Noch eilt Wort über Delphine. ')
^)iescs Werk verdient wegen de« allgemeinen Interesse,
welches das Publikum daran zu nehmen scheint, und der
lebhafte» Wirkung, die es hervorbringt, daß einige Be,
mühung angewendet werde, das Urtheil der erhitzten Le,
ser durch ruhige Betrachtungen über die eigenthümlichen
Vorzüge und Fehler des Buches zu berichtigen.
Wenn der Werth eines poetischen Werks nach der
Starke der Einbrüche abgemessen werden dürfte, so ge
hörte dieses zu den vorzüglichsten. Die Einbildungskraft
de« Lesers wird dadurch entzündet: schwerlich wird einer
die Gesellschaft, in die er hier versetzt worden, so leicht
vergessen. In weiblichen Köpfen kann diese Lektüre einen
entscheidenden Einfluß auf ihre Denkungsart haben. Frauen
und Mädchen überlassen sich solchen Eindrücken mehr als
Männer, die bald durch andre Beschäftigungen zerstreuet
werden: und diese» Werk hat Verhältnisse zun, Gegen
stände, die jenen noch wichtiger sind, als diesen.
Wer könnte überhaupt die Delphine lesen, ohne die
heftigen Empsiiidungen zu theilen, deren lebendige Schil-
dcrung mit fortreißt, und um so viel mehr festhält, als sie
quält ! ohne von den mannichfalligsten Empfindungen, die
mit bewundernswürdiger Wahrheit dargestellt sind, und
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von Unwillen über die Schicksale ergriffen zu werden, die
sie sich selbst zubereiten! Aber der Leser, der dem Strome
der Empfindungen nicht har widerstehen können, die in
ahm init unwiderstehlicher Kraft erregt sind, legt das Buch
unbefriedigt, und mit demMißmulhe eines unbefriedigten
Herzens, zur Seite.
Die Charaktere sind aus der wirklichen Welt genom
men: sie sind überspannt, aber sie sind wahr. Diese Men
schen liegen im hitzigen Fiebek. Aber wenn man einmal
annimmt, daß sie durch Leidenschaft in einen so ungewöhn
lichen Zustand versetzt worden, so denken und handeln sie
consequcnt, und durchaus natürlich. Auch die Männer, de
ren Darstellung weiblichen Schriftstellern so selten gelingt.
Man braucht nicht bis nach Spanien zu gehen, um Men
schen zu finden, deren Charakter in den wesentlichen Zü
gen dem Leonce ähnlich sieht. Die Inkonsequenzen, deren
er sich schuldig macht, sind dem Uebermuthe eigenthümlich.
Das Point d’Jionneur der öffentlichen Meinung ist nur der
Abgott solcher Menschen, die Stolz und Eigenwillen ge
nug haben, ihren eigenen Götzen mit Füßen zu treten, s,
bald er nicht will, wie sie. Alles ist in dem Leonce wahr
und natürlich: sogar der Zug, der die Delikatesse der Le
serinnen so sehr beleidigt, die Schwangerschaft der Matil,
de zu einer Zeit, da er sich einer unbegränzten Leidenschaft
für eine andre überläßt- Von Valurbe ist freilich nicht
viel zu sagen, als dieses: er ist vollkommen rasend. Di«
Verfasserin brauchte eine solche Maschine, uni ihre abscheu,
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