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Volume Nr. 64, (Freitags, den 22sten April.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

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Liefe majestätisch hinströmt. Diese Abwechselung geht 
nach allen Richtungen fort bis nach Düffeldorf. 
Westphalen war von jeher der Wohnsitz tapferer Natio 
nen, welche in alten Zeilen ihre Freiheit gegen die 
Römer, und nachher gegen die Franken, mannhaft ver 
theidigten. Und wen» Lacilus von Germanien spricht, 
so gilt er hauptsächlich Westphalen. Auch in den neueren 
Zeiten hat der Wefiphale seiner Abkunft Ehre gemacht 
Ich würde eine eigne Abhandlung schreiben muffen, wenn 
ich die Helden, Gelehrten und Geschäftsmänner anführen 
wollte, welche in Westphalen geboren sind, und sich mei 
sten Theil» darin gebildet haben, wie Seidlig, Männich, 
Pülter, Jerusalem u. a. Doch kann ich die Tapferkeit und 
Anhänglichkeit nicht ungerühml laffe», womit die Preußi 
schen Westphalen noch in den neuern Zeiten sich für 
da« Königl. Preußische Haus in den Kriegen des vori 
gen Jahrhundert« ausgezeichnet haben: sie mochten in 
Italien oder in den Niederlanden, an der Donau oder 
an der Elbe fechten, immer erhöheren sie den Ruhm der 
Tapferkeit und der Anhänglichkeit an ihren Monarchen. 
Es würde für die» Blatt nicht recht paffen, wenn 
ich mehr als einzelne Bemerkungen liefern wollte. Es 
ist schon genug, wenn man die Dorunhcile ablegt oder 
mildert, welche gegen Westphalen hier und da herrschen, 
und wozu Voltaire und andre starkgclesene Schriftsteller 
viel beitrugen. Den einen, wie Voltaire, brachten die 
schlechten Wege und die Mißhandlungen auf, die er er 
fuhr, da man ihn für einen Affen des Köniz« Friedrich« 
de« Großen hielt, den andern die ungewohnte Lebens 
art, schlechte Witterung und dergl. Unpartheiische For 
scher und Beobachter de« Lande« waren sie gewiß nicht. 
Schade, daß einige neuere Reisende, welche Westpha 
len beschrieben, wie Hoche und Grüner, zu schnell 
und ohne die gehörigen Vorkenntniffe und Verbin 
dungen ihre Durchflüge machten! Gleichwohl hat dem 
Letzter» Westphalen gewiß schon viel zu danken, wenn 
durch ihn die vielen Naturschösiheilen und romantischen 
Ansichten, womit das Land geschmückt ist, bekannter ge, 
worden sind. 
Das Preußische Westphalen ist ohne Zweifel der kul< 
tivirteste Theil in diesem Kreise, und ct wär« der Mühe 
werth die Frage: wa» verdankt Westphalen der Preußi 
schen Regierung? zu untersuchen und zu beantworten. 
Wenn seit 1609 (seit der Zeit sind diese Gegenden Preu 
ßisch) nicht so viel geschehen ist, als man vermuthen 
könnte, so liegt die Schuld an den unruhigen Zeiten. 
Man denke nur an den dreißigjährigen Krieg, welcher auch 
d«esk Gegenden schwer drückte u. s. w. Einige Beiträge 
zur Beantwortung jener Frage will ich von Zeit zu Zeit 
dem Freimülhigen miilhcilen, welcher als guter Patriot 
sie hoffentlich nicht verschmähen wird. So verdankt 
die Grafschaft Ravensberg, und besonders die Hauptstadt 
derselben, Bielefeld, einen großen Theil ihres Flor« der 
Weisheit de« vormaligen Minden-Ravensbergische» Kam- 
incrpräsidenken von Dacheröden, welcher etwa um das Jahr 
1768 die dortige Kaufmannschaft zur Anlegung eigner 
Bleichen auf Holländischem Fuße verinochte, und e» also 
dahin brachte, daß von der Zeit an kein Raveiisbergischcr 
Linnen mehr nach Harlem geschickt wurde, und daß eine 
Bleichspekulation im Riktbergischen, welche auf Bielefeld 
berechnet war, in der Geburt erstickte. Zwei große Hol 
ländische Bleich > Elabliffement« eristiren letzt bei Biele 
feld, welche selbst Westrumb, al« er im vorigen Jahre 
die neue Bleichart dort in Gang bringen sollte, kolossal 
nannte. Mit wahrhaft landesvaterlichem Wohlgefallen be 
trachtete der vorige König den Fadrikstand und die Hand 
lung Bielefelds. Ei» sichtbarer Beweis davon war das 
Königl. Geschenk von 50,000 Thlr., womit er seine 
Guade zu erkennen gab. Ein Theil davon ist zur Anle 
gung eine« Flachs-Magazin», also höchst zwcckinäßig, be 
nutzt worden. Mit Recht kann man hierher auch die 
neue Chaussee rechnen, welche durch die unermüdete 
Thätigkeit de« einstchtsvollen und patriotischen Oberpräsi, 
Bcntcn von Stein von 179g bis 1S02 zu Stande gekommen 
ist, und von Minden bi« Bielefeld, über 5 Meilen weit 
sich erstreckt. Schon die unbeschreibliche Schlechtheit 
dieser Straße, ehe daraus eine Chaussee wurde, war im 
Stande, jedem Reisenden ein Vorunheil gegen die« Land 
einzuflößen. Hoffentlich werden die übrigen Heerstraßen, 
die eben so schlecht, ja zum Theil noch schlechter sind, 
als jene war, eine ähnliche Umwandlung erfahren, sobald 
die Posten ganz allein unserm Könige gehören werden. 
Ucberhaupl ist es, im Ganzen betrachtet, ein große» Glück 
für Westphalen, daß durch die neuen Acquifltionen unter 
die Preußischen Besitzungen ein Zusammenhang gebracht 
ist, welcher bis dahin fehlte, und daß nun Kulrureinrich, 
lunge» zu Stande kommen können, welche durch die frem 
de» Territorien erschweret, oder gar vereitelt wurden. 
Nun stehen wenigsten» von der Seite manchen gemein 
nützige» Planen, als der Schiffbarmachung der Ems, der 
Ziehung neuer Kanäle u. dergl. keine Hinderniffe weiter 
im Wege. 
Bis zur Regierung de« jetzigen König« waren et 
hauptsächlich bei u»« die Finanzen, welche die Aufmert- 
samk-ii de» Sraai» dorthin zogen. Man hatte Industrie, 
Fabriken und Handlung befördert, aber ohne auf die g r<
	        
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