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WirKommunalen
Praxismagazin für Politik in Stadt und Land
Zusammenleben
in der Kommune
1/17
GEMEINSAM FÜR
UNSERE KOMMUNEN
Das kommunale Praxismagazin WirKommunalen ist eine Plattform
für alle Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker und bietet
Information, Orientierung, Anreiz und Wertschätzung für das kommunale
Engagement.
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Praxism
1/16
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2/16
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2
WirKommunalen 1/17
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
wir haben neue Nachbarn. Knapp 300.000 Menschen sind 2016 nach Deutschland
geflüchtet. 2015 war die Zahl drei Mal so hoch. Und allen Unkenrufen zum Trotz
ist es gelungen, mehr als eine Million Menschen aufzunehmen. Dass sie alle ein
Dach über dem Kopf haben, dass niemand verhungert ist, das ist vor allem den
vielen haupt- und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern in den Kommunen zu
verdanken. Ihre Arbeit geht weiter. Jetzt geht es nicht mehr darum, die Menschen
so schnell es geht vor Kälte und Hunger zu schützen. Jetzt geht es darum, die neuen
Nachbarn zu integrieren. Die Menschen, die zu uns gekommen sind, brauchen
Wohnungen, Sprachkurse, Arbeitsplätze, Schul- und Kitaplätze. Damit sie Nachbarn werden, statt in Parallelgesellschaften abzudriften. Denn nur erfolgreiche
Integration kann die Bedenken der ansässigen Bevölkerung ausräumen.
Ein Blick in die Krisengebiete dieser Welt macht deutlich, dass die Zahl der
Geflüchteten nicht dauerhaft zurückgehen wird. Auch in Zukunft werden Menschen nach Deutschland fliehen und in den Kommunen ankommen. Die letzten beiden Jahre waren also eine gute Übung für das, was kommt.
Foto: Ines Meier
In der dritten Ausgabe von WirKommunalen beschäftigen wir uns deshalb mit
dem Zusammenleben mit den neuen Nachbarn. In einem Auftaktbeitrag gibt das
Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) einen Überblick über das Thema (Seiten 4
und 5). Wer bleibt, braucht Wohnraum: Wir berichten über den LEG-Preis 2016
(Seiten 6 und 7), der sich der Frage widmete, wie Städtebau erfolgreiche Integration
befördern kann. Wie es mit der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten steht,
beleuchten wir in einem Beitrag über das Jobkraftwerk (Seite 10) und wir widmen
uns einer Tagung von Jobcentern (Seite 11). Wie aus Ausländerbehörden Willkommensbehörden werden können, beschäftigt uns auf Seite 13. Und auf Seite 14 geht
es um die besonderen Herausforderungen und Chancen erfolgreicher Integration im
ländlichen Raum. Zum Abschluss schauen wir nach Osnabrück, wo in einem Integrationsprojekt jungen Migrantinnen und Migranten das Thema Kommunalpolitik
näher gebracht wurde (Seite 15).
Mit diesem Heft beschließen wir unsere kleine Reihe zum kommunalen Flüchtlingsmanagement. Die nächste Ausgabe von WirKommunalen wird im Herbst
erscheinen, das Thema: Demografischer Wandel.
Henning Witzel
Impressum
Projektleitung und ViSdP: Henning Witzel Network Media GmbH, BülowstraSSe 66, 10783 Berlin
Redaktion: Gero Fischer, Birgit Güll Anzeigen: Kerstin Böhm, simone Roch
Layout: Jana Schulze grafik@janaschulze.de Titelbild: FatCamera/istock.com
Druck: Druckerei Vetters GutenbergstraSSe 2, 01471 Radeburg Erscheinungstermin: april 2017
WirKommunalen 1/17 3
auftakt
Zuwanderung
und Integration
von Geflüchteten
in Kommunen
Gudrun Kirchhoff
Integration
vor Ort
Integration ist eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe und ein langfristiger Prozess. Praktisch gelebt und erfahrbar wird sie in Städ-
4
WirKommunalen 1/17
ten und Gemeinden. Integrationsleistungen
erbringen dabei nicht allein (öffentliche) Institutionen, sondern vor allem die Menschen,
die in einer Stadt und ihren unterschiedlichen sozialen und institutionellen Kontexten leben, arbeiten und kommunizieren.
Wichtige Netzwerke sind in den Quartieren
der Städte, den Institutionen der Zivilgesellschaft (Kirchen, Vereinen, Verbänden, etc.),
den Bildungsinstitutionen, aber auch den
lokalen Unternehmen verortet. Integration
ist auf die wechselseitige Befähigung zum
gesellschaftlichen Miteinander in der Stadtgesellschaft angewiesen. Ohne das große
ehrenamtliche Engagement vieler zivilgesellschaftlicher Akteure wäre die Bewältigung
der Aufgaben in den Kommunen nicht möglich gewesen.
Nach Anerkennung ihres Flüchtlingsstatus ziehen die Geflüchteten nach bisherigen
Erfahrungen vor allem in die Ballungsräume und dort vorrangig in Gebiete mit
großen ethnischen Communities, wo sie auf
eine migrantische Infrastruktur und herkunftsbezogene soziale Netze treffen. Diese
„Ankunftsorte“ müssen in hohem Maße
die gesellschaftlichen Integrationsleistungen
erbringen. Es zeigt sich bereits heute, dass
Konkurrenzen zwischen unterschiedlichen
sozialen Gruppen das soziale Zusammenleben und das subjektive Sicherheitsempfinden beeinträchtigen können. Deshalb
benötigen diese Gebiete Unterstützung und
begleitende Integrationsstrukturen, die die
sozialräumliche Integration der Zugewanderten und den sozialen Zusammenhalt
fördern. Mit dem Bund-Länder-Programm
„Soziale Stadt“ konnten in vielen Gebieten entsprechende Strukturen aufgebaut
werden. Der neue „Investitionspakt soziale
Integration im Quartier“ fördert darüber
hinaus die Schaffung von Begegnungsorten
und ein begleitendes Integrationsmanagement. Wünschenswert wäre ein allgemeines
Integrationsförderprogramm für Kommunen.
Integration in den
Wohnungsmarkt
In der Tendenz priorisieren die Kommunen mittel- bis langfristig eine dezentrale
Wohnungsunterbringung von Geflüchteten, um die gesellschaftliche Integration zu
erleichtern bzw. überhaupt zu ermöglichen.
In kleinen Städten des ländlichen Raums
klappt in der Regel die dezentrale Unter-
Foto: william87/fotolia.com
D
ie Zuwanderung nach Deutschland vollzog sich in den vergangenen Jahrzehnten stets in
Zyklen. Einen neuen Höhepunkt
erreichte sie im Herbst und Winter 2015/2016. Laut Angaben des Bundes
innenministeriums kamen in beiden Jahren
zusammen etwa 1,2 Millionen Geflüchtete
nach Deutschland. Unsicher ist, wie sich
zukünftig die Fluchtursachen, Flüchtlingsrouten und damit auch die Zahl der Flüchtlinge entwickeln werden. Die Bundesregierung geht in ihren Planungen von jährlich
300.000 Geflüchteten aus.
Die große Zahl zugewanderter Flüchtlinge stellt die Kommunen vor vielfältige
Herausforderungen. Neben der Organisation von Unterbringung und Betreuung
stellt sich die Frage der langfristigen Integration in die gesellschaftlichen Systeme, wie
Wohnen, Bildung, Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe.
bringung in Wohnungen. In Städten mit
angespannten Wohnungsmärkten kann
dieses Ziel jedoch kaum umgesetzt werden,
da insgesamt, aber vor allem preisgünstige
Wohnungen fehlen. Zur Entlastung der
Wohnungsmärkte und zur Sicherung eines
ausreichenden Angebotes an Sozialwohnungen muss massiv in den Wohnungsneubau
investiert sowie Bestandspotentiale (z.B.
Leerstand) reaktiviert werden. Ob eine Entlastung der Ballungsräume durch die Wohnsitzregelung erreicht werden kann, ist derzeit nicht einschätzbar. Insgesamt bedarf es
langfristiger Konzepte und Strategien sozialer Wohnraumversorgung.
reguläre Bildungssystem stellt in dieser Größenordnung eine enorme Herausforderung
für alle Beteiligten dar.
Eine weitere Herausforderung ist die
Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt. Auch vor dem Hintergrund der Qualifikationsstruktur der Flüchtlinge, viele
haben nur eine geringe Schulbildung, gehen
Experten davon aus, dass eine qualifizierte
Integration in den Arbeitsmarkt erst nach
mehreren Jahren gelingen wird. Hier ist das
Zusammenspiel der arbeitsmarktrelevanten Akteure mit den Kommunen gefordert,
um Anpassungsqualifizierungen und einen
Zugang zu Beschäftigung zu ermöglichen.
Integration in Bildung
und Arbeitsmarkt
Kommunale Steuerung
und Kommunikation
Entscheidend für die Integration von
Zuwanderern sind gute Kenntnisse der
deutschen Sprache und Bildung. Gerade
im Bereich Bildung und Erziehung sind
auf kommunaler Ebene viele Projekte und
Maßnahmen auf den Weg gebracht worden,
um die Bildungschancen von Kindern und
Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu
erhöhen. Die Integration von Kindern und
Jugendlichen mit Flüchtlingsstatus in das
Um die Anforderungen der hohen Anzahl
Zugewanderter organisatorisch zu bewältigen, wurden in vielen Kommunen kurzfristig neue Strukturen geschaffen, wie
Lenkungsrunden innerhalb der Verwaltungsspitze, Krisenstäbe und ressortübergreifende Arbeitsgruppen. Zuvor bereits
bestehende Strukturen der Integrationsarbeit wurden dabei nicht immer berücksichtigt. Dadurch sind zum Teil Parallel-
strukturen entstanden, die inzwischen
eine „Koordinierung der Koordinierung“
erfordern. Dort, wo an vorhandene Integrationsstrukturen angeknüpft wurde, hat
sich gezeigt, dass stabile Kooperationen und
Netzwerke vor Ort positive Ankerpunkte
für eine gelingende Aufnahme Geflüchteter
sind. Angesichts der krisenhaften Erfahrungen müssen die Städte ihre integrationspolitischen Handlungskonzepte, die Zuständigkeiten im Bereich Migration und Integration
und das Verhältnis zwischen Haupt- und
Ehrenamt überdenken und weiterentwickeln. Dabei ist eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit im Sinne einer auf Transparenz
angelegten Kommunikationsstrategie wichtig, um Vorbehalte und Ängste in der Bevölkerung abzubauen, fremdenfeindlichen
Tendenzen zu begegnen und ein positives
Verständnis einer durch zunehmende Vielfalt geprägten Gesellschaft zu vermitteln.
Gudrun Kirchhoff, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Deutsches Institut für Urbanistik (Difu)
Arbeitsbereich Stadtentwicklung, Recht, Soziales
kirchhoff@difu.de
WirKommunalen 1/17 5
Unterbringung
Neue Nachbarn
Wie kann Städtebau erfolgreiche Integration befördern? Integrative Wohn- und Handlungskonzepte
von Studierenden liefern vielfältige städtebauliche Antworten
Robert Erdmann, Vorsitzender des Fördervereins der LEG und Juryvorsitzender des LEG-Preises 2016
E
ine innovative und quergedachte Idee,
wie man städtebaulich Integration
angehen kann, ist das Netz der Integration, das die Ausgezeichneten des LEGPreises 2016 entwickelt haben. In ihm
bilden alle wichtigen Alltagsbereiche und
Integrationsmaßnahmen eines Quartiers
miteinander Synergien und fördern so die
Begegnungen und den Austausch zwischen
angestammten und neuen Bewohnern. Das
Team um Jan den Brave von der TU-Dortmund hat vom programmatischen Leitbild
eines bunten Quartiers, dass die Vielfalt
seiner Bewohner symbolisiert und abwechslungsreich gestaltet, das räumliche Leitbild
eines Netzes der Integration entwickelt.
Die Jury würdigte insbesondere die
Analyse und konsequente Ableitung
ihres konzeptionellen Ansatzes sowie die
anschauliche Projektion der verschiedenen
Ansätze, Angebote, baulichen Anpassungen und Maßnahmen auf dem Siedlungsgrundriss als Netz der Integration. Auf
Grundlage eines städtebaulichen Entwurfs
der Stadt Bonn erfasste das Team die Ausgangssituation und die vorhandenen Strukturen am Standort Bonn Vilich-Müldorf.
Durch gezielte Gespräche mit Geflüchteten
gewannen sie wichtige Einschätzungen zu
kulturellen Unterschieden, Gemeinsamkeiten und vor allem besonderen Wohnvorstellungen. Die hieraus abgeleiteten Ziele
6
WirKommunalen 1/17
wurden zur Grundlage ihres Konzeptes.
Der Entwurf des Nachwuchses ergänzt den
städtebaulichen Entwurf für den Wohnpark des programmatischen Leitbildes
„Wohnpark II – flexibel, gesund und bunt“
um drei Elemente: anpassungsfähige Baustrukturen, den Einbezug von gesundheitsfördernden Maßnahmen sowie das gute
Miteinander durch kulturellen Austausch
und der räumlichen Integration der Flüchtlinge im Quartier.
Vielfältige Wohnbedürfnisse
in vielfältigen Quartieren
Eine weitere ausgezeichnete Arbeit bietet
einen anderen interessanten Ansatz durch
ein differenziertes Bebauungs- und Wohnkonzept in vier unterschiedlichen Quartieren. Das Team um Kathrin Gast setzt
auf das Leitbild „Hallo Nachbarn – mit
dem ein integrativer Wohnpark in VilichMüldorf“ entwickelt wurde. Sie teilten
das Baugebiet in ein Heimwerkerquartier,
Kreativquartier, familiäres Quartier und
das Atriumquartier auf, das durch eine
besondere „Gebäudeanordnung mit innenliegenden Freiräumen insbesondere auch
Wohnbedürfnissen von Migranten wiederspiegelt“ (Begründung der Jury).
Damit greift der Entwurf der Studierenden bewusst Wohnkulturen anderer
Länder auf und zeichnet sich durch flexible Wohnformen sowie die Möglichkeit,
Eigenleistung beim Hausbau einzubringen,
aus. Die Jury würdigte besonders den sympathischen Videobeitrag zu ihrer Arbeit,
der die Idee von vielfältigen Wohnbedürfnissen in vielfältigen Quartieren nochmals
veranschaulicht.
Zielsetzung des
LEG-Preises 2016
„Tiny-houses“ als Beispiel für kostengünstige flexible
Bauformen
Die diesjährige Aufgabenstellung des LEGPreises 2016 befasste sich mit integrativen Wohnkonzepten für Geflüchtete mit
Bleibeperspektive. Dieses Thema stand im
Frühjahr 2015 fest, noch bevor die Herausforderungen im Zusammenhang mit
Illustration: Jan den Brave, Foto: www.minimotives.com
Das bunte Quartier – Beispiel für sozialen Wohnungsbau
Integrativer Wohnpark mit Angeboten für unterschiedliche Zielgruppen: u.a. ein Familien-Quartier, ein Kreativ- und ein Heimwerker-Quartier
Geflüchteten sich in Deutschland durch die
hohen Flüchtlingszahlen verschärften. Als
Beitrag der Stadtentwicklung zur Integration von Geflüchteten wurden städtebauliche Antworten auf die Herausforderung
Integration, integrative Wohnkonzepte,
AN
adäquate Verteilung der Nutzungsfunktionen sowie die Organisation der Prozesse zur
Integration gesucht.
Entwickelt werden sollten städtebauliche Konzepte und wohnungsbezogene
Lösungen für ein gutes Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsgruppen
im Quartier. Hierfür galt es, integrative
Wohn- und Handlungskonzepte für die
zwei ausgewählten Standorte Bonn VilichMüldorf in Nordrhein-Westfalen (1) und
Rudolstadt in Thüringen (2), welche für
zwei Gegenpole möglicher integrativer
Wohnkonzepte stehen, zu entwickeln.
Für den ersten Standort sollten kleintei- geht es jedoch immer um die Erarbeitung
lige dezentrale Unterbringungen innerhalb von integrierten Handlungs- und Entwickeines neu zu entwickelnden Quartiers inte- lungskonzepten für die aktuellen Aufga2
D - 59597SoErwitte
benGraft
der Stadtentwicklung.
werden gute
griert werden, für den zweiten Standort An
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Unterbringung
Interkommunales
Wohnraumm anagement:
Gemeinsam stark
Die Herausforderung der Flüchtlingsunterbringung begreift
der Landkreis Osnabrück als kommunale Gemeinschaftsaufgabe
Gero Fischer
D
ie Frage nach der Aufnahme von
Asylbewerbern ist im Landkreis
Osnabrück
normalerweise
kein
großes Thema. Schon vor Jahren hat der
Kreis diese Aufgaben per Satzung an seine
21 Kommunen übertragen. Zudem gibt
es mit der Erstaufnahmeeinrichtung in
Bramsche einen Standort der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen. Sie wird
auf die Zuweisungsquote des Landkreises
angerechnet. Die Kommunen hatten in der
Vergangenheit dadurch normalerweise nur
sehr geringe Zahlen an Asylbewerbern zu
versorgen.
Die Situation im Herbst 2015 aber ist
nicht normal. Hunderttausende Schutzsuchende aus Kriegs- und Krisengebieten
kommen in Deutschland an – auch in Niedersachsen. Damals rechnet der Landkreis
Osnabrück für das Jahr 2016 mit einer
wesentlich höheren Zuweisungsquote für
seine Kommunen. Allein bis März 2016
sollen 2.000 Asylbewerber ankommen.
Um sich darauf vorzubereiten, gründet der Kreis im September 2015 eine
Task-Force, bei der auch Vertreter aus
den Gemeinden eingebunden werden.
Die Flüchtlingsfrage soll als kommunale
Gemeinschaftsaufgabe betrachtet werden, die Kreis und Gemeinden zusammen
8
WirKommunalen 1/17
lösen. Und wie überall in Deutschland geht
es zuerst um die Frage der Unterbringung.
Das Ziel: Die Schutzsuchenden schnell und
dezentral unterzubringen und damit die
Grundlage für eine erfolgreiche Integration zu legen. Das Problem: Die 21 Kommunen sind in Größe, Struktur und auch
bei den Unterbringungsmöglichkeiten sehr
unterschiedlich. „Wir brauchten dringend
einen Gesamtüberblick darüber, wo wie
viele Zuweisungen erfolgen und wo wie
viel Wohnraum zur Verfügung steht“, sagt
Bärbel Rosensträter, die Leiterin der TaskForce.
Die Task-Force erarbeitet deshalb ein
Konzept für ein gemeindeübergreifendes
Wohnraummanagement. Gemeinsam sollen die Kommunen nach geeigneten Unterkünften suchen. Der Kreis steuert und
koordiniert. Die Umsetzung erfolgt digital:
mit einer Plattform im kreiseigenen Intranet, die tagesaktuell über die Situation in
den Kommunen informiert. Die technische
Basis ist vorhanden, innerhalb von drei
Wochen ist das System eingerichtet. Wie
viele Flüchtlingszuweisungen gibt es? Wie
ist die Art der bisherigen Unterbringung?
Wie viele Wohn- und Unterbringungsmöglichkeiten stehen sofort oder zukünftig
zur Verfügung? Die Antworten auf diese
Fragen sind jetzt jederzeit abrufbar und
geben dem Landkreis die Möglichkeit, im
Bedarfsfall steuernd einzugreifen.
Die Kommunen selbst machen von
Anfang an mit, auch weil sich die Bürgermeisterkonferenz zuvor für ein interkommunales Vorgehen ausgesprochen hat. Und
nach ein paar Wochen funktioniert auch
in den jeweiligen Kommunen die tägliche
Aktualisierung der Daten. „Die Kolleginnen und Kollegen in den Gemeinden
haben schnell gemerkt, dass das System für
alle Beteiligten hilfreich ist“, sagt Bärbel
Rosensträter.
Ihr Fazit zum Wohnraummanagement:
„Ohne das Wohnraummanagement wäre es
Anfang 2016 ganz schwierig gewesen, einen
Überblick über die Entwicklung zu behalten.“ Der Aufwand mit täglichen Abfragen
der Daten bei den einzelnen Kommunen
wäre deutlich höher gewesen.
Auch deshalb erhält der Landkreis das
Wohnraummanagement weiterhin aufrecht,
obwohl sich die Zuweisungszahlen für das
Jahr 2017 wieder normalisiert haben. Perspektivisch sollen damit die Gemeinschaftsunterkünfte im Kreis weiter abgebaut werden.
Und auch wenn die entsprechende TaskForce inzwischen aufgelöst wurde und die
Arbeit wieder durch die Koordinierungsgruppe Migration und Integration übernommen wurde – die kommunalen Vertreter sind
geblieben. „Sowohl für die beteiligten Stellen in der Kreisverwaltung als auch für die
Kommunen vor Ort ist deutlich geworden,
dass solche Herausforderungen vor allem
gemeinsam gemeistert und koordiniert werden sollten“, sagt Bärbel Rosensträter.
Landkreis Osnabrück Geschäftsstelle
Task-Force F lüchtlinge
www.Lkos.de und www.wirkommunalen.de
Foto: mooshny/fotolia.com
Gutes Wohnraummanagement hilft in stressigen Zeiten, den Überblick zu behalten.
Gute Erfahrungen
in der Uckermark
Software zur Verwaltung von Flüchtlingsunterkünften
erleichtert Belegungsmanagement
Henning Witzel
D
ie Integration von Geflüchteten ist
eine der großen Herausforderungen
der kommenden Jahre. Dabei beginnt
Integration bereits bei der Unterbringung
der Asylsuchenden. Für Kommunen bedeutet dies einen großen zeitlichen und organisatorischen Aufwand. Zur Erleichterung der
Planungs- und Organisationsaufgaben hat
das Berliner Systemhaus arxes-tolina eine
Softwarelösung entwickelt: den UnterkunftPlaner 2. Die Software ermöglicht die Vereinheitlichung und Vereinfachung sämtlicher
administrativer Prozesse bei der Verwaltung
von Gemeinschafts- und Einzelunterkünften. Thomas Baier, Leiter Business Develop-
ment bei arxes-tolina, erklärt die Vorzüge:
„Ein grafischer Raumplan erleichtert die
Verteilung der Bewohner auf die Zimmer.
Auch die aufwendigen monatlichen Kostenaufstellungen, die für alle untergebrachten
Personen in Abhängigkeit vom gerade aktuellen Aufenthalts- und Anwesenheitsstatus
erstellt werden müssen, werden von der Software automatisiert ausgeführt.“Von positiven Erfahrungen kann die Uckermärkische
Entwicklungsgesellschaft mbH (UEG) mit
Sitz in Prenzlau berichten. Die UEG ist eine
100-prozentige Tochter des Landkreises
Uckermark und Betreiber von Flüchtlingsunterkünften in verschiedenen Teilen der
Uckermark. Die dort etwa 300 untergebrachten Personen werden seit November
2016 mit dem Unterkunft-Planer verwaltet.
„Es ist oftmals schwierig, einheitliche
Strukturen und eine gemeinsame Datenbasis für die verschiedenen Flüchtlingsunterkünfte zu schaffen. Durch diese Diversität
besteht eine hohe Anzahl an Fehlerquellen und es erscheint einem unmöglich, die
Kontrolle von außerhalb zu bewahren
und jederzeit Auskünfte zu leisten,“ erläutert Jessica Peller, von der UEG. „Mit dem
Unterkunft-Planer 2 kann man dem jedoch
entgegenwirken. Die Software ermöglicht
es zum einen, die gleichen Abläufe und
Strukturen an unterschiedlichen Standorten durchzusetzen. Auch kann man mit den
aktuellen Daten Auswertungen und Statistiken erstellen und diese als Rechnungslegungsgrundlage nutzen.“
Nach Angaben des Herstellers sind
weitere Städte und Kreise am Einsatz des
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WirKommunalen 1/17 9
Integration
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist eine Voraussetzung
dafür, dass Integration gelingt. Die Online-Plattform
JobKraftwerk unterstützt Kommunen dabei, Flüchtlinge
in den Arbeitsmarkt zu integrieren
Gero Fischer
In den nächsten Jahren werden der deutschen Wirtschaft immer mehr qualifizierte Arbeitskräfte fehlen. Eine schnelle
Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge ist daher wirtschaftlich sinnvoll.
Ü
ber eine Million Menschen kamen in
den Jahren 2015 und 2016 als Flüchtlinge nach Deutschland, um Schutz
vor Krieg und Verfolgung in ihren Heimatländern zu suchen. Gerade für die Kommunen in Deutschland bedeutete die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge
einen erheblichen Mehraufwand in den
Verwaltungen. Und dieser besteht bis heute:
Denn jetzt geht es darum, die Menschen in
unsere Gesellschaft zu integrieren. Damit
das gelingt, brauchen sie vor allem einen
Zugang zum Arbeitsmarkt.
Online-Plattform reduziert Aufwände
von Kommune und Behörden
Genau hier setzt das Projekt JobKraftwerk
an – eine regionale Online-Plattform, die
die Verwaltungsschritte der Arbeitsmarktintegration digitalisiert und so hilft, die
Kommunen zu entlasten. Auch Geflüchtete
und Unternehmen finden über die Plattform besser zueinander. „Mit JobKraftwerk können die Zusatzaufwände der
Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten
optimiert, der Prozess beschleunigt und
das Ergebnis verbessert werden“, sagt Tom
10 WirKommunalen 1/17
Lawson, einer der drei Gründer von JobKraftwerk.
Entwickelt und erprobt wurde JobKraftwerk in einem Pilotprojekt zusammen mit
dem Landkreis Reutlingen. Innerhalb kürzester Zeit konnten dabei mehr als 50 Prozent der beschäftigungsfähigen Geflüchteten
in der Pilotregion erfasst werden. „Erste
Vermittlungen auf Basis der JobKraftwerkLebensläufe konnten bereits realisiert werden und der Effizienzgewinn sowie die
Erhöhung der Qualität bei der Kompetenzerhebung liegt über den Erwartungen“, sagt
Sven Jäger, Integrationsbeauftragter des
Landkreises Reutlingen. Am 1. Januar 2017
ist JobKraftwerk in den Regelbetrieb für den
ganzen Landkreis gegangen. Und ebenfalls
seit Januar können deutschlandweit Landkreise die Vorzüge von JobKraftwerk nutzen. Drei weitere Landkreise werden in den
nächsten Wochen mit JobKraftwerk starten.
Kommunen, Geflüchtete und
Unternehmen profitieren
Und so funktioniert es: Die Online-Plattform digitalisiert die Kompetenzerfassung
in Muttersprache und auf jedem digita-
Integration: gesellschaftlich und
wirtschaftlich notwendig
Die schnelle Integration von Geflüchteten
in den Arbeitsmarkt ist dabei kein Selbstzweck. Neben gesellschaftlichen sind es
auch wirtschaftliche Gründe, die dafür
sprechen. Eine Studie des Internationalen
Währungsfonds zeigt in zwei Szenarien auf,
wie sich eine „normale“ und eine „langsame“ Integration in den Arbeitsmarkt auf
das Bruttosozialprodukt (BSP) sowie die
Arbeitslosenquote auswirken würde. Das
langsame Integrationsszenario führt hierbei zu einer dreimal höheren Belastung des
Bruttosozialprodukts und einem um 240
Prozent höheren Anstieg der Arbeitslosenquote.
Demgegenüber steht die große Chance,
dem akuten Mangel an Arbeitskräften –
aktuell sind in Deutschland ca. 1 Million
Stellen offen und in 2016 konnten mehr
als 40.000 Ausbildungsplätze nicht besetzt
werden – mit Hilfe der Geflüchteten zu
begegnen. Denn mit dem demographischen
Wandel werden in den nächsten zehn Jahren Millionen Arbeitskräfte fehlen, gerade
im ländlichen Umfeld. Umso wichtiger ist
eine schnelle, zielgerichtete und nachhaltige
Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten
für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Kontakt: Tom Lawson, Oliver Queck und Benedikt Frings
E-Mail: info@jobkraftwerk.com
www.jobkraftwerk.com
Foto: Kzenon/fotolia.com
Arbeitsmarktintegration
digitalisieren
len „Device“. Das heißt, Flüchtlinge können online und in ihrer Muttersprache
Angaben zu ihren Berufserfahrungen und
Kompetenzen machen und werden digital
erfasst. Damit lassen sich im Vergleich zur
papierhaften Erfassung mit zum Beispiel
dem „Mini-Arbeitspaket“ der Agentur für
Arbeit mehr als 95 Prozent der Kosten und
Aufwände einsparen. Zudem erhalten die
Kommunen Zugriff auf die Daten, um zum
Beispiel weitere Qualifizierungsmaßnahmen
aufzusetzen. Auch die Geflüchteten profitieren: Sie erhalten einen deutschen StandardLebenslauf, den sie für Bewerbungen verwenden können.
Dazu werden kommunale Prozesse
wie die Beantragung einer Arbeitserlaubnis digitalisiert. Dadurch lassen sich zum
Beispiel bei 2500 Geflüchteten pro Landkreis mehr als 1000 Behörden-Stunden pro
Monat einsparen. Und auch die Arbeitsmarktintegration läuft digital ab: durch
ein regionales Job-Matching für Geflüchtete und Kandidaten-Matching für Unternehmen inklusive digitaler, fallbezogener
Unterstützung für Unternehmen bei der
Einstellung von Geflüchteten. Bei einer Vermittlung von fünf Prozent der Geflüchteten
in nachhaltige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen lassen sich pro Monat
1,25 Millionen Euro einsparen.
Wie können wir
schneller werden?
Kräfte bündeln für die Integration von Flüchtlingen
Dr. Matthias Schulze-Böing
Chor der Teilnehmerinnen von Arbeitsmarktmaßnahmen des Trägers ALPHA in Wuppertal, auf der Tagung des
Bundesnetzwerks Jobcenter Ende Januar 2017 in der Stadthalle Wuppertal
Fotos: Rainer Hoelken, MainArbeit Jobcenter Offenbach
K
räfte bündeln für Integration“ –
unter diesem Motto trafen sich auf
Einladung des Vereins „Beschäftigungspolitik
kommunal“
und
des
„Bundesnetzwerks Jobcenter“ rund 240
Jobcenter-Leiter und Experten aus Wissenschaft, Ministerien und Verbänden Ende
Januar in der historischen Stadthalle Wuppertal, um aktuelle Herausforderungen
und Strategien für die Integration von
Flüchtlingen in Arbeitsmarkt und Gesellschaft zu diskutieren.
Experten präsentierten Daten und
Erkenntnisse zu Erfolgsfaktoren, aber auch
zu Stolpersteinen bei der Integration. Stephan Liebig, leitender Forscher der OECD,
wies auf den Zeitfaktor hin. Das Erlernen
der Sprache, berufliche Qualifizierung,
aber auch die notwendige Anpassung an
die Logik des Arbeitsmarktes des Aufnahmelandes mit seinen Verhaltensnormen,
Regeln und ökonomischen Mechanismen –
all das braucht Zeit. Mit acht bis zehn Jahren müsse man rechnen, bis die Beschäftigungsquoten von neuen Immigranten
denen der Aufnahmegesellschaft entsprechen.
Es ist unwahrscheinlich, dass Fluchtimmigration zu einem schnellen Gewinn
für den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft wird. Vielmehr sind für lange Zeit
große Anstrengungen notwendig. Es
braucht Geduld und Realismus auf Sei-
ten der Gesellschaft, aber auch auf Seiten
der Menschen, die neu nach Deutschland
gekommen sind. Integration ist ein Marathon-Lauf, kein Sprint.
Kann Integration dennoch
beschleunigt werden?
Auch hier gab die Tagung interessante Hinweise. So sind das gute Funktionieren lokaler Netzwerke, eine gute Zusammenarbeit
von Behörden und Wirtschaft sowie die
Mobilisierung des Engagements der Zivilgesellschaft, von Freiwilligen-Initiativen,
Kirchen, Vereinen und Verbänden wichtige Erfolgsfaktoren, wie Claudia Walther,
Projektleiterin der Bertelsmann-Stiftung
berichtete. Auch ein gutes Ineinandergreifen von Sprachkursen, beruflicher Qualifizierung und sozialen Integrationsmaßnahmen ist wichtig für den Erfolg, so die
Erfahrungen in Österreich, von denen
Petra Draxl, Chefin des Arbeitsmarktservice Wien, berichtete.
Die Optimierung der Integrationsarbeit brennt auch den deutschen Jobcentern
auf den Nägeln. Noch immer ist es nicht
überall gelungen, die Sprach- und Integrationskurse des Bundesamtes für Migration
und Flüchtlinge (BAMF) gut mit den Förderangeboten der Jobcenter zu verknüpfen.
Hier braucht es mehr Flexibilität und die
Bereitschaft, enges Zuständigkeitsdenken zu überwinden. Die Jobcenter werden
mehr und mehr die zentralen Drehscheiben
für Integration. Deshalb müssen dort auch
Kompetenzen und Ressourcen gebündelt
werden, so das Resumée der in Wuppertal
versammelten Experten.
Gleichzeitig müsse über die Maßnahmearchitektur im deutschen System neu nachgedacht werden. Sprachkurse und berufliche Qualifikation, Arbeitserfahrungen,
erste Schritte im deutschen Arbeitsmarkt –
wenn man das alles nacheinander aufreiht,
kann es sehr lange dauern, bis die Neuankömmlinge wirklich im Arbeitsmarkt
ankommen. Besser wäre, verschiedene Fördermaßnahmen zu integrieren, beruflich
zu qualifizieren oder mit Arbeit zu starten
und parallel dazu Sprachkenntnisse zu vermitteln. Das könnte Prozesse abkürzen.
Dafür sind Pragmatismus und neue
Maßnahmekonzepte
erforderlich.
Der
immer noch zu oft gepflegte deutsche
Perfektionismus mit der Orientierung an
formalen Zertifikaten und hohen Eingangshürden bei Berufsausbildung und
Aufnahme von Arbeit steht dem eher entgegen. Hier braucht es neues Denken und
Innovationsbereitschaft bei den Machern
in den Jobcentern, aber auch bei Wirtschaft, Kammern und Bildungseinrichtungen.
Nicht zuletzt sollte man sich auch viel
konsequenter als bisher mit den Interessen
und Motiven der Immigranten selbst auseinander setzen, sie als Experten in eigener
Sache ernst nehmen. Warum nicht Flüchtlinge und Immigranten selbst zu Maßnahmeplanern und Mit-Entscheidern machen?
Auch darüber muss neu nachgedacht werden.
Weitere Materialien der Tagung
finden sich auf der Webseite:
www.sgb-ii.net
Dr. Matthias Schulze-Böing
Geschäftsführer des kommunalen
Jobcenters MainArbeit der Stadt Offenbach
und Sprecher des Bundesnetzwerks
Jobcenter
Berliner Str. 190, 63067 Offenbach am Main
T. 069-8065-8200
schulze-boeing@offenbach.de
WirKommunalen 1/17 11
Integration
Engagiert für Flüchtlinge und ehrenamtliche Helfer: „Dankeschön-Fest“ im Rhein-Pfalz-Kreis
Umsetzung des AsylbLG im Rhein-Pfalz-Kreis:
Zentrale Steuerung, dezentrale Bearbeitung
Grundversorgung für Asylsuchende
Aufgabenteilung im Rhein-Pfalz-Kreis schafft Effizienz
Oliver Haastert, PROSOZ Herten GmbH
M
it der Zahl der Asylsuchenden stiegen auch die Anforderungen an die
Umsetzung des Asylbewerberleis
tungsgesetzes (AsylbLG). Eine gemeinsame
Lösung von Kreisverwaltung und kreisangehörigen Gemeinden im Rhein-PfalzKreis sorgt für kurze Wege – zum Wohl der
Betroffenen und der eigenen Mitarbeiter.
Der Rhein-Pfalz-Kreis verfolgt das Ziel,
so viele Asylbewerber wie möglich dezentral unterzubringen. Da ist es folgerichtig,
wenn auch die Betreuung vor Ort stattfindet. „Wir wollten eine Regelung, die den
Bedürfnissen der Gemeinden entspricht“,
so Heribert Werner, Abteilungsleiter Soziales/Senioren/Betreuungen.
Anlaufstelle für Asylbewerber sind jeweils
zwei Betreuerinnen und Betreuer in zehn
kreisangehörigen Gemeinden. Dort werden die AsylbLG-Fälle bearbeitet, während
übergreifende Aufgaben wie etwa die Krankenhilfeabrechnung beim Kreis verbleiben.
Wie in vielen Landkreisen ist die Entfernung der einzelnen Gemeinden zur Hauptverwaltung groß. Die dezentrale Lösung
schafft nun nachhaltige Entlastung. Die
Bearbeitung erfolgt mit OPEN/PROSOZ
von PROSOZ Herten, einem der führenden
Fachverfahren für die soziale Sicherung.
Alle Mitarbeiter haben die Software lokal
installiert, greifen aber auf eine zentrale
Datenbank in Ludwigshafen zu. Damit ist
der volle Programmzugriff gewährleistet,
während die Datenadministration keine
zusätzlichen Kräfte bindet. Das ist wichtig, denn die Zahl der Asylbewerber bleibt
hoch. Nur wenn die Grundversorgung gesichert ist, können weitere Schritte zu einer
erfolgreichen Integration greifen.
Difu Seminar:
Integration von Geflüchteten
in Kommune und Quartier
Mai 2017 in Berlin
Fachveranstaltung des
Deutschen Vereins: Integration
von Zugewanderten
26. bis 28.04.2017 in Berlin
Ein Großteil der Geflüchteten wird sich in
(Groß-)Städten ansiedeln und hier vor allem in
Quartieren, in denen sie Zugang zu sozialen,
kulturellen und materiellen Ressourcen finden – dies dürften in vielen Fällen Gebiete der
Sozialen Stadt sein. Es stellt sich die Fragen, mit
welchen Integrationsanforderungen Kommunen und Quartiere konfrontiert sind, welche
Rahmenbedingungen für Integration vor Ort
gegeben sind und welche kommunalen Strategien und Konzepte sich als tragfähig erweisen.
Die öffentliche Diskussion über Migration und
Integration hat sich verändert. In der Veranstaltung werden verschiedene Aspekte der
Themenfelder Integration und Förderung von
Zugewanderten aufgegriffen. Mit der Zielrichtung „Ermöglichung von Förderung und Integration“ werden verschiedene Themen erörtert:
etwa die Schaffung passgenauer Förderangebote, Koordinierung von Netzwerkarbeit in
der Kommune, Zugangswege in die Regelförderung/Regelangebote oder die Reflexion der
Arbeit in interkulturellen Zusammenhängen.
Dezentrale Lösung
schafft kurze Wege
ICW17: Austauschforum
für Integration
28. April 2017 in Frankfurt am Main
Das zweite ICW17 der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände ist ein innovatives Austauschforum für Unternehmen,
Organisationen und Personen, die sich mit
der Integration von Flüchtlingen beschäftigen
sowie selbstverständlich auch für Flüchtlinge
selbst. Schwerpunkt ist die Integration in
Arbeit und Ausbildung. Ziel ist, allen Akteuren
ein Forum zu bieten, auf dem sie ihre Erfahrungen und Konzepte austauschen, voneinander
lernen und Kooperationen und Netzwerke bilden können. Die Teilnahme ist kostenlos.
Ort: Haus der Wirtschaft, Emil-von-Behringstr. 4,
60439 Frankfurt am Main
www.integrationscamp.wordpress.com
12
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Weitere Infos: fortbildung@difu.de
Info: www.deutscher-verein.de/
de/veranstaltungen-2017-integration-vonzugewanderten-2528,961,1000.html
Fotos: Rhein-Pfalz-Kreis
Kurz & Knapp
Ausländerbehörden –
Willkommensbehörden?
Die Stärkung der Handlungsfähigkeit
der Ausländerbehörden im Fokus
Christiane von Bernstorff, Ramboll Management Consulting
D
ie ohnehin hohen Anforderungen
an die Arbeit der Ausländerbehörden haben sich in den letzten Jahren
weiter potenziert. Die Ursachen hierfür
sind vielfältig: eine hohe Steigerung der
Fallzahlen, sich verändernde rechtliche
Bestimmungen und nicht zuletzt ein Spagat
zwischen der Durchsetzung von Ordnungsrecht und Aufgaben kommunaler Willkommenskultur.
Dabei sind die Behörden für viele der
erste Anlaufpunkt und dadurch wichtige
Schnittstellen zu vielen weiteren Akteuren in der Kommune. Schon im Jahr 2013
wurde mit Blick auf diese
besondere Aufgabenstellung
das Modellprojekt „Ausländerbehörden – Willkommensbehörden“ des Bundesamts für
Migration und Flüchtlinge auf den
Weg gebracht.
In diesem Projekt haben wir mit unserem Partner IMAP zehn Modellstandorte
in ihrer Weiterentwicklung zu Willkommensbehörden begleitet. Dabei wurde
ein grundlegender Orientierungsrahmen
entwickelt, welche Aspekte in einer Ausländerbehörde heute eine wichtige Rolle
spielen sollten. Als besonders relevant wurden beispielsweise das Selbstverständnis
bezüglich der eigenen Rolle im Zuwanderungsprozess, die Kommunikation sowie
die Vernetzung mit relevanten Akteuren
innerhalb und außerhalb der Verwaltung
eingeschätzt.
Genauso wichtig ist jedoch die
Stärkung der fachlichen, sozialen und interkulturellen Kompetenzen der Beschäftigten. Nun gibt es aber nicht
die Willkommensbehörde.
Unser Ziel einer guten Beratung der Ausländerbehörden
ist es daher, auf Basis dieses
Orientierungsrahmens individuell für jede Behörde Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen, die
sie in der Bewältigung der jeweils aktuellen
Herausforderungen vor Ort unterstützen.
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.migration.ramboll.de
www.bamf.de/werkzeugkoffer
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bietet die DEKRA Akademie bundesweit die Weiterbildung zum/zur Integrationsbeauftragten für Beschäftige in Unternehmen an und fördert darüber hinaus mit individuellen Qualifi zierungsmaßnahmen den Erfolg
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WirKommunalen 1/17 13
Integration
Integration in
ländlichen Räumen
Eine Studie des Deutschen Landkreistags zeigt Praxiserfahrungen
von 18 Landkreisen und macht diese anhand von guten Beispielen
für andere Kommunen nutzbar
Miriam ElsaeSSer, Referentin beim Deutschen Landkreistag
D
Räumen angehen und wie diese Integration
gelingen kann. Zugleich sind die Beispiele
Anregung für andere Landkreise, ähnliche
Maßnahmen und Projekte umzusetzen.
Die 200 Seiten umfassende Studie gliedert
sich in die sechs integrationsrelevanten Bereiche Sprache, Wohnen, Arbeit und Berufsausbildung, Schule und Bildung, Ehrenamt und
gesellschaftliches Zusammenleben. Unter
diesen Überschriften finden sich neben den
Erkenntnissen und den praktischen Beispielen aus den Landkreisen zusätzlich thematisch passende Gastbeiträge und Interviews
mit Politikern, Wissenschaftlern und anderen Experten.
Als Ergebnis der Studie stehen praktische Ziele und Maßnahmen für die Arbeit
der Landkreise, gegliedert nach den oben
genannten Bereichen. Sie machen deutlich,
dass die Integrationsmaßnahmen für anerkannte Schutzberechtigte und Asylbewerber
mit guter Bleibeperspektive möglichst frühzeitig vorangetrieben werden sollten:
Wichtig ist, schnell zu handeln
So ist es entscheidend, dass diese Gruppen
möglichst schnell Sprachkenntnisse erlangen.
Zudem sollte eine dezentrale Wohnsituation
unter Berücksichtigung von Aspekten wie
Erreichbarkeit von Sprachkursen, Schulen
und Kitas, Ärzten und öffentlichem Nahverkehr angestrebt werden. Eine Maßnahme,
um dieses Ziel zu erreichen, ist beispielsweise
die Implementierung eines gemeindeüber-
Die gesamte Studie steht kostenlos
unter folgendem Link zur Verfügung:
www.wirkommunalen.de
Foto: Jürgen Fälchle/fotolia.com
ie Integration der in den letzten Monaten und aktuell nach Deutschland
gekommenen Flüchtlinge findet in
den Kommunen – den Landkreisen, Städten und Gemeinden – statt. Hier benötigen
die Menschen eine Wohnung, Arbeit und
den Zugang zu Bildungseinrichtungen, hier
lernen sie die deutsche Sprache, knüpfen
Kontakte und nehmen am gesellschaftlichen
Leben teil. Dass die Landkreise mit ihrer
Verantwortung für die Kinder- und Jugendhilfe, Sozialämter, Ausländerbehörden, Jobcenter und Netzwerkbildung in Migrationsfragen somit viel mehr leisten als Aufnahme
und Erstversorgung stellt der Deutsche
Landkreistag auch in seiner Studie „Integration von Flüchtlingen in ländlichen Räumen
– Strategische Leitlinien und Best Practices“
heraus.
Für diese Studie hat der Deutsche Landkreistag in Zusammenarbeit mit der Agentur
viventure die umfassende Vorgehensweise
bei der Integration in 18 Landkreisen in
allen 13 Flächenbundesländern aufbereitet. In über 120 Gesprächen mit Landräten,
Integrationsbeauftragten der Landkreise
und Verantwortlichen für Integrationsprojekte wurden dabei Modelle, Strukturen
und Projekte für gelingende Integration
untersucht. Diese finden sich in der Studie
als sogenannte Best Practices wieder. Sie bilden ab, mit welcher Vielfalt und Motivation
die Landkreise das komplexe Thema der
Integration von Flüchtlingen in ländlichen
greifenden Wohnraummanagements durch
die Landkreise. In Bezug auf die Integration
in den Arbeitsmarkt ist die Absolvierung
einer Berufsausbildung einer schnellen Integration in Helferjobs grundsätzlich vorzuziehen. Um dies zu unterstützen, werden in
den Landkreisen bereits viele sinnvolle Projekte zur Berufsfindung, Arbeitserprobung
und Einstiegsqualifizierung durchgeführt,
die sich auch in der Studie wiederfinden.
Die frühzeitige Aufnahme von Kindern und
Jugendlichen in die Schulen und Kitas bildet den Ausgangspunkt für eine nachhaltige Integration in Arbeit und Gesellschaft.
In den Kommunalen Bildungslandschaften
können die Landkreise die vielfältigen Bildungsangebote sinnvoll koordinieren. Das
ehrenamtliche Engagement ist eine starke
Säule bei der Integration von Flüchtlingen in
ländlichen Räumen. Entscheidend ist dabei,
dass die ehrenamtlichen Helfer durch hauptamtliche Mitarbeiter kommunal unterstützt
und koordiniert werden. In Bezug auf das
gesellschaftliche Zusammenleben ist ein
friedliches Miteinander das Ziel. Hierfür
müssen einerseits Werte und Gepflogenheiten vermittelt, aber auch direkte Begegnungen zwischen Flüchtlingen und der eiheimischen Bevölkerung gefördert werden.
Neben diesen praktischen Zielen und
Maßnahmen für eine Integration von Flüchtlingen in ländlichen Räumen verweist die
Studie auch noch auf einen anderen Aspekt,
denn die an dem Projekt beteiligten Landkreise weisen sehr unterschiedliche Voraussetzungen auf: strukturstark und -schwach,
bevölkerungsreich und -arm, mit großen
kreisangehörigen Städten oder sehr ländlich
geprägt, im Einzugsgebiet einer Großstadt
oder mit wenig infrastruktureller Anbindung. Die Studienergebnisse zeigen: Eine
erfolgreiche Integration ist unabhängig von
diesen Faktoren möglich.
Erfolgreiche Integration von Flüchtlingen im ländlichen Raum funktioniert
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Sebastian Grüner interviewt Osnabrücks Integrationsbeauftragte Seda Rass-Turgut.
Benedikt Frese war als Reporter auf dem Wochenmarkt unterwegs.
Ein neues Feld
Osnabrück wagt den Brückenschlag zwischen der Kommunalpolitik
und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
Ulf Buschmann
Fotos: Stadt Osnabrück
W
ie setzt sich überhaupt der Stadtrat
zusammen? Wie werden Zuwanderungsthemen behandelt? Und wie
können sich junge Leute einbringen? Viele
Jugendliche, insbesondere mit Zuwanderungsgeschichte, haben auf diese Fragen
nur wenige, meistens aber keine Antworten. In Osnabrück soll das anders werden.
Jungen Leuten zwischen 16 und 25 Jahren
wird seit dem vergangenen Jahr der Weg in
die Kommunalpolitik geebnet – die Türen
zum Migrationsbeirat und zum Jugendparlament stehen ihn weit offen. Wer sich
für die Arbeit in den Gremien interessiert,
bekommt Rat und Hilfe.
Drei Jahre lang sind junge Leute aus
Osnabrück mit und ohne Migrationshintergrund darauf vorbereitet worden, sich in
die Kommunalpolitik einzumischen. Dies
alles geschieht im Rahmen des Projekts
„In:Komm: Deine Meinung, deine Demokratie, dein Osnabrück“. Am 15. März geht
es mit der Veranstaltung „Wir müssen dabei
sein. Kommunalpolitische Teilhabe in Osnabrück“ mit Oberbürgermeister Wolfgang
Griesert und dem niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius über die Ziellinie.
Seda Rass-Turgut, Osnabrücks Inte
grationsbeauftragter, und ihren Mitarbeitern war es in jüngster Vergangenheit aufgegangen, dass zwar viele Menschen mit
Migrationshintergrund in der Stadt leben,
gleichwohl aber findet sich dieser Teil der
Bevölkerung nicht im Stadtrat wieder. Vom
Interesse der jungen Leute an der Kommunalpolitik ganz zu schweigen. Dies, so die
Fachleute, sei nicht nur ein Integrationshindernis, sondern fördere auch die Radikalisierung. Somit war die Idee zu „In:Komm“
geboren. „Demokratiekompetenz und Empowerment sind die tragenden Ziele des
Projektes – die beste Prävention vor Radikalisierung“, sagt Rass-Turgut.
Nach
Kooperationspartnern
mussten die Macher des Projekts nicht lange
suchen. Hierzu haben sich die Berufsbildenden Schulen (BBS) am Pottgraben und
die Stadt zusammengetan. Und das nicht
ohne Grund, denn der Migrantenanteil dort
ist nach Auskunft von Rass-Turgut hoch.
Allerdings sollten nicht nur die Jugendlichen
und jungen Erwachsenen mit Zuwanderungsgeschichte an „In:Komm“ teilnehmen
können, im Gegenteil, so die Integrationsbeauftragte: „Es waren ausdrücklich auch
Jugendliche ohne Migrationshintergrund im
Projekt willkommen.“
Der nächste Schritt: Die rund 30 Teilnehmer aus mehreren FachoberschulKlassen befassten sich mit grundsätzlichen
Fragen der Kommunalverfassung im Land
Niedersachsen: Wie setzt sich der Stadtrat
überhaupt zusammen? Welche Aufgaben
haben die Ausschüsse? Wie können sich die
Jugendlichen dort einbringen? Und: Welchen Stellenwert haben Migrationsthemen
überhaupt. Diese und viele andere Fragen
beantworteten die Mitarbeiter der Verwaltung und der kommunalen Gremien.
Die Schulungen gingen im August vergangenen Jahres über die Bühne. Allerdings nicht als Frontalunterricht, sondern
als interaktive Workshops. So führten die
Jugendlichen Interviews mit Vertretern
des Stadtrates, des Migrationsbeirates
und Osnabrücker Bürgern in der Innenstadt. „Jede Stimme zählt, aber was heißt
das eigentlich?“, wollte eine Schülerin beispielsweise wissen. Dieser Ansatz sei bei
den Jugendlichen selbst und bei den Projektverantwortlichen ziemlich gut angekommen.
Rass-Turgut hebt unter anderem hervor:
„Die Jugendlichen haben insbesondere die
Empowerment-Workshops, die Medienarbeit sowie die Zusammenarbeit mit Akteuren im Rathaus als positiv bewertet.“ Inzwischen wüssten die jungen Teilnehmer, dass
Demokratie im Großen und im Kleinen nur
dann funktioniere, wenn sich möglichst
viele Menschen daran beteiligen.
Die Schülerin Miray Kücük dürfte denn
auch den meisten Teilnehmern aus dem
Herzen sprechen: „Das Projekt (…) hat mir
persönlich sehr gefallen und mich dazu
motiviert, mich mehr an der Politik zu
beteiligen (…). Die lockere Atmosphäre hat
alles vereinfacht und einen mehr motiviert.“
Sie habe gemerkt, dass alle sehr viel Spaß
hatten beziehungsweise haben und trotzdem das Projekt ernst genommen hätten.
Um die positiven Effekte für die Zukunft zu
sichern, werden die Jugendlichen weiterhin
beraten und begleitet, wenn es um ihr Engagement geht. „Der Migrationsbeirat und das
Jugendparlament sind die ersten Einsatzfelder“, sagt Rass-Turgut.
Das Projekt hat nach Auskunft der Integrationsbeauftragten genau 121.853 Euro
gekostet. Davon steuerte das Bundesfamilienministerium rund 92.000 Euro bei. Der städtische Kofinanzierungsanteil sei mit kommunalen Personalausgaben gestellt worden.
Weitere Informationen gibt es unter:
www.osnabrueck.de
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