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Volume Nr. 27, (Donnerstags, den 17ten Februar.)

Full text: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser (Public Domain) Ausgabe 1.1803 (Public Domain)

denken Sie Sich mein Erstaunen, als ich bemerkte, daß 
diese Vorhalle das einzige Vorzimmer des ganzen 
Hauses ist. Man steigt die Treppe hinauf, und tritt von 
der letzten Stufe ohne weitere Umstande in das Zimmer, 
in welchem die Königliche Familie frühstückt. Man nennt 
es das lakirte Zimmer, wegen einiger allen sehr 
schön lakirten Zierathen, die zwischen den Gemählden, 
welche auch hier wie überall hangen, befindlich sind. Und 
was meinen Sit wohl, wie es möblirt sey? — Vor allen 
Dingen eine Uhr auf dem Kamin (denn Uhren hab' ich 
im Pallast mehr als fünfzig gezählt, und alle gingen so 
pünktlich überein, daß ich verzweifeln würde, wenn ich 
hier wohnen sollte, dafür ist aber auch der König von 
England der pünktlichste Mann in seinem ganzen Reiche.) 
Außer der Uhr, und dem schönen Kamin von Marmor, 
giebt es vor den Fenstern sammtne Vorhänge, auf welche 
die Prinzessin Elisabeth Verzierungen gemahlt hat; dann 
ein Paar Gueridons, um eine Tasse oder einen Arbeits, 
korb darauf zu stellen; das nothwendige Geräth zum 
Frühstück: aber — keinen Teppich. Es sind nur vier im 
ganzen Hause, obgleich die Königl. Familie wohl zwanzig 
Zimmer bewohnt. Der König glaubt, daß warme Zim 
mer der Gesundheit schaden; darum sind auch selbst die 
vier Teppiche, welche da sind, nur ganz klein, und bedek- 
ken bloß einen Theil des Fußbodens. Sic liegen im 
Schlafzimmer der Königin, im Speisesaal, und iu noch 
zwei andern Gemächern, die man vorzugsweise die war 
men nennt, und die man vermuthlich für den Weihnachls- 
tag aufhebt. Die übrigen Möbel entsprechen der bishe 
rigen Beschreibung. Alte Schränke, alte Schreibtische, 
ohne Ordnung herumgestellt, wenige Spiegel, und alle 
sehr klein, Stühle von gemeinem Holz, mit abgenutzten 
Damast überzogen: alles zu wenig nach der Mode, um 
zu gefallen, und zu wenig antik, um dadurch zu intcr- 
cfsiren; mit Einem Worte: nichts weder alt noch neu 
genug, weder prächtig noch einfach genug. Ein großes, 
gut gebautes, übel verziertes Haut, in welchem nicht einmal 
ein reicher Privatmann wohnen möchte, der nur einigen 
Anspruch auf Eleganz machte; das man aber doch sehen 
Und besehen muß, weil es die Wohnung eines Königs ist. 
Notizen. 
Madame Mara hat am i;ten Februar den Berlinern 
jm Opernhause den ersten köstlichen Genuß ihrer hohen 
Kunst gewährt, und wird, ehe sie nach Rußland gehl, 
dem Publikum noch einen zweiten so herrlichen Abend 
schenken. Der Zulauf war über alle Beschreibung groß. 
Man soll am Ende einen Friedrichsd'or für ein Parterre- 
Billet geboten haben. — Wärmn es einigen Zeitungen 
beliebt hat, Madame Mara um zehn Jahr alter zu ma 
chen, als sie wirklich ist, begreift man nicht. Sie ist be, 
kanntlich im nördlichen Deutschland geboren und erzo 
gen; man harte also ihr Alter leicht wissen können. Als 
sie im Jahre 177- zum ersten Mal nach Berlin kam, war 
sie noch nicht achtzehn Jahr alt. 
Madame Dillington wird einen Prozeß bekommen. 
Sie hat nehmlich versprochen, in den Oratorien von Co- 
ventgarden, und in verschiedenen öffentlichen Concerts zu 
singen; aber die Direktoren der Oper, dis ihr 2500 Pfd. 
Sterling geben (also 1000 Pfund mehr als der Madame 
Banli), glauben ein Recht zu haben, zu fodcrn, daß sie, 
so lange ihr Engagement dauert, kein anderes Publikum 
als das der Oper entzücken solle. Madame Billington wird 
also wahrscheinlich vor einer Jury erscheinen müssen. 
Ein Journal erzählt von Rousseau: er sey bei der 
Kopfsteuer mit j Livres 12 Sous, der ordentlichen Taxe 
einer Magd, angesetzt gewesen, und da der Verfasser de« 
Emil diese Summe nicht habe bezahle» können, so sey ihm 
mit Einquartierung gedrohet worden. „Wohlan, habe er 
gesagt, wenn man mir meine Kammer und mein Bett 
Nimmt, so werde ich mich unter einen Baum setzen, und 
dort den Tod erwarten." — Daran erkennt man den 
Freund der Natur! setzt das Journal hinzu. — Ware die 
Anekdote wahr, so würde man nur de» Freund des Son 
derbare» darin erkennen. Nie war Rousseau so arm, daß 
3 L. i2 S. ihn gcnirt haben könnten. 
Daß der Freimüthige manchem Follicülaire ein Dorn 
im Auge seyn, und daß ein solcher dann Allee hcrvorsu- 
chen würde, auch die unverkennbarsten Gesinnungen des 
Herausgebers herabzuwürdigen, war leicht vorauszusehen. 
Unter andern reibt sich schon dieser und jener an dem 
ausgesetzten Preise von ic-c> Friedrichsd'or auf das beste 
Lustspiel. Einer meint sogar, ein solches Prcisstück müsse 
weit mehr eintragen, und es sey also dabei auf Gewinn 
angesehen. Armer kleiner Mensch, in dessen kleiner See 
le eine solche kleine Vermuthung aufsteigen konnte! du 
verdienst nicht, daß man dir antwortet, nur, daß man dich 
bedauert. — Zum Ueberfluß ertheilt der Freimüthige hier 
die Versicherung, daß dem Verfasser eines Prcisstückc» 
gewissenhafte Rechnung über Einnahme und Ausgabe vor, 
gelegt werden soll, und daß, wenn wider Vermuthen 
m e h r als ioo Friedrichsd'or für sein Stück eingehen soll 
ten, der Ueberschuß ohne Widerrede ihm alein ge 
bührt. — Nach des Herausgebers Erfahrung aber, wird 
dieser Fall gewiß weit seltner eintreten, als der, wo die 
Summe durch die Kaffe des Freimüthigen ergänzt wer 
den muß.
	        
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