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Volume Nr. 36, (Freitags, den 4ten März.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

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£ nicht ganz sichtig angeben kann. Ich bin glücklicher 
» Weise im Stande, die Handschrift ihres Corrcspvnden- 
len zu berichtigen, und bei dieser Gelegenheit einem 
meiner verehrtesten Freunde Gerechtigkeit widerfahren 
zu lassen. E» ist der Graf Franz von Deym, einer je 
ner seltenen Mensche», bei denen die Tugend ein In 
stinkt zu seyn scheint und die aufgeklarte Wohlthätigkeit 
gleichsam bloß au» dem gesunden Menschenverstände ent 
springt. Seine ausgebreiielen Kenntnisse, seine Lieblings 
beschäftigungen, find alle vom Palriotiemus beseelt, und 
auf allgemeinen Nutze» berechnet. Selbst die Akquisition 
der Herrschaft Arnau, die er vor drei oder vier Jahren 
»nachte, war ein gutes Werk; die zahlreichen Gläubiger 
des vorigen Besitzers und die Segnungen aller Einwohner 
bewogen ihn dazu. Ich könnte Ihnen kostbare Züge sei 
nes Herzens und der wahren Leidenschaft mittheilen, 
mit welcher er alles Gute und Schöne umfaßt; aber ich 
muß seine Bescheidenheit schvnen, oder vielmehr jeue edle 
Empfindung, welche verursacht, daß er Alles für bloß na 
türlich hält, was die Verderbtheit unser» Zeitalter» un» 
zu bewundern zwingt. Ich will nur Ein in Prag be 
kannte« Beispiel anführen, wvrnach Sie seine Herzens 
gut« abmessen mögen. — Die besten Advokaten ricihen 
dem Grafen, gegeri eine seiner Tanten zu klagen, welche 
de» Nießbrauch eines ansehnlichen Gutes harre, dessen 
Erbe er war. Sein Recht war unbezwcifelt. Er frag 
te auch mich um Rath. Ich sagte ihm, daß ich, so wie 
seine Advokaten, sein Recht zwar für unbestreitbar, den 
Geist der testamentarischen Verordnung aber noch für 
zweiselhaft hielte. Von diesem Augenblick an war von 
keinem Prozesse mehr die Rede, und statt dessen machte 
der Graf eine Reise in die Denclianischen Provinzen, 
welche Oestreich durch den Traktat von Campo Formio 
acquirirt hatte. Diese Reise Halle zum Zweck, der Regie 
rung nützliche Beobachtungen über die Handelsverbin 
dungen zu liefern, welche zwischen diesen und den altern 
Erbstaaten eröffnet werden könnten. — — 
Ich bin u. s. w. 
Piattoly. 
Notizen. 
Cordier, «in neuer Reisender, sagt: die vollkommen« 
Erhaltung der Erster von den meisten, seit undenklichen 
Zeiten erloschenen, Vulkanen in Auvergne, ist erstaunens- 
würdig, tvenn man bedenkt, daß fle weit über die histo 
rischen Zeilen der alten Gallier hinauSreichcn. Man pflegt 
dem Casar gewisser Maßen eine» Vorwurf daraus zu 
machen, daß er sie nicht gekannt zu haben scheint, und 
man quält flch, eine Ursache seine« Schweigen» über die 
sen Gegenstand zu finden. Allein, man sollte bedenke», 
daß zu Cäsars Zeiten die Bergkette noch mit unermeßli 
chen Wäldern bedeckt war, vielleicht nur den Druiden 
zugänglich, und vermuthlich einer ihrer geheiligten Schlupf, 
winkrl. Auch Gräber arbeitete man in die Lava, und 
hatte, zu Erreichung desselben Zweckes, weit weniger 
Mühe, als die Acgyplier beim Bau ihrer Pyramiden. 
In der Hamburger Dorstadt St. Georg ist wirklich 
«in neues Theater entstanden, und am Marientage zum 
ersten Male auf demselben gespielt worden. Der Anfang 
verspricht für die Zukunft. Die Städter strömen von 
einer Seite haufenweise aus dem Thore, und die Dor- 
stadrer von der andern herbei. Den rneisicn Zulauf habe» 
die Travestirungcn, Hamlet, Kleopatra, und derglei 
chen. Zwischen der städtischen und vorstädkischen Gesell 
schaft herrscht natürlich große Eifersucht, und es ist auch 
bereits, vermuthlich duich Brotneid veranlaßt, «in schmäh 
liches Pasquill erschienen. 
Ein junger Mann, der sich — s — d unterzeichnet, 
hat dem Herausgeber einen Aufsatz gegen den Verfasser 
der Bittschrift in No. 20. zugesandt, von dem kein Ge 
brauch gemacht werden kann. Ucörigens irrt der Verfas 
ser, wenn er glaubt, daß durch jene Bittschrift ein gan, 
zer Stand (nehmlich.der Stand der Studenten, 
die wohl eigentlich moch gar keinen Stand ausmachen) 
beleidigt werde. Die Satire ist bloß gegen die Einzel 
nen gerichtet, die, von der neueren lächerlichen Aesthe, 
tik und ungeschlachten Philosophie angesteckt, flch durch 
Ncbelfloskel», die fie selbst nicht verstehen, und durch un 
verschämte Herabwürdigung von Verdiensten, die sie gar 
nicht schätze» können, der Welt als gewaltige Genies 
aufdringen wollen. Der Verfasser des Aufsatzes scheint 
aber gar nicht in diesem Falle zu sey»; der Herausgeber 
halt ihn viclinchr für eine» wackern vernünftigen Jüng 
ling, und eben deswegen thut es ihm leid, zu sehen, daß 
er sich verleiten läßt, eine schlimme Sache zu vertheidigen. 
Der Herausgeber erhält sehr oft Briefe, in welchen 
«r ersucht wird, bald hier , bald dorthin vollständige 
Exemplare des Freimüthigen zu finden. Er muß Ein- für 
allemal erklären, daß er sich damit durchaus nicht befas 
sen kan». Ein jeder wird die Güte habe», sein Exem 
plar, enlweoer bei seinem Postamt, oder bei der ihm 
nächsten Buchhandlung zu bestellen. 
An die Herren Mitarbeiter, deren Zahl flch fast täg, 
lich vermehrt, wiederholt der Herausgeber die Bille, nicht 
ungeduldig zu werden, wenn fle ihre Aussäge zuweilen 
spät abgedruckt finden. Der bis jetzt »och immer steigen 
de Beifall, mit dem da» Publikum dicfeo Blair beehrt, 
wird den Freimüthigen mit der Zeit vielleicht in den 
Stand setzen, stau vier Blätter, wöchentlich fünf zu ge 
ben, ohne deshalb de» Preis zu erhöhen; und alsdann 
würde es auch möglich werden, die sich häufenden Bei 
trage den Lesern fchneller mitzutheilen.
	        
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