitbürger 
zu begeistern sucht. E« schließt also: 
Nil freta, nil uaves obst«nt mille; omiiia rincit 
Virtus. Da* robi« Caesare inajoi adest.
	        
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