Path:
Volume Nr. 62, (Dienstags, den 19ten April.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

lution klagte man laut und vergeben« über diese Ko, 
bolde, Ein Ritter de« heil. Ludwig wurde einst in der 
Straße St. Honore von einem jungen Herrn im Cabrio, 
let gegen die Mauer gepreßt, weil dieser, e« koste was er 
wolle, ein paar anderen Wagen vorbeifahren wollte; der 
Ritter zog seinen Degen, und spießte den übermüthigen 
Jüngling, wie ein Knabe einen Schmetterling. Oft war 
ich seitdem Zeuge von solchen Handeln, die meisten« blu, 
tig abliefen. 
Umsonst hat schon Ludwig XV. gesagt: „war' ich 
Polizcilieutenant, ich würde die Cabriolet« nicht leiden 
— umsonst hat einst da« Parlement von Metz sic verbo, 
ten; vergeben« hat man sich geschmeichelt, daß die Re 
volution auch diesen schreienden Mißbrauch bändigen wür 
de. „Der Egoismus der Großen und Reichen, rief man, 
ist allein Schuld daran; jetzt aber wird die Menschlichkeit 
siegen, und man wird das Volk respeciiren." — Lieber 
Gott! wenn nun etwa die Revolution uns nur andere 
Reiche und andere Große wieder gegeben hätte, die 
weit übermüthiger sind, als die vorigen? — Das würde 
denn wohl beweisen, baß jene doch nicht eigentlich Schuld 
an der Revolution waren; denn — warum ertragen wir 
«« jetzt? — 
Ich kenne sanfte liebenswürdige Männer, die mich 
mit in ihr Cabriolet nahmen, und im gestreckten Gallopp 
mitten durch da« Volk ras'ten. Ich mochte bitten und 
flehen, sie antworteten mir stet«: es hat nicht« zu 
bedeuten; ich verstehe zu fahren. Ob e« nun aber 
gleich nichts zu bedeuten hatte, so warfen wir doch 
einmal einen Greis, und ein ander Mal eine kleine wan 
delnde Bude um. Auch soll man mich gewiß nie wieder 
in ein Cabriolet locken. 
Ich habe Andere gesehen, die ihren Scherz mit dem 
Schrecken trieben, den sie schwangeren Weibern verur 
sachten. Ja, ihr Ungeheuer, ich hab' c« gehört, wie ihr 
— nachdem ihr ein arme« Weib zu Boden geworfen — 
euch hinterdrein lachend der Geschicklichkeit gerühmt habt, 
mit der ihr dem erbitterten Volke entwischt seyd. Ja! 
hätte ein edler Mann neben euch gestanden und euch den 
Dolch in die Brust gestoßen: wie herzlich würde ich ihn 
bewundert haben! 
E« giebt freilich clendx Menschen, die sich mitten in 
die Straßen stellen, mit Fleiß kein Zurufen hören, und 
sich streifen oder umwerfen lassen, um Geld zu erschnap 
pen; wahr ist es auch, daß die Straßen noch immer, 
trotz allen Polizei-Verordnungen, mit kleinen Buden 
vollgepfropft sind, die ein Drittheil des Weges verspcr- 
»en: — aber e« ist auch eben so gewiß, daß die Wuth, 
einander vorbei zu fahren, in wirklichen Partheigcist aus 
artet; ein jeder will die Aftcrehre (gloric-ls) erringen, 
am schnellsten zu fahre». „Man hat Geschäfte." — Ihr 
Henker! haben die Fußgänger denn keine? sollen sie, in 
dem sie mühsam das Nothdürfrige suchen, den Tod fin 
den, weil ihr, die ihr mehr als das Nvthdürftige besitzt, 
bequem nach Ueberfluß jagt? — Giebt es denn keine 
Mittel gegen diesen Unfug? — Würde cs nur de» Ca 
briolets unmöglich gemacht, der Mauer zu nahe zu kom 
men! — „Aber dann würden wir fünf Minuten langer 
zubringen." — Ei das große Unglück! Fahrt fünf Minu, 
ten früher aus; schlaft nicht so lange; frühstückt schneller; 
opfert etwas von eurem Vergnügen; bedenkt, daß man 
ohne Aufopferung weder Mensch noch Bürger ist; laßt 
das Volk auch für etwas gelten, so wird c« die Reichen 
lieb gewinnen. Zu allen Zeiten waren die Fußgänger 
ein sehr respektabler Theil der Einwohner, und oft findet 
man unter ihnen Tugend, Verstand, auch wohl Geburt. 
Im sechsten Jahr der Republik wurde befohlen, daß 
kein Cabriolet ohne Laternen, und kein Pferd davor 
ohne Glocke sich betreffen lassen solle. Aber was kann 
das helfen? sind meine Rippen weniger zerbrochen, wenn 
ich sie bei Licht und Glockenklang gebrochen habe? 
— Unter allen Verordnungen gegen die Cabriolets ist 
der Befehl, sie zu numerire», bis jetzt das einzige 
vernünftige Mittel, aber bei weitem noch nicht zureichend. 
Cattau (Geschenk.) Das Geschenk, welches uns die 
Herren Revolulionsmänner mit der sogenannten Sou- 
veränerät des Volkes, der sogenannten allgemei- 
nen Wohlfahrt und dergleichen gemacht haben, erin 
nert mich stets an jenen Charlatan, der in einer armse 
ligen kleinen Stadt bei Trompetenschall bekannt machen 
ließ, er sey ausdrücklich gekommen, um jedem 
Einwohner einen Thaler zu schenken. Alles 
strömte herbei. „Meine Herren", sagte der Wundermai,n, 
indem er auf eine Menge gefüllter Arzenei - Gläser deu 
tele, „jedes Glas von dieser köstlichen Wundereffenz 
kostet mir auf Ehre selbst einen Thaler und zwei gute 
Groschen. Ich überlasse es Ihnen für zwei Groschen, 
und schenke also jedem einen Thaler." 
Caffee, ein Lcbensbedürfniß. Was man in Paris 
da« Volk nennt, trinkt des MorgensCaffee mit Milch. 
Ein Hallenwcib, eine Lumpentrödlcrin muß ihren Caffee 
haben. Unsere vormaligen Patrioten, welche Spartanische 
Mäßigkeit predigten, hallen oft in demselben Augenblicke, 
wo sic gegen den Caffee deklamirten, gestohlenen Caffee in 
der Tasche, den sie in der Wohnung eines Proscribirten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.