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Volume Nr. 86, (Dienstags, den 31sten Mai.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

und vergnügte. Die Liebhaber des Wunderbaren 
werden durch die Beschreibung de« Erdbeben« von Qui- 
ro gefesselt werden, bei welchem eine Indianerin, dis 
auf ernrm Baume faß, sammt dem Baume von einem 
Ufer des Flusses auf das andre ohne allen Schaden ver 
setzt, und der Baum dort so eingewurzelt wurde, als sey 
er auf derselben Stelle gewachsen. Auch den Riesen von 
Guatimala, höher al« acht Pariser Fuß, werden sie nicht 
übersehen. — Die Liebhaber der Naturgeschich 
te mögen sich für die wilden Pferde in Paraguay intres- 
fircn, welche auf die zahmen in vollem Gallop zueilen, 
und sie durch ein freundliche« Wiehern zu ihrer Gesell 
schaft einladen, worauf denn auch die zahmen gar bald 
sich losreißen, und nie wieder zu ihren Stallen zurückkeh 
ren. Der Schade ist denn freilich so groß eben nicht, da 
rin gezähmter Hengst dort.kaum drei Thaler, und eine 
Stute nur drei -Groschen kostet. Ungeachtet dieser Wohl 
feilheit, zeichnen sich doch jene Pferde durch Gefühle 
aus, die man fönst wohl bei keiner Pferdcrace in der 
Welt — ach! leider! auch selten bei-Menschenantrifft. 
Solche Pferde nehmlich, die mit einander anfgezogen 
wurden, kehren immer wieder zu einander zurück, und 
wenn sie auch sechzig Meilen.fern von einander verkauft 
worden sind. — Die Dame» werden sich über die Lab- 
sprüche wundern, welche Büffon der Treue der Tauben bei 
legt, wenn sie erfahren, daß die Tauben i» Spanien, 
selbst während der Brutzeit, verstohlene Freuden nicht 
verschmähen, obgleich deshalb kein Paar sich zu trennen 
pflegt. Don den Symbolen treuer Liebe müssen also in 
Zukunft die Tauben ausgeschlossen bleiben. — Die Fie 
berkranken werden flch freuen, eine Gattung von Chi 
narinde kennen zu lernen, welche untrüglich das Fieber 
vertreibt, werden eilen, sie aus der Apotheke zu verlan 
gen, und werden sie schwerlich bekommen. — Alle 
Freunde der Menschheit, und auch die es nicht 
immer sind, nehmlich die Polizeibeamten, mögen sich ein 
treffliches Recept gegen den tollen Hundrbiß abschreiben, 
welche« seit undenklichen Zeiten gegen den Mpernbiß ge 
braucht, und nun sehr glücklich auch gegen die Hunds« 
wmh angewandt worden ist. —Den Chirurgen empfeh, 
le ich die Anleitung zu einem Pulver, womit man allen 
falls einen Menschen, der mitten von einander gehauen 
worden, wieder zusammen leimen kann; cs wird au« 
»em Koriskraut oder Crdkiefer verfertigt, deren 
gewaltige Heilkräfte schon Dioskoridcö rühmte. — Die 
Theat'erliebhabcr ergötzen sich vielleicht an der Spa 
nischem Kritik über Menschenhaß und Reue, und lernen 
nebenher, daß ei« gelehrter Hamburger Kau im. Brach, 
m an *) ein Trauerspiel, Tim olcon geschrieben, welches 
man lücht ohne Bewunderung lesen kann. Den Thea 
terdichtern wird flch der Neid ein wenig im Busen 
regen, wenn sie lesen, daß auch in Spanien ihre Milbrü- 
der zehn Jahre lang, von jeder Vorstellung ihrer Stücke, 
drei Prozent ziehen. — Die Verehrer der Deut 
schen Poesie werden sich über den Abate Don Juan An 
dres ärgern, welcher Klopstocks Messias für kein wahre« 
episches Gedicht will gelten lassen, auch sonst ihm mancher 
lei abspricht; von Geßner« Idyllen meint, man bleibe oft 
kalt und ungernhrt dabei, und bei seinen oft wiederholten 
und fast immer monotonen Beschreibungen der gemeinsten 
Naturerscheinungen könne e» niemand lange aushalten. 
Ueberhsupt giebt er den Deutschen Schriftstellern ermü 
dende Weit schioeifigfeit, ekelhafte, dem Leser schlech 
terdings nichts erlassende Breilheit, rmd, (gerade als 
waren feine Urtheils erst im lyten Jahrhunderts geschrie 
ben,) widrige pedantische Ku iistausdrücLe u. s. w. 
Schuld. — Das letzte Blatt dieses Bandes giebt Nach 
richt, daß der Aufsatz au« dem Menchly Magazine, Göihe 
betreffend, welcher neulich dem Freimüthigen zugesandt 
und von demselben zurückgewiesen wurde, auch in dem 
grlesensten Spanischen Journal Aufnahme gefunden hat.— 
Zum Beschluß will ich »och einer Merkwürdigkeit erwäh 
nen, die heutzutage, wo das Einimpfen so sehr an der 
Tagesordnung ist, doppelt intressant seyn mag. In Neu« 
Grenada nemlich giebt c« eine Pflanze, Huaco genannt, 
welche ein untrügliches Gegengift enthalt. Man macht sich 
an de» Schenkeln, Armen u.s. w. leichte Einschnitte, tröp 
felt den Saft jener Pflanze darauf, und reibt denselben 
mit den Blattern hinein. Ei» Mensch, der so inokulirt 
worden, wird nie von einer Schlange gebissen, vielmehr 
fliehen sie vor ihm. Zu wissen wünschte ich freilich, ob 
denn die« Gegengift in dem Blute de« Menschen sonst 
keine Veränderung hervorbringt? — Au« dieser kurzen 
Anzeige wird man zur Genüge sehn, wie mancherlei Klas 
sen von Lesern die« Buch gerne durchblättern, und dessen 
Fortsetzung wünschen werden. Freilich kommen auch hie 
und da Dinge vor, die ihren Platz nicht verdienen, z.V. 
das Meteor inPotosi, was doch auch gar zu alltäglich ist. 
Der Styl ist zuweilen etwas vernachla'ßigt, z. B. die al- 
lerdickstenPakagonen hatten vierFuß vierZoll 
über die Brust, aber verhaltnißmäßig sahen 
wir nur wenig davon. ( Wovon?^ von der Brust? 
von dem Maaß? oder von de» Patagonen?) Buch hüt 
der Verfasser ein Lieblingüwort, vor dem er sich hüte» 
muß, cs ist das Wert übrigens. 
Vehrmann, Amherdammer Bote (eine einträgliche Vcbrs» 
nnng) tu ^stmhivg. Er schritt» fein Stück im Jahr- 1735.
	        
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