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Volume Nr. 65, (Montags, den 25sten April.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

Noch eilt Wort über Delphine. ') 
^)iescs Werk verdient wegen de« allgemeinen Interesse, 
welches das Publikum daran zu nehmen scheint, und der 
lebhafte» Wirkung, die es hervorbringt, daß einige Be, 
mühung angewendet werde, das Urtheil der erhitzten Le, 
ser durch ruhige Betrachtungen über die eigenthümlichen 
Vorzüge und Fehler des Buches zu berichtigen. 
Wenn der Werth eines poetischen Werks nach der 
Starke der Einbrüche abgemessen werden dürfte, so ge 
hörte dieses zu den vorzüglichsten. Die Einbildungskraft 
de« Lesers wird dadurch entzündet: schwerlich wird einer 
die Gesellschaft, in die er hier versetzt worden, so leicht 
vergessen. In weiblichen Köpfen kann diese Lektüre einen 
entscheidenden Einfluß auf ihre Denkungsart haben. Frauen 
und Mädchen überlassen sich solchen Eindrücken mehr als 
Männer, die bald durch andre Beschäftigungen zerstreuet 
werden: und diese» Werk hat Verhältnisse zun, Gegen 
stände, die jenen noch wichtiger sind, als diesen. 
Wer könnte überhaupt die Delphine lesen, ohne die 
heftigen Empsiiidungen zu theilen, deren lebendige Schil- 
dcrung mit fortreißt, und um so viel mehr festhält, als sie 
quält ! ohne von den mannichfalligsten Empfindungen, die 
mit bewundernswürdiger Wahrheit dargestellt sind, und 
*, Da' Frein,iittstg« war iw«, einschlösse,,, über DetvblN« 
Ml., «ich«, mehr zu f.»z«n, aber k.i§ Urtheil einer ,o berühm 
ten KchrikNieu-re unb iachverstandijen Mannes muhte ihm 
namtlich wlMonimeu jev». 
von Unwillen über die Schicksale ergriffen zu werden, die 
sie sich selbst zubereiten! Aber der Leser, der dem Strome 
der Empfindungen nicht har widerstehen können, die in 
ahm init unwiderstehlicher Kraft erregt sind, legt das Buch 
unbefriedigt, und mit demMißmulhe eines unbefriedigten 
Herzens, zur Seite. 
Die Charaktere sind aus der wirklichen Welt genom 
men: sie sind überspannt, aber sie sind wahr. Diese Men 
schen liegen im hitzigen Fiebek. Aber wenn man einmal 
annimmt, daß sie durch Leidenschaft in einen so ungewöhn 
lichen Zustand versetzt worden, so denken und handeln sie 
consequcnt, und durchaus natürlich. Auch die Männer, de 
ren Darstellung weiblichen Schriftstellern so selten gelingt. 
Man braucht nicht bis nach Spanien zu gehen, um Men 
schen zu finden, deren Charakter in den wesentlichen Zü 
gen dem Leonce ähnlich sieht. Die Inkonsequenzen, deren 
er sich schuldig macht, sind dem Uebermuthe eigenthümlich. 
Das Point d’Jionneur der öffentlichen Meinung ist nur der 
Abgott solcher Menschen, die Stolz und Eigenwillen ge 
nug haben, ihren eigenen Götzen mit Füßen zu treten, s, 
bald er nicht will, wie sie. Alles ist in dem Leonce wahr 
und natürlich: sogar der Zug, der die Delikatesse der Le 
serinnen so sehr beleidigt, die Schwangerschaft der Matil, 
de zu einer Zeit, da er sich einer unbegränzten Leidenschaft 
für eine andre überläßt- Von Valurbe ist freilich nicht 
viel zu sagen, als dieses: er ist vollkommen rasend. Di« 
Verfasserin brauchte eine solche Maschine, uni ihre abscheu, 
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