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starke« Fieber, und wollte nicht« mehr einnehmen. Der
kluge Arzt beschloß, durch Furcht zu heilen, was durch
Furcht entstanden war. Er kündigte der Kranken an, daß
sie sterben müsse, wenn die Sprache nicht in einer Vier
telstunde zurückkehre, und daß sie sich bereiten solle, die
Sakramente zu empfangen. Bei dieser tztachricht begann
sie zu weinen, schrie auch einige Male, was sie vorher
nicht konnte. Als aber nun der Pfarrer, der mitverstan-
ocn war, wirklich in seinem Ornat hereintrat, da wurde
sie so erschüttert, daß sie laut aufschrie: Gott, erbarme
dich! — 2» wenigen Lagen war sie ganz hergestellt.
Ein gewisser Amalric hat ein Buch verfaßt, welche«
man Erzieherinnen empfehlen darf. Es heißt: Cours de
morale ä l’nsage des jeunes demoiselles. Es ist für
Mädchen geschrieben, die eben aus den Kindcrjahrcn in
die Well, vielleicht bald in den Ehestand, treten sollen.
Tugend und Wahrheit werden ohne Schminke, auch ohne
Pedanterie vorgetragen. Am Styl wäre vielleicht die« und
jenes zu tadeln; aber es ist der kunstlose Ton eines Va
ters zu seinen Kindern. Eine lehrreiche, und, wie es
scheint, wahre Geschichte beschließt das Ganze.
Man hat kürzlich die Frag« aufgeworfen i wie es zu
gehe, daß ans einem Bvden, der durch Zufall oder Be
arbeitung große Veränderungen erleide, eine ganz neue
Vegetation hervorgehe? In ausgehaucnen Wäldern z.B.,
oder auf ausgetrockneten Morasten und dcrgl., ist man
sicher, das Jahr darauf Pflanzen zu finden, vis vorher
nie dort wuchsen. Lagen etwa die Keime schon in der
Erde? nur sehr tief? — Man weiß freilich, daß Keime
sehr lange in der Erde ruhen sinnen, bis Wasser und
Licht sie aus dem Schooß der Mutter hcrvorlockcn;-aber
ist es wohl glaublich, daß z. 33. auf den Antillischcn In
seln der Same des Portulaks sich viele Jahrhunderte
lang in der Erde erhalten, und nun erst (wie dort - aus
dem Boden ausgerotteter Wälder täglich geschieht) plötz
lich und häufig hcrvorsproffeii könne? — Dies Phänomen
lssßt sich schwerlich erklären, wenn man nicht annimmt,
daß die Natur noch jetzt dieselben Kräfte besitze und an,
wende, wie einst bei ihrem ersten Kreißen.
Wir werden nächstens eine neue sehr heilsame Pflan
ze in unsern Apotheken haben, die in Amerika aus dom
rechten Ufer des Amazonenflusscs wachst, und Aya piu*
heißt. Die Eingcborncn kennen sie als ein vortreffliches
Schweiß treibendes Mittel, und erzählen Wunderkurcn
von ihr. Der Kapirain Augustin Baudin hat sic vor ei,
nigcn Jahren nach Irle de France verpflanzt, und auch
da hat sie ihre» Ruf bewährt. Botanisch davon gespror
chen, gehört sie in die Klasse des Eupatorium des Lin ne.
Man behauptet gewöhnlich, der Neid verfolge große
Männer nicht mehr nach ihren: Tode; aber leider irrt
man: denn der Neid ist eine Hyäne, die auch wohl Tod,
te ausgräbt. Oft werden Verdienste auch nur angefoch
ten, um etwas Neues zu sagen. Jahrhunderte lang hak
die ganze Welt geglaubt, Columb habe Amerika entdeckt,
und, siehe da.' jetzt sucht man es zweifelhaft zu machen.
Es soll nehmlich in der Bibliothek von St. Marcus zu
Venedig eine Karte von einem gewissen Andreas Bian,
chj cxifiiren, die 14)6 entworfen worden, und auf welcher
sich eine große Insel, Nchmens Antilia findet, die, gegen
Wcfiem der Azon'fchen Inseln gelegen, nichts anders als
ein Theil von Amerika seyn könne. Folglich sey diese«
Land früher entdeckt worden. So scheint es freilich. Dem
widerspricht jedoch ein 1474 geschriebener Brief eines Ge
lehrten, Nahmen« Toscanelli. Colnmb hatte ihn wegen
feiner vorhabenden Reise zu Rathe gezogen; in feiner
Antwort zeichnet er Columb den Weg nach China und
Japan vor, und sagt: „Von der Insel Antilia, die ihr
kennt, und scite ein» nennt, bis nach Cip.mgo (Ja
pan) sind ungefähr 225 Meilen." — Hieraus erhellt,
daß 1474 Antilia wenigstens den Portllgiefen schon bu
sannt war, daß sie e« aber in Ostindien suchte», damals
dem Lande der Wunder und der Schatze. Vielleicht gab
Columb deshalb den Amerikanischen Inseln, die er auf
seiner ersten Reise fand, den Nahmen der Antillen.
Tvscanelli's Antilia ist folglich auch das des Bianchi.
— Wo liegt aber nun dieses Antilia? — Duache, Mir,
glird des Nakional-Instituks, glaubt es im Innern vo»
Afrika wieder gefunden zu haben.
Vor einigen Iahrcu erfand ein gewisser Blanc eine
Kunst, geschwind zu schreiben, die er Okygraphie nannte.
Das Sinnreichste daran war, daß er eine Art von liniirkcm
Papier, gleich dem Notenpapicr, dazu gebrauchte, und al
so nur seine Zeichen zwischen die Linien setzen durfte. Aber
— eben diese Zeiche» waren nicht gut gewählt, und dadurch
kam die Sache bald in Vergessenheit. Jetzt hat ein Profes,
sor zu Metz, Gvdfroy, neue Zeichen zu diesem Behuf er
funden, die sehr zweckmäßig seyn sollen.
Beweis, daß der Freimüthige gefällt.
Die Zeitung für die elegante Welt (sonst auch gewöhn,
lich die clendcZeitung genanm) schimpsljedenPopragauf
den Herausgeber des Freimüthigen, wie ein Verzweifelnder
in feiner Sterbestunde. Schade nur, daß der Freimüthige
weder Raum, noch Zeit, noch tust, noch Äerger genug hak,
ihr zu antworten; sonst wäre das allerdings wohl ein Mit
tel, die arme Kranke noch ein Weilchen hinzuhalten.