Juli 2010
Ausgabe 6
Inhalt:
Leben nach Migration
Newsletter des Migrationsrats Berlin-Brandenburg
Wir brauchen eine transnationale Opposition zum
Homonationalismus. Fragen an Judith Butler
Wir brauchen eine
transnationale Opposition zum Homonationalismus. Fragen an
Judith Butler, Seite 1
Judith Butler, Philosophin und Geschlechterforscherin, hat am 9.06.10 den Zivilcouragepreis des
CSD Berlin e.V. abgelehnt. In ihrer Ablehnungsrede würdigte sie die Arbeit von Queers of Color,
darunter auch Queer-Organisationen, die Mitglied
des MRBB sind. Leben nach Migration stellte ihr
Fragen und veröffentlicht an dieser Stelle noch
Judith Butler: Ich
muss mich von dieser
Komplizenschaft mit
Rassismus distanzieren, Seite 3
einmal die Ablehnungsrede (Seite 3).
Sie haben der Presse gegenüber erwähnt, dass
der Rassismus in der Organisation des
Christropher Street Day in Deutschland Sie überrascht hätte. Ist der Homophobie-Diskurs in anderen Ländern im Vergleich zu Deutschland weniger
Partizipations- und
Integrationsgesetz:
Ein Schritt in die richtige Richtung, Seite 4
rassifiziert – etwa in Frankreich, den Niederlanden
oder den USA?
Ich hätte nicht allzu überrascht sein
dürfen, aber das liegt wahrscheinlich
daran, dass ich die deutsche Politik in
den letzten Jahren nicht aufmerksam
genug verfolgt habe. Das wird sich jetzt
ändern! Um ehrlich zu sein, hatte ich in
den letzten Jahren sogar das Gefühl,
dass Antirassismus der Linken in
Deutschland ein wichtiges Anliegen war,
und zwar mehr noch als in anderen
europäischen Ländern. Natürlich sah ich
nur die Gruppen, zu denen ich Kontakt
hatte – wie sich herausstellte, waren sie
nicht grade exemplarisch für den
Mainstream. Eines kann ich sagen:
Mainstream-Schwulenorganisationen in
den USA, der UK, den Niederlanden und
Belgien haben sich all zu oft eine
Komplizenschaft erlaubt mit neuen
Formen des Nationalismus, neuen
Wüsnchen nach einem Sicherheitsstaat,
europäischer „Reinheit“ und explizit
rassistischen Positionen, die Formen des
kulturellen Imperialismus stützen. Dies
ist derzeit auch in anderen Ländern zu
beobachten, weshalb es eine
transnationale Opposition zum
Homonationalismus geben muss,
gleichzeit muss in allen Bereichen der
Gesellschaft der Homophobie begegnet
werden (einschließlich dem Staat und
der Kirche).
In Deutschland, so mein Eindruck,
denken einige Leute aus der Linken,
dass, wenn sie sich dem Antisemitismus
widersetzen, sie dies auch bei dem
Rassismus tun. Dem entsprechend
glauben sie, dass ihr Einsatz gegen
„antiisraelische Politik“ sich gleichzeitig
auch gegen den deutschen Rassismus
richtet. Selbstverständlich muss
Antisemitismus bekämpft werden, aber
das gilt genauso für andere Formen des
Rassismus; und es ist sicher möglich
Israel für den Rassismus, der dort zum
Tragen kommt zu kritisieren, ohne
antisemitisch zu sein. In der Tat
verstehen es viele linke Juden als ihre
soziale Pflicht sich allen Formen des
Rassismus entgegen zu stellen,
einschließlich derjenigen Formen, die in
der israelischen Besetzung
institutionalisiert sind und dem
Nationalismus, der dem zugrunde liegt.
Könnte Transphobie, Homophobie, Rassismus und
Sexismus als Teil desselben Prozesses betrachtet
werden, anstelle von verschiedenen Prozessen, die
einander überlagern? Hilft dieser Ansatz zu verstehen, wie Vorurteile entstehen und wer von ihnen
profitiert?
Ich bin der Auffassung, dass es wichtig
ist zu analysieren, wie Geschlecht, ‘Rasse’ und Sexualität, aber auch Militarismus und Nationalismus und andere, weniger offensichtliche Formen sozialer und
Kein Wir ohne Uns
Leben nach Migration wird gefördert vom Beauftragten des Berliner Senats für Integration und Migration
Intersektionalität
intersection (eng.) – Schnittpunkt, Überschneidung, Überlagerung.
Intersektionalität ist ein theoretisches Instrument zur Analyse
von Mehrfachdiskriminierung
und meint, dass sich verschiedene Diskriminierungsformen in einer Person überschneiden bzw. überlagern
können. Eine solche Überlagerung bedeutet nicht nur, dass
bspw. eine Frau of Color doppelt diskriminiert wird, nämlich
einmal als Frau und zweitens
als Person of Color, sondern
über die Intersektionalität auf
eine dritte und eigene Art und
Weise als Frau of Color. Diese
Form der Diskriminierung wird
oft ausgeblendet. Bestimmte
Identitäten gelten dann in Diskursen als nichtexistent und
erfahren eine verstärkte Marginalisierung (z.B. schwule
Moslems).
Homonationalismus
Von Homonationalismus wird
gesprochen, wenn in der
Schwulenpolitik MainstreamIdeale bezüglich „Rasse“,
Klasse, Geschlecht und Nation
reproduziert werden – z.B.,
wenn Schwulenorganisationen
in der islamophoben Tendenz
des Mainstreams verweilen,
dass Homophobie ausschließlich in muslimischen Communities vorkomme. Sie nutzen
dann ihre höhere Stellung in
der gesellschaftlichen Hierarchieordnung gegen andere
Minderheiten aus, um sich weiter zu stäken, insb. durch einen verstärkten Nationalismus,
der bestimmte Gruppen ausschließt.
Leben nach Migration
ökonomischer Regulierung und Kontrolle, einander überlagern. Da Geschlecht
in Abhängigkeit von Klasse und ‘rassischen’ Formationen und Klasse in Abhängigkeit von Geschlecht und sexuellen
Formationen unterschiedlich gelebt wird
– nur um einige Beispiele zu nennen –,
muss Intersektionalität als ein Ausgangspunkt der Analyse betrachtet werden. Weiter gedacht, stellen sich mir
zwei Fragen:
Erstens, einige Denkweisen über Intersektionalität ordnen Geschlecht, ‘Rasse’
und Klasse als parallele Kategorien an
und gehen davon aus, dass jede Kategorie als Variable zur Beschreibung einer
gegebenen sozialen Praxis oder einem
sozialen Feld beiträgt. Diese Denkweise
etabliert eine gewisse Austauschbarkeit
unter den Kategorien. Ich denke jedoch,
dass sie in ihrer Spezifität durchleuchtet
werden müssen – nämlich da, wo eine
Kategorie nicht durch die andere ersetzbar ist.
Zweitens, reicht Intersektionalität als
Theorie aus, um Homonationalismus,
Neo-Kolonialismus oder neue Formen
ökonomischer Ausbeutung und Kontrolle,
die dem Neoliberalismus erwachsen
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sind, zu analysieren? Kann mit ihr analysiert werden, in welcher Weise Staatsmacht, einschließlich staatlicher Gewalt,
anstrebt geschlechtliche und sexuelle
Kategorien zu regulieren? Ich denke, wir
müssen darauf achten, wie zum Beispiel
die Kategorie der Homosexualität vom
Staat benutzt wird, um Diskriminierung
gegen religiöse und ‘rassische’ Minderheiten oder neuere Migrant/innen Communities vernünftig scheinen zu lassen.
Auch müssen wir in der Lage sein, zu
erklären wie bestimmte Gruppen, z. B.
die Palästinenser, mit der Zeit ‘rassifiziert’ wurden. Wenn wir einfach davon
ausgehen, dass es sich um eine ‘rassische’ Minderheit in einer intersektionalen
Analyse handelt, können wir nicht sehen,
wie die ‘Rassifizierung’ bestimmter
Gruppen bestimmten politischen Zielen
dient, wie z.B. die Reproduktion und
Ausweitung vom SiedlungsKolonialismus in Palästina. Ich denke
also, dass wir uns anschauen sollten,
wie diese Kategorien in spezifischen politischen Situationen „funktionieren“ – und
wie sie manchmal so organisiert werden,
dass sie gegen einander arbeiten.
Fragen: Deniz Utlu
Ich muss mich von dieser Komplizenschaft mit Rassismus distanzieren. Von Judith Butler
Berlin, 09.07.2010, Ablehnungsrede bei der Preisverleihung des Zivilcouragepreises des CSD Berlin
e.V.
Wenn ich darüber nachdenke, was es
heutzutage heißt, einen solchen Preis zu
akzeptieren, so finde ich, dass ich meine
Courage eher verlieren würde, wenn ich
ihn unter den gegenwärtigen politischen
Bedingungen einfach akzeptiere. Zum
Beispiel: Einige der Veranstalter/innen
haben sich explizit rassistisch geäußert
bzw. sich nicht von diesen Äußerungen
distanziert. Die veranstaltenden Organisationen weigern sich, antirassistische
Politiken als wesentlichen Teil ihrer Arbeit zu verstehen. In diesem Sinne muss
ich mich von dieser Komplizenschaft mit
Rassismus einschließlich antimuslimischen Rassismus distanzieren.
Wir haben alle bemerkt, dass Homo-,
Bi-, Lesbisch-, Trans-, Queer-Leute benutzt werden können von jenen, die
Kriege führen wollen, d. h. kulturelle
Kriege gegen Migrant/innen durch forcierte Islamophobie und militärische
Kriege gegen Irak und Afghanistan.
Während dieser Zeit und durch diese
Mittel werden wir rekrutiert für Nationalismus und Militarismus. Gegenwärtig
behaupten viele europäische Regierungen, dass unsere schwule, lesbische,
queer Freiheit beschützt werden muss
und wir sind gehalten, zu glauben, dass
der neue Hass gegen Immigrant/innen
nötig ist, um uns zu schützen. Deswegen
müssen wir nein sagen zu einem solchen Deal. Und wenn man nein sagen
kann unter diesen Umständen, dann
nenne ich das Courage. Aber wer sagt
nein? Und wer erlebt diesen Rassismus?
Wer sind die Queers, die wirklich gegen
eine solche Politik kämpfen? Wenn ich
also einen Preis für Courage annehmen
würde, dann muss ich den Preis direkt
an jene weiterreichen, die wirklich Cou-
Seite 3
Leben nach Migration
rage demonstrieren. Wenn ich so könnte, würde ich den Preis weiterreichen an
folgende Gruppen, die jetzt zu dieser
Zeit und an diesem Ort Courage zeigen:
aufgebaut haben und die dafür einstehen, dass es nicht möglich ist, gegen
Homophobie zu kämpfen ohne auch gegen Rassismus zu kämpfen.
1. GLADT: Gays and Lesbians from Turkey. Das ist eine queere Migrant/innenselbstorganisation. Diese Gruppe arbeitet heute sehr erfolgreich zu den Themen: Mehrfachdiskriminierung, Homophobie, Transphobie, Sexismus und
Rassismus.
4. ReachOut, eine Beratungsstelle für
Opfer rechter, rassistischer, antisemitischer und homophober, transphober
Gewalt in Berlin. Sie sind kritisch gegenüber struktureller und staatlicher Gewalt.
2. LesMigraS, lesbische Migrantinnen
und Schwarze Lesben, ist der AntiGewalt und Antidiskriminierungsbereich
der Lesbenberatung Berlin. Er kann auf
nunmehr 10 Jahre erfolgreiche Arbeit
zurückblicken. Sie arbeiten zu Mehrfachdiskriminierung, Self-Empowerment
und antirassistische Arbeit.
3. SUSPECT, eine kleine Gruppe von
Queers, die eine Anti-Gewaltbewegung
Ja, und das sind alles Gruppen, die bei
dem Transgenialen CSD mitarbeiten,
mitgestalten, der sich gegen Homophobie, Transphobie, Sexismus, Rassismus
und Militarismus einsetzt und im Gegensatz zum kommerziellen CSD sein Datum wegen der FußballWeltmeisterschaft nicht verschoben hat.
Ich möchte diesen Gruppen gerne gratulieren für ihre Courage und es tut mir
leid, dass – unter diesen Umständen
kann ich den Preis nicht annehmen.
Judith Butler auf einer
Demonstration in Ankara. Foto:
Ali Özbaş
Judith Butler ist Professorin am Rhetorikinstitut
der Berkeley Universität
in Kalifornien, USA. Am
9. Juni 2010 hat sie in
Berlin den Zivilcouragepreis des Berliner CSD
e.V. abgelehnt.
Das Partizipations- und Integrationsgesetz:
Ein Schritt in die richtige Richtung
Mit einem Referentenentwurf hat der
Senat Mitte Juni das Partizipations- und
Integrationsgesetz zur Diskussion gestellt. Eine Anhörung von Verbänden und
Vereinen erfolgte im Berliner Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen.
Im Allgemeinen wurden die Bemühungen des Senats dem Entwurf AGPartizipationsgesetz treu zu bleiben von
der AG-Partizipation im Landesbeirat
begrüßt, allerdings waren viele der Anregungen und Aufgabenstellungen, die
im Herbst 2009 beschlossen wurden
nicht mehr wieder zu finden.
Das Gesetz enthält in der Tat einige Widersprüche in den Formulierungen und
leider wenig Konkretes. Es zeichnet sich
einerseits durch eine „Weiß-dominierte“
Integrationsdebatte auf Kosten von
Migrant/innen und ihren Nachkommen
aus. Andererseits gibt es durchaus Versuche der Benachteilung dieser entgegen zu wirken. Das Novum: Zum ersten
Mal wird gesetzlich die Partizipationsförderung von Menschen aus migrantischen Familien verankert.
Überraschend am Entwurf ist die Definition von Integration, als „gesamtgesell-
schaftlicher Prozess, dessen Gelingen
von der Mitwirkung aller Bürger/innen
abhängt. Erfolgreiche Integration setzt
sowohl das Angebot an die Bevölkerung
mit Migrationshintergrund zur Beteiligung
als auch den Willen und das Engagement der Mensachen mit Migrationshintergrund zur Integration voraus (§1 unter
Ziele und Grundsätze)“. In der Begründung zu diesem Artikel wird dagegen
aus dem Berliner Integrationskonzept
2007 zitiert „Integration bedeutet vor allem, dass Einzelpersonen oder ganze
Gruppen gleichberechtigte Möglichkeiten
der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und der Artikulation ihrer Interessen
erhalten und vor individueller und kollektiver Ausgrenzung geschützt werden.
Integrationspolitik heißt daher im Kern
Herstellung von Chancengleichheit“.
Durch diese Definitionen wird deutlich,
dass der Senat nicht mit einer Stimme
spricht, sondern durchaus auseinander
klaffende Erwartungen an dieses Gesetz
hat und vor allem Leben in Migration und
Integration bedeutend unterschiedlich
versteht und auch implementiert wissen
möchte. Das ist positiv, weil die Gesellschaft heterogen ist, keine homogene
Masse. Diese Erkenntnis gewinnt man
nicht nut beim Lesen des Entwurfs, der
Migrationshintergrund
Der Begriff „Migrationshintergrund“ ist keine Eigenbezeichnung aus Migrant/innen
Communities und nicht zuletzt
deshalb höchst problematisch.
Es sei auf Leben nach Migration, Ausgabe 2010, 3, verwiesen, wo der Begriff bereits
diskutiert wurde.
Migrationsrat
Berlin-Brandenburg
Oranienstr. 34
10999 Berlin
TELEFON:
030 / 61658755
FAX:
030 / 61658756
E-MAIL:
presse@mrbb.de
Herausgeber: MRBB
(v.i.s.d.P.)
Texte von Autor/innen, die nicht in
der Redaktion sind, geben ausschließlich die Meinung dieser
Autor/innen wieder, genauso, wie
Aussagen in Interviews ausschließlich die Meinung der Interviewten
wiedergeben.
Redaktion:
Deniz Utlu (du),
Elena Brandalise (eb),
Nuran Yiğit,
Pavao Hudik
Texte können verwendet und vervielfältigt werden, sofern die Quelle
angegeben ist.
Leben nach Migration
mit den Staatssekretären abgestimmt
wurde. Auch bei der Plenarsitzung im
Landesbeirat Ende Juni war dies deutlich
zu vernehmen.
Obwohl von Anfang an Konsens im Senat darüber bestand, keine Quoten einzuführen, sagte die Staatssekretärin
Frau Nehring-Venus (Senatsveraltung
für Wirtschaft, Technologie und Frauen),
dass selbst Sie ohne Quoten ihre Stelle
niemals bekommen hätte. Dies stellt
nicht nur die männlich Weiß-dominierten
gesellschaftlichen Strukturen in Frage,
sondern macht klar, dass positive Maßnahmen zu Ressourcen verhelfen können. Wir brauchen positive Maßnahmen.
Der Senat startete Mitte Juni eine Anhörung und bat Vereine und Verbände um
Stellungnahmen bis zum sechsten Juli.
Im September findet die erste Lesung im
Abgeordnetenhaus statt.
Ende Juni berief der MRBB den Vertreterrat ein, um diesen Entwurf den Mitgliedern vorzustellen. Folgende Punkte
der Stellungnahme geben einen Einblick
in die Diskussion:
• Gleichstellung heißt nicht Bevorzugung
Über den MRBB
Der Migrationsrat BerlinBrandenburg (MRBB), ein Dachverband mit 76 Mitgliedsorganisationen, versteht sich als Interessenvertretung von „Migrant/innen“ und
ihren Angehörigen und setzt sich
für ihre rechtliche, soziale und
politische Gleichstellung ein. Themen des MRBB sind u.a. Partizipation, Bildung, Medien und
Empowerment. Der Newsletter
erscheint monatlich und ist als
Informationsmedium an alle
direkten oder indirekten Mitglieder
und darüber hinaus an Multiplikator/innen und Interessierte
gerichtet. Für Mitglieder gibt es
monatlich einen Redaktionstag, an
dem sie ihre Anliegen für den
Newsletter thematisieren können.
Artikel können unverbindlich an
presse@mrbb.de gesandt werden.
www.mrbb.de
von Migrant/innen und/oder ihren
Nachkommen. Deren Umsetzung bedarf positiver Maßnahmen
• Gleichstellung erfolgt durch die Mitwir-
kung des Staates und dessen Institutionen
• Erfolgreiche Integration setzt den Ab-
bau struktureller Barrieren voraus (z.B.
auf dem Arbeitsmarkt).
• Die Erhöhung des Anteils der Beschäftigten aus migrantischen Familien soll
durch ein Benchmarking überprüft und
im Rahmen eines konsultativen Gremiums diskutiert werden.
• Die Definition „Migrationshintergrund“
wurde angenommen (sie weicht von
der vom Mikrozensus 2005 leicht ab,
indem „Migrationshintergrund“ bis zur
zweiten Generation relevant ist).
• Nicht deutsche Herkunftssprache im
Schulbereich soll keine Anwendung
mehr finden
• Interkulturelle Öffnung richtet sich nach
den Grundsätzen des Berliner Integrationskonzeptes und des Landesaktionsplans gegen Rassismus und ethnische Diskriminierung
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• Interkulturelle Kompetenz wird an allen
Stellen des Berliner öffentlichen Dienstes ein relevantes Merkmal sein. Mehrsprachigkeit soll in allen Institutionen
erlaubt und gepflegt werden.
• Die Beauftragten für Integration und
Migration müssen über nachweisbare
interkulturelle Kompetenzen verfügen.
• Alle Senatsverwaltungen tragen Ver-
antwortung für die Umsetzung positiver
Maßnahmen zur Implementierung der
interkulturellen Öffnung und zur Umsetzung der Integrationspolitik. Sie verfügen über ein eigenes Budget.
• Der Landesbeirat berät und unterstützt
den Senat zu den Fragen der Integrationspolitik. Die Liste der Vereine, die
die Migrant/innenvertreter/innen wählen soll erweitert werden. Zu der Liste
der „ausländischen Vereine“ kommen
die Migrant/innen-Selbstorganisationen
(MSO) hinzu. Die Kriterien werden
nicht vom Senat, sondern vom Landesbeirat selbst festgelegt.
Berlin nimmt mit dem Partizipations- und
Integrationsgesetz bundesweit eine Vorreiterrolle an. In den Medien wurde dies
bisher nicht so wahrgenommen: Ein Zeichen für die Notwendigkeit interkultureller Öffnung und der Beherrschung von
interkulturellen Kompetenzen, um das
vielfältige Zusammenleben in der Stadt
zu managen. Wie den Sinn eines solchen Gesetzes verstehen, wenn man
strukturelle Diskriminierung verkennt?
Sich in Welten zu begeben, in denen es
sie nicht gibt, heißt sich in „Weißen
Ghettos“ zu bewegen. Da verorten sich
die wahren „Parallelgesellschaften“, in
denen Integration allein als Bringschuld
der Zugewanderten verstanden wird.
Während beispielsweise beim Jobcenter
Neukölln 80 Prozent der Klient/innen aus
migrantischen Familien stammen, ist der
Anteil der dort Beschäftigten aus solchen
Familien grade einmal bei zwei Prozent.
Es besteht also Handlungsbedarf. Zunehmende Partizipation von
Migrant/innen und ihren Nachkommen
bedeutet Machtverlust für die Mehrheitsgesellschaft. Aufgrund der demografischen Entwicklung der Stadt steht ein
Generationswechsel bevor – 25 Prozent
der Berliner Bevölkerung stammt aus
migrantischen Familien, 40 Prozent unter
den 18-Jähringen. Die Handlungsmöglichkeiten dieser müssen erweitert werden. eb