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Full text: Wirtschaftliche Effekte im Wassertourismus in Berlin und Brandenburg (Rights reserved)

Studie Wirtschaftliche Effekte im Wassertourismus in Berlin und Brandenburg Industrie- und Handelskammern in Berlin-Brandenburg Ministerium für Wirtschaft und Energie VORWORT Sehr geehrte Damen und Herren, der Wassertourismus, allen voran der Bootstourismus, hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren bundesweit zu einem bedeutenden touristischen Angebotssegment entwickelt. Aufgrund der herausragenden Gewässerausstattung gilt dies im besonderen Maße für Brandenburg und Berlin als Teil des größten vernetzten Wassersportrevieres Europas. Die Zahl der Wassersportanlagen und der wassertouristischen Anbieter ist rasant gewachsen, was sich auch in hohen Wachstumsraten nachfrageseitig widerspiegelt. Da anders als für landgebundene Urlaubsformen zentral keine Daten zur wassertouristischen Nachfrage erhoben werden, konnten bislang weder Aussagen zum Marktvolumen noch zu den daraus resultierenden wirtschaftlichen Effekten getroffen werden. In der Wahrnehmung von Öffentlichkeit und Politik wird der Wassertourismus vor dem Hintergrund belastbarer Zahlen und Daten häufig als Wassersport bzw. Freizeitbetätigung und noch zu wenig als Wirtschaftsfaktor wahrgenommen. Insbesondere mit Blick auf die vom Bund angestrebte Reform der Bundeswasserstraßen und des bundesweit festzustellenden zunehmenden Drucks durch Naturschutzinteressen zur Beschränkung und Regulierung des Wassertourismus ist es von zentraler Bedeutung, dessen wirtschaftliche Bedeutung mit aktuellen Nachfragezahlen und Daten zu den wirtschaftlichen Effekten zu belegen und damit die Position der Branche zu stärken. wirtschaftlich bedeutende Branche gestärkt. Darüber hinaus wurden die wirtschaftlichen Effekte der Branche nachfrageund angebotsseitig ermittelt, auf deren Grundlage nun Perspektiven und Herausforderungen des Wassertourismus in Brandenburg und Berlin aufgezeigt werden konnten. Mit der Studie haben wir deutlich gemacht: Der Wassertourismus leistet einen wesentlichen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Länder, der die erforderlichen öffentlichen Ausgaben, die Unterhaltung der Wasserstraßen und die notwendigen Neuinvestitionen rechtfertigt. Diese Untersuchung ist nicht nur zukunftsweisend für Berlin und Brandenburg, sondern darüber hinaus für ganz Deutschland. Prof. Dr. Dr. Mario Tobias Hauptgeschäftsführer der IHK Potsdam für die Landesarbeitsgemeinschaft der IHKs des Landes Brandenburg Christian Wiesenhütter stellv. Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin Die Industrie- und Handelskammern Berlin und Brandenburg haben sich gemeinsam mit dem Wirtschaftsverband Wassersport, der Messe Berlin und dem Ministerium für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg dazu entschlossen, eine Studie in Auftrag zu geben, um die wirtschaftlichen Effekte und die Bedeutung des Wassertourismus explizit für Berlin und Brandenburg sichtbar zu machen. Dazu wurde das Tourismusberatungsbüro Project M in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Westküste in einem Ausschreibungsverfahren für die Durchführung der Studie beauftragt. Der Projektzeitraum von zwölf Monaten erstreckte sich von Mai 2014 bis Mai 2015. Die Befragungen der Anbieter fanden im Sommer 2014 und Herbst/Winter 2015 statt. Mit der Studie wurden nun erstmals die branchenrelevanten Strukturen dargestellt sowie die wassertouristischen Marktpotenziale des Bootstourismus erfasst werden. Die Anbieter der Branche erhalten valide Daten zu Kosten- und Betriebsstrukturen und werden damit in ihrer Position als   VORWORT VORWORT Sehr geehrte Damen und Herren, mit rund 33.000 Kilometern Fließgewässern und mehr als 3.000 Seen ist Brandenburg das wasserreichste Bundesland. Dieser natürliche Reichtum bietet beste Voraussetzungen für wassertouristische Erfolge. Tatsächlich hat sich die Boots- und Schifffahrt innerhalb der brandenburgischen Tourismuswirtschaft zu einem regelrechten Wachstumsmotor entwickelt. Die Studie „Wirtschaftliche Effekte im Wassertourismus Berlin-Brandenburg“ leistet einen wichtigen Beitrag zur Sichtbarkeit touristischer Potenziale und zur Diskussion aktueller Herausforderungen. Allen Projektpartnern danke ich sehr herzlich. Mit der Studie „Wirtschaftliche Effekte im Wassertourismus Berlin-Brandenburg“ ist es erstmalig gelungen, diese Bedeutung konkret zu beziffern. Das Ergebnis ist beeindruckend. Im kommerziell betriebenen Wassertourismus wird jährlich ein Umsatz von fast 200 Millionen Euro erwirtschaftet. Die Perspektiven für weiteres Wachstum sind gut, denn der Trend zu Bootsfahrt und Wassersport ist ungebrochen. Davon profitiert auch der Tourismus im weiteren Sinne. Denn zahlreiche Urlauberinnen und Urlauber verbinden ihren Aufenthalt auf dem Wasser mit Ausflügen auf dem Land. Die positive Entwicklung des Wassertourismus kommt somit dem gesamten Land Brandenburg zu Gute. Ihr Albrecht Gerber Minister für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg Auf einen weiterhin erfolgreichen Wassertourismus! Natürlich entsteht eine solche Entwicklung nicht von selbst. Landesregierung, Verbände, Unternehmen, Vereine und engagierte Einzelpersonen – sie alle haben dazu beigetragen, dass unsere Seen und Flüsse beliebte Anziehungspunkte geworden sind. Diese Attraktivität zu erhalten, erfordert stetige Anstrengungen und einen Schulterschluss aller Beteiligten. Auch die Bundesregierung muss ihrer Verantwortung für die Wasserstraßen nachkommen und notwendige Investitionen tätigen. Denn gesunde, gut erhaltene und nutzbare Gewässer haben für den Tourismus in Gänze eine strukturprägende Funktion. Zahlreiche historische Stadtkerne und Kulturstätten, Wander- und Radwege erhalten durch ihre Nähe zum Wasser eine einmalige Anziehungskraft. Wassertourismus steht nicht nur für Freizeit und Erholung. Die Tourismuswirtschaft ist in Brandenburg längst zu einem Faktor für Wertschöpfung, Beschäftigung und Nachhaltigkeit geworden. 2014 haben wir bei den Übernachtungszahlen fast die Marke von 12 Millionen erreicht – ein Plus von 3,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Davon profitieren Fachkräfte im Tourismusgewerbe und ihre Familien; davon profitieren aber auch zahlreiche weitere Branchen wie das Handwerk und der Einzelhandel.   VORWORT Sehr geehrte Damen und Herren, die Region Berlin-Brandenburg ist die Wiege des deutschen Wassersports. Schon 1868 wurde die erste Segelregatta Deutschlands auf der Dahme gesegelt. 1902 fand die erste Bootsmesse Deutschlands am Wannsee statt. Schon 1925 veranstaltete der neu gegründete Wirtschaftsverband Wassersport e. V. gemeinsam mit dem Märkischen Kreis die Allgemeine Wassersport Ausstellung im Luftschiffhafen in Potsdam. Diese Messe entwickelte sich in Berlin bis 1938 zur zweitgrößten Bootsmesse der Welt nach der New York Boat Show. Damit können wir hoffen, dass Politik und Wirtschaft die notwendige Infrastruktur schafft und erhält, um Europas größtes Binnenrevier weiterhin so erfolgreich auf dem Wasser zu entwickeln. Max Hiller Wirtschaftsverband Wassersport e.V. Daniel Barkowski BOOT & FUN BERLIN Mit dem beeindruckenden Ergebnis der Studie „Wirtschaftliche Effekte im Wassertourismus“ meldet sich die Metropolenregion Berlin-Brandenburg zurück als eine der europäischen Regionen mit den größten Zuwächsen im Bereich Wassersport und Wassertourismus. Im Jahr 2014 wurden zwei Händler jeweils aus Berlin und Brandenburg von internationalen Werften aus den USA und Frankreich zu europäischen Topsellern ausgezeichnet.   Studie „Wirtschaftliche Effekte im Wassertourismus“ Bootstourismus in Berlin und Brandenburg Endbericht Geschäftsführer: Dipl.-Volksw. Andreas Lorenz Dipl.-Kfm. Cornelius Obier Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Edgar Kreilkamp Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack Büro Berlin Tempelhofer Ufer 23/24 10963 Berlin Tel. 030.21 45 87 0 Fax 030.21 45 87 11 berlin@projectm.de Büro Hamburg Gurlittstraße 28 20099 Hamburg Tel. 040.4 19 23 96 0 Fax 041.4 19 23 96 29 hamburg@projectm.de 6. Juli 2015 Im Auftrag der Industrie- und Handelskammern in Berlin und Brandenburg, des Wirtschaftsverbandes Wassersport, der Messe Boot & FUN mit Unterstützung des Ministeriums für Wirtschaft und Energie Brandenburg PROJECT M ist Urheber dieses Werkes. Bei jeglicher Art der Veröffentlichung und des Zitierens dieses Werkes ist gemäß § 13 UrhG PROJECT M als Urheber zu benennen. Büro München Wilhelm-Kuhnert-Straße 26 81543 München Tel. 089.6 14 66 08 0 Fax 089.6 14 66 08 5 muenchen@projectm.de Büro Trier Am Wissenschaftspark 25+27 54296 Trier Tel. 0651.9 78 66 0 Fax 0651.9 78 66 18 trier@projectm.de Kontakt: Matthias Wedepohl Büro Berlin matthias.wedepohl@ projectm.de www.projectm.de Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1. 2. 3. 2 Projektinhalte und -bearbeitung ....................................................... 7 1.1 Inhaltliche Abgrenzung.............................................................................. 7 1.2 Räumliche Abgrenzung des Untersuchungsgebiets ....................... 9 1.3 Methodischer Bearbeitungsansatz ...................................................... 10 Anbieterstruktur und Branchenentwicklung .............................. 13 2.1 Regionale Verteilung der Betriebe ...................................................... 13 2.2 Entwicklung der Branche insgesamt ................................................... 15 2.2.1 Bootscharter ............................................................................................................. 17 2.2.2 Kanuvermietung ..................................................................................................... 21 2.2.3 Fahrgastschifffahrt ................................................................................................. 24 2.2.4 Sportboothäfen....................................................................................................... 28 2.3 Fazit ................................................................................................................. 32 Markpotenziale ...................................................................................... 33 3.1 Charterboottourismus .............................................................................. 33 3.1.1 Marktvolumen ......................................................................................................... 33 3.1.2 Marktentwicklung .................................................................................................. 35 3.2 Kanutourismus ............................................................................................ 37 3.2.1 Marktvolumen ......................................................................................................... 37 3.2.2 Marktentwicklung .................................................................................................. 38 3.3 Fahrgastschifffahrt ..................................................................................... 39 3.3.1 Marktvolumen ......................................................................................................... 39 3.3.2 Marktentwicklung .................................................................................................. 39 3.4 Sportboothäfen .......................................................................................... 41 3.5 Fazit ................................................................................................................. 43 © 2015 PROJECT M GmbH Inhaltsverzeichnis 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg .................................................................................. 44 4.1 Umsätze aus dem Bootstourismus ...................................................... 44 4.1.1 Umsätze aus dem Charterboottourismus ..................................................... 44 4.1.2 Umsätze aus dem Kanutourismus ................................................................... 47 4.1.3 Umsätze aus der Fahrgastschifffahrt .............................................................. 48 4.1.4 Umsätze in Sportboothäfen aus der Liegeplatzvermietung .................. 48 4.2 Wirtschaftliche Effekte für die 2. Umsatzstufe ................................. 50 4.2.1 Regionalwirtschaftliche Effekte aus der Betreibung ................................. 50 4.2.2 Regionalwirtschaftliche Effekte aus den Investitionen............................. 51 4.3 Gesamtbetrachtung wirtschaftliche Effekte aus dem Bootstourismus ........................................................................................... 53 4.3.1 Umsätze aus dem Bootstourismus .................................................................. 53 4.3.2 Beschäftigungseffekte aus dem Bootstourismus ....................................... 55 5. Wirtschaftliche Potenziale des Wassertourismus insgesamt ................................................................................................. 57 6. Herausforderungen für die Branche.............................................. 60 7. Fazit und Ausblick ................................................................................. 66 Impressum ............................................................................................................ 68 © 2015 PROJECT M GmbH 3 Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Segmente des Wassertourismus in Deutschland ............................................. 7 Abbildung 2: Räumliche Abgrenzung Untersuchungsgebiet ................................................. 9 Abbildung 3 (li.) und Abbildung 4 (re.): Anbieterbetriebe im Kanu- und Charterbereich in Berlin und Brandenburg ................................................... 13 Abbildung 5 (li.) und Abbildung 6 (re.): Hafen- und Fahrgastbetreiber in Berlin und Brandenburg ............................................................................................................. 14 Abbildung 7: Vernetzung der Angebotssegmente .................................................................. 15 Abbildung 8: Saisonzeiten im Bootscharter (Motorboot) ..................................................... 17 Abbildung 9: Beginn der Geschäftstätigkeit Charterbetriebe in Berlin und/oder Brandenburg ............................................................................................................. 18 Abbildung 10: Betriebsgrößen Charterunternehmen ............................................................. 19 Abbildung 11 und 12: Größenverteilung von Motoryachten/Hausbooten und Flößen.......................................................................................................................... 19 Abbildung 13: Investitionsabsichten ............................................................................................. 20 Abbildung 14: Saisonbetrieb in der Kanuvermietung............................................................. 21 Abbildung 15: Beginn der Geschäftstätigkeit Kanuanbieter in Berlin und Brandenburg ............................................................................................................. 22 Abbildung 16: Betriebsgrößen Kanuanbieter............................................................................. 22 Abbildung 17: Investitionsabsichten Kanuanbieter ................................................................. 23 Abbildung 18: Beginn der Geschäftstätigkeit in Berlin und Brandenburg ...................... 25 Abbildung 19: Größe Schiffsflotte .................................................................................................. 26 Abbildung 20: Verteilung der Schiffe nach Größenklassen .................................................. 26 Abbildung 21: Investitionsabsichten ............................................................................................. 27 Abbildung 22: Servicemerkmale in den Häfen .......................................................................... 28 Abbildung 23: Beginn der Geschäftstätigkeit Häfen in Berlin und Brandenburg......... 30 Abbildung 24: Liegeplatzkapazitäten Größenverteilung Häfen .......................................... 30 Abbildung 25: Investitionsabsichten Hafenbetreiber.............................................................. 31 Abbildung 26: Verteilung Haupt-Nebensaison ......................................................................... 33 Abbildung 27: Nachfrageentwicklung Charterboote vergangene fünf Jahre ................ 35 Abbildung 28: Erwartungen Nachfrageentwicklung Charter nächste fünf Jahre ......... 36 4 © 2015 PROJECT M GmbH Abbildungsverzeichnis Abbildung 29: Nachfrageentwicklung Kanuvermietung letzte fünf Jahre ...................... 38 Abbildung 30: Erwartungen Nachfrageentwicklung nächste fünf Jahre.......................... 38 Abbildung 31: Nachfragentwicklung Fahrgastschifffahrt letzte fünf Jahre..................... 39 Abbildung 32: Nachfrageerwartung Fahrgastschifffahrt nächste fünf Jahre ................. 40 Abbildung 33: Liegeplatzkapazitäten touristisch relevanten Häfen .................................. 41 Abbildung 34: Nachfrageentwicklung Dauer- und Gastlieger letzte fünf Jahre ........... 42 Abbildung 35: Nachfrageerwartungen Dauer- und Gastliegeplätze nächste fünf Jahre ................................................................................................................... 42 Abbildung 36: Umsatzbereiche Sportboothäfen ...................................................................... 49 Abbildung 37: Jährlicher Gesamtbruttoumsatz aller vier Angebotssegmente in Berlin und Brandenburg ................................................................................................... 53 Abbildung 38: Alle Umsatzbereiche Bootstourismus .............................................................. 54 Abbildung 39: Verteilung Beschäftigte nach Angebotsbereichen ..................................... 55 Abbildung 40: Wirtschaftliche Folgeeffekte durch Gewässererschließung..................... 57 Abbildung 41: Personalprobleme ................................................................................................... 61 Abbildung 42: Beurteilung Quantität und Qualität der Anlegesituation ......................... 62 © 2015 PROJECT M GmbH 5 Tabellenverzeichnis Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Anzahl Vermietungswochen Charterboote ............................................................ 33 Tabelle 2: Durchschnittliche Personentage/Jahr Vercharterung ......................................... 34 Tabelle 3: Durchschnittlicher Umsatz je Charterboot ............................................................. 45 Tabelle 4: Jahresumsatz brutto aus der Charterbootvermietung für Berlin und Brandenburg ...................................................................................................................... 45 Tabelle 5: Durchschnitt (Ø) Jahresumsatz brutto je Kanu ..................................................... 47 Tabelle 6: Kennziffern Auslastung und Umsatz in gewerblichen Häfen .......................... 48 Tabelle 7: Regionalwirtschaftliche Effekte aus dem Geschäftsbetrieb.............................. 51 Tabelle 8: Regionalwirtschaftlicher Beitrag aus Investitionen .............................................. 52 6 © 2015 PROJECT M GmbH 1. Projektinhalte und -bearbeitung 1. Projektinhalte und -bearbeitung 1.1 Inhaltliche Abgrenzung Der Wassertourismus wurde bereits in dem 2003 erstellten Wassertourismuskonzept Deutschland1 definiert und umfasst, wie die folgende Grafik deutlich macht, neben dem Wassertourismus im engeren Sinne auch die Schifffahrt, mit dem Wassertourismus verbundene Segmente und im weiteren Sinne auch Urlaub am Wasser. Den Kern des Wassertourismus bildet der Bootstourismus im Verständnis von Bootfahren/Wasserwandern mit motorisierten Sportbooten, Kanus und Segelbooten. Wassertourismus in Deutschland Mit dem Wassertourismus verbundene Segmente  Mit dem Wassertourismus verbundene Segmente  Maritimer Industrietourismus (.B. Werftbesichtigungen)  Meeres-/Schifffahrtmuseen  etc. Wassertourismus (im engeren Sinne)  Wasserwandern (v.a. Kanutourismus)  Segeln, Motorboot fahren  Bootschartertourismus  Surfen, Wasserski  Tauchen Schifffahrt Wasserbezogener Tourismus im weiteren Sinne  Fahrgastschifffahrt  Strand-/Badetourismus  Flusskreuzschifffahrt  Campingtourismus am Wasser  Hochseekreuzschifffahrt  Fährschifffahrt  Traditionsschifffahrt  Angeln/Fischen  Trendsport (Rafting, Canyoning etc.)  Strandsport  Tret-, Ruderbootverleih im Urlaub  Winterwassersport  etc. Abbildung 1: Segmente des Wassertourismus in Deutschland Quelle: Strategiepapier Wassertourismus in Deutschland, 2003 Aufgrund der hohen Relevanz für Berlin und Brandenburg konzentriert sich die vorliegende Studie auf den Boots- bzw. Wasserwandertourismus mit dem Sportboot und mit dem Fahrgastschiff und den daraus resultierenden gewerblich ausgerichteten Angebotsbereichen bzw. Wassertourismussegmenten: ........................................................................................................................................................... 1 Hamburg Messe und Kongress GmbH und Deutscher Tourismusverband e. V., Bearbeitung BTE und dwif Consulting GmbH © 2015 PROJECT M GmbH 7 1. Projektinhalte und -bearbeitung 1. Charterboottourismus: Wasserwandern mit gemieteten motorisierten Booten (Motoryachten, Hausboote, Flöße und Segelyachten) 2. Kanutourismus: Wasserwandern mit gemieteten Kanadiern und Kajaks 3. Fahrgastschifffahrt und Ausflugsschifffahrt mit Skipper 4. Sportboothäfen mit wassertouristischer Ausrichtung Zusätzlich zum gewerblich organisierten Bootstourismus mit Mietbooten gehört zum Bootstourismus auch das Wasserwandern mit Booten, die sich im Eigentum von Bootstouristen/ Wasserwanderern befinden (sogenannte Eignerboote). Das wassertouristische Marktvolumen der Eignerboote in Berlin und Brandenburg ist, anders als im gewerblichen Bootstourismus, nicht bestimmbar, da weder bekannt ist, wie viele Eignerboote es in Berlin und Brandenburg gibt, noch wie häufig Eigner mit ihren Booten touristisch relevante Touren 2 unternehmen. Vor diesem Hintergrund sei deshalb schon an dieser Stelle explizit darauf hingewiesen, dass die wirtschaftlichen Effekte aus dem Bootstourismus noch einmal deutlich größer ausfallen, als die in dieser Studie berechneten Umsätze aus der kommerziellen Bootsvermietung. Fazit: Die Aussagen der Studie beziehen sich auf den gewerblich ausgerichteten Charterboottourismus, Kanutourismus, die Fahrgastschifffahrt und Sportboothäfen. Für diese vier wassertouristischen Angebotssegmente ist es jetzt erstmals in Deutschland gelungen, belastbare Erkenntnisse zu deren ökonomischer Bedeutung zu gewinnen. Insgesamt sind die wirtschaftlichen Effekte im Wassertourismus aber nochmals deutlich höher anzusetzen, da wassertouristische Angebotssegmente wie u. a. die Flusskreuzschifffahrt, standortbezogene Wassertourismusformen wie z. B. der Tauchsport und mit dem Wassertourismus verbundende Segmente wie der Bootshandel weitere Umsätze und damit Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte bewirken, die im Rahmen dieser Studie nicht berücksichtigt wurden. ........................................................................................................................................................... 2 8 Tagestouristische oder mehrtägige Touren außerhalb des direkten Gewässerumfeldes vom Heimatstandort © 2015 PROJECT M GmbH 1. Projektinhalte und -bearbeitung 1.2 Räumliche Abgrenzung des Untersuchungsgebiets Die Untersuchung erfolgte unter räumlichen Gesichtspunkten differenziert nach: x Berliner Gewässer: Spree, Havel, Dahme und Teltowkanal x Brandenburg Wassersportregion West: Untere Havel und Nachbargewässer zwischen Potsdam und Havelberg x Brandenburg Wassersportregion Nord: Elbe, Obere Havel und Nebengewässer, Oder-Havel-Wasserstraße, Oder und Friedrichsthaler Wasserstraße ab Hohensaaten x Brandenburg Wassersportregion Süd und Ost: Mittlere Oder, Oder-Spreekanal, Spree, Dahme, Spreewald, Neiße, Lausitzer Seenland, Schwarze Elster Abbildung 2: Räumliche Abgrenzung Untersuchungsgebiet. In den folgenden Grafiken werden die Brandenburger Wassersportregionen mit Nord, West, Süd-Ost abgekürzt. Quelle: Wirtschaftsverband Wassersport e. V., Jübermann Verlag, Darstellung: PROJECT M © 2015 PROJECT M GmbH 9 1. Projektinhalte und -bearbeitung 1.3 Methodischer Bearbeitungsansatz Den Kern der Studie bildet eine nach Betriebsarten und regionalen Gesichtspunkten untergliederte Anbieteruntersuchung, die sich auf repräsentative Durchschnittskennzahlen stützt. Die Bearbeitung erfolgte in drei Schritten: Projektmethodik 1. 2. SekundärdatenStrukturanalyse 3. Breitenbefragung Tiefenbefragung Strukturanalyse: Es wurden alle öffentlich im Juni 2014 am Markt präsenten Anbieter aus den genannten Angebotsbereichen 3 erfasst. Die Strukturierung erfolgte anhand regionaler Aspekte, Anbieterprofil und Betriebsgröße. Ergebnis: Die Anbieterstruktur (Grundgesamtheit) der Branche ist bekannt. Damit liegt die Grundlage für eine repräsentative Hochrechnung vor. Breitenbefragung: Die Befragung umfasste alle in der Strukturanalyse ermittelten Anbieterbetriebe. Diese wurden mittels eines von PROJECT M in Zusammenarbeit mit dem Institut für Management und Tourismus an der Fachhochschule Westküste (IMT) entwickelten Onlinefragebogens um Teilnahme gebeten. Um eine hohe Beteiligung zu erreichen, wurde der Fragebogen mit überwiegender Vorgabe von Antwortkategorien einfach gehalten. Die Beantwortung war nach entsprechenden Testläufen mit einem Zeitaufwand von etwa 15 Minuten ohne Blick in die Betriebsunterlagen möglich. Die Fragen bezogen sich auf Geschäftsfelder und Betrieb des Unternehmens (Personal, Saison usw.), das spezifische wassertouristische Angebot, Nachfrage und Umsatz, bisherige und künftige Investitionen sowie Revierbewertung. Ergebnis: Erkenntnisse zur Entwicklung und aktuellen Situation der Branche und zu den Perspektiven des Bootstourismus in Berlin und Brandenburg (Standortbestimmung der Branche). Tiefenbefragung: Befragung aller Betriebe, die an der Breitenbefragung teilgenommen haben, mit einem Mix aus schriftlicher und Onlinebefragung. Inhalte: Fragen zur Angebotsund Nachfragesituation, zu Ertrags- und Kostenstrukturen und zu Investitionen. Ergebnis: Ermittlung betrieblicher Kennziffern zu Erträgen, Kosten, Investitionen als Grundlage für eine Hochrechnung für Berlin und Brandenburg auf Basis von Durchschnittswerten. ........................................................................................................................................................... 3 10 Alle Anbieter auf bzw. entlang vernetzten Bundes- und Landesgewässern © 2015 PROJECT M GmbH 1. Projektinhalte und -bearbeitung Beide Befragungen wurden durch die Fachhochschule Westküste, Institut für Management und Tourismus durchgeführt. Den Teilnehmern wurde absolute Anonymität garantiert: Die einzelnen Fragebögen können nicht zurückverfolgt werden und die Datenauswertung erfolgte nur in zusammengefasster Form. Im Rahmen mehrerer Expertengespräche mit etablierten Anbietern der Branche wurden die Fragebögen vorab auf Verständlichkeit und Plausibilität getestet. Ergebnis Strukturanalyse (Grundgesamtheit) In Auswertung wassertouristisch relevanter Internetseiten und -portale, betrieblicher Internetauftritte, telefonischer und schriftlicher Nachfragen durch PROJECT M und der in der aktuellen Evaluierung des Wassersportentwicklungsplans 4 erfassten Häfen wurde insgesamt eine Zahl von 581 Anbietern mit deren jeweiligen Boots- bzw. Liegeplatzkapazitäten erfasst. Für Fahrgastschifffahrt und Charteranbieter konnten für etwa 95 % der Anbieter die Bootskapazitäten konkret ermittelt werden, bei den Kanuanbietern für 80 % der Betriebe. Anbieter ohne konkrete Zahlenangaben wurden mit den ermittelten Durchschnittswerten für alle Betriebe mit einberechnet. • • 128 Kanuanbieter mit insgesamt 3.526 Kanus 83 Charteranbieter mit 1.124 Motoryachten/Hausbooten/Segelbooten für mehrtägige Bootstouren (Anteil Segelyachten unter 3 %) • • 65 Fahrgastschifffahrtsbetreiber mit 180 Schiffen 305 Sportboothäfen, davon 163 kommerziellen Anlagen und 142 Vereine 5 Ergebnis Breitenbefragung An der Breitenbefragung haben sich 190 Anbieterbetriebe beteiligt. Da 55 Betriebe in mehreren der untersuchten Angebotsbereiche aktiv sind (v. a. Hafenbetreibung und Bootsvermietung), konnten insgesamt 245 branchenspezifische Aussagen und Bewertungen berücksichtigt werden. Diese verteilen sich wie folgt: • • • 112 Häfen 111 Vermieter 22 Fahrgastschifffahrtsbetriebe ........................................................................................................................................................... 4 5 Evaluierung des Wassersportentwicklungsplans 3, Ministerium für Jugend, Sport und Bildung Brandenburg, Bearbeitung durch das Büro BTE Alle Vereine mit Marktauftritt und darin erkennbarer Öffnung für Gastlieger. Einzelsteganlagen wurden ebenso wenig erfasst wie öffentliche Sportbootliegestellen und einfache Rastplätze. © 2015 PROJECT M GmbH 11 1. Projektinhalte und -bearbeitung Dies entspricht einem Rücklauf von 33 %, d. h. jeder dritte Betrieb der in der Strukturanalyse ermittelten 581 Unternehmen hat sich an der Befragung beteiligt. Die Struktur der Befragten stimmt weitgehend mit der Grundgesamtheit überein (bezogen auf die Angebotsbereiche und regionale Verteilung), so dass die Befragungsergebnisse bezogen auf den Gesamtraum Berlin und Brandenburg belastbar und aussagekräftig für die gesamte Branche sind. Differenzierte Aussagen zu den einzelnen Regionen sind aufgrund häufig zu geringer Fallzahlen nicht oder nur als Tendenzaussage möglich. Sofern sich aus den erhobenen Daten selbst regionale, differenzierte Erkenntnisse gewinnen lassen, wird in den Erläuterungstexten darauf hingewiesen. Ergebnis Tiefenbefragung An der Tiefenbefragung haben insgesamt 68 Anbieter aus allen vier Regionen teilgenommen: • • • • 36 Charteranbieter 25 Kanuanbieter 16 Fahrgastschifffahrtsbetreiber 35 Häfen Die Auswertung erfolgte unter Berücksichtigung der repräsentativen Strukturen aus der Sekundäranalyse und Breitenbefragung auf Basis von Durchschnittswerten. Der Rücklauf bildet daher eine ausreichende Grundlage für eine valide Hochrechnung und Darstellung der wirtschaftlichen Effekte der Branche für Berlin und Brandenburg. Fazit: Mit der gewählten Vorgehensweise der Kombination aus Ermittlung der Grundgesamtheit und Befragungen ist es möglich, die Größenordnung des Marktes zu quantifizieren und auf dieser Grundlage die wirtschaftlichen Effekte repräsentativ für Berlin und Brandenburg zu ermitteln. Der für eine Branchenbefragung unerwartet hohe Rücklauf, vor allem bei der Breitenbefragung, unterstreicht zudem das große Engagement und Interesse an einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung der Branche bei den Unternehmen. 12 © 2015 PROJECT M GmbH 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung 2.1 Regionale Verteilung der Betriebe Aus der Strukturanalyse ergibt sich folgende regionale Verteilung: Charteranbieter Kanuanbieter Berlin 6% 48% Berlin 15% West Nord 31% Süd-Ost 18% 22% West Nord 23% 37% Süd-Ost Abbildung 3 (li.) und Abbildung 4 (re.): Anbieterbetriebe im Kanu- und Charterbereich in Berlin und Brandenburg Quelle: Strukturanalyse eigene Erfassung PROJECT M • Unter den Kanuanbietern dominiert die Wassersportregion Süd-Ost mit einem Anteil von fast 50 %. Dies erklärt sich vor allem durch den kanutouristisch besonders nachgefragten Gewässerbereich Spree-Spreewald. In Berlin und in abgeschwächter Form auch in der Region West spielt der Kanutourismus eine nur untergeordnete Rolle. • Im Chartersegment sind 37 % der Anbieter in der Region West angesiedelt, während in der Region Süd-Ost mit 18 % die wenigsten Anbieter vorzufinden sind. Anders als im Kanutourismus gibt es in der Charterbranche einige Betriebe mit Betriebsstätten in mehreren Regionen (v. a. Berlin und Brandenburg Nord). © 2015 PROJECT M GmbH 13 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung Hafenbetreiber Fahrgastbetreiber Berlin 17% 36% West West 20% 27% Süd-Ost Berlin 18% 17% West 57% Nord Süd-Ost 8% Abbildung 5 (li.) und Abbildung 6 (re.): Hafen- und Fahrgastbetreiber in Berlin und Brandenburg Quelle: Strukturanalyse eigene Erfassung PROJECT M • Die meisten Häfen mit erkennbar wassertouristischer Ausrichtung sind in Berlin vorzufinden. Der Anteil wassertouristisch relevanter Vereinshäfen ist im Vergleich zu Brandenburg überdurchschnittlich hoch (Anzahl Vereinshäfen mit wassertouristischer Ausrichtung in Berlin 66, in Brandenburg West 34, in Brandenburg Süd-Ost 23, in Brandenburg Nord 19). Wenn man ausschließlich die gewerblichen Sportboothäfen betrachtet, befindet sich die größte Anzahl in der Region Brandenburg West und hier vor allem in dem Gewässerbereich der Potsdamer- und Brandenburger Havelseen. • Mit fast 60 % sind die meisten Fahrgastschifffahrtsbetriebe erwartungsgemäß in Berlin ansässig, davon befahren aber viele Betriebe auch die angrenzenden Gewässer Brandenburgs. Fahrgastschiffsfahrten finden so gut wie auf allen Haupt- und Nebenwasserstraßen in Brandenburg statt. Fazit: Der Bootstourismus ist kein regionalspezifisches Thema, sondern von Berlin und Brandenburg umfassender Bedeutung. In allen wassertouristisch nutzbaren Gewässerrevieren sind zahlreiche gewerbliche Anbieter vorzufinden. Die Wassertourismus- bzw. Bootstourismusbranche ist damit sowohl von landesweiter als auch länderübergreifender Bedeutung. Das bedeutet auch, dass die daraus resultierenden wirtschaftlichen Effekte nicht nur von punktueller, sondern von flächendeckender Relevanz für Berlin und Brandenburg sind. 14 © 2015 PROJECT M GmbH 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung 2.2 Entwicklung der Branche insgesamt Die Branche hat sich in den vergangenen 25 Jahren ausgesprochen dynamisch entwickelt. Wie aus der Breitenbefragung6 ersichtlich wurde, haben die meisten Betriebe ihre Geschäftstätigkeit in Berlin und Brandenburg erst nach 1989 begonnen. Insgesamt haben sich seit diesem Zeitpunkt in Berlin und/oder Brandenburg 375 neue Betriebe gegründet bzw. hier niedergelassen und zwar: • • • • 129 Sportboothäfen 75 Charterbetriebe 120 Kanuanbieter 51 Fahrgastschifffahrtsunternehmen Der Bootstourismus ist durch einen hohen Vernetzungsgrad zwischen den vier Segmenten und einer starken Wechselwirkung mit anderen (Tourismus-)Branchen gekennzeichnet. Alle Betriebe, die an der Breitenbefragung teilgenommen haben, sind mindestens in zwei Geschäftsfeldern aktiv. Kanu Motor Unterkunft Betreibung Sportboothäfen Radverleih 40% 33% 30% 51% 34% 30% Gewerbliche Gewerbliche Häfen Betreibung Sportboothäfen Ausflugsschifffahrt; Boots- u. Werftservice (jeweils) Handel mit Booten Kanuvermietung; Boots- u. Werftservice (jeweils) Fahrgastschifffahrt Fahrgastschifffahrt Gastronomie/ Gaststätte Betreibung Sportboothäfen 41% 36% Bootscharter Boots- und Werftservice Unterkunft 27% Gastronomie/ Gaststätte 47% 39% 35% 31% Abbildung 7: Vernetzung der Angebotssegmente Quelle: Breitenbefragung PROJECT M ........................................................................................................................................................... 6 Die Darstellung der Entwicklung der einzelnen Angebotssegmente von 1989 bis 2014 erfolgt konkret in den jeweiligen Gliederungspunkten © 2015 PROJECT M GmbH 15 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung So betreiben 40 % der Anbieter, die (auch) Kanus vermieten, eine Unterkunft und ein Drittel einen Sportboothafen. Jeder zweite Betrieb, der Boote verchartert, betreibt einen Sportboothafen und auch die Schnittmenge zwischen Fahrgastschifffahrt und Hafenbetreibung ist mit 41 % sehr hoch. Etwa jeder dritte Sportboothafen verfügt auch über eine Unterkunftsmöglichkeit und Gastronomie. Der hohe Vernetzungsgrad ist vor allem darauf zurückzuführen, dass vor dem Hintergrund des stark saisonal ausgerichteten Geschäfts zusätzliche Einnahmepotenziale aus weiteren Geschäftsfeldern für viele Betriebe unverzichtbar sind. Nicht nur die Anzahl der Anbieterbetriebe, sondern auch das Angebot selbst hat sich in den letzten Jahren dynamisch weiterentwickelt. Besonders deutlich wird dies im Angebotssegment Bootscharter. Hier ist eine zunehmende Ausdifferenzierung der Bootstypen zu beobachten. Das Angebot an Charterbooten umfasst aktuell weit mehr als nur die im Chartergeschäft üblicherweise bekannten Hausboote und Motoryachten. Die etwa vor 10 Jahren erstmals am Markt eingesetzten Holzflöße mit einfacher Ausstattung zum Übernachten oder für Tagesfahrten sind mittlerweile überall in Berlin und Brandenburg vorzufinden. Es gibt insgesamt neun Anbieter, die sich nur auf diesen Bootstyp spezialisiert haben. Auf Floßbaubasis sind in den letzten Jahren „schwimmende Ferienhäuser“ entwickelt worden, die sehr viel mehr Raum und Komfort als traditionelle Charterboote bieten. Die Grenzen zwischen Hausboot, Floß und schwimmendem Ferienhaus verschwimmen immer mehr. Innovativ ist auch die Entwicklung eines Floßes als schwimmende Plattform für die Nutzung mit eigenem Wohnmobil oder Wohnwagen. Auch die Themen Barrierefreiheit und Elektroantrieb rücken immer stärker in den Fokus der wassertouristischen Angebotsgestaltung. Fazit: Insgesamt zeichnet sich die Bootsbranche durch einen sehr hohen Innovationscharakter aus. Der Trend einer stärkeren Ausdifferenzierung bei den Bootstypen und auch bei den Bootsantrieben dürfte weiter anhalten. Damit verbunden sind weitere Impulse für die wassertouristische Nachfrage, da die Neuentwicklung bei den Bootstypen zu einer deutlichen Erweiterung der Marktpotenziale geführt hat. Damit ist es gelungen, über die „typischen Bootsurlauber“ hinaus neue Zielgruppenpotenziale für den Wassertourismus zu erschließen – mit positiven Effekten auch im Hinblick auf die Saisonverlängerung. 16 © 2015 PROJECT M GmbH 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung 2.2.1 Bootscharter Allgemeines • Über die Hälfte der Betriebe (56 %) sind Einzelunternehmen. Der Anteil von Kapitalgesellschaften liegt mit 21 % an zweiter Stelle deutlich dahinter, ist aber höher als in der Kanubranche, in der im Vergleich zur Charterbranche in noch größerem Maße inhabergeführten Einzelunternehmen dominieren. • Etwa jeder fünfte Betrieb weist eine Zertifizierung auf, davon ein Drittel das Qualitätssiegel ServiceQualität Deutschland7. Geschäftsbetrieb 81% 100% 100% 100% 100% 100% 24% 87% 15% 3% 5% Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul 6% Aug Sep Okt Nov Dez Motor (Saison) Abbildung 8: Saisonzeiten im Bootscharter (Motorboot) Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Das Chartergeschäft konzentriert sich auf die Sommermonate von Mai bis September. Während im April noch 81 % und im Oktober 87 % der Anbieter ihre Boote vermieten, wird das Vermietungsgeschäft im Zeitraum von November bis März von nahezu allen Betrieben eingestellt. Weder sind nennenswerte Marktpotenziale vorhanden, noch ist das Gros der Boote wintergerecht ausgestattet. Fast zwei Drittel der Boote wird länger als ein Wochenende vermietet. Der Anteil an Wochenendvermietungen liegt bei 21 %. Bei Flößen ist die Vermietungsdauer etwas niedriger. Gut ein Drittel der Kunden besitzt keinen Sportbootführerschein. Dies macht deutlich, dass der ........................................................................................................................................................... 7 Bundesweites Qualitätsmanagementsystem für die Optimierung der Dienstleistungen und Angebote von Betrieben im Hotel-, Gastronomie- und Tourismusbereich © 2015 PROJECT M GmbH 17 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung sogenannte Charterschein8 wesentlich zu einer Erweiterung der Markpotenziale des Bootstourismus beigetragen hat. Personaleinsatz • 52 % der befragten Unternehmen sind Kleinstbetriebe mit ein bis zwei Vollzeitmitarbeitern, 16 % der Betriebe beschäftigen elf oder und mehr Mitarbeiter. • Durchschnittlich beschäftigt ein Charterbetrieb 5,2 Mitarbeiter, davon 2,2 Mitarbeiter in Teilzeit. • Der Anteil von Saisonbeschäftigen liegt bei 40 % (= 2,1 Mitarbeiter). (Berlin) (Brandenburg) 25% 13% bis zu 5 Jahre 25% 40% 30% 6-10 Jahre 45% 11-20 Jahre 21-25 Jahre 10% 10% 2 % mehr als 25 Jahre Abbildung 9: Beginn der Geschäftstätigkeit Charterbetriebe in Berlin und/oder Brandenburg: n = 71 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Branchenentwicklung Die rasante Entwicklung des Charterboottourismus setzt Mitte der 1990er Jahre ein. Im Zeitraum von 1994 bis 2004 haben 40 % der Anbieter mit Hauptsitz in Berlin und 45 % der Anbieter mit Hauptsitz in Brandenburg ihre Geschäftstätigkeit in Berlin und/oder Brandenburg aufgenommen. Diese Entwicklungsdynamik hat auch nach 2004 weiter angehalten. So hat sich in Berlin die Anzahl der Anbieter in den letzten zehn Jahren nochmals verdoppelt und auch in Brandenburg ist eine Zunahme von 43 % zu verzeichnen. Anders als in Berlin hat sich in Brandenburg seit 2010 die Zahl an Neugründungen etwas abgeschwächt. Als Grund hierfür ist zu vermuten, dass es seit 2011 für Investitionen in die Bootsflotte vom Land Brandenburg keine Fördermittel mehr gibt. Der Großteil der Betriebe mit Floßvermietung ist in den letzten fünf Jahren am Markt neu hinzukommen. ........................................................................................................................................................... 8 18 Seit dem Jahr 2000 ist in der Sportbootvermietungs-Verordnung geregelt, dass in bestimmten Revieren Brandenburgs für die Dauer des Bootsurlaubs, nach fachgerechter Einweisung, ein führerscheinpflichtiges Sportboot auch ohne amtlichen Sportbootführerschein geführt werden darf. © 2015 PROJECT M GmbH 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung Betriebsgröße Die Auswertung der am Markt präsenten Angebote hat ergeben, dass die durchschnittliche Charterflotte aus fünf Booten besteht, dabei ist die Branche durch viele Kleinbetriebe gekennzeichnet. 62 % der Betriebe verfügen über maximal fünf Boote. Der Anteil von Betrieben mit sechs bis max. zwanzig Booten liegt bei nur 14 %. Jeder vierte Betrieb besitzt aber mehr als 21 Boote. Tendenziell sind die Charterbetriebe in Brandenburg größer als die Berliner Betriebe (v. a. in Brandenburg Nord und West). Aktuelle Bootsflotte (Motor): bis 5 Motoryachten / Hausboote 4% 10% 6-10 Motoryachten / Hausboote 62% 11-20 Motoryachten / Hausboote 24% 21 oder mehr Motoryachten / Hausboote Abbildung 10: Betriebsgrößen Charterunternehmen, n = 83 Quelle: Strukturanalyse PROJECT M Bootsgrößen G rößenverteilung Motoryachten/ Hausboote Kl. Motoryachten/ Hausboote für 2-4Pers. G rößenverteilung Flöße Kl. Flöße für 2-4 Pers. Mittlere Motoryachten/ Hausboote für 5-8Pers. 13% 37% Gr. Motoryachten/ Hausboote ab 9 Pers. 27% Gr. Flöße ab 5 Pers. 73% 50% Abbildung 11 und 12: Größenverteilung von Motoryachten/Hausbooten und Flößen, n = 83 Quelle: Strukturanalyse PROJECT M © 2015 PROJECT M GmbH 19 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung In der Vercharterung dominiert eindeutig die mittlere Bootsgröße. Jedes zweite Charterboot besitzt Schlafplatzkapazitäten für fünf bis acht Personen. Der Anteil an größeren Booten für neun und mehr Personen liegt bei nur 13 %. Kleinere Boote mit einer Kapazität bis zu vier Personen machen einen Anteil von 37 % aus. Bei den Flößen liegt der Anteil von größeren Flößen für fünf und mehr Personen bei 73 %. Dabei handelt es sich überwiegend um Flöße mit einer Personenkapazität für fünf bis sechs Personen. Geschäftserwartungen – Entwicklungsperspektiven Ein wichtiger Indikator für die Entwicklungsperspektiven der Branche ist die Investitionsbereitschaft. Jeder vierte Charterbetrieb plant sicher noch eine Erweiterung seiner Bootsflotte (keine Ersatzinvestitionen) und jeder zweite Betrieb gibt an, seine Bootsflotte vielleicht noch zu erweitern. Diese hohe Investitionsbereitschaft unterstreicht die positive Grundstimmung in der Branche hinsichtlich der Zukunftserwartungen. Von den Betrieben, die sicher ihre Bootsflotte erweitern wollen, planen 44 % Investitionen in Motoryachten und jeweils 31 % in Hausboote sowie Flöße. Abbildung 13: Investitionsabsichten, n = 71 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M 20 © 2015 PROJECT M GmbH 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung 2.2.2 Kanuvermietung Allgemeines • Die Kanutourismusbranche wird von inhabergeführten Betrieben dominiert. Deren Anteil liegt bei 70 % und ist damit deutlich höher als in den anderen drei Angebotsbereichen. • Ein Drittel der befragten Betriebe ist zertifiziert. Davon sind 70 % mit dem Gütesiegel ServiceQualität Deutschland ausgezeichnet. Geschäftsbetrieb 93% 100% 100% 100% 100% 100% 98% 23% 9% 6% 6% Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul 6% Aug Sep Okt Nov Dez Kanu (Saison) Abbildung 14: Saisonbetrieb in der Kanuvermietung Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Ähnlich wie im Chartertourismus ist das Kanugeschäft fast vollständig auf die sieben Monate zwischen April und Oktober ausgerichtet. Kanutourismus ist abweichend zum Charterboottourismus aber viel stärker tagestouristisch geprägt. 72 % der Kunden mieten das Boot für einen Tagesausflug, 22 % für ein Wochenende und nur 6 % für einen längeren Zeitraum. Anders als im Charterboottourismus mit, gerade für die Hauptsaison, langem Buchungsvorlauf ist das Buchungsgeschäft im Kanutourismus wetterbedingt sehr kurzfristig. Schlechte Wetteraussichten führen im Kanutourismus erfahrungsgemäß dazu, dass viele Buchungen entweder storniert werden oder überhaupt nicht erfolgen. Nachfrage und Umsatz sind vor diesem Hintergrund viel stärker witterungsabhängig als der Charterboottourismus. Personalausstattung • Der Anteil von Kleinstbetrieben ist im Kanutourismus noch höher als im Charterboottourismus. 52 % der Kanuanbieter beschäftigen ein bis zwei Mitarbeiter und nur sieben Prozent haben mehr als 10 Mitarbeiter. © 2015 PROJECT M GmbH 21 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung • Im Durchschnitt beschäftigt ein Kanubetrieb 3,8 Mitarbeiter, davon 1,0 Mitarbeiter in Teilzeit. • Der Anteil an Saisonkräften liegt bei 47 % (= 1,8 Mitarbeiterstellen). Branchenentwicklung Der Kanutourismus spielt in Berlin aufgrund der kanutouristisch begrenzten Gewässerattraktivität eine sehr untergeordnete Rolle. In Brandenburg zeigt sich ein anderes Bild. Dort hat der gewerbliche Kanutourismus bereits in der Wende- bis Nachwendezeit eingesetzt. 29 % der Betriebe in Brandenburg haben ihre Geschäftstätigkeit in Brandenburg im Zeitraum von 1989 bis 1994 begonnen. In der Zeitspanne 1994 bis 2004 hat sich die Anzahl der Anbieter annähernd verdoppelt. Danach ist die Gründungsdynamik etwas zurückgegangen. Vor allem seit 2005 sind nur noch vergleichsweise wenige Betriebe neu hinzugekommen. Kanu 9% bis zu 5 Jahre 26% 6-10 Jahre 29% 11-20 Jahre 29% 21-25 Jahre 7% mehr als 25 Jahre Abbildung 15: Beginn der Geschäftstätigkeit Kanuanbieter in Berlin und Brandenburg, n = 40 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Betriebsgröße Aktuelle Bootsflotte (Kanu): 28% bis 10 Kanus 11-20 Kanus 23% 20% 21-30 Kanus 31 oder mehr Kanus 29% Abbildung 16: Betriebsgrößen Kanuanbieter, n = 128 Quelle: Strukturanalyse PROJECT M 22 © 2015 PROJECT M GmbH 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung Abweichend zur Charterbranche ist in der Kanubranche bei der Betriebsgröße eine recht gleichmäßige Verteilung der Größenklassen festzustellen. Knapp die Hälfte aller Anbieter verfügt über mehr als 21 Kanus. Der Durchschnitt liegt bei 27 Kanus. Geschäftserwartungen – Entwicklungsperspektiven Die Investitionsabsichten fallen im Vergleich zur Charterbranche etwas geringer aus. Fast jeder fünfte Betrieb (17 %) plant noch eine Ausweitung seiner Bootsflotte, fast jeder zweite Betrieb hat dies vielleicht noch vor. Gut ein Drittel der Betriebe wird seine Bootskapazitäten nicht erweitern. geplante Ausweitung der Bootsflotte Kanu 17% Ja Vielleicht 49% Nein 34% durchschnittlich10 Boote Quelle Breitenbefragung Abbildung 17: Investitionsabsichten Kanuanbieter, n = 40 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M © 2015 PROJECT M GmbH 23 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung 2.2.3 Fahrgastschifffahrt Allgemeines • Im Vergleich zu den Angebotssegmenten Sportboothäfen, Charterbetriebe und Kanuanbieter ist mit 36 % der Anteil an Kapitalgesellschaften bei Betrieben der Fahrgastschifffahrt überdurchschnittlich hoch. Gleichwohl sind Einzelunternehmen auch in der Fahrgastschifffahrt mit einem Anteil von 45 % die häufigste Rechtsform. • Fast ein Drittel der Betriebe ist zertifiziert, davon etwa ein Viertel mit dem Gütesiegel ServiceQualität Deutschland. Geschäftsbetrieb Die Hauptsaison in der Fahrgastschifffahrt beginnt bereits im April und geht bis Oktober. Das gilt vor allem für das fahrplangebundene Geschäft mit Linienfahrten. Fahrplanunabhängige Charterfahrten für Gruppen finden ganzjährig statt (v. a. in Berlin). 43 % der Anbieter befahren die Gewässer auch noch im November und selbst für den Dezember geben dies noch 38 % an. Lediglich in den beiden Monaten Januar und Februar wird das Geschäft weitgehend eingestellt. Nur 16 % der Anbieter geben an, dass sie in diesem Zeitraum auch Fahrten durchführen. Fast alle Schiffe, die im Linienverkehr unterwegs sind, werden auch als Charterschiffe eingesetzt, d. h. für private oder geschäftliche Gruppenfahrten vermietet. Von den 180 in der Strukturanalyse erfassten Fahrgastschiffen werden 26 Schiffe nur in der Ausflugsschifffahrt eingesetzt. Dabei handelt es sich um Schiffe, die mit Bootsführer ausschließlich an Gruppen verchartert werden und deren Betrieb abweichend zur Fahrgastschifffahrt in der Sportbootvermietungs-Verordnung geregelt ist9. Da Fahrgastschifffahrt und Ausflugsschifffahrt von den Kunden in der Außenwahrnehmung in der Regel gleichgesetzt wird, umfassen die folgenden Angaben sowohl Fahrgast- als auch Ausflugsschifffahrt. Personalausstattung • Fahrgastschifffahrtsbetriebe beschäftigen mehr Personal als Kanu- und Charterbootbetriebe. Der Anteil an Kleinstbetrieben mit ein bis zwei Vollzeitmitarbeitern liegt bei 36 %. Gut ein Viertel der Betriebe beschäftigt elf oder mehr Mitarbeiter (in erster Linie Betriebe in Berlin). • Im Durchschnitt beschäftigt ein Fahrgastschifffahrtsbetrieb 7,7 Mitarbeiter, davon 1,9 Mitarbeiter in Teilzeit. • Der Anteil der saisonal beschäftigen Mitarbeiter liegt bei 70 % (= 5,5 Mitarbeiter). ........................................................................................................................................................... 9 24 Geringere Anforderungen an Ausstattung/Sicherheitsmerkmalen als bei Fahrgastschiffen. © 2015 PROJECT M GmbH 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung Branchenentwicklung Anders als in der Kanuvermietung und im Bootscharter waren bereits mehrere Betriebe in Vorwendezeiten aktiv. In Berlin war dies immerhin fast jeder dritte Betrieb, in erster Linie im damaligen Westberlin. Insbesondere im Zeitraum zwischen 1994 und 2009 sind in Berlin zahlreiche neue Betriebe hinzugekommen, v. a. in der Ausflugsschifffahrt und auf innerstädtischen Strecken. In den letzten fünf Jahren hat die Anzahl an Neugründungen deutlich abgenommen. Alle Betriebe, die an der Breitenbefragung teilgenommenen haben, sind länger als fünf Jahre am Markt aktiv. In Brandenburg zeigt sich ein etwas anderes Bild. Gut ein Drittel der Betriebe hat seinen Fahrgastschifffahrtsbetrieb in der Nachwendezeit bis 1994 aufgenommen. In dem Zeitraum zwischen 1994 und 2010 hat sich die Branche in Brandenburg vermutlich konsolidiert, da so gut wie keine neuen Betriebe hinzugekommen sind. Erst ab 2010 ist wieder deutlich mehr Bewegung festzustellen. Von den Betrieben, die an der Befragung teilgenommenen haben, nahmen 45 % ihre Geschäftstätigkeit erst in den letzten fünf Jahren auf. Zu vermuten ist, dass es sich dabei weniger um betriebliche Neugründungen handelt, sondern altersbedingt Fahrgastschifffahrt um Nachfolgerbetriebe. (Berlin) (Brandenburg) 30% 30% 45% 9% 10% 30% 36% 9% Höherer Anteil an kleineren Unternehmen bei Betrieben mit einem Alter bis zu 10 Jahre. Quelle Breitenbefragung bis zu 5 Jahre 6-10 Jahre 11-20 Jahre 21-25 Jahre mehr als 25 Jahre Abbildung 18: Beginn der Geschäftstätigkeit in Berlin und Brandenburg, n = 22 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Betriebsgrößen Im Durchschnitt besitzt jeder Betrieb fünf Fahrgastschiffe. Insgesamt wird die Branche durch Kleinbetriebe mit bis zu drei Schiffen dominiert (Quelle Strukturanalyse). Betriebe in Brandenburg sind deutlich kleiner als die Fahrgastbetriebe in Berlin. Während in Brandenburg gut die Hälfte Kleinstbetriebe mit nur einem Schiff sind, trifft dies nur auf 43 % der Anbieter in Berlin zu. In Brandenburg gibt es keinen Betrieb mit mehr als elf Schiffen, während in Berlin 9 % der Anbieter eine Schiffsflotte mit mehr als 11 Schiffen besitzt. © 2015 PROJECT M GmbH 25 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung Brandenburg 52% Berlin 33% 44% 0% 1 Schiff 29% 20% 2-3 Schiffe 40% 4-5 Schiffe 60% 6-10 Schiffe 4% 11% 0% 15% 3% 9% 80% 11+ Schiffe 100% Abbildung 19: Größe Schiffsflotte, n = 65 Quelle: Strukturanalyse PROJECT M Größe der Schiffe Insgesamt sind durch die Strukturanalyse 180 Fahrgastschiffe mit einer Gesamtkapazität für ca. 26.000 Personen ermittelt worden. Die durchschnittliche Schiffsgröße liegt bei 147 Personen. Bei fast jedem zweiten Schiff liegen die Platzkapazitäten bei über 150 Passagieren. 30 % der Schiffe bieten sogar Platzkapazitäten für mehr als 200 Personen. Die Schiffe in Berlin sind im Durchschnitt deutlich größer als in Brandenburg. 84 % der Schiffe mit einer Personenkapazität für mehr als 150 Personen fahren in Berlin. 21% 30% 0-50 200 + 19% 51-100 19% 11% 151- 200 100 -150 Abbildung 20: Verteilung der Schiffe nach Größenklassen, n = 65 Quelle: Strukturanalyse PROJECT M 26 © 2015 PROJECT M GmbH 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung Geschäftserwartungen – Entwicklungsperspektiven In Berlin sind die Geschäftserwartungen deutlich positiver als in Brandenburg. Fast alle Anbieter (88 %) können sich vorstellen, ihre Schiffsflotte noch zu erweitern. Davon plant jeder zweite Betrieb ziemlich sicher, sich künftig neue Schiffe anzuschaffen. Offensichtlich gehen die Fahrgastschifffahrtsbetriebe in Berlin davon aus, dass der städtetouristische Boom im Berlin weiter anhalten dürfte. In Brandenburg besteht eine deutlich geringere Bereitschaft, die Schiffsflotte zu vergrößern. Nur etwa ein Drittel der Anbieter kann sich dies vorstellen, davon nur 17 % sicher. Brandenburg 17% 17% 67% Ja Berlin 44% Vielleicht Nein 44% 11% Abbildung 21: Investitionsabsichten, n = 22 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M © 2015 PROJECT M GmbH 27 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung 2.2.4 Sportboothäfen Allgemeines • Abweichend zur den Angebotsbereichen Charter, Kanu und Fahrgastschifffahrt, den drei anderen Angebotsbereichen, ist bei den Häfen die Rechtsform Verein deutlich häufiger vorzufinden. Von den 305 in der Strukturanalyse ermittelten Sportboothäfen mit touristischer Ausrichtung sind 46 % Vereine. • 23 % der gewerblichen Häfen und 11 % der Vereinshäfen besitzen eine Zertifizierung, davon 11 % das Gütesiegel ServiceQualität Deutschland. • Die Klassifizierung von Binnenhäfen durch das bundesweite Klassifizierungssystem der ADAC Steuerräder ist bislang revierumfassend nur in dem Bereich der Potsdamer- und Brandenburger Havelseen erfolgt (Quelle ADAC Marinaführer)10. Geschäftsbetrieb Das Kerngeschäft bildet die Vermietung von Wasserliegeplätzen entweder in der saisonalen Dauervermietung oder in der tageweise touristischen Vermietung. 79 % der gewerblichen Häfen bieten aber zusätzlich Winterlager an. Gewerbliche Häfen bieten folgende Einrichtungen und Serviceleistungen an: Vereinshäfen bieten folgende Einrichtungen und Serviceleistungen an: Strom 98% WC 96% Frischwasser 93% Strom 91% WC 91% Dusche 91% Dusche 90% Frischwasser 87% Entsorgung Abfall 81% Slipanlage Winterlager 79% Winterlager 74% Waschgelegenheit 74% Hafenbüro 72% Waschgelegenheit 69% Entsorgung Abfall Auslage touristisches Prospektmaterial 69% W-LAN Slipanlage 60% Auslage touristisches Prospektmaterial 78% 65% 48% 43% Abbildung 22: Servicemerkmale in den Häfen, gewerbliche Häfen n = 76, Vereinshäfen n = 39, Mehrfachnennung möglich Quelle: Breitenbefragung PROJECT M ........................................................................................................................................................... 10 28 Ab Juli 2015 auch im nördlichen Brandenburg © 2015 PROJECT M GmbH 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung Wie die Ergebnisse der Breitenbefragung zeigen, ist die Ausstattungsqualität der Sportboothäfen mittlerweile weitestgehend marktgerecht, d. h. die Anforderungen der Kunden können entsprechend bedient werden. Die Basisversorgung mit Strom, Frischwasser und Sanitäranlagen ist so gut wie in allen Anlagen gewährleistet. Optimierungsbedarf besteht im Wesentlichen in der besseren landseitigen Vernetzung. Etwa ein Drittel der Anlagen kann seinen Gästen keine Unterlagen zum Landgang übergeben, bei den Vereinshäfen sogar mehr als jede zweite Anlage. Dies macht deutlich, dass die Funktion der Sportboothäfen als Knotenpunkt für wasser- und landseitige Vernetzung noch ausbaufähig ist. Die Sportboothäfen in Berlin und Brandenburg haben nicht nur eine wassertouristische Bedeutung, sondern sind häufig auch touristische Anziehungspunkte für „Landurlauber“. Mehr als jeder zweite Hafen ist touristisch auch auf Gäste ausgerichtet, die landseitig anreisen. Immerhin 57 % der gewerblichen Anlagen weisen Gastronomie- und/oder Übernachtungsangebote sowie Bootsvermietung oder weitere Freizeitangebote wie z. B. Radverleih auf. Sportboothäfen generieren damit landseitige Gästepotenziale und haben vor diesem Hintergrund nicht nur eine Funktion für den Wassertourismus, sondern sind auch wichtig als Ausflugsziele für landseitige Tourismusformen. Personalausstattung • Der Anteil an Kleinstbetrieben mit ein bis zwei Vollzeitmitarbeitern liegt bei 45 %. Jeder fünfte Betrieb beschäftigt sechs bis zehn Vollzeitmitarbeiter. Kein Betrieb weist eine Personalzahl über elf Mitarbeiter auf. • Sportboothäfen beschäftigen im Durchschnitt 4,6 Mitarbeiter, davon 1,6 Mitarbeiter in Teilzeit. • Der Anteil an saisonal beschäftigten Mitarbeitern liegt bei 13 % (0,6 Mitarbeiter). Sportboothäfen beschäftigen damit deutlich mehr Mitarbeiter ganzjährig als die anderen drei untersuchten Angebotssegmente. Branchenentwicklung Bei den gewerblich betriebenen Anlagen gibt es deutliche Unterschiede zwischen Berlin und Brandenburg. Fast die Hälfte der Betriebe in Berlin existierte schon in Vorwendezeiten mit Standort in Westberlin. Erst in der Phase zwischen Mitte der 1990er Jahre und 2005 sind im nennenswerten Umfang neue kommerzielle Sportboothäfen hinzugekommen (37 %). Seit 2005 sind nur wenige neue Sportboothäfen wie z. B. die Citymarina oder der Tempelhofer Hafen hinzugekommen. © 2015 PROJECT M GmbH 29 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung In Brandenburg fand der größte Entwicklungsschub ebenfalls im Zeitraum zwischen 1995 und 2005 statt. Fast jeder zweite kommerzielle Sportboothafen wurde in dieser Zeitspanne gegründet. Seitdem hat sich die Zahl der Neueröffnungen stetig verringert. Nur drei Prozent der Anlagen sind in den letzten fünf Jahren eröffnet worden. (Berlin) 11% (Brandenburg) 37% 5% 16% bis zu 5 Jahre 47% 47% 6-10 Jahre 11-20 Jahre 22% 21-25 Jahre 12% mehr als 25 Jahre Abbildung 23: Beginn der Geschäftstätigkeit Häfen in Berlin und Brandenburg, n = 74 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Betriebsgrößen Die durchschnittliche Liegeplatzanzahl liegt bei kommerziellen Häfen laut Breitenbefragung bei 86 Liegeplätzen, die sich auf 73 Dauerliegeplätze und 13 Gastliegeplätze verteilen. Die Vereinsanlagen sind mit durchschnittlich 62 Liegeplätzen etwas kleiner. Mit einem Anteil von 55 % befinden sich die meisten Häfen in der Größenklasse zwischen 26 und 100 Liegeplätzen. In Brandenburg West gibt es deutlich mehr größere Häfen als in den beiden anderen Brandenburger Regionen. Länderübergreifend besitzt etwa jeder vierte Hafen mehr als 100 Liegeplätze. Im Ländervergleich ist festzustellen, dass die Häfen im Durchschnitt in Berlin etwas kleiner sind als in Brandenburg. Auf der anderen Seite gibt es nur in Berlin Häfen mit mehr als 200 Liegeplätzen, wobei deren Anteil aber lediglich 13 % ausmacht. Gewerbliche Häfen Gesamtgröße Brandenburg Berlin 5% 10% 14% 23% 23% 7% 1 bis 10 Liegeplätze 33% 20% 40% 40% 11 bis 25 Liegeplätze 12% 26 bis 50 Liegeplätze 33% 51 bis 100 Liegeplätze 12% 7% 7% 101 bis 200 Liegeplätze 13% 201+ Liegeplätze Abbildung 24: Liegeplatzkapazitäten Größenverteilung Häfen, n = 74 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M 30 © 2015 PROJECT M GmbH 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung Geschäftserwartungen – Entwicklungsperspektiven Jeder fünfte gewerbliche Hafen strebt noch eine Ausweitung seiner Gastliegeplatzkapazitäten an, durchschnittlich um acht neue Liegeplätze. Jeder vierte Hafen plant, seine Dauerliegeplatzkapazitäten um durchschnittlich 21 neue Liegeplätze erweitern. In der Region West ist die Bereitschaft für Erweiterungsinvestitionen überdurchschnittlich hoch. Durchschnittlich 21 neue Dauerliegeplätze Dauerlieger 25% 13% Ja Gastlieger 21% Quelle Breitenbefragung 19% 62% Vielleicht Nein 60% Durchschnittlich 8 neue G astliegeplätze Abbildung 25: Investitionsabsichten Hafenbetreiber, n = 74 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Trotz der bundesweiten, demografisch bedingt rückläufigen Entwicklung bei den Bootseignern11 ist die Branche in Berlin und Brandenburg zuversichtlich, dass die Region aufgrund der hohen Gewässerattraktivität davon weniger betroffen sein wird. Zudem rechnen die Unternehmen damit, und zusätzlich zu den Kundenpotenzialen aus der Region, auch noch Dauerliegerpotenziale von Bootseignern mit Wohnsitz außerhalb von Berlin und Brandenburg zu erschließen (v. a. Region Brandenburg West). Bereits jetzt haben laut Breitenbefragung 27 % der Dauerlieger ihren Wohnsitz in anderen Bundesländern (46 % in Brandenburg West, aber nur 8 % in Brandenburg Nord). Dies erklärt auch, warum es in der Region Brandenburg West, die verkehrstechnisch landseitig am besten erreichbar ist, im Vergleich zu den anderen Brandenburger Regionen eine deutlich höhere Bereitschaft für eine Erweiterung der Liegeplatzkapazitäten gibt. ........................................................................................................................................................... 11 Der Eignermarkt ist durch einen sehr hohen Altersdurchschnitt gekennzeichnet. Es ist zu erwarten, dass viele Bootseigner altersbedingt den Bootssport aufgeben müssen, ohne dass dies auf der anderen Seite durch eine vergleichbare Anzahl an neu hinzukommenden jüngeren Bootseignern kompensiert werden kann. © 2015 PROJECT M GmbH 31 2. Anbieterstruktur und Branchenentwicklung 2.3 Fazit Aus der Strukturanalyse, den beiden Befragungen und den von PROJECT M im Zusammenhang mit der Entwicklung der Fragebögen durchgeführten Branchengespräche lässt sich erkennen, dass die Bootstourismusbranche mittlerweile quantitativ als auch qualitativ am Markt gut aufgestellt ist. Nachholbedarf, auch im Vergleich zu landseitigen Tourismusformen, gibt es aber noch hinsichtlich des Einsatzes von Qualitätssystemen. Die Gesamtzahl der Anbieter dürfte stabil auf hohem Niveau bleiben. Künftige Wachstumspotenziale begründen sich in erster Linie durch den weiteren Ausbau der Betriebskapazitäten. Dies gilt für alle vier untersuchten Angebotssegmente, allerdings in unterschiedlicher Intensität. • Bootscharter: Eine größere Zunahme bei der Anbieterzahl ist kaum zu erwarten. Der Neugründungsprozess dürfte weitestgehend abgeschlossen sein. Die Anzahl der Schiffe in der Vermietung wird aber weiterhin zunehmen, die größte Zunahme ist für Flöße und schwimmende Ferienhäuser zu erwarten. • Kanutourismus: Die Anbieterzahl dürfte konstant auf dem bestehenden hohen Niveau bleiben. Bei der Anzahl der Mietboote ist ein moderater Anstieg zu erwarten. • Fahrgastschifffahrt: In Brandenburg ist in quantitativer Hinsicht die Entwicklung mit Ausnahme der neu entstehenden Gewässer (v. a. Lausitzer Seenland) weitestgehend abgeschlossen. In Berlin ist aufgrund der hohen Investitionsbereitschaft eine Zunahme des Schiffsbestandes sehr wahrscheinlich. • Sportboothäfen: Die Errichtung neuer Sportboothäfen an den natürlichen Gewässersystemen ist weitgehend abgeschlossen. Wie auch die aktuell durchgeführte Evaluierung des Wassersportentwicklungsplans 12 aufzeigt, ist in räumlicher Hinsicht, mit Ausnahme der neu entstehenden Gewässer (Lausitzer Seenland, Langer Trödel/Finowkanal), das vorhandene Angebot an Sportboothäfen ausreichend. Bei den Gesamtliegeplatzkapazitäten kann aber noch von einem leichten Anstieg durch die Erweiterung der Liegeplätze in den bestehenden Anlagen ausgegangen werden. ........................................................................................................................................................... 12 32 Im Auftrag des Ministeriums für Jugend, Sport und Bildung erfolgte 2014 eine Evaluierung des WEP 3 durch das Beratungsbüro BTE © 2015 PROJECT M GmbH 3. Marktpotenziale 3. Markpotenziale 3.1 Charterboottourismus 3.1.1 Marktvolumen Zur Ermittlung des Marktvolumens wurden differenziert nach unterschiedlichen Größenklassen im Rahmen der Tiefenbefragung die Anzahl der vermieteten Wochen je Boot im Jahr und die durchschnittliche Personenbesetzung/Boot ermittelt: Bootstyp Ø Vermietete Wochen Ø Personenbesetzung Kleinere Boote (Hausboot, Motoryacht bis vier Personen) 16,6 Wochen 2,6 Personen Mittlere Boote (Hausboot, Motoryacht vier bis acht Personen) 19,3 Wochen 4,5 Personen Größere Boote (Hausboot, Motoryacht neu und mehr Personen) 20,3 Wochen 9 Personen Kleinere Flöße bis vier Personen 13,9 Wochen 3 Personen Größere Flöße fünf und mehr Personen 19,6 Wochen 4,1 Personen Tabelle 1: Anzahl Vermietungswochen Charterboote, n = 36 Quelle: Tiefenbefragung PROJECT M Ebenfalls erfasst wurde die Verteilung zwischen Haupt- und Nebensaison: 61% 58% 40% 49% 51% 63% 49% 61% 37% 39% Hauptsaison Nebensaison Kleine Boote Mittlere Boote Größere Boote Kleinere Flöße Größere Flöße (Hausboot, Motoryacht) Abbildung 26: Verteilung Haupt-Nebensaison, n = 36 Quelle: Tiefenbefragung PROJECT M © 2015 PROJECT M GmbH 33 3. Marktpotenziale Etwa 60 % der Buchungsnachfrage entfällt auf den Zeitraum Juni bis August. Gleichwohl zeigt die Befragung, dass mit einem Anteil von etwa 40 % auch die Vor- und Nachsaison (April, Mai, September und Oktober) nachfragewirksam ist. Erwartungsgemäß ist eine enge Korrelation zwischen Bootsgröße und Saison festzustellen. Je größer das Boot, desto saisonunabhängiger ist das Geschäft. Zum einen können die in der Hauptsaison recht hochpreisigen größeren Boote in der Nebensaison deutlich preiswerter gemietet werden, zum anderen dürfte bei den in der Regel schlechteren Witterungsbedingungen in der Nebensaison der Komfortgewinn eine Rolle spielen. Auf Basis der Auslastung wurde die durchschnittliche Anzahl der Personentage pro Boot ermittelt (vergleichbar mit der vom Statistischen Landesamt erfassten Übernachtungszahlen im landseitigen Tourismus). Multipliziert man die durchschnittlichen Personentage je Boot mit der in der Strukturanalyse ermittelten Anzahl an Booten und Flößen ergeben sich insgesamt für Berlin und Brandenburg etwa 729.000 Personentage. Diese verteilen sich auf die unterschiedlichen Bootsgrößen wie folgt: Personentage/Boot Anzahl an Booten13 Personentage in B/BRB 307 416 kleine Motoryachten 127.712 603 562 mittlere Boote 338.886 1279 146 größere Boote 186.734 293 42 kleinere Flöße 12.306 559 114 größere Flöße 63.726 Tabelle 2: Durchschnittliche Personentage/Jahr Vercharterung Quelle: eigene Berechnung auf Basis Tiefenbefragung PROJECT M Um die Anzahl der Personen berechnen zu können (analog Ankünfte in der amtlichen Gästestatistik) benötigt man die durchschnittliche Aufenthaltsdauer. Diese liegt laut landesweiter Bootsurlauberbefragung14, die PROJECT M gemeinsam mit Heike Helmers Tourismuskontor im Auftrag des Brandenburger Netzwerks ‚Aktiv in der Natur‘ 2009 durchgeführt hat, bei Charterkunden bei 7,3 Tagen. Auf dieser Grundlage ergibt sich eine Zahl von 100.000 Bootsurlaubern, die mit dem Charterboot in der Region unterwegs sind. Diese Zahl bildet aber nur den kommerziellen Bereich des motorisierten Bootstourismus ab. Hinzu kommen die vielen ........................................................................................................................................................... 13 14 34 Sekundäranalyse Befragt wurden mehr als 2.000 Bootsurlauber im gesamten Land Brandenburg von Mai bis September 2009 © 2015 PROJECT M GmbH 3. Marktpotenziale Bootstouristen, die mit eigenem Booten unterwegs sind 15. Da keine belastbaren Daten zum Tourenverhalten der Bootseigner vorliegen (Häufigkeit von Bootstouren bzw. -urlauben außerhalb des Heimatreviers), ist die Ermittlung der Anzahl der Personentage anders als für die Charterboote hier nicht möglich. Im Fazit ist festzustellen, dass allein der gewerbliche Charterboottourismus ein Marktvolumen von 100.000 Bootstouristen mit 729.000 Personentagen im Jahr generiert. Hinzu kommt eine deutlich größere Zahl an Personentagen durch die Eignerboote. 3.1.2 Marktentwicklung Entwicklung der letzten fünf Jahre 21% 38% stark gestiegen leicht zurückgegangen 19% leicht gestiegen stark zurückgegangen 19% 3% gleichgeblieben Abbildung 27: Nachfrageentwicklung Charterboote vergangene fünf Jahre, n = 58 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Insgesamt geben 59 % der befragten Betriebe an, dass die Buchungsnachfrage in den vergangenen fünf Jahren gestiegen ist. Jeder fünfte Betrieb hat in den letzten fünf Jahren eine stark gestiegene Buchungsnachfrage zu verzeichnen und bei 38 % der Betriebe ist die Kundennachfrage leicht gestiegen. 19 % der Betriebe verzeichnen einen leichten Rückgang (leicht überdurchschnittlich im nördlichen Brandenburg und Brandenburg Süd-Ost). Vor dem Hintergrund eines insgesamt gestiegenen Gesamtmarktvolumens sind die Ursachen hierfür entweder in betriebsbezogenen Gründen und/oder in dem schwieriger werdenden Wettbewerbsumfeld (gestiegene Zahl der Anbieter und Boote in der Vermietung) zu vermuten. ........................................................................................................................................................... 15 Laut aktueller Evaluierung Wassersportentwicklungsplan gibt es in Brandenburg etwa 17.000 Sportbootliegeplätze. Für Berlin liegt keine Zahl für alle Liegeplätze vor. Allein in den in der Strukturanalyse erfassten touristisch ausgerichteten Häfen liegt die Zahl der Liegeplätze bei ca. 8.200. © 2015 PROJECT M GmbH 35 3. Marktpotenziale Ausblick für die kommenden fünf Jahre 14% 44% wird stark steigen wird leicht zurückgehen 41% wird leicht steigen wird stark zurückgehen 1% bleibt etwa gleich Abbildung 28: Erwartungen Nachfrageentwicklung Charter nächste fünf Jahre, n= 58 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Die meisten Betriebe schauen optimistisch in die Zukunft. 58 % der Betriebe erwarten eine weitere Steigerung bei der Kundennachfrage, davon die Mehrheit (44 %) eine leichte Steigerung. Besonders hoch ist die Nachfragerwartung bei den Flößen. 31 % der Anbieter gehen davon aus, dass die Nachfrage für diesen Bootstyp weiter stark steigen wird. Tendenziell werden die Marktperspektiven in Berlin etwas besser als in Brandenburg beurteilt. So gut wie kein Betrieb befürchtet rückläufige Buchungszahlen. Diese Einschätzung korrespondiert mit der ausgeprägten Investitionsbereitschaft (siehe Gliederungspunkt 2.2.1). 36 © 2015 PROJECT M GmbH 3. Marktpotenziale 3.2 Kanutourismus 3.2.1 Marktvolumen Wie auch im Charterboottourismus erfolgt die Berechnung des Marktvolumens auf Grundlage der durchschnittlich vermieteten Tage je Boot im Jahr. Durchschnittlich wird ein Kanu ca. 77 Tage im Jahr vermietet. Fast zwei Drittel (64,5 %) der Vermietungen entfallen auf die Hauptsaison zwischen Juni und August. Besetzt ist ein Mietkanu mit durchschnittlich 2,2 Personen. Bei 77 vermieteten Tagen im Jahr führt dies zu 168 Personentagen je Kanu. Bei 3.526 ermittelten Booten ergeben sich für Berlin und Brandenburg gut 592.000 Personentage (zum Vergleich Charter mit 729.000 Personentagen). Um die Anzahl der „Mietkanuten“16 zu ermitteln, muss die Zahl der Personentage durch die Aufenthaltsdauer geteilt werden. Diese liegt im Durchschnitt laut der bereits zitierten Bootsurlauberbefragung im Land Brandenburg aufgrund der in erster Linie tagestouristischen Ausrichtung mit 1,7 Tagen deutlich niedriger als im Charterboottourismus. Auf dieser Grundlage ergibt sich eine Gesamtzahl von fast 350.0000 Mietkanuten. Wie auch für den Charterboottourismus bildet diese Zahl nur die Kanuten ab, die bei einem Anbieter ein Kanu gemietet haben. Das Marktvolumen insgesamt fällt noch um einiges höher aus, da alle Kanuten, die mit einem eigenen Kanu oder nicht kommerziell geliehenen Kanu unterwegs sind, noch hinzukommen17. ........................................................................................................................................................... 16 17 Kanuten, die für ihre Tour ein Kanu bei einem gewerblichen Anbieter gemietet haben. Da weder bekannt ist, wie viele Berliner und Brandenburger ein eigenes Kanu besitzen, noch wie häufig sie damit unterwegs sind, lässt sich zu der Anzahl der Personentage für Kanuten mit eigenem Boot keine belastbare Aussage treffen. © 2015 PROJECT M GmbH 37 3. Marktpotenziale 3.2.2 Marktentwicklung Entwicklung der letzten fünf Jahre 12% 44% stark gestiegen leicht zurückgegangen 21% leicht gestiegen stark zurückgegangen 18% 5% gleichgeblieben Abbildung 29: Nachfrageentwicklung Kanuvermietung letzte fünf Jahre, n = 34 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Auch im Kanutourismus verzeichnet die Mehrheit (56 %) der Anbieter gestiegene Buchungszahlen. 18 % der Anbieter geben aber eine leicht rückläufige Nachfrage an (fast jeder vierte Anbieter aus dem nördlichen Brandenburg18). Ausblick auf die kommenden fünf Jahre 15% wird stark steigen wird leicht zurückgehen 55% wird leicht steigen wird stark zurückgehen 30% bleibt etwa gleich Abbildung 30: Erwartungen Nachfrageentwicklung nächste fünf Jahre, n = 34 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Der Ausblick fällt landesweit überwiegend positiv aus. Keiner der befragten Anbieter geht von einer rückläufigen Nachfrage aus. 70 % der Anbieter erwarten eine Zunahme bei den Kundenzahlen, mehrheitlich allerdings im moderaten Umfang. ........................................................................................................................................................... 18 38 Im Rahmen der 2009 durchgeführten Bootsurlauberbefragung in Brandenburg haben, anders als in den anderen Revieren Brandenburgs, viele Kanuten die Gewässerfrequentierung im nördlichen Brandenburg kritisch beurteilt, insbesondere im Hinblick auf den motorisierten Sportbootverkehr. © 2015 PROJECT M GmbH 3. Marktpotenziale 3.3 Fahrgastschifffahrt 3.3.1 Marktvolumen Für die Berechnung des Marktvolumens für die Fahrgastschifffahrt wurde auf Grundlage der Anbieterangaben aus der Tiefenbefragung die durchschnittliche jährliche Belegung je Platz ermittelt. • In der Fahrgastschifffahrt fallen durchschnittlich 115 Passagiere je Platz im Jahr an. Diese verteilen sich: • • auf 104 Passagiere je Platz/Jahr im Linienverkehr • und 11 Passagiere je Platz/Jahr im Charterverkehr. Für die Ausflugsschifffahrt wurden durchschnittlich 67 Passagiere je Platz/Jahr ermittelt. Grundlage für die Hochrechnung sind die in der Strukturanalyse ermittelten Platzkapazitäten. Diese liegen in Summe aller Fahrgastschiffe bei 24.751 Plätzen und in der Ausflugsschifffahrt bei 1.365 Plätzen. Auf dieser Basis ergibt sich in der Fahrgastschifffahrt ein Passagieraufkommen von 2,85 Mio. und in der Ausflugsschifffahrt nochmals von 87.360 Personen. In der Summe des Linien- und Charterverkehrs kann aufgerundet von einem gesamten Passagieraufkommen in Höhe von etwa 3 Mio. ausgegangen werden. Davon entfallen etwa 2,2 Mio. auf Berlin und 800.000 auf Brandenburg. 3.3.2 Marktentwicklung Entwicklung der vergangenen fünf Jahre 10% stark gestiegen 80% leicht gestiegen gleichgeblieben 10% leicht zurückgegangen stark zurückgegangen Abbildung 31: Nachfragentwicklung Fahrgastschifffahrt letzte fünf Jahre, n = 22 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Auch in der Fahrgastschifffahrt hat sich die Nachfrage in den letzten fünf Jahren positiv entwickelt. Die Betriebe haben mehrheitlich einen leichten Anstieg zu verzeichnen. Dies gilt nicht nur für Berlin mit dem hohen Gästepotenzial aus dem Städtetourismus, sondern auch © 2015 PROJECT M GmbH 39 3. Marktpotenziale für Brandenburg. Eine rückläufige Nachfrage wird in der Tendenz lediglich für das nördliche Brandenburg angegeben. Ausblick kommende fünf Jahre 5% wird stark steigen 58% wird leicht steigen 26% bleibt etwa gleich wird leicht zurückgehen 11% wird stark zurückgehen Abbildung 32: Nachfrageerwartung Fahrgastschifffahrt nächste fünf Jahre, n = 22 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Die Mehrheit der Anbieter (63 %) erwartet auch weiterhin eine steigende Kundennachfrage, wobei allerdings größere Unterschiede zwischen Berlin und Brandenburg festzustellen sind. Die Erwartungen in Berlin sind deutlich höher als in Brandenburg, was sicherlich zum Großteil auf den ungebrochenen städtetouristischen Boom Berlins zurückzuführen ist. In Brandenburg Nord ist der Ausblick tendenziell am wenigsten positiv. Länderübergreifend liegen die größten Wachstumspotenziale nach Ansicht der Anbieter in der Eventschifffahrt19 (36 %), einer stärkeren (Zielgruppen-)Spezialisierung (18 %) sowie in kleineren Schiffen (18 %). ........................................................................................................................................................... 19 40 Fahrten/Touren mit Programmpunkten © 2015 PROJECT M GmbH 3. Marktpotenziale 3.4 Sportboothäfen Das Marktvolumen findet seinen Ausdruck in der Anzahl der Liegeplatzkapazitäten. In der Summe aller in der Strukturanalyse erfassten Häfen ergibt sich eine Gesamtzahl von fast 20.000 Liegeplätzen in touristisch ausgerichteten Sportboothäfen. 20 Anzahl an Dauerliegeplätzen & Gastliegeplätzen Berlin 698 3179 Nord 418 West 584 Süd-Ost 325 0% 10% 303 4029 1906 73 2663 125 1484 20% 30% 40% 971 1670 79 50% 60% 1049 70% 80% Gewerbe: Gastliegeplätze Gewerbe: Dauerliegeplätze Verein: Gastliegeplätze Verein: Dauerliegeplätze 90% 100% Abbildung 33: Liegeplatzkapazitäten touristisch relevanten Häfen, n = 305 Quelle: Strukturanalyse PROJECT M Mit etwa 8.200 Liegeplätzen besitzt Berlin die größten Kapazitäten, gefolgt von der Region Brandenburg West mit gut 5.000 Liegeplätzen. Im nördlichen Brandenburg liegt die Zahl der Liegeplätze bei 3.400. Die geringsten Liegeplatzkapazitäten bestehen in der Region Süd-Ost, da dort mit Spree und Spreewald der Kanutourismus eine überdurchschnittliche Bedeutung hat, der keine Wasserliegeplätze benötigt. Die durchschnittliche Auslastung liegt bei den kommerziellen Häfen laut Breitenbefragung: • • bei den Dauerliegeplätzen bei 83 % (in Brandenburg Nord bei nur 69 %) und bei den Gastliegeplätzen in der Hauptsaison bei 61 % (Brandenburg Süd-Ost nur 55 %) und in der Nebensaison bei 27 %. ........................................................................................................................................................... 20 Die Gesamtsumme aller Liegeplätze in Sportboothäfen liegt um einiges höher, da nur die Häfen mit klar erkennbarer wassertouristischer Ausrichtung in die Studie mit einbezogen wurden (siehe Gliederungspunkt 1.3). © 2015 PROJECT M GmbH 41 3. Marktpotenziale Nachfrageentwicklung in den vergangenen fünf Jahren 27% Liegeplätze Sommer Liegeplätze Winter 20% Gastliegeplätze stark gestiegen 46% 20% 45% 26% 27% 40% leicht gestiegen gleich geblieben 23% leicht gesunken 5% 5% 6% 6% stark gesunken Abbildung 34: Nachfrageentwicklung Dauer- und Gastlieger letzte fünf Jahre, n = 74 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Die Nachfrage nach Dauer-und Gastliegeplätze ist bei der Mehrheit der kommerziellen Hafenbetreiber in ähnlicher Größenordnung gestiegen. Ein überdurchschnittlich starker Anstieg ist in Brandenburg West zu verzeichnen. Auch bei der Vermietung von Winterliegeplätzen hat sich die Nachfrage überwiegend positiv entwickelt, mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten in Brandenburg West und Berlin. Ausblick Nachfrageentwicklung nächste fünf Jahre Dauerlieger 15% Gastlieger 21% wird stark steigen wird abnehmen 55% 38% wird etwas steigen wird stark abnehmen 28% 40% bleibt gleich Abbildung 35: Nachfrageerwartungen Dauer- und Gastliegeplätze nächste fünf Jahre, n = 74 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M Sowohl bei Dauer- als auch Gastliegern überwiegt eindeutig eine optimistische Nachfrageerwartung, denn 70 % der Häfen erwarten eine steigende Nachfrage bei den Dauerliegern und knapp 60 % bei den Gastliegeplätzen. Dies erklärt auch die bei vielen Betrieben vorhandene Investitionsbereitschaft (siehe Gliederungspunkt 2.2.4). Tendenziell werden die Aussichten von den Betrieben in Brandenburg Nord etwas unterdurchschnittlich bewertet. 42 © 2015 PROJECT M GmbH 3. Marktpotenziale 3.5 Fazit In allen vier Angebotssegmenten der Branche herrscht in Anbetracht der positiven Marktentwicklung eine optimistische Grundstimmung vor. Eine Marktsättigung oder gar eine rückläufige Marktentwicklung wird in absehbarer Zeit unter den bestehenden Rahmenbedingungen von den Anbietern nicht gesehen. Die Zeichen in der Branche stehen länderübergreifend weiter auf Wachstum. Lediglich im nördlichen Brandenburg fällt die Bewertung, sowohl rückblickend als auch im Ausblick in der Tendenz, etwas weniger positiv aus. Die Wachstumserwartungen werden durch die Untersuchung „Destination Brand“21 der Fachhochschule Westküste gestützt. Im Auftrag von der TMB Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH wurde 2013 in einer bundesweiten Befragung die Kompetenz Brandenburgs zu bestimmten Themen abgefragt. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass das Reiseland Brandenburg bundesweit nur durchschnittlich mit dem Thema Wassersport assoziiert wird, und dies, obwohl Brandenburg mit Mecklenburg-Vorpommern die mit Abstand attraktivsten Gewässerpotenziale besitzt. Dies bedeutet, dass die wassertouristischen Marktpotenziale noch nicht im möglichen Umfang erschlossen werden bzw. positiv formuliert, dass im größeren Umfang noch Marktpotenziale vorhanden sind, die mit steigender Themenkompetenz noch weiter erschlossen werden können. ........................................................................................................................................................... 21 FH Westküste, Institut für Management und Tourismus, Destination Brand – Themenkompetenz Brandenburg 2013 © 2015 PROJECT M GmbH 43 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg 4.1 Umsätze aus dem Bootstourismus Die Berechnung der regionalwirtschaftlichen Effekte erfolgt auf Grundlage der ermittelten Durchschnittswerte bei den betrieblichen Kennziffern und den Ergebnissen der Strukturanalyse. Diese Methodik ermöglicht eine valide Bestimmung der volkswirtschaftlichen Größenordnungen, die durch den Bootstourismus ausgelöst werden. Die Ergebnisse werden zunächst differenziert für die vier Angebotsbereiche dargestellt. 4.1.1 Umsätze aus dem Charterboottourismus Direkte Umsätze aus dem Charterboottourismus resultieren im Wesentlichen aus: • • den Umsätzen aus der Vermietung der Boote und den Ausgaben der Bootsurlauber während der Bootstour. Umsätze aus der Vermietung Grundlage für die Berechnung der Umsätze aus der Vermietung sind die in der folgenden Tabelle darstellten durchschnittlichen Nachfrage- und Umsatzkennziffern. Ø Mietpreis Ø Mietpreis Ø Vermie- Ø Umsatz Anteil Um- Woche Woche tete Wo- je Boot satz in der in Euro NS in Euro chen Jahr HS 1.183 777 16,6 16.976 70 % 1.624 1.207 19,3 27.947 65 % 3.265 2.138 20,3 55.092 61 % 701 561 13,9 9.024 68 % Bootstypen und -größen HS22 Kleinere Hausboote/Motoryachten bis vier Personen Mittlere Hausboote/Motorfünf bis acht Personen Größere Hausboote/Motoryachten neun+ Personen Kleine Flöße zwei bis vier Personen ........................................................................................................................................................... 22 44 Hauptsaison Juni bis August, Nebensaison März, April, Mai, September, Oktober © 2015 PROJECT M GmbH 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg Ø Mietpreis Ø Mietpreis Ø Vermie- Ø Umsatz Anteil Um- Woche Woche tete Wo- je Boot satz in der in Euro NS in Euro chen Jahr HS 850 732 19,6 15.756 64 % 506 397 16,0 7.543 73 % 146 pro Tag 127 pro Tag 86 Tage 12.019 70 % Bootstypen und -größen HS22 Größere Flöße 5 Personen Kajütsegelyacht Motorboote ohne Schlafgelegenheit23 Tabelle 3: Durchschnittlicher Umsatz je Charterboot Quelle: eigene Berechnung auf Grundlage Ergebnisse Tiefenbefragung PROJECT M Die Umsätze aus der Vermietung berechnen sich durch die Umsätze je Boot multipliziert mit der Zahl der ermittelten Charterboote. Dies ergibt bezogen auf das Jahr folgenden Bruttoumsatz für die einzelnen Bootsgrößen und -typen: • • • • • Kleinere Hausboote/Motoryachten 7,1 Mio. Euro Mittlere Hausboote/Motoryachten 15,7 Mio. Euro Größere Hausboote/Motoryachten 8,0 Mio. Euro Kleinere Flöße 0,4 Mio. Euro Größere Flöße 1,8 Mio. Euro Tabelle 4: Jahresumsatz brutto aus der Charterbootvermietung für Berlin und Brandenburg Quelle: eigene Berechnung auf Basis Tiefenbefragung PROJECT M In der Summe erwirtschaftet die Charterbranche aus der Vermietung der Boote einen jährlichen Bruttoumsatz in Höhe von 33 Mio. Euro. Diese Summe bezieht sich ausschließlich auf Boote, die auch für mehrtägige Touren geeignet sind. Hinzu kommen noch die Umsätze aus der Tagesvermietung offener motorisierter Sportboote. Da deren Grundgesamtheit anders als für Motoryachten/Hausboote nicht bekannt ist, können die daraus resultierenden Umsätze nicht auf Berlin und Brandenburg hochgerechnet werden. Vor diesem Hintergrund sind die Umsätze aus der Bootsvermietung und damit auch die volkswirtschaftlichen Effekte für Berlin und Brandenburg insgesamt nochmal deutlich höher anzusetzen. ........................................................................................................................................................... 23 Die ermittelten Zahlen sind Orientierungswerte, da bei Tagesbooten große Spannbreite bei der Bootsgröße, Ausstattung und Mietpreis. Konkrete Informationen zu den einzelnen Booten wurden nicht abgefragt. Bei den ermittelten Tagespreisen ist aber davon auszugehen, dass es sich überwiegend um hochwertige sog. Daycruiser handelt. © 2015 PROJECT M GmbH 45 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg Umsätze aus den Ausgaben der Bootsurlauber während der Bootstour In der Bootsurlauberbefragung von 2009 wurde ermittelt, dass jeder Charterkunde durchschnittlich 24,10 Euro am Tag ausgibt. Diese Summe enthält alle Ausgaben während einer Tour (Liegeplatz, Gastronomie, Einzelhandel sowie Kultur und Freizeiteinrichtungen in den Anrainerorten), nicht aber die Anreise und die Bootsmiete. Unter Berücksichtigung der gestiegenen Preise laut Verbraucherindex ist für 2014 von einem Betrag in Höhe von 26 Euro auszugehen. Grundlage der Berechnung bilden die ermittelten jährlichen 730.000 Personentage, die aus der Vercharterung der Boote resultieren. Da gerade Bootsurlauber, die im nördlichen Brandenburg ein Boot gechartert haben, Teile ihrer Bootstour auch in Mecklenburg-Vorpommern verbringen, fließen die daraus resultierenden Tagesausgaben nicht nach Brandenburg. Da aber andersherum auch viele Charterboote aus Mecklenburg-Vorpommern im nördlichen Brandenburg unterwegs sind, dürfte sich dies mehr oder weniger ausgleichen. Im Ergebnis wird ein Bruttoumsatz in Höhe von etwa 19 Mio. Euro im Jahr bewirkt, der in den Anrainergemeinden zu Umsätzen bzw. Einnahmen bei den dortigen Gewerbe- und Kulturbetrieben führt und damit zu einer lokalen bzw. regionalen Wertschöpfung. Es sei nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die 19 Mio. Euro ausschließlich aus dem kommerziellen Bootschartertourismus mit Booten resultieren. die für mehrtägige Touren geeignet sind. Ausgaben von Bootsfahrern, die mit einem offenen Mietboot eine Tagesfahrt unternehmen und in diesem Rahmen ebenfalls Ausgaben an Land24 tätigen, sind zusätzlich zu berücksichtigen. Die Umsätze aus dem Bootstourismus sind insgesamt noch einmal deutlich höher, da die Ausgaben der vielen Bootsurlauber, die mit eigenem Boot unterwegs sind, noch hinzukommen. Da davon auszugehen ist, dass deutlich mehr Eigner- als Charterboote auf den Gewässern in Berlin und Brandenburg unterwegs sind, dürfte der Gesamtumsatz aus den Ausgaben motorisierter Wasserwanderer während ihrer Bootstour insgesamt noch erheblich höher anzusetzen sein und damit im Ergebnis weit über die 19 Mio. Euro nur aus dem Chartertourismus hinausgehen. ........................................................................................................................................................... 24 46 Diese Ausgaben wurden in der Bootsurlauberbefragung 2009 nicht erfasst. © 2015 PROJECT M GmbH 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg 4.1.2 Umsätze aus dem Kanutourismus Für den Kanutourismus ergeben sich ebenso wie im Charterboottourismus Umsätze aus der Vermietung der Boote und den Ausgaben der Kanuten während der Kanutour. Umsätze aus der Vermietung Grundlage für die Berechnung der Umsätze aus der Vermietung sind die folgenden in der Tiefenbefragung ermittelten Kennziffern: Ø Mietpreis Ø Mietpreis Ø Vermietete Ø Umsatz je Anteil Um- Tag HS Tag NS Tage im Jahr Boot/Jahr satz HS 29,00 26,00 76,8 2.145 67 % Kanu Tabelle 5: Durchschnitt (Ø) Jahresumsatz brutto je Kanu Quelle: eigene Berechnung auf Grundlage Tiefenbefragung PROJECT M In der Sekundäranalyse wurde für Berlin und Brandenburg eine Gesamtzahl von 3.526 Kanus in der Vermietung ermittelt. In der Summe bewirkt die Vermietung von Kanus einen Umsatz in Berlin und Brandenburg in Höhe von 7,6 Mio. Euro brutto. Ausgaben der Kanuten während der Kanutour Die in der Bootsurlauberbefragung von 2009 ermittelten Tagesausgaben von Kanuten liegen mit 20,20 Euro nur unwesentlich unter denen der Charterurlauber. Unter Berücksichtigung des Preisanstiegs ist für die aktuelle Berechnung von 22 Euro Tagesausgaben auszugehen. Um die volkswirtschaftliche Größenordnung zu ermitteln, muss dieser Wert mit der Anzahl der ermittelten Personentage im Jahr multipliziert werden. Dies führt zu einem Gesamtumsatz für Berlin und Brandenburg durch „Mietkanuten“ in Höhe von 13 Mio. Euro im Jahr. Abweichend zum Charterboottourismus profitieren auch Beherbergungsanbieter von Kanuten (v. a. Campingplätze), dafür aber weniger die Sportboothäfen. In den 13 Mio. Euro sind die Ausgaben der Kanuten, die mit eigenem Kanu unterwegs sind, nicht enthalten 25, so dass der daraus resultierende Umsatz hier nicht ermittelt werden kann. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass der Gesamtumsatz durch alle Kanuten deutlich über dem für Mietkanuten ermittelten Umsatz von 13 Mio. Euro liegt. ........................................................................................................................................................... 25 Anzahl/Markvolumen ist nicht bestimmbar. Zudem ist unbekannt, wie häufig Kanuten in Berlin und Brandenburg mit eigenem Kanu eine Kanutour unternehmen. © 2015 PROJECT M GmbH 47 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg 4.1.3 Umsätze aus der Fahrgastschifffahrt Da eine Tour mit dem Fahrgastschiff anders als eine Tour mit dem Charterboot oder dem Kanu überwiegend eine tagestouristische Aktivität ist und damit „nur“ ein Programmpunkt von mehreren Tagesaktivitäten während eines Urlaubs (Sekundärmarkt Urlauber) bzw. eines Ausflugs (Primärmarkt Einwohner), fallen in der Regel keine landseitigen Umsätze an, die ursächlich im Zusammenhang mit der Schiffstour stehen. Umsätze in der Fahrgastschifffahrt entstehen aus den Ausgaben der Passagiere für die Schiffstour. Auf Grundlage der Tiefenbefragung wurden folgende Kennziffern ermittelt: • • Fahrgastschiff: Jährlicher durchschnittlicher Umsatz je Boot 350.000 Euro Durchschnittlicher Erlös pro Passagier in Fahrgastschifffahrt 21 Euro In der Summe ergibt sich auf Basis der 180 in der Sekundäranalyse ermittelten Fahrgastschiffe ein Gesamtbruttoumsatz von 63 Mio. Euro, der sich auf 41 Mio. Euro in Berlin und 22 Mio. Euro in Brandenburg verteilt. 4.1.4 Umsätze in Sportboothäfen aus der Liegeplatzvermietung In Auswertung der Tiefenbefragung wurde für die gewerblichen Häfen folgende Nachfrageund Umsatzkennziffern ermittelt: Dauerliegeplätze Gastliegeplätze Winterstellplätze Halle Ø Auslastung Ø Auslastung Ø Umsatz je Hafen Ø Umsatz je Liege- HS NS im Jahr platz im Jahr 86 % 86 % 120.600 Euro 1.647 Euro 62 % 27 % 20.700 Euro 1.580 Euro 95 % Nicht relevant 9.674 Euro -- 79 % Nicht relevant 18.762 Euro -- Winterstellplätze Freifläche Tabelle 6: Kennziffern Auslastung und Umsatz in gewerblichen Häfen Quelle: eigene Berechnung auf Grundlage Tiefenbefragung PROJECT M 48 © 2015 PROJECT M GmbH 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg Aus der Vermietung der Dauerliegeplätze resultiert für Berlin und Brandenburg ein jährlicher Bruttoumsatz in Höhe von 15,2 Mio. Euro26, aus der Gastliegeplatzvermietung in Höhe von 3,2 Mio. Euro. Für die Hochrechnung auf Berlin und Brandenburg können die Umsätze aus den Gastliegeplätzen nicht herangezogen werden, da diese zum Teil bereits bei den Ausgaben der Bootsurlauber während ihrer Tour berücksichtigt wurden. Insgesamt erwirtschaften Häfen einen deutlich höheren Umsatz als die 15,2 Mio. aus der Dauerliegeplatzvermietung und zwar zusätzlich aus: • • • den Gastliegeplatzeinnahmen durch Eignerboote 27, Umsätzen aus der Winterlagervermietung28 und weiteren bootsbezogenen Leistungen wie u. a. Kranen, Mastenlager, Boots- und Werftservice. Außerdem wurde in der Breitenbefragung ermittelt, dass 57 % der kommerziellen Häfen eine touristische Ausrichtung haben und damit Umsätze aus den touristischen Angeboten (Gastronomie, Unterkünfte usw.) erzielen. Bei Häfen, die zusätzlich zu den bootsspezifischen Leistungen noch ein Gastronomieangebot aufweisen, liegt laut Tiefenbefragung allein der Umsatzanteil aus der Gastronomie bei 38 %. Bei Sportboothäfen mit starker landseitiger touristischer Ausrichtung einschließlich eines Übernachtungsangebots beträgt der Umsatzanteil für touristische Dienstleistungen 53 % und ist damit größer als der Umsatz aus den klassischen Hafendienstleistungen. Abbildung 36: Umsatzbereiche Sportboothäfen Quelle: eigene Darstellung PROJECT M ........................................................................................................................................................... 26 27 28 9.239 Liegeplätze in der Dauervermietung und 2.022 Gastliegeplätze Quelle Strukturanalyse Diese lassen sich aufgrund der nicht vorliegenden Anzahl an Personentagen durch Eignerboote nicht valide ermitteln. Da die Gesamtfläche für Winterlager in Berlin und Brandenburg (Grundgesamtheit) nicht bekannt ist, kann der daraus durchschnittlich pro Betrieb ermittelte Umsatz nicht auf Berlin und Brandenburg hochgerechnet werden. © 2015 PROJECT M GmbH 49 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg 4.2 Wirtschaftliche Effekte für die 2. Umsatzstufe Effekte für die 2. Umsatzstufe also für nachgelagerte Betriebe und Branchen resultieren aus: • • Fremdleistungen zur Betreibung der Geschäfte, die extern an Dritte vergeben werden und aus Investitionen in die Bootsflotten und in die Hafeninfrastruktur. 4.2.1 Regionalwirtschaftliche Effekte aus der Betreibung Die Branche ist durch einen hohen Vernetzungsgrad mit anderen Branchen gekennzeichnet, da Leistungen, die von den Betreibern selbst nicht erbracht werden (können), an externe Unternehmen vergeben werden. Sofern diese in Berlin oder Brandenburg ansässig sind, führt dies hier zu weiteren regionalwirtschaftlich wirksamen Umsätzen im Dienstleistungsgewerbe, im Handwerk oder Handel. Mit den Ausgaben, die an Betriebe gehen, die ihren Betriebssitz in anderen Bundesländern oder sogar im Ausland haben, ist für Berlin und Brandenburg keine regionale Wertschöpfung verbunden. Um die wirtschaftlichen Effekte dieser sogenannten zweiten Umsatzstufe berechnen zu können, muss die Regionalisierungsquote bekannt sein, die angibt, welcher Anteil der Gesamtausgaben an Betriebe in Berlin und Brandenburg fließt. Im Rahmen der Breitenbefragung wurden für alle vier Angebotsbereiche die durchschnittlichen Regionalisierungsquoten erfasst: • • • • Charter 92 % Kanu 97 % Fahrgastschifffahrt 97 % Häfen 95 % Wie die Zahlen überaus deutlich machen, profitieren von den externen Betriebsausgaben fast ausschließlich Betriebe in Berlin und Brandenburg. Dies gilt mehr oder weniger für alle untersuchten Angebotsbereiche gleichermaßen. Auf Grundlage der in der Tiefenbefragung ermittelten Investitionssummen und der Regionalisierungsquoten wurden folgende für Berlin-Brandenburg relevante regionalwirtschaftliche Umsätze ermittelt: 50 © 2015 PROJECT M GmbH 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg Angebotsbereich Regionalisierungsquote Regionalwirtschaftlicher Beitrag (Bruttobetrag) Charterboottourismus 92 % 6,5 Mio. Euro Kanutourismus 95 % 0,6 Mio. Euro Fahrgastschifffahrt 97 % 21,2 Mio. Euro Sportboothäfen 97 % 2,0 Mio. Euro Summe/Jahr (gerundet) ca. 30 Mio. Euro Tabelle 7: Regionalwirtschaftliche Effekte aus dem Geschäftsbetrieb Quelle: eigene Berechnung auf Grundlage Tiefenbefragung PROJECT M Aus den jährlichen Betriebskosten resultieren in der Summe jährliche Ausgaben für Fremdleistungen von gut 30 Mio. Euro brutto, die bei Unternehmen aus Berlin und Brandenburg zu weiteren Einnahme- und Beschäftigungseffekten führen. 4.2.2 Regionalwirtschaftliche Effekte aus den Investitionen Was auf die Betreiberkosten zutrifft, gilt auch für die Investitionen. Nicht alle Ausgaben im Zusammenhang mit den Investitionen fließen an Berliner oder Brandenburger Betriebe. Wie bei den Betreiberkosten wurde deshalb auch bei den Investitionen zunächst die durchschnittliche Regionalisierungsquote ermittelt: • • • • Charter 43 % Kanu 57 % Fahrgastschiff 48 % Häfen 78 % Die in der Tiefenbefragung ermittelten Gesamtinvestitionen werden wie bei den Betriebskosten anhand der Regionalisierungsquote auf den anteilig in Berlin und Brandenburg verbleibenden Umsatz umgerechnet. © 2015 PROJECT M GmbH 51 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg Angebotsbereich Regionalisierungsquote Regionalwirtschaftlicher Beitrag (Bruttobetrag) Charterboottourismus 43 % 562.000 Euro Kanutourismus 48 % 64.000 Euro Fahrgastschifffahrt 57 % 9,8 Mio. Euro Sportboothäfen 78 % 3,5 Mio. Euro Summe/Jahr (gerundet) ca. 14 Mio. Euro Tabelle 8: Regionalwirtschaftlicher Beitrag aus Investitionen Quelle: eigene Berechnung auf Grundlage Tiefenbefragung Aus den Investitionen in die Boots- und Schiffsflotte und die Hafeninfrastruktur resultieren jährliche Ausgaben von fast 14 Mio. Euro brutto, die zu Einnahmen bei weiteren Betrieben in Berlin und Brandenburg führen. Die höchste Regionalisierungsquote ist für Sportboothäfen festzustellen. Anders als bei Sportbooten kann offensichtlich für die Investitionen in die Hafeninfrastruktur zum Großteil auf Fachfirmen mit Sitz in Berlin und Brandenburg zurückgegriffen werden. Bei Charterbooten und Kanus fließen etwas mehr als die Hälfte der Investitionen an Betriebe mit Firmensatz außerhalb von Berlin und Brandenburg. Dies gilt insbesondere für Charterboote. 31 % der Charterbootinvestitionen gehen laut Breitenbefragung an ausländische Betriebe vor allem aus den Niederlanden und Polen. 52 © 2015 PROJECT M GmbH 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg 4.3 Gesamtbetrachtung wirtschaftliche Effekte aus dem Bootstourismus 4.3.1 Umsätze aus dem Bootstourismus Die kommerzielle Bootstourismusbranche hat sich zu einer bedeutenden wirtschaftlichen Säule mit einem jährlichen Gesamtbruttoumsatz von fast 200 Mio. Euro entwickelt. 70.000.000 60.000.000 jährliche Bruttoumsätze 50.000.000 Umsatz aus Ausgaben der Bootscharterkunden 40.000.000 30.000.000 Umsatz aus Bootsvermietung 20.000.000 Umsatz aus Ausgaben der Kanuurlauber 10.000.000 Umsatz aus Kanuvermietung 0 Fahrgast Charter Kanu gewerbliche Häfen Umsatz 63.000.000 52.000.000 20.600.000 15.200.000 Investitionen 9.800.000 562.000 64.000 3.500.000 Kosten an Dritte 21.200.000 6.500.000 608.000 2.100.000 Abbildung 37: Jährlicher Gesamtbruttoumsatz aller vier Angebotssegmente in Berlin und Brandenburg Quelle: eigene Berechnung auf Grundlage Tiefenbefragung PROJECT M Den Hauptanteil am Umsatz machen mit 77 % die direkten Ausgaben der Kunden im Zusammenhang mit der Boots- bzw. Schiffstour aus (Mietkosten Boot, Ausgaben während der Tour, Ausgaben für Ticket und ggf. Gastronomie für Tour mit Fahrgastschiff, Liegeplatzgebühren). Die Fahrgastschifffahrt ist bedingt durch das größte Marktvolumen und die überdurchschnittlich hohen Investitions- und Betriebskosten das umsatzstärkste Angebotssegment. Beim Vergleich der Angebotssegmente untereinander ist allerdings zu beachten, dass in der Summe im Charter- und Kanutourismus die Ausgaben im Zusammenhang mit den Eignerbooten (Motorboot und Kanu) hinzukommen (siehe Gliederungspunkt 3.1 + 3.2). Auch die Umsätze bei den Häfen sind faktisch deutlich höher, da in der Summe von 15,2 Mio. nur die Umsätze aus der © 2015 PROJECT M GmbH 53 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg Liegeplatzvermietung enthalten sind und keine Umsätze aus weiteren Dienstleistungen (siehe Gliederungspunkt 3.4). In der Summe erwirtschaften die Sportboothäfen deshalb einen deutlich höheren Umsatz, als die in der Grafik dargestellten 21 Mio. Euro. Fazit: Der Gesamtbruttoumsatz von 200 Mio. Euro unterstreicht die hohe Bedeutung des Bootstourismus als Wirtschaftsfaktor für Berlin und Brandenburg. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, als diese Summe insgesamt noch deutlich höher ausfällt, da noch folgende, in den 200 Mio. Euro nicht enthaltene Umsatzbereiche hinzukommen: • • • Die Ausgaben der zahlreichen Eigner (Motorboot und Kanu) während ihres Bootsurlaubes Die Umsätze durch die Tagesvermietung offener Motorboote, Segeljollen, Freizeitboote Die Umsätze aus über die Liegeplatzvermietung hinausgehenden bootsspezifischen und touristischen Dienstleistungen in den Häfen • Die Umsätze durch Liegeplatzvermietung in den wassertouristisch ausgerichteten Wassersportvereinen + € Umsatz aus den Ausgaben der … Bootseigner während ihrer Bootstour + € Umsatz aus Hafendienst… leistungen Umsatz 200 Mio. Euro aus gewerblichem Bootstourismus, Häfen und Fahrgastschifffahrt + € Umsatz in Vereinen aus Liegeplatzvermietung + € Umsatz aus der Tagesvermietung Sport- und Freizeitboote Abbildung 38: Alle Umsatzbereiche Bootstourismus Quelle: eigene Darstellung PROJECT M 54 © 2015 PROJECT M GmbH 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg 4.3.2 Beschäftigungseffekte aus dem Bootstourismus Die Umsätze aus dem Bootstourismus führen zu Beschäftigungseffekten bei den Anbieterbetrieben. Diese stellen sich differenziert für die vier Angebotsbereiche wie folgt dar: • • • • Charterbetrieb: Ø 5,2 Mitarbeiter, davon 2,1 Mitarbeiter saisonal Kanubetrieb: Ø 3,8 Mitarbeiter, davon 1,8 Mitarbeiter saisonal Fahrgastschifffahrtsanbieter: Ø 7,7 Mitarbeiter, davon 5,5 Mitarbeiter saisonal Hafenbetreiber: Ø 4,6 Mitarbeiter, davon 0,6 Mitarbeiter saisonal Bedingt durch die stark saisonal geprägte Ausrichtung des Bootstourismus ist es vielen Betrieben nicht möglich, den für den Sommerbetrieb erforderlichen Mitarbeiterstand ganzjährig zu beschäftigen. Angebotssegmentübergreifend liegt der Anteil der ganzjährig beschäftigten Mitarbeiter bei 60 %. Vor allem die Häfen beschäftigen den Großteil ihrer Mitarbeiter ganzjährig. Hochgerechnet auf die Grundgesamtheit ergibt sich für die Branche insgesamt eine Mitarbeiterzahl von gut 2.100 Beschäftigten, davon etwa zwei Drittel in Vollzeit und ein Drittel in Teilzeit. Differenziert für die vier Angebotsbereiche ergibt sich folgende Verteilung: 20% 35% 23% 22% Charter Kanu Fahrgast Sportboothafen Sportoothafen Abbildung 39: Verteilung Beschäftigte nach Angebotsbereichen Quelle: Breitenbefragung PROJECT M © 2015 PROJECT M GmbH 55 4. Wirtschaftliche Potenziale des Bootstourismus für Berlin und Brandenburg Die höchsten Beschäftigungseffekte bewirken die Sportboothäfen, die mit insgesamt etwa 735 Mitarbeitern gut ein Drittel der Beschäftigten in der Branche stellen. Anteilmäßig liegen die drei anderen Angebotsbereiche alle in einer ähnlichen Größenordnung. Die Gesamtzahl von gut 2.100 Mitarbeitern bildet die tatsächliche Beschäftigungswirkung allerdings nur ungenau ab, da die Branche durch ihren hohen Vernetzungsgrad auch indirekte Beschäftigungseffekte in den nachgelagerten Branchen auslöst. Tatsächlich sind deshalb die Beschäftigungseffekte durch den Bootstourismus um einiges höher, als dies mit der Zahl von 2.100 Beschäftigten zum Ausdruck kommt. Zu beachten ist auch, dass der Bootstourismus, gerade in den zum Großteil sehr strukturschwachen Gewässerregionen, eine wichtige Funktion für den Erhalt bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen erfüllt. 56 © 2015 PROJECT M GmbH 5. Wirtschaftliche Potenziale des Wassertourismus insgesamt 5. Wirtschaftliche Potenziale des Wassertourismus insgesamt Der Wassertourismusmarkt ist weitaus größer als der reine Bootstourismusmarkt und umfasst wie unter Gliederungspunkt 1.1 dargestellt weit mehr Angebotssegmente, wie z. B. die Flusskreuzfahrt, den Tauchtourismus, die weitere Umsätze bewirken, die wiederum zu Einkommens- und Beschäftigungseffekten führen. Die wirtschaftlichen Effekte aus dem Wassertourismus sind deshalb um ein Vielfaches höher als aus dem Bootstourismus. Der Bootstourismus bildet den Kern des Wassertourismus und ist bildlich gesprochen der „wassertouristische Anker“, der umfangreiche wirtschaftliche Effekte in der gesamten Wassersportbranche und damit verbundener landseitiger Branchen auslöst. Abbildung 40: Wirtschaftliche Folgeeffekte durch Gewässererschließung Quelle: eigene Darstellung: PROJECT M © 2015 PROJECT M GmbH 57 5. Wirtschaftliche Potenziale des Wassertourismus insgesamt Durch die Schaffung der infrastrukturellen und befahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine wassertouristische Nutzung werden weitreichende wirtschaftliche Effekte bewirkt. Die Einkommens-und Beschäftigungseffekte durch den Bootstourismus sind damit um ein vielfaches höher als für die hier untersuchten Segmente Chartertourismus, Kanutourismus, Sportboothäfen und Fahrgastschifffahrt. • In einer ersten Umsatzstufe werden privatwirtschaftliche Investitionen direkt durch den Bootstourismus ausgelöst. Seit 1990 sind in Berlin und Brandenburg 375 Unternehmen (129 Häfen, 75 Charterbetriebe, 120 Kanuanbieter, 51 Fahrgastschifffahrtsbetriebe) in der Bootstourismusbranche entstanden oder haben in den Bootstourismus neu investiert (Quelle Breitenbefragung). Mit einem Anteil von 95 % hat die große Mehrheit ihren Geschäftssitz in Berlin und Brandenburg und ist damit in der Region stark verwurzelt. • Der Bootstourismus löst in der Folge weitere Umsätze in der gesamten Wassersportbranche aus. Dazu zählen vor allem Bootshandel und -zubehör und alle Dienstleistungen, die aus der Betreibung der Boote und der Betriebsstandorte resultieren sowie auch der wettkampfbezogene Bootssport. So werden durch Wassersportveranstaltungen wassertouristische und damit wirtschaftliche Effekte ausgelöst, da viele Regattateilnehmer und deren Begleiter ihren Wohnsitz nicht am Standort der Sportveranstaltung haben. • Die Umsätze aus dem Bootstourismus gehen aber weit über die Wassersportbranche hinaus. Der Bootstourismus bewirkt weitere Umsätze in landseitige Branchen wie Gastronomie, Übernachtungsgewerbe, Baugewerbe, Einzelhandel u. v. m. Von den Investitionen in die Gewässererschließung und in den Bootstourismus profitieren zahlreiche Betriebe, die ihren eigentlichen Geschäftsschwerpunkt nicht im Wassertourismus haben. Neben den monetären Effekten aus erster und zweiter Umsatzstufe bewirkt der Bootstourismus auch zahlreiche weitere monetär nicht messbare wirtschaftliche Effekte: • Der Bootstourismus ist nicht nur Besuchsanlass, sondern birgt als Kommunikationsanlass sehr hohe Image- und Profilierungspotenziale für Brandenburg und Berlin. • Wassertouristische Attraktionspotenziale steigern den Freizeitwert und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit gerade des ländlichen Raums. • Jeder 5. Chartergast verbindet laut Bootsurlauberbefragung 2009 seinen Bootsurlaub mit einem landgebundenen Aufenthalt unmittelbar im Anschluss oder vor der Bootstour (Ergebnis Bootsurlauberbefragung 2009). • Viele Bootsurlauber verbringen aufgrund ihrer positiven Erfahrungen während ihres Bootsurlaubs zeitlich nachgelagert noch einen landgebundenen Urlaub in Berlin und Brandenburg z. B. einen Radurlaub. Über die Hälfte der Bootsurlauber in Brandenburg hat in der Befragung von 2009 angegeben, dass sie sich vorstellen können, nach dem 58 © 2015 PROJECT M GmbH 5. Wirtschaftliche Potenziale des Wassertourismus insgesamt Bootsurlaub einen landgebundenen Urlaub in der Region durchzuführen (25 % der Kanuten und 27 % der Motorbooturlauber sogar auf jeden Fall). Fazit: Aus den Erkenntnissen dieser Studie kann im Rückblick der letzten 25 Jahre in regionalwirtschaftlicher Sicht ein überaus positives Fazit gezogen werden. Öffentliche und private Investitionen im Wasser-Bootstourismus haben sich für Berlin und Brandenburg unzweifelhaft gelohnt, der Wassertourismus hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt. Gerade in den überwiegend strukturschwachen, stark ländlich geprägten Gewässerräumen erfüllt der Bootstourismus eine tragende Funktion als wirtschaftliche Säule. Von den Branchenumsätzen profitieren nicht zuletzt auch die öffentlichen Gebietskörperschaften durch das aus den Umsätzen resultierende Steueraufkommen. © 2015 PROJECT M GmbH 59 6. Herausforderungen für die Branche 6. Herausforderungen für die Branche Die Entwicklungsperspektiven des Bootstourismus in Berlin und Brandenburg stellen sich zunächst durchweg positiv dar. Die optimistische Grundstimmung und Markt- bzw. Nachfrageerwartungen in der Branche sprechen für ein Anhalten des bisherigen Wachstumskurses. Ob und in welchem Umfang die guten Marktpotenziale auch erschlossen werden können, hängt aber maßgeblich von den Rahmenbedingungen sowohl für die regionale als auch betriebliche Ebene ab. Bei allem Branchenoptimismus sind mehrere Hemmnis- und Risikofaktoren für die weitere Entwicklung des Wassertourismus in Berlin und Brandenburg nicht zu übersehen, auf die im Folgenden genauer eingegangen werden soll: Mögliche Auswirkungen auf den Bootstourismus aus der geplanten Wasserstraßenreform des Bundes Die bislang bekannten Reformvorstellungen des Bundes für die künftige Betreibung und Finanzierung der Bundeswasserstraßen birgt für den Boots- und Wassertourismus erhebliche Risiken. Jeder zweite Betrieb der Fahrgastschifffahrt hat in der Befragung zum Ausdruck gebracht, dass diese Reformvorstellungen die Geschäftsaussichten maßgeblich beeinträchtigen, bei den Häfen und den Bootscharterbetrieben sagen dies fast 40 % der Anbieter. Eine Bemessung des finanziellen Engagements des Bundes ausschließlich anhand der Gütertonnage und die daraus resultierende geplante Klassifizierung in Gewässer mit Bedeutung für die Güterschifffahrt und „Sonstige Wasserstraßen “ berücksichtigt nicht die veränderte wirtschaftliche Bedeutung der Gewässer durch die touristische Schifffahrt. Wenn die Reform dazu führen sollte, dass auf Gewässern ohne Güterschifffahrt künftig keine Bundesmittel mehr für den Erhalt von Schleusen zur Verfügung stünden, ist die Gefahr groß, dass früher oder später baufällige Schleusen geschlossen werden müssen. Der dauerhafte Erhalt einer durchgängigen Befahrbarkeit der für die touristische Schifffahrt nutzbaren Gewässer ist aber Grundvoraussetzung, um die ermittelten wassertouristischen Marktpotenziale tatsächlich auch erschließen zu können. Sollte auch nur eine Schleuse auf den wassertouristischen Hauptgewässern in Berlin und Brandenburg geschlossen werden, führt das nicht nur dazu, dass die beschriebenen Marktpotenziale nicht genutzt werden können, sondern es wäre für viele der in der näheren und auch weiteren Umgebung angesiedelten Häfen, Bootscharterund Fahrgastschifffahrtsbetriebe existenzbedrohend. Nicht außer Betracht gelassen werden darf dabei auch, dass diese Betriebe vielfach mehrere Angebotsbereiche bedienen und teilweise auch der öffentlichen Daseinsvorsorge dienen. Sollte der touristische Bereich nicht mehr tragfähig sein, wäre auch das „Nachbarschaftsangebot“ bedroht – mit negativen Folgen für die dortige Lebensqualität. 60 © 2015 PROJECT M GmbH 6. Herausforderungen für die Branche Der Erhalt der wirtschaftlichen Potenziale des Wassertourismus ist, wie die Zahlen dieser Studie untersetzen, nicht nur im ureigensten Interesse der Anbieter, sondern auch der beiden Länder Berlin und Brandenburg. Personalausstattung Eine weitere Unsicherheit für die Branchenentwicklung ist die schwierige Personalsituation. Wie die Anbieter in der Breitenbefragung zum Ausdruck gebracht haben, wird es zunehmend problematisch, in ausreichender Zahl geeignetes Personal zu finden. Die Gründe hierfür liegen zum einen in der nach Meinung vieler Anbieter häufig fehlenden Qualifikation und zum anderen in den branchenspezifischen Arbeitsbedingungen. Dies gilt im Besonderen für die Fahrtgastschifffahrt. 89 % der befragten Betriebe geben an, dass die Personalfrage ein Problem darstellt, für 58 % stellt die Mitarbeitersituation sogar ein erhebliches Problem dar. Auch in den anderen drei Segmenten wird die Personalsituation kritisch bewertet. Bei den Häfen und Kanuanbietern sagt dies etwa jeder zweite Anbieter, bei den Charterbetrieben sind dies fast 60 %. Die Branche sieht sich selbst vor der Herausforderung, künftig ausreichend (qualifiziertes) Personal zu finden. Abbildung 41: Personalprobleme Quelle: Breitenbefragung PROJECT M © 2015 PROJECT M GmbH 61 6. Herausforderungen für die Branche Infrastruktur- und Angebotsdefizite Wie die Befragung der Bootsurlauber 2009 ergeben hat, ist das Hauptmotiv für einen Bootsurlaub in Berlin und Brandenburg mit großem Abstand die herausragende Natur und Gewässerlandschaft. Die Infrastrukturausstattung entlang der Gewässer ist zwar kein Besuchsanlass, wenn diese aber nicht stimmt, besteht die Gefahr, dass Bootsurlauber ausbleiben bzw. die möglichen Potenziale nicht konsequent erschlossen werden können. Insoweit sind Quantität und Qualität der wassertouristischen Infrastruktur ein zentraler Erfolgsfaktor für die weitere Wassertourismusentwicklung in Berlin und Brandenburg. Vor diesem Hintergrund wurden in der Breitenbefragung Charterbootanbieter nach ihrer Bewertung der Quantität und Qualität der Anlegersituationen in den vier definierten Gewässerregionen anhand von Schulnoten von eins bis fünf gefragt. Quantität Berlin 12% 19% Nord 4% West 19% 50% 15% Süd-Ost 6% sehr gut 35% 38% 31% 18% 27% 8% 15% 41% gut 15% 12% 35% befriedigend schlecht sehr schlecht Qualität Berlin 13% Nord West 42% 48% 8% 29% sehr gut gut 17% 43% 40% 6% Süd-Ost 29% 32% 41% befriedigend 9% 8% 12% 24% schlecht sehr schlecht Abbildung 42: Beurteilung Quantität und Qualität der Anlegesituation, n = 71 Quelle: Breitenbefragung PROJECT M 62 © 2015 PROJECT M GmbH 6. Herausforderungen für die Branche Das Ergebnis zeigt deutlich, dass es aus Sicht der Anbieter nach wie vor einen erheblichen Optimierungsbedarf gibt – sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Während die Infrastruktursituation im nördlichen und westlichen Brandenburg im Großen und Ganzen noch gut bis befriedigend beurteilt wird, fällt die quantitative Bewertung für Berlin und Brandenburg Süd-Ost deutlich schlechter aus. Jeder zweite Anbieter in Berlin und jeder dritte Anbieter in der Region Süd-Ost beurteilt die dortige Anlegesituation als schlecht. Auch in qualitativer Hinsicht schneidet Berlin am schlechtesten ab. Für die insgesamt negative Einschätzung wurden mehrere Gründe genannt, allen voran das Fehlen von Rast- und Pausenplätzen als ergänzendes Angebot zu den Häfen. Diese Kritik wurde im Übrigen auch bei der 2009er Bootsurlauberfragung häufiger von den Bootstouristen selbst genannt. Deren Bewertung der Infrastruktur fiel ansonsten aber deutlich weniger kritisch als durch die Anbieter aus. Offensichtlich sehen die Anbieter die Situation berufsbedingt deutlich kritischer als die Nutzer selbst. Als Problem wurden mehrfach auch zu kleine Liegeplätze genannt. Dieses Problem erklärt sich in erster Linie durch die neuen Bootstypen „Flöße und schwimmende Ferienhäuser“, deren Abmessungen durch deren besondere Bauform für die meisten Liegeplätze nicht passfähig sind. Analog der Bootscharterbetriebe wurden im Rahmen der Breitenbefragung auch die Kanuanbieter gebeten, die Anlegesituation für Kanuten zu bewerten. Aufgrund geringer Fallzahlen lassen sich für Brandenburg lediglich Tendenzen erkennen, für Berlin können keine Aussagen getroffen werden. Im Vergleich zum motorisierten Bootstourismus bewerten die Kanuanbieter die Anlegesituation entlang der Gewässer etwas weniger kritisch. Gleichwohl fällt auch die Bewertung der kanutouristischen Anlegesituation insgesamt wenig positiv aus. Rund ein Drittel der Kanuanbieter bewertet die Anzahl an Liegeplätzen in Brandenburg SüdOst als schlecht oder sogar sehr schlecht, im nördlichen Brandenburg jeder fünfte Anbieter. Auch in qualitativer Hinsicht gibt es aus Sicht der Branche Optimierungsbedarf. Insgesamt liegen die Hauptgründe für die kritische Bewertung in den häufig für Kanuten zu niedrigen Steganlagen und fehlenden Rast- und Pausenplätzen. Fazit: Aus Sicht der Branche besteht weiterer Handlungsbedarf für einen Ausbau bzw. Qualifizierung der Anlegesituation. Diese Einschätzung ist gerade mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit nachvollziehbar, da eine Infrastrukturausstattung, wie sie in den arrivierten Bootsurlaubsregionen in Europa wie den Niederlanden oder auch Irland vorhanden ist, von Berlin und Brandenburg nach wie vor nicht erreicht wird. Dies gilt im besonderen Maße für naturnahe Pausen- und Rastplätze außerhalb von Ortslagen. Für den Kanutourismus sieht auch die aktuelle Evaluierung des Wassersportentwicklungsplans Brandenburgs Nachholbedarf. Grundsätzlich hat aber die Bootsurlauberbefragung von 2009 aufgezeigt, dass die Infrastrukturausstattung in Brandenburg aus Nutzersicht kein gravierendes Problem darstellt. Die Schlussfolgerung, nicht weiter in den Ausbau der Infrastruktur zu investie- © 2015 PROJECT M GmbH 63 6. Herausforderungen für die Branche ren, wäre allerdings gerade auch vor dem Hintergrund der im internationalen Vergleich allenfalls durchschnittlichen Infrastrukturausstattung die falsche Sicht. Eine weitere Förderung der wassertouristischen Infrastruktur durch Land und Gebietskörperschaften ist deshalb für die Erschließung der Wassertourismuspotenziale auch weiterhin unverzichtbar. Probleme und Defizite aus Sicht der Anbieter Im Rahmen der Tiefenbefragung hatten alle Anbieter die Möglichkeit, im Rahmen einer offenen Frage Kritikpunkte zu benennen. Dies wurde so gut wie von fast allen Anbietern auch wahrgenommen. Im Ergebnis sind aus Sicht der Anbieter folgende mehrfach genannte Problempunkte festzustellen: • Die Branchenentwicklung wird erschwert durch Überregulierung und häufig zeit- und kostenintensive Genehmigungsverfahren. Jeder dritte Anbieter moniert die restriktiven, umständlichen und kostenintensiven Vorschriften und Verordnungen. • Fast jeder fünfte Anbieter klagt über die geringe Bereitschaft und negative Einstellung der Behörden für die Belange des Wassertourismus. • Kritisiert werden von mehreren Häfen die hohen Gebühren für die Nutzung der Wasserflächen. • Die häufigen Aussagen zur schlechten Anlegesituation beziehen sich überdurchschnittlich oft auf Berlin (Fahrgastschifffahrt und Sportboote). • Die Gefahr von zu vielen motorisierten Booten und einen daraus resultierenden wassertouristischen Attraktivitätsverlust wurde von mehreren Anbietern für das nördliche Brandenburg genannt (nicht nur Kanuvermieter, sondern auch Charterbetriebe und Hafenbetreiber). Für Berlin wurden von mehreren Anbietern zu viele Fahrgastschiffe in der Berliner City kritisiert. • Von mehreren Fahrgastschifffahrtsbetrieben wurde die bereits seit längerem konfliktträchtige Situation im Zusammenhang mit der Sportbootvermietungsverordnung genannt (Konflikt Fahrgastschifffahrt vs. Ausflugsschifffahrt). • Problematisch eingeschätzt wird von den Anbietern auch die Schleusensituation insbesondere im Hinblick auf nicht nachfragegerechte Öffnungszeiten und den häufig schlechten baulichen Zustand (länderübergreifend für alle Regionen). Erwartungen/Wünsche der Anbieter Ebenfalls im Rahmen einer offenen Frage konnten die Anbieter ihre Erwartungen und Wünsche für eine Optimierung der wassertouristischen Entwicklungspotenziale zum Ausdruck bringen. Die nachfolgenden Punkte sind Ausdruck der aktuellen Themendiskussionen inner- 64 © 2015 PROJECT M GmbH 6. Herausforderungen für die Branche halb der Branche. Es ist nicht Aufgabe der Studie hierzu inhaltlich Stellung zu beziehen. Die genannten Punkte sollten aber – im Interesse der wassertouristischen Entwicklung – von Politik, Verwaltungen und Tourismusorganisationen zur Kenntnis genommen werden. 1. Am häufigsten wurden konkrete standort- und gewässerbezogene Wünsche genannt. Eine Häufung für bestimmte Gewässerbereiche ist dabei nicht festzustellen. 2. Vor dem Hintergrund der Kritik an Behörden rangiert der Wunsch nach weniger behördlichen Auflagen, vereinfachten Regelungen und insgesamt einem höheren Verständnis der wassertouristischen Belange an zweiter Stelle der Wunschliste. 3. An dritter Stelle steht der Wunsch nach mehr Liegeplätzen (v. a. in Berlin, in Brandenburg außerhalb der Ortslagen). Darüber hinaus gab es mehrere Nennungen zu folgenden Punkten: • • Bessere Zusammenarbeit innerhalb der Branche Ausweitung Charterschein auf andere Reviere (Berlin Havel und Teltowkanal sowie Brandenburg West zwischen Potsdam und Brandenburg an der Havel) • • Kein weiterer Anstieg/Begrenzung der Bootsanzahl (nur Brandenburg Nord) Verbesserung der Schleusensituation (vor allem Fahrgastschifffahrt) Fazit: Die genannten Kritikpunkte und Erwartungen/Wünsche der Branche sind ein Ausdruck der aktuellen Themen und deren Diskussion innerhalb der Branche. Es ist nicht Aufgabe der Studie hierzu inhaltlich Stellung zu beziehen, wohl aber darauf hinzuweisen, dass diese Punkte auch über die Branche hinaus weiter thematisiert werden sollten. © 2015 PROJECT M GmbH 65 7. Fazit und Ausblick 7. Fazit und Ausblick Die Entwicklung des Bootstourismus in Berlin und Brandenburg ist eine Erfolgsgeschichte, die es vor dem Hintergrund der sehr guten Marktpotenziale gilt, weiter fortzuschreiben. Die Ermittlung der wirtschaftlichen Effekte zeigt, dass die Branche bereits einen hohen wirtschaftlichen Stellenwert besitzt. Die Fortsetzung des möglichen Wachstumskurses setzt voraus, dass die Rahmenbedingungen für die gewässerseitige Nutzung erhalten bleiben. Dazu zählt im besonderen Maße die Bewahrung einer durchgängigen Befahrbarkeit der Bundeswasserstraßen, die in den bisherigen Überlegungen des Bundes zur Reform der Bundeswasserstraßen als sogenannte Nebengewässer bzw. sonstige Wasserstraßen eingeordnet wurden. Wenn diese Durchlässigkeit gefährdet ist – sei es durch eine fehlende Finanzierung der dazu erforderlichen Infrastruktur oder durch befahrungsrechtliche Einschränkungen – sind die guten wassertouristischen Perspektiven und damit auch die Existenz vieler Anbieter im hohen Maße gefährdet. Bund und Länder sind gleichermaßen gefordert, die gewässerseitigen Potenziale für den Bootstourismus unbedingt zu erhalten. Dies gilt auch mit Blick auf naturschutzfachliche, ökologische Ansprüche an die Gewässernutzung. Der Erhalt der Gewässerlandschaft ist zwar auch im Eigeninteresse des Bootstourismus, darf aber nicht dazu führen, dass der (motorisierte) Wassertourismus in Frage gestellt wird. Auch vor diesem Hintergrund sind die Anbieter selbst gefordert, die Qualität ihrer Leistungen ständig weiter zu entwickeln, um den steigenden Erwartungen der Bootsurlauber an das wassertouristische Angebot gerecht werden zu können. Handlungsbedarf besteht vor diesem Hintergrund in einer stärkeren Implementierung von Qualitätssystemen wie dem Gütesiegel ServiceQualität Deutschland, dem Qualitätssiegel Kanu usw. Im Vergleich zu landseitigen Urlaubsformen ist hierfür im Wassertourismus noch Nachholbedarf zu erkennen. Anders als in der Vergangenheit kann es nicht nur um ein quantitatives Wachstum gehen, sondern der Fokus muss stärker auf ein qualitatives Wachstum gelegt werden (Qualität vor Quantität). Berlin hat eine zentrale wassertouristische Funktion als Drehscheibe und Knotenpunkt für die Gewässerregionen Brandenburgs und ist gerade im Hinblick auf die internationalen Vermarktungspotenziale ein Leuchtturm, sowohl was den Bekanntheitsgrad als auch den wassertouristischen Erlebnisfaktor betrifft. Mit dem Boot/Fahrgastschiff durch die (Kultur-)Metropole Berlin – in Verbindung mit einem Brandenburgurlaub oder Städtetrip – ist ein Qualitäts- und Alleinstellungsmerkmal, das nur die Gewässerregion Berlin und Brandenburg bieten kann. Mit dem Boot durch die Metropole Berlin respektive die Verbindung 66 © 2015 PROJECT M GmbH 7. Fazit und Ausblick eines Natururlaubes mit einem Städtebesuch ist ein Qualitäts- und Alleinstellungsmerkmal, das nur die Gewässerregion Berlin und Brandenburg bieten kann. Vor diesem Hintergrund ist es zum einen wichtig, die gewässerseitige Erlebbarkeit der Stadt weiter zu qualifizieren und zum anderen die Drehscheibenfunktion weiter zu stärken. An der Zielsetzung einer Ausweitung des Charterscheines auf die Berliner Havelgewässer und möglichst auch auf den Teltowkanal sollte deshalb beharrlich festgehalten werden. Vor allem für das Städtereiseziel Berlin ist die Fahrgastschifffahrt, wie die große Nachfrage zeigt, nicht nur ein unverzichtbarer städtetouristischer Attraktionsfaktor, sondern auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor wie die Ergebnisse dieser Studie eindrucksvoll belegen. Auch in Brandenburg leistet sie einen wichtigen Beitrag bei der wassertouristischen Nutzung der Gewässerpotenziale. Für die vielen „Landurlauber“ die ansonsten keine Möglichkeit haben, die Gewässerpotenziale zu erleben, ist die Fahrgastschifffahrt die einzige Möglichkeit, die Gewässerlandschaft Berlins und Brandenburgs kennen und schätzen zu lernen. Im Fazit der Studie ist festzuhalten, dass der Wassertourismus, speziell der Bootstourismus, weiter auf Wachstumskurs ist. Die öffentlichen und privaten Investitionen in den Wassertourismus haben sich nicht nur in regionalwirtschaftlicher Hinsicht gelohnt, sondern haben das Städtereiseziel Berlin und das Reiseland Brandenburg insgesamt attraktiver gemacht. Die hohen Profilierungs- und Marktpotenziale nicht nur zu erhalten, sondern künftig noch besser zu nutzen, sollte gerade auch vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbes eine zentrale tourismuspolitische Zielsetzung sowohl für Brandenburg als auch für Berlin sein. Berlin, 6. Juli 2015 PROJECT M Matthias Wedepohl © 2015 PROJECT M GmbH 67 Impressum Impressum Bearbeitungskonzept, inhaltliche Bearbeitung, Text und Redaktion PROJECT M GmbH Matthias Wedepohl, Jurrien Dikken www.projectm.de Durchführung der Befragung Fachhochschule Westküste Institut für Management und Tourismus Anne Köchling, Sylvia Müller, Patricia Thaden www.imt-fhw.de www.fh-westkueste.de Fachliche Beratung Tourismuskontor Heike Helmers www.tourismus-kontor.de Herausgeber Industrie und Handelskammer Potsdam federführend für das Auftraggeberkonsortium Das Projekt wurde durch das Ministerium für Wirtschaft und Energie Brandenburg finanziell unterstützt. Wir danken unseren Partnern und dem Auftraggeberkonsortium für die gute Zusammenarbeit und allen Anbietern, die sich die Mühe gemacht haben, bei den Befragungen teilzunehmen. PROJECT M ist Urheber dieses Werkes. Bei jeglicher Art der Veröffentlichung und des Zitierens dieses Werkes ist gemäß § 13 UrhG PROJECT M als Urheber zu benennen. 68 © 2015 PROJECT M GmbH IMPRESSUM Auftraggeber Industrie- und Handelskammern in Berlin und Brandenburg Ministerium für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg Wirtschaftsverband Wassersport Berlin-Brandenburg Wassersportmesse Boot & Fun Verantwortlich Industrie- und Handelskammer Potsdam Fachbereich Existenzgründung und Unternehmensförderung Breite Straße 2 a – c 14467 Potsdam Titelbilder © Filip85 – Fotolia.com © Barbara Nitsche – IHK Potsdam Druck Chromik Offsetdruck Marie-Curie-Straße 8 15236 Frankfurt (Oder) Stand Juli 2015  
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