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Full text: Argumentationshilfe zur Förderung von Mitgestaltung und Mitentscheidung älterer Menschen in Kommunen / Marzluff, Silke (Rights reserved)

Argumentationshilfe zur Förderung von Mitgestaltung und Mitentscheidung älterer Menschen in Kommunen Erkenntnisse und Empfehlungen auf Basis der Nacherhebung zur Nachhaltigkeit des Programms „Aktiv im Alter“ gefördert von 2 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zielgruppen und Zielsetzungen der Arbeitshilfe ................................................................. 5 2. Hintergründe zum Bundesprogramm „Aktiv im Alter“ ......................................................... 6 3. Eckpunkte der wissenschaftlichen Begleitung während der Programmlaufzeit und bei der Nacherhebung ....................................................................................................................... 8 4. Nachhaltigkeit von „Aktiv im Alter“ fördernde Faktoren auf einen Blick .............................. 9 5. Politik und Verwaltung einbeziehen und aktivieren ...........................................................10 6. Vernetzung vorantreiben ..................................................................................................13 7. Maßnahmen in ein Gesamtkonzept einbetten...................................................................15 8. Hauptamtliche Ansprechpersonen benennen und qualifizieren ........................................17 9. Materielle Ressourcen zur Realisierung von Aktivitäten sicherstellen ...............................18 10. Freiwilligenmanagement und Anerkennungskultur etablieren und pflegen ......................21 11. Öffentlichkeit für das Thema demografischer Wandel schaffen ......................................23 12. Seniorenrat/Seniorenbeauftragte als Multiplikatoren einbeziehen ...................................25 13. Langfristig Denken und Planen .......................................................................................27 14. Leitlinien des Memorandum „Mitgestalten und Mitentscheiden – ältere Menschen in Kommunen“..........................................................................................................................29 4 5 1. Zielgruppen und Zielsetzungen der Arbeitshilfe Der Praxisleitfaden soll Verantwortlichen in der Kommunalverwaltung, Bürgermeister/innen, Gemeinderät/innen, Mitgliedern in Seniorenräten, Fachkräften in Verbänden und Kirchen, Verantwortliche in Unternehmen, Aktiven in Vereinen und engagierten Bürger/innen …. … praktische Anregungen für die Weiterentwicklung der eigenen Arbeit geben … ermutigen verstärkte Beteiligung älterer Menschen zu wagen … zu einem Ausbau lokaler und regionaler Kooperationsstrukturen motivieren … dabei unterstützen, demografische Veränderungen als Gestaltungsaufgabe zu begreifen und Initiativen für ein aktives Alter(n) zu entwickeln … Handlungsmöglichkeiten veranschaulichen … Argumente für den Nutzen einzelner Herangehensweisen mit Blick auf unterschiedliche Akteursgruppen liefern … die an bundesweit über 170 „Aktiv im Alter“-Projektstandorten gesammelten Erfahrungen kondensieren 6 2. Hintergründe zum Bundesprogramm „Aktiv im Alter“ Die Gesellschaft eines längeren Lebens als Chance begreifen. Dieser Ansatz lag dem Bundesprogramm „Aktiv im Alter“ zugrunde. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat von April 2008 bis Dezember 2010 Kommunen gefördert, die ältere Bürger/innen zu Engagement und Mitbestimmung ermuntern wollten. Das Ministerium unterstützte Aktivitäten in 150 Kommunen mit je 10.000 Euro. Hinzu kamen 20 Kommunen, die vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert wurden und weitere fünf Standorte, die Zuwendungen aus dem Zukunftsfonds des Versicherungskonzerns Generali erhielten. Gemeinsames Ziel war es, die Kompetenzen älterer Menschen für Aktivitäten in den Kommunen zu nutzen und die Handlungsspielräume für Mitgestaltung zu erweitern. Als Leitlinie für das Programm hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der SeniorenOrganisationen (BAGSO) in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, den kommunalen Spitzenverbänden, den Wohlfahrtsverbänden, den Kirchen und einem Netzwerk der Engagementförderung das Memorandum „Mitgestalten und Mitentscheiden – ältere Menschen in Kommunen“ verfasst. Darin wird gefordert, transparente Informationswege für ältere Bürger/innen zu eröffnen, neue Formen der Bürgerbeteiligung zu etablieren, Rahmenbedingungen für die gesellschaftliche Teilhabe aller zu schaffen und ein modernes, differenziertes Bild vom Alter zu verbreiten.1 Das Programm „Aktiv im Alter“ war prozessorientiert angelegt: Jede Kommune hat ihren eigenen Ansatz erarbeitet und realisiert. Insofern gibt es keinen einheitlichen Standard, sondern viele erfolgreiche Beispiele, von denen Sie sich inspirieren lassen können. Zwei Instrumente standen im Mittelpunkt des Programms: die Realisierung von Bedarfserhebungen und lokale Bürgerforen. Mittels einer Bedarfserhebung wurde ein Überblick über vorhandene Angebote und bestehende Bedarfe in Kommunen sowie die Engagementbereitschaft älterer Menschen erhoben. In lokalen Bürgerforen wurden gemeinsam Ideen für Projekte in Kommunen entwickelt und deren Realisierung angebahnt. Beide Instrumente wurden vor Ort entsprechend gegebener Datenlage, Vorerfahrungen und aktuellen Interessen ausgestaltet. 1 Die Leitlinien finden Sie auf S. 23-24. 7 Die Nacherhebung, die im Sommer 2012 durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass die Idee des Programms weiter lebt und in einem überwiegenden Teil der Kommunen fortgeführt wird. Insofern hat „Aktiv im Alter“ dazu beigetragen, einen Bewusstseinswandel zum Thema aktives Alter(n) zu unterstützen und weiter zu verbreiten: Ältere Menschen gestalten unsere Städte, Landkreise und Gemeinden entscheidend mit. 8 3. Eckpunkte der wissenschaftlichen Begleitung während der Programmlaufzeit und bei der Nacherhebung Bei der wissenschaftlichen Begleitung wurden die Programmumsetzung und das Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteure in den Blick genommen. Es erfolgte der Einbezug der Perspektiven verschiedener Akteure • (Projekt)Verantwortliche in Kommunen • Politische Entscheidungsträger • Kooperationspartner in Verbänden, Kirchen, Vereinen • Engagierte Bürger/innen Quantitative Erhebungen, Gruppeninterviews sowie Austausch- und Vernetzungstreffen für Projektverantwortliche und für freiwillig Engagierte haben Erkenntnisse über Erfahrungen mit der Programmumsetzung gebracht. Dabei interessierte die Frage nach erfolgreichen Wegen der Programmumsetzung und förderlichen Rahmenbedingungen in Kommunen. Als ein Ergebnis der wissenschaftlichen Begleitung wurde das Handbuch „Kommune gemeinsam gestalten. Handlungsansätze zur Beteiligung Älterer vor Ort“ erstellt.2 Aufgrund zahlreicher Rückmeldungen aus geförderten Standorten die über die Fortführung von Aktivitäten auch nach Ende der Programmförderung berichtet haben, erhielt das Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung mit einer finanziellen Förderung des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend 2012 die Gelegenheit, eine Nacherhebung zur Nachhaltigkeit der Verankerung von Programmbausteinen durchzuführen. Eine schriftliche Befragung aller ehemaligen Standorte ist erfolgt und hat einen beeindruckenden Rücklauf von 73% erzielt. Zusätzlich wurden in 20 qualitativen leitfadengestützten Telefoninterviews vertiefende Informationen gewonnen. In dieser Praxishilfe finden Sie die Zusammenstellung der wesentlichen Faktoren, die die nachhaltige Verankerung von Maßnahmen zur Förderung aktiven Alter(n)s in Kommunen und ein Mehr an Mitgestaltung ermöglichen sowie Argumente zur Betonung des kommunalen Nutzen einzelner Maßnahmen/ Herangehensweisen aus der Perspektive verschiedener Akteursgruppen. 2 Download unter: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Kommunegemeinsam-gestalten,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf 9 4. Nachhaltigkeit von „Aktiv im Alter“ fördernde Faktoren auf einen Blick • Politik und Verwaltung sind aktiviert und werden einbezogen • Vernetzung wird vorangetrieben • Konkrete Maßnahmen sind in ein Gesamtkonzept eingebettet • Hauptamtliche Ansprechpersonen sind benannt und entsprechend qualifiziert • Materielle Ressourcen stehen zur Verfügung • Freiwilligenmanagement und Anerkennungskultur sind Bestandteil der Engagementförderung • Öffentlichkeit für das Thema demografischer Wandel wird geschaffen • Seniorenrat /Seniorenbeauftragte werden als Multiplikatoren einbezogen • Langfristiges Denken und Planen wird praktiziert Wie lässt sich dies in der kommunalen Praxis realisieren? Auf den folgenden Seiten finden Sie ausführliche Informationen. 10 5. Politik und Verwaltung einbeziehen und aktivieren Im Programm „Aktiv im Alter“ war die Unterschrift der Amtsspitze unter den Förderantrag verbindlich. Mit dieser wurde gleichzeitig den Leitlinien des Programms zugestimmt. Dies hat sich in einigen Kommunen als hilfreicher Anknüpfungspunkt erwiesen, um die praktische Unterstützung während der Projektlaufzeit einzufordern. Allerdings war häufig dennoch eine Sensibilisierung der Landrät/innen oder Bürgermeister/innen notwendig. „Wichtig ist die Unterstützung durch die Gemeinde und den Gemeinderat. Die Engagierten müssen sicher sein, dass bei Bedarf Hindernisse ideeller oder finanzieller Art beseitigt werden können.“ Beharrliches Einfordern von Unterstützung der Amtsspitze durch Mitarbeitende in der Verwaltung oder durch engagierte Ältere war erfolgreich: Die vielfältigen Aktivitäten wie Bedarfserhebungen, lokale Bürgerforen und Maßnahmen zur Öffentlichkeitsarbeit haben dazu beigetragen, dass in 51% der Kommunen Beteiligungsmöglichkeiten für ältere Menschen etabliert und verstetigt wurden und das Interesse von Gemeinderäten, Verwaltung und Bürgermeister/innen für das Thema demografischer Wandel insgesamt gestiegen ist. Über die Projektzuständigkeit hinaus sind weitere Dezernate in Verwaltungen auf das Thema demografischer Wandel aufmerksam geworden(20%) und es wurde ein differenzierter Umgang mit Altersbildern angestoßen 11%.3 Bedeutsam war beispielsweise die Unterstützung bei der Einladung zu Veranstaltungen, da die Unterschrift einer Bürgermeisterin dieser direkt mehr Gewicht verleiht. Die persönliche Anwesenheit z.B. bei lokalen Bürgerforen – im Idealfall über ein Grußwort hinaus – hatte häufig zwei Effekte: die Teilnehmenden gewannen den Eindruck, dass die politische Spitze hinter den Anliegen der Bür- „Die Projekte haben vorrangig die Zusammenarbeit im Bezirk gefördert, was sich positiv auswirkt und uns ermutigt mit dem sozialraumorientierten Ansatz mit einem neuem Thema (Leben mit Demenz und Nachbarschaft) weiter zu machen.“ ger/innen steht und zum anderen konnten Bürgermeister/innen live erleben, welche Aktivität von den Teilnehmenden entfaltet wurde. 3 Vgl. Klie /Marzluff /Hollfelder/ Kern: Ergebnisse der Nacherhebung zur nachhaltigen Projektverankerung im Programm „Aktiv im Alter“. Bericht der wissenschaftlichen Begleitung, 2012, S. 12. 11 In Interviews wurde beschrieben, dass sich in der Verwaltung die Wahrnehmung der Bedürfnisse „Wichtig ist die frühzeitige Einbin- älterer Menschen gewandelt habe und so die Le- dung/Kooperation mit Schlüsselper- benssituation Älterer verbessert werden konnte, sei sonen und Einrichtungen im Stadt- es durch vergleichsweise kleine Maßnahmen wie teil/in der Stadt und innerhalb der die Absenkung von Bordsteinen bei straßenbauli- Stadtverwaltung, um nach der Initiie- chen Projekten. Bedarfserhebungen wie auch loka- rungsphase eine nachhaltige Ent- le Bürgerforen sind geeignete Instrumente, um den wicklung sicherstellen zu können.“ Dialog zwischen Verwaltung und Bürgerschaft zu beleben und losgelöst von konkreten kommunalen Maßnahmen zu erfahren, welche Wünsche und welche Probleme ältere Menschen in Kommunen haben – und welche Beiträge sie zu leisten bereit sind, wenn ihnen dies ermöglicht wird. Um die Bedeutung dieser Maßnahmen zu kommunizieren ist es empfehlenswert Ortschaftsräte oder Gemeinderäte kontinuierlich in Aktivitäten einzubinden bzw. regelmäßig zu informieren. Wie profitieren Politik und Verwaltung von der Mitwirkung bei Aktivitäten zur Förderung von Mitgestaltung und Engagement älterer Menschen in Kommunen? • Freiwillige Leistungen im Bereich der Daseinsvorsorge können in Teilen selbstorganisiert durch bürgerschaftliche Projekte gewährleistet werden, z.B. in losen Initiativen, Vereinen oder Seniorengenossenschaften zur Nachbarschafshilfe. • Nicht nur Verwaltung und Politik erfahren mehr über Wünsche auf Seiten der Bürgerschaft, sondern Bürger/innen erlangen auch mehr Wissen über Herausforderungen im alltäglichen Verwaltungshandeln. Dies kann bei transparenter Kommunikation zusätzlich die Akzeptanz von Entscheidungen erhöhen. „Wir haben eine Struktur aufgebaut, um ältere Menschen zu unterstützen, möglichst lange in ihrer eigenen Häuslichkeit und damit in ihrer Heimatregion, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Außerdem haben wir mit den Senio- Wenn Sie Unterstützung auf Seiten von Verwaltung und Politik gewinnen möchten, betonen Sie den Nutzen, der durch die Erweiterung von Perspektiven entstehen kann und wägen Sie ab, wo sich gegebenenfalls auf lange Sicht sogar Kosten einsparen lassen. Manche Baumaßnahme lässt sich 12 anders planen, wenn vorab bei einer Ortsbegehung mit älteren Menschen bzw. Menschen aller Generationen mögliche „Stolpersteine“ identifiziert werden.4 Wenn Sie in der Verwaltung tätig sind, überlegen Sie, wer Ihnen hilfreiches Feedback geben könnte und welche Zielgruppen Sie einbeziehen sollten. Der Fokus auf Quartiere als überschaubare soziale Räume hat sich dabei in Kommunen bewährt. In dörflichen Strukturen ist die Identifikation mit dem Gesamtort meist höher und das Erstreckungsgebiet überschaubarer. 4 Gerade in Bezug auf Baumaßnahmen und Barrieren haben sich sogenannte empirische Spaziergänge als Instrument zur Vororterkundung bewährt. (vgl. Marzluff/ Kamphausen/ Klie 2011: Kommune gemeinsam gestalten. Handlungsansätze zur Beteiligung Älterer vor Ort, Berlin 2011, S.22). 13 6. Vernetzung vorantreiben Zum Aufbau von Kooperationsstrukturen ist nicht nur die Vernetzung unterschiedlicher kommunaler Ebenen für eine gelingende Arbeit förderlich, sondern auch die Kooperation mit „Rechtzeitiges Einbinden aller Interessierten und ein genauer Kenntnisstand darüber, was vor Ort bereits besteht sind beim Aufbau eines Netzwerks empfehlenswert.“ Trägern und Vereinen, die sich aufgrund des breiten Themenspektrums von Aktivitäten anbietet. Funktionierende Netzwerke bergen in Hinsicht auf eine nachhaltige Verankerung von Themen rund um aktives Alter(n) einen Vorteil, da der Aufwand auf mehrere Schultern verteilt wird. Bei drei Vierteln der Standorte wurde die Vernetzung lokaler/regionaler Akteure vorangebracht.5 In der Online-Befragung hat sich gezeigt, dass Kommunen sich in der Pflicht sehen den Gedanken von „Aktiv im Alter“ weiterzutragen. Nur in 13% der Fälle wurde nach offizieller Beendigung der Programmförderung die Weiterführung komplett in die Hände eines Partners gelegt. Dass 39% der Befragten seit Ende der Förderung weitere Kooperationen eingegangen sind spricht dafür, dass Vernetzungsbestrebungen längerfristig Früchte tragen. Auch die zwei von den Befragten am häufigsten gegebenen Empfehlungen zur Programmumsetzung betonen die Bedeutung von Kooperationen. 34 Mal wird die Beteiligung von Bürger/innen und anderen Akteuren empfohlen und 27 Mal anderen am Konzept von „Aktiv im Alter“ interessierten Kommunen die Nutzung bzw. Bildung von Strukturen, Kooperationen und Netzwerken nahegelegt.6 „Den überörtlichen Austausch haben wir als sehr wichtig und förderlich empfunden. Gerade neue Ideen konnten sich aus der Teilnahme an Tagungen und Regionaltreffen entwickeln. Einige Kontakte bestehen auch weiterhin und werden immer wieder genutzt.“ Maßnahmen zur lokalen Vernetzung können von allen Akteursgruppen angebahnt werden. Der Vorteil von Kooperationen liegt im Informationsgewinn durch vermehrten Austausch mit der Chance zur Bündelung von Aktivitäten bzw. der Absprache, um beispielsweise Terminüberschneidungen zu vermeiden. Auch ist zu reflektieren, wo Ak- teure möglicherweise im Wettbewerb miteinander stehen und welchen Gewinn sie dennoch von einer Zusammenarbeit haben, um letztendlich gemeinsam stärker zu sein als allein. 5 Vgl. Klie /Marzluff /Hollfelder/ Kern: Ergebnisse der Nacherhebung zur nachhaltigen Projektverankerung im Programm „Aktiv im Alter“. Bericht der wissenschaftlichen Begleitung, 2012, S. 11. 6 Vgl. Klie /Marzluff /Hollfelder/ Kern: Ergebnisse der Nacherhebung zur nachhaltigen Projektverankerung im Programm „Aktiv im Alter“. Bericht der wissenschaftlichen Begleitung, 2012, S. 16. 14 Zudem ist eine weitere Kooperationsebene denkbar, da nicht nur ein Austausch und eine Vernetzung von Akteuren innerhalb von Kommunen örtliche Strukturen und Maß- „Die Projekte waren für die Stadtbezirke ein Gewinn: Diskussionen über das Altersbild wurden angeregt. Gruppen, die miteinander ins Gespräch kamen, entwickelten weitere Ideen und trugen zum Netzwerkgedanken in den Stadtbezirken bei.“ nahmen voranbringt: Mit geeigneten Partnern hat sich der Austausch zwischen Kommunen bewährt, da so von Erfahrungen profitiert werden kann, die andernorts bereits gemacht wurden und Dialog häufig auf der gleichen fachlichen Ebene möglich ist. Wenn Sie vor Ort oder auf regionaler Ebene die Vernetzung von Akteuren voranbringen möchten, sollten Sie • reflektieren, welche Akteure von Beginn an einbezogen werden sollten, • abwägen welche Strukturen den vermuteten oder zu klärenden Interessen entsprechen und wie sich das Netzwerk sinnvoll und effektiv organisiert, • überlegen welche Themen aufgegriffen werden und wo eine Abgrenzung sinnvoll scheint, • klären ob Sie oder jemand anders in der Lage ist als „Motor“ eine Verstetigung des Netzwerks in Gang zu bringen, bis es so weit an Fahrt gewinnt, dass es selbständig funktioniert oder zu klären, wer längerfristig eine koordinierende und strukturierende Rolle übernehmen kann. 15 7. Maßnahmen in ein Gesamtkonzept einbetten Um das Thema aktives Altern nachhaltig auf kommunaler Ebene zu verankern, ist es vorteilhaft, wenn eine Strukturierung und Bündelung von Angeboten und von Strukturen erfolgt: Zum Beispiel in Form einer Zusammenschau aller vorhandenen Angebote für ältere Menschen samt Anbietern in einer Gesamtbroschüre. Auch das Verwaltungshandeln und die „Im Projekt konnten Strukturen enger miteinander verknüpft werden. Allen wurde klar, dass Älter werden auch sie betrifft und dass dazu strukturelle Veränderungen notwendig sind“ Politik können von der Einbettung einzelner Aktivitäten in einen größeren Rahmen profitieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Wege in einem Dorf oder einem Quartier kürzer und überschaubarer sind als in der Gesamtperspektive einer Großstadt. Dies bedingt die Notwendigkeit, einen eigenen Ansatz zu finden. Diesen im Dialog mit anderen Akteuren zu erarbeiten, ist bereits eine bedeutsame Wegmarke in Richtung der Entwicklung eines Gesamtkonzepts. Sind Kooperationsstrukturen und strategische Gesamtausrichtungen gefunden, wird es leichter, neue Projekte zu etablieren. Die Standorte, die bereits zu Beginn von „Aktiv im Alter“ über Kooperationsstrukturen verfügt haben, z.B. in Form von Anlaufstellen zur Engagementförderung oder Seniorenbüros fanden es hilfreich, auf diese zurückgreifen zu können. Argumente, die diesbezüglich angeführt wurden sind schnellere Projektrealisierung, da man ein eingespieltes Team sei oder auch sicheres Wissen um für eine Projektumsetzung vorhandene förderliche Rahmenbedingungen. Hier lohnt der Erfahrungsaustausch zwischen Kommunen, um von Herangehensweisen anderer zu profitieren. Die Austauschtreffen im Programm „Aktiv im Alter“ waren insbesondere für weniger erfahrene Kommunen eine Bereicherung, um sich von bewährten Ansätzen anderer Kommunen inspirieren zu lassen. Insofern ist es empfehlenswert gezielt „In den Begegnungsstätten der AWO wurden Tagungen oder Workshops zu besu- diverse Veranstaltungen etabliert beziehung- chen, bei denen ein solcher Austausch sweise gefestigt. Ehrenamtlich Tätige konn- ermöglicht wird oder direkt Kontakt zu für ten anders einbezogen werden die Zusam- Sie interessant scheinenden Kommunen menarbeit mit dem Seniorenrat der Stadt hat zu knüpfen, um nicht „das Rad neu zu sich gefestigt.“ erfinden“. Ähnlich wie bei dem Aspekt der Förderung lokaler/regionaler Vernetzung sollten Sie überlegen, wie eine Einbettung von Einzelaktivitäten in einen größeren Rahmen erfolgen könnte. 16 Hier ist es im Gegensatz zur Netzwerkbildung wichtig, Politik und Verwaltung mit ins Boot zu holen, damit für die jeweiligen Gegebenheiten passende Leitlinien oder Grundsätze erarbeitet bzw. der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur zur Schaffung guter Rahmenbedingungen durchdacht und im Anschluss realisiert werden kann. 17 8. Hauptamtliche Ansprechpersonen benennen und qualifizieren Die Gewährleistung der Kontinuität von Projekten, die Bündelung lokaler Aktivitäten, die Förderung von Vernetzung, das Anliegen Engagierten eine Ansprechperson zur Verfügung zu stellen bzw. weitere Engagierte zu gewinnen und das Engagement bereits Aktiver zu würdigen sind zentrale Argumente, die für die Etablierung einer hauptamtlichen Stelle sprechen. 18 Standorte haben auf die offen formulierten Frage nach Empfehlungen für Kommunen, die eigenständig „Aktiv im Alter“ realisieren möchten, die Notwendigkeit von Hauptamtlichkeit als Erfolgsfaktor ihrer Aktivitäten angeführt und über 70 Standorte haben angegeben über eine feste Ansprechperson für Aktivitäten zu verfügen.7 In Interviews wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Nachhaltigkeit der Projektverankerung ohne hauptamtliche Ansprechpersonen in Gefahr geraten würde. Zusätzlich wurde empfohlen ein Team zu schaffen, dass sich mit den Themen aktives Altern, Engagement und Beteiligung auf kommunaler Ebene befasst. Damit wird eine auch außerhalb des Kontextes von „Aktiv im Alter“ virulente Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen bürgerschaftlichen Engagements aufgegriffen, die nach notwendigen Rahmenbedingungen für tragfähige Engagementstrukturen und Engagementförderung sucht. Wenn auf kommunaler Ebene eine hauptamtliche Ansprechbarkeit gewährleistet werden soll, kommen neben der Kommune selbst auch Wohlfahrtsverbände oder Vereine als Träger in Frage. Erkunden Sie die örtliche Akteurslandschaft, um zu sondieren wo innerhalb oder außerhalb kommunaler Verwaltung geeignete Akteure zu finden sind. Es ist nicht zwingend notwendig für diese Serviceleistung neue Arbeitsplätze zu schaffen, sondern es bietet sich an zu prüfen, wo an bereits vorhandenen Stellen wie z.B. in Seniorenbüros, Mehrgenerationenhäusern oder Beratungsstellen eine solche Funktion angedockt werden könnte. „Während der Projektlaufzeit war ich von der Stadt mit zusätzlichen Stunden für die Projektbegleitung beauftragt. Dies fiel nach Ende des Projektes weg, dadurch bin ich jetzt nicht mehr für das Projekt verantwortlich. Nach meiner Einschätzung wäre es für das nachhaltige Implementieren des Projektes sinnvoll, dauerhaft eine hauptamtlich tätige Person als Ansprechperson zur Verfügung zu haben. Wo diese fehlt, hängt alles von überdurchschnittlich hoch motivierten und engagierten Freiwilligen ab.“ 7 Vgl. Klie /Marzluff /Hollfelder/ Kern: Ergebnisse der Nacherhebung zur nachhaltigen Projektverankerung im Programm „Aktiv im Alter“. Bericht der wissenschaftlichen Begleitung, 2012, S.13. 18 9. Materielle Ressourcen zur Realisierung von Aktivitäten sicherstellen Die Nacherhebung hat gezeigt, dass es unterschiedliche Wege gibt, Aktivitäten zur Förderung eines aktiven Alterns auf kommunaler Ebene zu verankern. Am häufigsten haben Kommunen die Weiterfinanzierung von Aktivitäten übernommen (54%). Zudem wurden weitere Projektförderungen erschlossen, um geplante Maßnahmen zu finanzieren (23%) oder die Finanzierung durch Träger gewährleistet (20%). In den alten Bundesländern haben Kommunen „Von der Kommune ausgehend gemeinsam mit möglichst vielen Akteuren Ideen zu entwickeln, Ressourcen für Organisation und Begleitung von Netzwerkarbeit stellen.“ häufiger die Weiterfinanzierung übernommen als in den neuen Bundesländern. Dafür sind in diesen häufiger Träger in die Finanzierung von Aktivitäten eingestiegen. Zudem konnte festgestellt werden, dass sich auch ohne explizite Finanzierung Aktivitäten fortsetzen lassen (50%), vor allem im Bereich der selbstorganisierten Gruppen älterer Menschen.8 „Nachhaltige Bereitstellung von finanziellen Mitteln ist für eine nachhaltige Projektverankerung förderlich. Ebenso der Aufbau von Stabsstellen o.ä. mit dem Fokus Demographischer Wandel/ Ehrenamtsmanagement.“ Um dafür Sorge zu tragen, dass Maßnahmen zur Förderung von Mitgestaltung älterer Menschen in Kommunen langfristig verankert werden, bedarf es auch finanzieller Mittel bzw. materieller Ressourcen wie Räumen für Treffen, Möglichkeiten zur Nutzung von Computer, Telefon oder Ko- pierern. Gerade wenn Menschen sich bürgerschaftlich engagieren, sollte ihnen eine adäquate Infrastruktur zur Verfügung stehen. Dies kann ein wichtiger Beitrag sein, um neben ideeller Anerkennung zu längerfristigem Engagement zu motivieren. Dass sich ein gewisses Budget für bürgerschaftliche Projekte durchaus „rechnet“, ist die Erkenntnis einer der interviewten Kommunen: Da für den Gemeinderat schnell ersichtlich war, dass mit Maßnahmen rund um „Aktiv im Alter“ viele Aktivitäten angestoßen wurden war es recht einfach, in Folge weiterhin Haushaltsmittel zu erhalten. Der Gemeinderat könne sich durch seine Unterstützung für Ältere profilieren und es wurde erkannt, dass sich das 8 „Bereitstellung von Sachkosten und Räumlichkeiten durch die Stadt.“ Vgl. Klie /Marzluff /Hollfelder/ Kern: Ergebnisse der Nacherhebung zur nachhaltigen Projektverankerung im Programm „Aktiv im Alter“. Bericht der wissenschaftlichen Begleitung, 2012, S. 17. 19 eingestellte Budget durch die Zunahme der Vernetzung von Bürger/innen und neu entstehende bürgerschaftlich getragene Projekte durchaus als Investition lohne. Zusätzlich wurden Personalressourcen auf Seiten der Verwaltung eingebracht, um Freiwillige in ihren Projekten zu begleiten. Die Selbständigkeit der auf freiwilliger Mitarbeit basierenden Projektgruppen soll erhöht und gleichzeitig anerkannt werden, dass ein Mindestmaß professioneller Begleitung dauerhaft notwendig sei. Diese Beschreibung verdeutlicht, dass im Idealfall sowohl ein Budget als auch Personalressourcen für die Weiterführung von Projekten zur Verfügung stehen. Dabei sind vielfältige „Wichtig ist die Etablierung von Orten, in denen die Bürgerprojekte sich treffen und die auch eine niedrigschwellige Anlaufstelle für später Interessierte sein können.“ Wege zur Finanzierung denkbar. Neben den genannten Finanzierungsquellen wie weiterer Projektförderungen, kommunaler Mittel oder der Förderung von Trägern wurde z.B. auch auf Seiten der Bürgerschaft ein Verein zur Fortsetzung von Aktivitäten gegründet, der sich um die Gewinnung von Spenden und Sponsoring für einzelne Projekte bemüht. Wie profitieren einzelne Akteure von zur Verfügung gestellten Ressourcen? • Der Nutzen bürgerschaftlicher Aktivitäten, der durch das zur Verfügung stellen eines Budgets generiert wird, übersteigt in der Regel den monetären Aufwand. • Unterstützende Ressourcen können neben einem Budget auch die Möglichkeit zur kostenfreien Nutzung von Räumen oder Büroinfrastruktur sein. • Ressourcen für bürgerschaftliche Projekte sind eine Ausprägung von Anerkennungskultur: Menschen, die sich freiwillig engagieren spüren so die Wertschätzung ihrer Arbeit durch Kommunen, Träger oder Unternehmen. Wenn Sie mit kommunalen Akteuren oder Trägern über Ressourcen verhandeln überlegen Sie… • welche Form von Unterstützung benötigt wird: finanzielle Mittel oder bereits vorhandene Ressourcen wie Räumlichkeiten/Büroinfrastruktur, • welche Geldsummen oder wie häufig werden Räume etc. benötigt und was ist der Nutzen für die Akteure, die diese Ressourcen zur Verfügung stellen: o Imagegewinn durch Engagement für die gute Sache, ist z.B. bei Gemeinderäten oder Bürgermeister/innen ein Faktor, der für eine Wiederwahl nützlich sein kann, 20 o aktiver Beitrag zur Steigerung von Lebensqualität in Kommunen, als Beleg für bürgernahes Verwaltungshandeln, o gesellschaftlicher Nutzen durch die bürgerschaftlichen Projekte: wer profitiert von dem jeweiligen Angebot/Projekt und welche Bedeutung hat dieses Projekt für die Kommune, und stellen Sie diese Aspekte in Gesprächen mit verantwortlichen Personen heraus. 21 10. Freiwilligenmanagement und Anerkennungskultur etablieren und pflegen Meist geht die Etablierung hauptamtlicher Ansprechpersonen mit dem Aufbau eines systematischen Freiwilligenmanagements einher. Wenn in einer Kommune auf die Förderung bürgerschaftlichen Engagements gesetzt wird, bedarf es gleichzeitig der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen. „Die freiwillig Engagierten sind in verschiedene Projekte der Freiwilligenagentur eingebunden. Regelmäßiger Erfahrungsaustausch trägt dazu bei, neue Freiwillige zu gewinnen und auf die Arbeit aufmerksam zu machen.“ Die Gewinnung von neuen freiwillig Engagierten, die passgenaue Vermittlung von Engagementinteressierten an gemeinnützige Einrichtungen sowie die Begleitung und Qualifizierung sowohl von Freiwillige aufnehmenden Einrichtungen wie Freiwilligen selbst bedürfen eines professionellen Vorgehens. Jedoch muss nicht zwangsläufig eine Freiwilligenagentur gegründet werden. Einige Kommunen haben eine solche Anlaufstelle an bereits vorhandene Einrichtungen angedockt, z.B. ein örtliches Seniorenbüro, Mehrgenerationenhaus oder auch die lokale Bibliothek, in der einer Mitarbeiterin ein Stundendeputat für den Bereich Engagementförderung und Freiwilligenmanagement zugesprochen wurde. Es ist also zu prüfen, wo in bereits bestehenden Stellen, auf kommunaler Ebene oder bei anderen Trägern Möglichkeiten gegeben sind, eine solche Anlaufstelle zu etablieren. In deren Arbeitsbereich kann auch der Aufbau einer systematischen Anerkennungskultur fallen. Allerdings ist an dieser Stelle auch die Kommune gefragt. Häufige Beiträge zur Anerkennung bürgerschaftlich Engagierter sind z.B. Neujahrsempfänge für die Freiwilligen beim Bürgermeister/bei der Landrätin oder auch spezielle Ehrenamtstage. Oftmals bestehen Medienpartnerschaften, in denen örtliche Zeitungen in einem regelmäßigen Turnus über gemeinnützige Projekte berichten oder Portraits einzelner Engagierter veröffentlichen. Wenn Sie anstreben, ein professionelles Freiwilligenmanagement einzuführen, sondieren Sie die Lage und prüfen Sie, welche bereits bestehenden Stellen diese Aufgaben übernehmen könnten. Wichtig ist hierbei zu klären, dass Mitarbeitende mit dieser Zuständigkeit über eine entsprechende Qualifikation verfügen bzw. Fortbildungen erhalten und ein eigenes Interesse am Thema mitbringen. Denn, wo eigene Motivation fehlt wird es schwierig, andere für eine Sache zu gewinnen. 22 Auf Bundes- und Landesebene gibt es zahlreiche Beratungsstellen wie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen oder Stabsstellen für bürgerschaftliches Engagement, bei denen Sie sich beraten lassen können.9 Zudem ist es hilfreich in Kontakt mit Kommunen zu treten, die einen ähnlichen Weg verfolgen, um sich über das breite Spektrum an Möglichkeiten zu informieren. In vielen Bundesländern bestehen zudem Qualifizierungsmöglichkeiten für Engagementinteressierte als seniorTrainer/innen. Das Programm „Erfahrungswissen für Initiativen“, das vor einigen Jahren vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend initiiert wurde, wird in vielen Bundesländern weitergeführt. Dort werden ältere Menschen mit unter„Die im Rahmen des Projektes gewonnenen Engagierten wurden von Seite des Kooperationspartners betreut. Durch die Einrichtung der Freiwilligenagentur in der Stadt konnte ein stärkeres Augenmerk auf den Bereich des freiwilligen Engagements gelenkt werden. Es wurden diverse Gespräche mit potentiellen Freiwilligen geführt was oftmals eine Vermittlung in ein bestehendes Projekt einer unserer Kooperationspartner oder selbst entwickelte Projekte zur Folge hatte.“ 9 schiedlichen beruflichen Hinter- gründen dafür qualifiziert, Projekte bzw. gemeinnützige Organisation in ihrer Zusammenarbeit mit Engagierten zu beraten oder eigene Projekte zu entwickeln.10 In den „Aktiv im Alter“-Standorten haben sich während und nach der Programmförderung häufig seniorTrainer/innen in die Aktivitäten eingebracht. Beispiele für Online-Plattformen: www.bagfa.de oder Engagementförderung in Baden-Württemberg: www.buergernengagement.de und in NRW www.engagiert-in-nrw.de. 10 Informationen finden Sie beispielsweite bei: www.seniortrainer.de oder www.www.senioretrainer-rlp.de 23 11. Öffentlichkeit für das Thema demografischer Wandel schaffen Die Schaffung von öffentlicher Aufmerksamkeit für Implikationen des demografischen Wandels leistet einen wichtigen Beitrag, um nicht nur in Politik und Verwaltung, sondern auch in der Bürgerschaft für kommende Veränderungen der Bevölkerungsstruktur zu sensibilisieren. Diskussionen um Rentenpolitik und Pflege sind dabei nur ein kleiner Ausschnitt der Folgen des demografischen Wandels. Die positiven Aspekte einer Gesellschaft des langen Lebens und Chancen, die sich für einzelne Menschen durch eine gesteigerte Lebenserwartung ergeben, werden medial weniger intensiv inszeniert. Aus diesem Grund ist es sinnvoll mit lokalen/regionalen Zeitungen, Radio oder Fernsehsendern in Kontakt zu treten, um im Kontext aktiven Alterns die Agenda zu erweitern und eigene Aktivitäten bekannter zu machen. Zudem lassen sich über Webportale oder Newsletter eigene Kanäle zur Öffentlichkeitsarbeit schaffen. Bei „Aktiv im Alter“ hat sich gezeigt, dass das Bewusstsein für Themen rund um demografischen Wandel durch Öffentlichkeitsarbeit gesteigert werden kann. 59% der Standorte stellen fest, dass der demografische Wandel und aktives Altern mittlerweile in der Öffentlichkeit „Im März 2012 wurde eine Themenwoche ‚Älter werden in der Stadt x’ mit drei kulturellen Veranstaltungen und zwei Fachvorträgen veranstaltet. Sie fand großen Zuspruch.“ anders wahrgenommen werden.11 Im ländlichen Raum findet dies in einem höheren Maß als in Städten statt. Eine Erklärung hierfür kann sein, dass es eine größere Offenheit in den Medien für diese Fragen gibt und in Städten eine große Fülle von Akteuren und Themen um Aufmerksamkeit konkurrieren. Eine regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit ist auch eine Möglichkeit, um für Projekte in denen Freiwillige gesucht werden zu werben. Wenn Sie planen mehr Öffentlichkeit für Ihre Anliegen zu schaffen, ist es hilfreich • zu prüfen, welche medialen Plattformen bereits bestehen und an welche angeknüpft werden könnte. • nach Medienpartnern Ausschau zu halten, die an einer Kooperation interessiert sind. • eine bedeutende lokale Persönlichkeit des öffentlichen Lebens oder die Bürgermeisterin/ den Landrat für eine Schirmherrschaft und aktive Unterstützung öffentlichkeitswirksamer Maßnahmen zu gewinnen. 11 Vgl. Klie /Marzluff /Hollfelder/ Kern: Ergebnisse der Nacherhebung zur nachhaltigen Projektverankerung im Programm „Aktiv im Alter“. Bericht der wissenschaftlichen Begleitung, 2012, S.11. 24 • freiwillig Engagierte und Hauptamtliche fit zu machen, um eine eigenständige Öffentlichkeitsarbeit auf die Beine zu stellen, z.B. durch Fortbildungen zu Pressearbeit, Erstellung von Webseiten. • zu eruieren, welche eigenen Wege beschritten werden könnten, z.B. mit der Erstellung von Seniorenwegweisern und wer zur Finanzierung beitragen könnte. Gerade bei Wegweisern können Produktionskosten durch Anzeigen gedeckt bzw. reduziert werden. • eine Seniorenmesse/Engagementmesse oder einen groß angelegten Aktionstag oder gar eine Aktionswoche zu planen. „Aus einer Fotokampagne (Engagement sichtbar machen) ist 2011 ein Infokalender entstanden und mit Kofinanzierung der Stadt nach Ende der Förderung in einer hohen Auflage gedruckt worden. Das Engagementnetz hat sich an der Gestaltung der ersten SeniorenInfobörse im Herbst 2011 beteiligt. Weiterhin wurde eine Wanderausstellung zum Thema Engagement konzipiert, die durch verschiedene Einrichtungen zieht (nach der Vernissage in der städtischen Sparkasse) und u.a. auch schon in einer Schule war. 2012 wurde das Europäische Jahr des aktiven Alterns zum Anlass genommen gemeinsam als Engagementnetz eine 15teilige Veranstaltungsreihe von Mai bis November zu planen. Die Auftaktveranstaltung war am 11.5.2012 zum Thema ‚Alter im Wandel - neue Altersbilder’ im Rathaus. Die Kosten wurden untereinander aufgeteilt, nachdem ein Antrag für Projektmittel des Europäischen Jahrs des aktiven Alterns abschlägig beschieden wurde.“ 25 12. Seniorenrat/Seniorenbeauftragte als Multiplikatoren einbeziehen Die Teilnahme an „Aktiv im Alter“ wurde bei einem Viertel der Standorte dafür genutzt, einen kommunalen Seniorenrat bzw. eine Seniorenvertretung aufzubauen oder bereits bestehende Gremien durch neue Impulse, veränderte Ausrichtungen und vor allem neue Mitstreiter/innen neu zu beleben.12 Selbst wenn von kommunaler „Es wurde eigens ein Arbeitskreis Senioren gebildet, dem neben Vertretern der AK aus den Mitgliedsgemeinden auch Mandatsträger des Samtgemeinderates sowie Verwaltungsmitarbeiter angehören. Der AK setzt seine Arbeit fort. Leider stehen auf Grund der Haushaltslage keine Haushaltsmittel für besondere Projekte zur Verfügung. Von daher relativieren sich die Aktivitäten.“ Seite ein solch formelles Gremium nicht gewünscht war, konnte teilweise ein unabhängiger Arbeitskreis zur Vertretung von Belangen älterer Menschen geschaffen werden und dabei die positive Erkenntnis entstehen, dass es durchaus Vorteile hat, als unabhängige Initiative ohne vorgegebene Rahmenbedingungen zu agieren und dadurch offen für an Mitwirkung Interessierte zu sein, ganz ohne Wahl oder Delegierung. An einzelnen Standorten wurde die Berufung von haupt- oder ehrenamtlichen Seniorenbeauftragten angestoßen, um auf kommunaler Ebene zu gewährleisten, dass Belange älterer Menschen vertreten werden. Gerade Hochaltrige und ältere unterstützungsbedürftige Menschen haben meist keine eigene Lobby und ihre Interessen werden nicht zwangsläufig von politischen Vertreter/innen in Kommunen bedacht. Wenn Ihnen daran gelegen ist, auf politischer Ebene eine Stärkung der Interessenvertretung von und für ältere Menschen voranzubringen, lohnt es zu prüfen, welche Form für Ihre lokalen/regionalen Belange die geeignete zu sein scheint. Die Erfahrungen der „Aktiv im Alter“Standorte während der Programmförderung und darüber hinaus haben gezeigt, dass es nicht den einen und richtigen Weg dafür gibt, die Interessenvertretung älterer Menschen zu stärken. Wenn also bei Ihnen in der Kommune kein formaler Seniorenrat/Seniorenvertretung etabliert wird, bedeutet dies nicht, dass es keine Alternativen für eine Interessenvertretung gibt. 12 „Projektentwicklung gemeinsam mit interessierten Senioren und unter deren aktiver Einbindung bei der Umsetzung.“ Vgl. Klie /Marzluff /Hollfelder/ Kern: Ergebnisse der Nacherhebung zur nachhaltigen Projektverankerung im Programm „Aktiv im Alter“. Bericht der wissenschaftlichen Begleitung, 2012, S. 12. 26 Wenn Gremien bereits bestehen, allerdings wenig neue Mitwirkende gefunden werden oder wenig Initiative gezeigt wird, lohnen Überlegungen dahingehend, ob nicht mit einem lokalen Bürgerforum, an dem die Seniorenvertretung maßgeblich beteiligt ist mehr Öffentlichkeit geschaffen und Interessen in der Bevölkerung erfragt werden. Wenn sich daraufhin neue Ideen für Projekte oder Angebote ergeben – die nicht zwangsläufig mit hohen Kosten für Kommunen verbunden sein müssen – kann dies die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit verdeutlichen und neue Impulse oder Mitarbeitende für Seniorenvertretungen bringen. 27 13. Langfristig Denken und Planen Der demografische Wandel wird in Deutschland in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter an Bedeutung gewinnen. In Anbetracht dieser Veränderungen ist frühzeitige Planung wichtig, um Weichen für die Zukunft zu stellen und eine möglichst hohe Lebensqualität für alle Generationen auch in den kommenden Jahrzehnten zu schaffen. Konkrete Projekte wie sie bei „Aktiv im Alter“ entwickelt wurden sowie Kooperationen und Netzwerke mit einem breiten Akteursspektrum sind Maßnahmen, um Strukturen zu schaffen, in denen die kom- „Der Beginn des Projektes war sehr schwerfällig. Das begründet sich daraus, dass die Menschen erst mal dafür sensibilisiert werden mussten. Es ist uns gelungen eine Basis des Vertrauens zu schaffen, die nun Grundlage unserer Arbeit ist.“ menden Herausforderungen produktiv angegangen werden können. Dass hierbei die Rahmenbedingungen und die Ausgangslage in einzelnen Regionen äußerst verschieden sind, darf nicht geleugnet werden. Gleichzeitig zeigen gute Beispiele in ländlichen Regionen wie z.B. in Mecklenburg-Vorpommern, dass dann, wenn es Menschen gibt, die als Motoren wirken, wenn soziales Kapital vorhanden ist und Menschen sich für ihr Gemeinwesen engagieren die Chance, aus der Krise neue Perspektiven zu schaffen gegeben ist.13 Wenn kommunale Akteure die Bevölkerung und Träger/Vereine in die Entwicklung von Maßnahmen einbeziehen und ein Mitgestalten und Mitentscheiden – nicht nur – älterer Menschen ermöglichen, kann ein neues Gemeinschaftsgefühl entstehen und daraus der Raum, ganz eigene Wege zu beschreiten und innovative Ansätze zu entwickeln. „Dreitägiges Seminar für Seniorenbeauftragte und eine Initiativgruppe zur Ausarbeitung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes Ausbau der Seniorenarbeit im Landkreis.“ und Die Bevölkerung dabei mitzunehmen ist bei „Aktiv im Alter“ und in der Folgezeit gut gelungen. Über die Hälfte der Standorte haben angegeben, dass gerade auch Beteiligungsmög- lichkeiten für ältere Menschen verstetigt und fest etabliert worden sind.14 13 Vgl. Mecklenburg Vorpommern. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei (Hg.) (2006) Agrarkonzept 2000. Ländliche Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern – Das Projekt „Das aktive und soziale Dorf“. Rostock. 14 Vgl. Klie /Marzluff /Hollfelder/ Kern: Ergebnisse der Nacherhebung zur nachhaltigen Projektverankerung im Programm „Aktiv im Alter“. Bericht der wissenschaftlichen Begleitung, 2012, S. 12. 28 Dies benötigt Zeit und einen langen Atem. Würdigen Sie kleine Fortschritte, setzen Sie sich Zwischenziele und erkennen Sie ehren- wie hauptamtliches Engagement an, um die Motivation für die Umsetzung langfristiger Maßnahmen zu schaffen, zum Beispiel, indem Sie das Erreichen wichtiger Meilensteine feierlich begehen. 29 14. Leitlinien des Memorandum „Mitgestalten und Mitentscheiden – ältere Menschen in Kommunen“ Chancen des Alters – Chancen des demografischen Wandels 1. Die Kommunen und die das Gemeinwesen mitgestaltenden Partner wie Kirchen, Initiativen und Verbände erkennen die Chance, die in dem Potenzial älterer Menschen liegt, und werden diesem neuen Raum geben. Sie fördern das Engagement in den bestehenden Strukturen und unterstützen die Übernahme neuer Tätigkeiten in Selbstorganisation älterer Bürgerinnen und Bürger. Sie schaffen erweiterte Gestaltungsspielräume innerhalb ihrer Institutionen und Organisationen. 2. Ältere Menschen werden ebenso wie andere Altersgruppen in die Entscheidungsfindung bei Trägern und Kommunen einbezogen und sind in Gremien und Räten vertreten. Die vielfältigen Verfahren der Bürgerbeteiligung werden weiterhin attraktiv gestaltet. Unter den Bedingungen des demografischen Wandels wächst die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Partizipation, denn sie verbessert den Zusammenhalt aller Altersgruppen und hebt in besonderer Weise die Lebensqualität. 3. Damit ältere Menschen mitgestalten und mitentscheiden können, brauchen sie Informationen, Transparenz sowie offene Kommunikationsstrukturen, die dialogorientiert, bürgernah und barrierefrei sind. 4. Es werden Rahmenbedingungen geschaffen, damit allen Menschen unabhängig vom Bildungs- und Einkommensstand, von Geschlecht und der ethnischen Herkunft Teilhabe ermöglicht wird. Für ältere Migrantinnen und Migranten und sozial Benachteiligte sollen neue Formen des Zugangs zum Ehrenamt gefunden und unterstützt werden. 5. Mitgestalten und Mitentscheiden bedürfen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit von freiwillig engagierten Menschen und Hauptamtlichen bei Trägern, Institutionen und kommunalen Verwaltungen. Weiterbildungsangebote sind deshalb auch für Hauptamtliche erforderlich. Die Qualifizierung von Engagierten erhöht ihre Wirkungsmöglichkeiten und ist eine Form gesellschaftlicher Anerkennung. 30 6. Die Kommunen sehen in der Förderung von aktiver Teilhabe, von Mitgestalten und Mitentscheiden der Bürgerinnen und Bürger im Gemeinwesen eine besondere Aufgabe. Sie schaffen erweiterte und neue Ermöglichungsstrukturen für das Engagement älterer Menschen. 7. Durch eine beteiligungsfreundliche, bedarfsgerecht ausgebaute Infrastruktur erschließen die Kommunen neue Engagementpotenziale. Bürgerschaftliches Engagement wird in der Kommune als Querschnittsaufgabe verstanden, die träger-, institutionen- und bereichsübergreifende Kooperation erfordert. Um die Koordination und den Erfahrungsaustausch möglichst vieler Akteure zu ermöglichen und Synergien zu fördern, werden kommunale Informations- und Kooperationsplattformen und interkommunale Kooperationen geschaffen. 8. Nachhaltiges freiwilliges Engagement erfordert Verlässlichkeit. Zu den aktivierenden Rahmenbedingungen gehören klare Regeln und eindeutige Mitbestimmungsrechte. Das erhöht die Bereitschaft älterer Menschen, ihr Wissen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gemäß einzubringen. 9. Bürgerschaftliches Engagement ist eine Investition zum Nutzen des Gemeinwohls und erbringt eine hohe Wertschöpfung. Seine Ausweitung erfordert eine angemessene Finanzausstattung bei Trägern und Kommunen, die Innovationsfähigkeit wie auch Nachhaltigkeit ermöglicht. 10. Eine zukunftsgerichtete Kommune gibt dem Alter eine aktive, sinnerfüllte Rolle. Das entspricht den Anforderungen des demografischen Wandels und stärkt ein realistisches Altersbild.15 15 Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) (Hg.): Memorandum Mitgestalten und Mitentscheiden – Ältere Menschen in Kommunen. Leitlinie für das Programm „Aktiv im Alter“, Bonn 2008. S.8-9. 31 32 Impressum Texterstellung und Redaktion Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze) Silke Marzluff, Prof. Dr. habil. Thomas Klie Buggingerstr. 38 79114 Freiburg www.zze-freiburg.de gefördert von Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Zukunftsfonds der Generali Deutschland Holding AG
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