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Full text: Abschalten allein genügt nicht / Köpke, Ralf (Rights reserved)

klima allianz deutschland Abschalten allein genügt nicht. Wer aussteigt, muss auch rich g einsteigen! -1- Impressum: AutorInnen Dr. Ralf Köpke (Hauptredak on) Jürgen Maier, Julia Junge und der SprecherInnenrat der klima-allianz deutschland (Vorwort, Forderungen, Fazit) Unter Mitarbeit von Klaus Breyer (Ev. Kirche von Wes alen) Daniela Se on (klima-allianz deutschland) Sabine Spilles (klima-allianz deutschland) Herausgeber klima-allianz deutschland V.i.S.d.P: Julia Junge Marienstr. 19–20 10117 Berlin Tel: 030-678 177 577 info@klima-allianz.de www.klima-allianz.de Rechtsträger der klima-allianz ist der Deutsche Naturschutzring e.V. Layout www.die-projektoren.de Titelbild cienpiesn, fotolia.de Druck dieUmweltDruckerei GmbH Diese Publika on wurde klimaneutral und auf 100 Prozent Recyclingpapier gedruckt. Juni 2012 INHALTSVERZEICHNIS Vorwort 4 Forderungen Kurzfassung 5 I. Das Energiekonzept 6 II. Das Energiewende-Paket 9 III. Erkennbare Probleme a) Der Einfluss der europäischen Klimaschutzpoli k 16 16 b) Der heu ge Strommarkt muss auf neue Füße gestellt werden – ein neues Design muss her 17 c) Neue Stromnetze sind unverzichtbar – doch wie viele Trassenkilometer sind tatsächlich notwendig? 18 d) Neue Speicher braucht das Land – neue Technologien sind noch weit vom kommerziellen Durchbruch en ernt 23 e) Die Integra on der erneuerbaren Energien in den Strommarkt – ein wegweisendes Konzept ist nicht in Sicht 24 f) Der Umbau der Energieversorgung kostet Geld – wie viel, weiß niemand seriös, was Populisten für S mmungsmache ausnutzen 26 g) Ein Energiesparweltmeister mit Angst vor der eigenen Courage: Das Versagen der Bundsregierung bei der Energieeffizienzpoli k 29 Das Fazit der klima-allianz deutschland 32 Die klima-allianz deutschland 34 Foto: klima-allianz deutschland VORWORT Ein Jahr nach der Verabschiedung des „Energiewende“-Gesetzespakets im Bundestag zieht die klima-allianz deutschland mit der vorliegenden Analyse Bilanz. Die Energiewende ist keine Erfindung der Regierung Merkel, sondern auch das Ergebnis des langjährigen Einsatzes unserer Mitgliedsorganisa onen für eine zukun sfähige Energieversorgung ohne Atomkra und ohne Klimazerstörung. 2007 haben wir die mi lerweile auf 118 Mitgliedsorganisa onen angewachsene klima-allianz deutschland gegründet, um den gesellscha lichen Druck zu erzeugen, dass den Klimaschutz-Versprechen der Regierung Taten folgen. Immer noch ist Deutschland von einer konsistenten Klimaschutzpoli k weit en ernt. Nach wie vor setzen wir uns deshalb gegen den Neubau von Stein- und Braunkohlekra werken, gegen die alltäglichen A acken aus Wirtscha und Poli k auf die erneuerbaren Energien, gegen Subven onen für Spritschlucker-Dienst- wagen und für eine ökologisch konsequente, sozial gerechte Energiewende ein. Gemeinsam mit Bürgerini a ven und Verbänden wurden 17 geplante klimaschädigende Kohlekra werke in den letzten Jahren erfolgreich gestoppt. Nicht nur im Stromsektor, sondern auch beim Verkehr und der Wärmeerzeugung gibt es noch jede Menge unerledigte Aufgaben. Auch wenn es vordergründig einen poli schen Konsens über die „Energiewende“ zu geben scheint – bei näherem Hinsehen wird rasch deutlich, dass sich der Konsens zu o darin erschöp , dass die Atomkra keine Zukun hat und in den nächsten Jahren auslaufen wird. Der Rest, das heißt die entscheidende Frage, wie und was für den Umbau unserer Energieversorgung angepackt werden muss, ist mehr oder weniger stri g. Als breites gesellscha liches Bündnis für Klimaschutz, das Organisa onen aus Umwelt und Entwicklungszusammenarbeit, Jugendverbänden, Gewerkscha en und Kirchen vereint, set- -4- zen wir uns dafür ein, dass die Energiewende im Strom-, Wärme- und Verkehrsbereich konsequent vorangetrieben wird, dass der Anteil der Kohle am deutschen Strommix weiter abnimmt und dass das große Ziel „100 Prozent erneuerbare Energien“ so schnell wie möglich erreicht wird. Wer aussteigt, muss auch rich g einsteigen! Dafür stehen wir als klima-allianz deutschland und deshalb melden wir uns mit dieser Einschätzung ein Jahr nach der Veröffentlichung der „Energiewende“-Gesetze kri sch zu Wort. WIR FORDERN FÜR DAS ZWEITE JAHR NACH DEM ENERGIEWENDE GESETZPAKET: Im Einzelnen bedeutet dies: • Strom, Netze und erneuerbare Energien: Um den Ausbau der Erneuerbaren fortzuschreiben, braucht es weiterhin ein starkes Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und den von den Erneuerbaren her gedachten Umbau der Stromnetzes und des ergänzenden Kra werksparks. Neue Kohlekra werke sind für die kün ige Stromversorgung nicht nö g. • Verkehr: Deutschland braucht ein verbindliches Klimaschutzziel für den Verkehrssektor, eine verbesserte Finanzierung des Öffentlichen Verkehrs, ambi onierte CO2-Obergrenzen für PKW und LKW sowie eine ökologisch ausgerichtete Dienstwagenbesteuerung. Subven onen für den besonders klimaschädlichen Lu verkehr müssen gestrichen werden. • Energieeffizienz und Gebäudesanierung: Die Bundesregierung muss ihren Bekenntnissen zu Sanierungen jährliche Einsparziele folgen lassen und Rahmenbedingungen für die Gebäudesanierung schaffen, die Investoren Planungssicherheit bringen und Wohnraum dauerha für alle sozialen Gruppen bezahlbar machen. Sicherheit, Verbindlichkeit und Langfrisgkeit der weiteren Planungen in einem deutschen Klimaschutzgesetz festzuhalten; die Energiewende als par zipa ver Prozess zu gestalten, der alle gesellscha lichen Akteure beteiligt und eine transparente Bewertung der Fortschritte ermöglicht; die kurzfris gen Inves onskosten gerade angesichts der mi el- und langfris gen Kosteneinsparungen sozial ausgeglichen zu teilen und dazu die zahlreichen Vergüns gungen für die Industrie abzubauen; den engagierten Einsatz der Bundesregierung für ein CO2-Reduk onsziel von 30 Prozent bis 2020 auf europäischer Ebene. klima allianz deutschland Der SprecherInnenrat der klima-allianz deutschland -5- Foto: Rainer Sturm, pixelio.de I. DAS ENERGIEKONZEPT – oder wie die Bundesregierung selbst eine Wende in ihrer Energiepolitik binnen weniger Monate vollzog Das Atom-Unglück von Fukushima vom 11. März 2011 hat nicht nur die Gesellscha sund Energiepoli k in Japan verändert. Auch hierzulande hat dieses Ereignis Folgen gehabt, die niemand erwartet hä e. In einem Rückblick auf das Jahr 2011 schreibt das Nachrichtenmagazin Der Spiegel: „Mit Fukushima brach für Merkel […] eine Welt zusammen. Ein solches Ereignis ha e sie für unmöglich gehalten. Plötzlich wollte die Kanzlerin so schnell wie möglich aussteigen, während andere Industriena onen deutlich weniger radikal auf das Unglück in Japan reagierten.“ Fukushima leitete Deutschlands zweiten Atomauss eg ein. Zur Erinnerung: Im Jahr 2002 hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung bereits das sukzessive Abschalten aller Atomkra werke beschlossen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung ha e dann erst im Herbst 2010, also gut ein halbes Jahr vor Fukushima, die Laufzeiten der deutschen Kernkra werke wieder verlängert. Das es dazu kam, war keine Überraschung. Im Vorfeld der Bundestagswahl im Herbst 2009 ha en sich sowohl die Union als auch die Liberalen eindeu g für einen Auss eg aus dem während der rot-grünen Regierungszeit im Jahr 2002 beschlossenen Atom-Auss eg ausgesprochen. Nach ihrem überlegenen Wahlsieg kündigte die neue Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) und Guido Westerwelle (FDP) ein Energiekonzept mit einer Neubewertung der Atomenergie an. Um auf der „sicheren Seite“ zu sein, ließen die zuständigen Fachministerien drei Szenarien rechnen. Sie sollten der poli sch schon beschlossenen Laufzeitverlängerung der Atomreaktoren einen vermeintlich wissenscha lichen Rahmen geben. Um das angekündigte Energiekonzept in ihrem Sinne zu beeinflussen, richteten im Sommer 2010 die Vorstandschefs der großen Energiekonzerne sowie führende Konzernlenker energieintensiver Branchen in ganzsei gen Tageszeitungsanzeigen einen „Energiepolitischen Appell“ an die Bundesregierung. Forciert ha e diese Ak on Jürgen Großmann, der damalige Vorstandschef von RWE, die Koordina on der -6- Ini a ve erfolgte über den Bundesverband der lerin Merkel und der damalige UmweltminisDeutschen Industrie (BDI). In diesem „Appell“ ter Norbert Rö gen den Bundesbürgern die forderten rund 40 Manager die Bundesre- Laufzeitverlängerung „schmackha “ zu magierung auf, die Energieversorger und Unter- chen – eine widersinnige Argumenta on: Für nehmen nicht stärker als bisher mit Abgaben einen dynamischen Ausbau der erneuerbaren zu belasten. Die Atomkra sowie Stein- und Energien bedarf es keiner einzigen atomaren Braunkohle sollten weiter – „unverzichtbar“ – Kilowa stunde. Im Gegenteil: Die großen, leiszum bundesdeutschen Energiemix gehören, tungsstarken und inflexiblen Atomkra werke damit der Umbau hin zu erneuerbaren Energi- behindern den Aufbau dezentraler Versoren finanzierbar sei. Der medienwirksame Ap- gungsstrukturen, bei denen vor allem regenepell war nichts anderes als der Versuch einer ra ve Kra werke eingesetzt werden. gezielten Einflussnahme, um die bestehenden Umweltminister Rö gen vers eg sich damals in die Bemerkung, dass zentralisierten Strukturen das Energiekonzept „das der Energiewirtscha zu „Fukushima hat meine Haltung anspruchsvollste energieerhalten. zur Kernenergie verändert. Ich poli sche Programm der Diese Einflussnahme zeighabe für mich eine neue Bewertung vorgenommen.“ Welt“ sei, „ein Fahrplan te zunächst Erfolg. Als die ins Zeitalter der erneuerBundesregierung im SepAngela Merkel baren Energien.“ Rich g tember 2010 ihr neues ist, dass das EnergiekonEnergiekonzept vorstellte, ha en sich die Stromriesen durchgesetzt: zept 117 zum Teil durchaus ehrgeizige Einzelnach den Vorstellungen von Union und FDP maßnahmen vorsah. Dazu zählte auch der Aussollten die 17 deutschen Atomkraftwerke bau der regenera ven Energien, die im Jahr zwischen 8 und 14 Jahre länger laufen. Da- 2050 mehr als 80 Prozent des Energiebedarfs mit wäre der letzte Atommeiler wohl nicht vor decken sollten. dem Jahr 2036 außer Betrieb gegangen. Der Bevor die Bundesregierung mit den entsprerot-grüne Ausstiegbeschluss hatte das Jahr chenden Gesetzen den Weg dahin ebnen 2022 anvisiert. Sozusagen als Kompensa on konnte, ereignete sich am 11. März 2011 der der sich mit der Laufzeitverlängerung abzeich- Super-Gau in Fukushima. In den Tagen danach nenden Milliardengewinne beschloss die Bun- sprach Kanzlerin Merkel die Worte, die innerdesregierung, eine bis Ende 2016 bestehende halb kürzester Zeit eine erneute Kehrtwende in Steuer auf Kernbrennstoffe einzuführen und der deutschen Energiepoli k einleiteten: „Fudie vier 4 großen Atomstromkonzerne für die kushima hat meine Haltung zur Kernenergie Übergangszeit zu Einmalzahlungen in einen verändert. Ich habe für mich eine neue Bewerneu zu schaffenden Energie- und Klimafonds tung vorgenommen.“ Ha e der Bundestag drei Monate zuvor mit der (EKF) zu verpflichten. Als „Brücken-Technologie“ auf dem Weg zu Atomrechtsnovelle die Laufzeitverlängerung abden regenera ven Energien versuchten Kanz- gesegnet, so ordneten mehrere Bundesländer -7- Foto: klima-allianz deutschland in Absprache mit der Bundesregierung am 14. März 2011 für acht ältere Atomkra werke (genau genommen waren es sieben, da das Atomkra werk Krümmel schon seit längerem s ll stand) eine dreimona ge Zwangsabschaltung an. Dieses Moratorium, so die offizielle Lesart, sollte zu einer Sicherheitsüberprüfung genutzt werden. Die vom Moratorium betroffenen acht Atomreaktoren wurden dann im Sommer endgültig abgeschaltet. Damit ging eine atomare Erzeugungsleistung von 8 800 Megawa (MW) vom Netz, sprich: noch werden in den verbleibenden 9 Atomkra werken 12 700 MW für die Stromerzeugung eingesetzt. Bei ihrem Weg in eine atomstromfreie Zukun Deutschlands stützte sich die Bundesregierung auf zwei Kommissionen. Zum einen auf die Reaktorsicherheitskommission, die während des Moratoriums all die technischen Fragen stellen und beantworten sollte, die sich aus der Nuklearkatastrophe in Japan ergaben. Zum anderen berief die Bundesregierung die Ethikkommission zur sicheren Energieversorgung unter dem Vorsitz von Ex-Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) und Ma hias Kleiner, dem Präsidenten der Deutschen Forschungsgesellscha (DFG). Aufgabe dieses 20-köpfigen Gremiums war es, eine gesellscha spoli sche Risikobewertung der Atomkra vorzunehmen sowie Vorschläge für den Atomauss eg und die weitere Energieversorgung zu machen. Der Ende Mai 2011 vorgestellte Abschlussbericht mit dem Titel „Deutschlands Energiewende – Ein Gemeinscha swerk für die Zukun “ empfahl der Bundesregierung, aus der Atomkra auszusteigen. Die Kommission sei „der festen Überzeugung, dass der Auss eg innerhalb eines Jahrzehnts abgeschlossen werden kann“, hieß es in dem 35-sei gen Papier. Die Energiewende könne gelingen, wenn gleichzei g die von der Ethikkommission vorgelegten Vorschläge zum Ausbau regenera ver Energien und der Energieeffizienz umgesetzt würden. Knapp vier Wochen nachdem die Ethikkommission ihren Abschlussbericht vorgestellt ha e, beschloss der Bundestag ein Gesetzespaket zur „Energiewende in Deutschland“. -8- II. DAS ENERGIEWENDE-PAKET: Die acht Gesetze im Überblick Die Energiewende hat zwei wichtige Eckdaten: Der Bundestag beschloss am 30. Juni 2011, nur 16 Wochen nach dem FukushimaGau, acht Gesetze, mit denen die Bundesregierung ihren neuen energiepoli schen Kurs auf den Weg brachte. Gut eine Woche später, am 8. Juli, s mmte der Bundesrat mit einer Ausnahme allen Gesetzen zu. Wie sah nun dieses Energiewende-Paket im Einzelnen aus? Umfasste das Gesetzespaket alle notwendigen Hebel, um die Energiewende zu realisieren? Und wie sieht es mit der Umsetzung dieser Gesetze bislang aus? Für den Auss eg aus der Atomkra war vor allem eine Änderung der 13. Novelle des Atomgesetzes notwendig. Dafür gab es im Sommer 2011 eine breite Mehrheit im Bundestag. Neben den Regierungsfraktionen stimmten auch die meisten Parlamentarier von SPD und Grünen für den gestaffelten Auss eg aus der Atomkra bis zum Jahr 2022. Die im Frühjahr 2011 bereits abgeschalteten sieben Atomkra werke sowie der Pannenmeiler Krümmel blieben vom Netz. In gut zehn Jahren ist hierzulande Schluss mit der Atomkra nutzung, wenn die Atomkra werke Isar II, Neckarwestheim II und Emsland die Stromproduk on einstellen. Die deutschen AKW und ihre Restlaufzeiten Berlin (dpa) – Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima hat die Bundesregierung ihre Laufzeitverlängerung für die Kernkra werke zurückgenommen und einen schri weisen Atomauss eg beschlossen. ATOMKRAFTWERK Sta frühestens 2036 soll nun der letzte Meiler bis 2022 vom Netz gehen. Acht AKW wurden 2011 sofort s llgelegt, 2015, 2017 und 2019 folgen jeweils eins, 2021 und 2022 jeweils drei. Haupteigentümer Nennleistung in MegawaƩ Neue Laufzeit EnBW 840 1976–2011 BADEN-WÜRTTEMBERG: Neckarwestheim I* Neckarwestheim II EnBW 1395 1989–2022 Philippsburg I* EnBW 926 1979–2011 Philippsburg II EnBW 1458 1984–2019 Eon 912 1977–2011 BAYERN: Isar I, Essenbach* Isar II EON 1475 1988–2022 Grafenrheinfeld EON 1345 1981–2015 Gundremmingen B RWE/EON 1344 1984–2017 Gundremmingen C RWE/EON 1344 1984–2021 > Fortsetzung nächste Seite ATOMKRAFTWERK Haupteigentümer Nennleistung in MegawaƩ Neue Laufzeit HESSEN: Biblis A* RWE 1225 1974–2011 Biblis B* RWE 1300 1976–2011 EON 1410 1978–2011 NIEDERSACHSEN: Unterweser, Esensham* Grohnde EON 1430 1984–2021 RWE/EON 1400 1988–2022 Brunsbü el* Va enfall/EON 806 1976–2011 Krümmel, Geesthacht* Va enfall/EON 1402 1983–2011 Brokdorf EON/Va enfall 1440 1986–2021 Emsland, Lingen SCHLESWIG-HOLSTEIN: Anmerkung: Die mit * markierten Anlagen wurde 2011 sƟllgelegt. Nach einer Analyse des Öko-Ins tuts wäre – rein unter Versorgungsgesichtspunkten – auch der komple e Auss eg im Jahr 2017 möglich, eine Op on, die in der poli schen Deba e keine Rolle spielte. Die Atomrechtsnovelle sah auch eine Ermächtigung für die Bundesnetzagentur vor, eine störungsfreie Stromversorgung sicherzustellen. Bis September 2011 sollte die Bonner Behörde darüber entscheiden, ob eines der s llgelegten Atomkra werke für die Überbrückung möglicher Netzengpässe während der Wintermonate 2011/2012 in Kaltreserve gehalten werden sollte, sprich sozusagen in Stand-by-Haltung laufen sollte. Die Netzagentur nahm jedoch in Abstand dazu einige fossile Blöcke in Deutschland und Österreich, mit einer Gesamtleistung von rund 1 000 Megawa , unter Vertrag. Nur drei Mal mussten die deutschen Netzbetreiber auf diese Kra werksreserve während der Wintermonate 2011/2012 zurückgreifen. Ob dieser Rückgriff auf diese Reserven immer notwendig war, ist umstri en. Bis heute nicht widerlegte Recherchen der Deutschen Umwelthilfe zeigten, dass es am 8. und 9. Dezember 2011 keinen Versorgungsengpass in Süddeutschland gegeben hat. Diese wenigen Rückgriffe auf die Kra werksreserve waren jedoch Wasser auf die Mühlen von Industrieverbänden, Teilen der Energiewirtscha und Poli k, auf die vermeintlichen Gefahren der Energiewende hinzuweisen – dahinter stand immer die Kri k, dass das Abschalten der acht Atommeiler im Frühjahr 2011 unnö g gewesen sei und die Versorgungssicherheit gefährde. Bis heute ist rechtlich nicht abschließend geklärt, ob die Bundesregierung die Kernkra werksbetreiber für die durch die Rücknahme der Laufzeitverlängerungen entgangenen Gewinne entschädigen muss. Eon und RWE wollen vor dem Bundesverfassungsgericht klären lassen, ob eine Grundrechtsverletzung vor- - 10 - Eigentlich sollte bis Ende vergangenen Jahres auch die Endlagerfrage für den atomaren Müll geklärt werden. Lange konzentrierten sich alle Bemühungen darauf, den Salzstock in Gorleben zu erkunden. Von dieser einsei gen Fokussierung ist das Bundesumweltministerium mi lerweile abgewichen. Ende April 2012 zeichnete sich indes ein neues Endlagersuch-Gesetz ab, mit dem der damalige Bundesumweltminister Rö gen ein oder zwei weitere Standorte mit Gorleben als „ReferenzstandDer Strommix in Deutschland im Jahr 2010 orte“ vergleichen will. Dass Erneuerbare Energien lieferten 16,8% Gorleben weiterhin als mögdes Bruttostromverbrauchs. Photovoltaik Erneuerbare liches Endlager gehandelt 2,0% Energien Kernenergie (12,0 Mrd. kWh) 101,7 Mrd. kWh wird, löste einen vehementen 22% 17% Wasserkraft (regenerativ) Protest von Unweltverbän3,3% Erdgas (19,7 Mrd. kWh) den, Anti-Atom-Initiativen, 13% Biomasse gesamt Gewerkscha en und Kirchen (inkl. biogener 605 Mrd. kWh Abfall) im Wendland aus. Braunkohle liegt, sie versuchen gemeinsam einen „Schaden“ von 10 Mrd. Euro geltend zu machen. Alle Atomkraftswerksbetreiber zusammen beziffern ihren Verlust auf 15 Mrd. Euro. Die Steuer auf Kernbrennstäbe, die mit der Laufzeitverlängerung 2010 beschlossen wurde, blieb auch mit der Energiewende bestehen. Auch dagegen klagten die Betreiber, mussten allerdings eine erste gerichtliche Niederlage hinnehmen. 5,5% (33,5 Mrd. kWh) 23% Sonstige (ohne EE-Anteil) 6% Steinkohle 19% Windenergie 6,0% (36,5 Mrd. kWh) Quelle: AGEB, AGEE-Stat Stand: 08/2011 Der Strommix im Jahr 2020: Erneuerbare Energien sichern 47 % der Versorgung Kernenergie 9 TWh (1 %) Erdgas 65 TWh (11 %) Braunkohle 99 TWh (17 %) gesamt 595 TWh Steinkohle 114 TWh (19 %) Sonstige* 29 TWh (5 %) Quelle: Branchenprognose 2020 Stand: 1/2009 Geothermie 1% Wasserkraft (regenerativ) 5% Photovoltaik 7% Bioenergie 9% Windenergie auf See 6 % Windenergie an Land 19 % *Abfall, Mineralöl, Speicher usw. - 11 - www.unendlich-viel-ene rgie.de Erneuerbare Energien 278 TWh (47 %) Im Gesetz zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hat die Regierung festgelegt, dass der Ökostromanteil hierzulande Ende dieser Dekade bei mindestens 35 Prozent, 2040 bei 65 Prozent und bis 2050 bei mindestens 80 Prozent liegen soll. Damit verpasste die Bundesregierung allerdings die Chance, sich frühzeitig höhere Ausbauziele zu setzen. Schon die bereits vor Fukushima vorliegenden Entwürfe für das Erneuerbare-Energien-Gesetz Foto: Andreas Barnickel, pixelio.de (EEG) sahen ein Ausbauziel von 35 Prozent bis zum Jahr 2020 vor. Nach Fukushima ergänzte das federführende Bundesumweltministerium die entsprechende Passage durch das Wörtchen „mindestens“. Die ohnehin im Jahr 2011 anstehende EEGNovelle nutzte die Bundsregierung nicht nur für Neujus erungen im Bioenergiebereich, um die vielfäl gen und komplexen Förderregeln zu vereinfachen. Besonderes Augenmerk legte die Bundesregierung auf eine deutlich erhöhte Einspeisevergütung für Strom aus OffshoreWindparks, sprich: Windstrom, der auf See erzeugt wird. Da die Offshore-Windenergie schon unter der in den Jahren 2005 bis 2009 in Berlin regierenden Großen Koalition als wich ge Zukun sop on galt, war dieser Schri folgerich g – zumal mit den bis dahin gül gen Vergütungssätzen ein rentabler Betrieb der Meereskra werke, deren Inves onskosten für 400 Megawa Leistung in der Regel bei rund anderthalb Mrd. Euro liegen, kaum möglich war. Auf Unverständnis s eß der ursprüngliche Plan des Bundesumweltministeriums, die Förderbedingungen für Windturbinen an Land zu verschlechtern. Dieses wenig stringente Vor- gehen – Windparks im Binnenland werden noch über Jahre hinweg wirtscha licher sein als Projekte auf See – konnte erst mit einer Kra anstrengung der Verbände und mit Unterstützung des Bundesrates verhindert werden. Für die Kra werke auf See ist seit Ende Januar 2012 die angekündigte Änderung der Seeanlagenverordnung in Kra . Damit obliegen nunmehr dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie alle Umweltprüfungen, die für die Genehmigung eines Offshore-Windparks notwendig sind. Im Hinblick auf die Straffung des Genehmigungsverfahrens ist dies allemal ein Fortschri ; gebaut wurde deshalb aber noch kein zusätzlicher Offshore-Windpark. Problema sch ist vor allem, dass sich der für die Nordsee-Projekte zuständige und gesetzlich verpflichtete Netzbetreiber TenneT mit den vielen Anschlussbegehren finanziell überfordert sieht. Mit Hilfe der Bundesnetzagentur und der staatseigenen KfW-Bankengruppe sollen Investoren gesucht werden, die den Netzausbau mi ragen. Um zu Netzanschlüssen auf See zu kommen, will die Bundesregierung das Ha ungsrisiko für die Netzbetreiber ändern. Sollte es kün ig zu Netzausfällen oder Kabelschäden kommen, werden die Einnahmeausfälle der Offshore-Windparkbetreiber aus der Staatskasse gedeckt, sprich vom Steuerzahler. Vor allem die Festlegung der Bundesregierung in der EEG-Novelle, den Ökostromanteil bis 2020 auf 35 Prozent auszubauen, s eß auf Krik, denn dieses Vorhaben wird bis heute als wenig ambi oniert gesehen. Bereits 2009 hatten die Verbände der erneuerbaren EnergienBranche in einer gemeinsamen Abschätzung einen Ökostromanteil von 47 Prozent bis zum Jahr 2020 für machbar erklärt. Fest steht: Ohne - 12 - das EEG und dessen Vorläufer, das Stromeinspeisungsgesetz aus den frühen 1990er Jahren, wäre weder die Zielmarke der Bundesregierung noch die der Verbände erreichbar. Die Zwischenbilanz lässt hoffen: Ende 2011 lag der Ökostromanteil bei annähernd 20 Prozent und damit erstmals über dem Anteil der Atomkra – bedingt auch durch das Abschalten von acht Atomkra werken im gleichen Jahr. Als Konsequenz des Energiekonzeptes ließ die Bundesregierung das Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“ ausarbeiten. Aus dem Geldtopf plant die Bundesregierung zahlreiche na onale und interna onale Projekte zu unterstützen. Finanziert werden sollte dieser Fonds ursprünglich durch Abgaben auf die Zusatzgewinne, die die Laufzeitverlängerung den vier Atomkonzernen in ihre Kassen spült. Nach Fukushima änderte die Bundesregierung die Strategie: Gespeist werden soll der Fonds ab 2013 auch aus Einnahmen aus der Versteigerung der CO2-Emmissionsrechte, wenn fossile Kra werksbetreiber diese Zer fikate erwerben müssen. In diesem Jahr erhält der Fonds aus dem Bundeshaushalt 450 Mio. Euro. Allerdings zeichnet sich bereits heute eine folgenschwere Unterdeckung des Fonds ab. Denn in den Kalkula onen zur Finanzierung des Fonds geht die Bundesregierung von einem Zer fikatspreis von mehr als 15 Euro pro emi erter Tonne Kohlendioxid und jährlichen Gesamteinnahmen von bis zu 3,3 Mrd. Euro aus. Angesichts der zuletzt unter die 7-EuroMarke gefallenen CO2-Zer fikatspreise ist die Finanzausstattung des Fonds erheblich gefährdet. Ob die fehlenden Mi el sta dessen aus dem Bundeshaushalt kommen werden, ist mehr als fraglich. Zu den zentralen Vorhaben des „Energiewende-Gesetzpakets“ zählt das Gesetz über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze. Im Mi elpunkt steht dabei die Erarbeitung des sogenannten Bundesbedarfsplans, der festlegt, wieviele neue Netzkilometer notwendig sind. Die entsprechenden Vorarbeiten laufen – auch In der Hand der kleinen Leute mit Beteiligung von UmAnteile der verschiedenen Gruppen an der bundesweit installierten Leistung zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren-Energien-Anlagen (43.000 MW Ende 2009). weltverbänden und Bürgern. Die vier ÜbertraPrivatpersonen Projektierer 42% 15% gungsnetzbetreiber haben Ende Mai ihre BerechnunEnergieversorgungsunternehmen gen und Vorschläge für Gesamt: 13% 43.000 MWel den Netzentwicklungsplan Fonds / Banken vorgelegt. 11% Ziel der Bundesregierung ist Industrieunternehmen Gewerbe 7% es zudem, die Bau- und PlaLandwirte Regionalerzeuger nungszeiten für die Netze 9% Sonstige 2% 1% von gut zehn auf vier Jahre Quelle: trend research 2010; Stand: 10/2010 zu verkürzen. Daher über- - 13 - Foto: Rainer Sturm, pixelio.de nimmt die Bundesnetzagentur die Planung für Ländergrenzen überschreitende Trassen, was auf Widerstand in den Bundesländern s eß. Eine Verordnung, die der Bundesnetzagentur die neuen Kompetenzen überträgt, lässt immer noch auf sich warten. Um auf lokaler Ebene mehr Zus mmung für den Bau neuer Trassen zu bekommen, erhalten Städte und Gemeinden eine einmalige Entschädigung von bis zu 40 000 Euro je Kilometer Höchstspannungsnetz. Dieses Gesetz wird, wenn überhaupt nur den Bau neuer Trassen beschleunigen, die nach Verabschiedung des erwähnten Bundesbedarfplans gebaut werden. Bereits bestehende Planungen bleiben davon unberührt. Eine große Baustelle ist weiterhin das Gesetz zur steuerlichen Förderung von energe schen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden. Hausbesitzer oder Kleinvermieter, die ihre Häuser energe sch sanieren und auf moderne Heiztechnik umsteigen, sollen diese Inves onen bei ihrer Steuererklärung geltend machen können. Voraussetzung hierfür ist, dass die Häuser nach erfolgter Sanierung im Energiever- brauch um nachweisbar 15 Prozent unter dem für vergleichbare Neubauten maximal zulässigen Wert liegen. Über die Au eilung der mit diesen Fördermaßnahmen verbundenen Steuerausfällen – Experten gehen von einer Summe von jährlich bis zu 1,5 Mrd. Euro aus – haben Bundesregierung und Bundesländer bis heute keine Einigung erzielt. Die Länderregierungen verweigerten dem Gesetz bei der Sitzung am 8. Juli 2011 im Bundesrat ihre Zus mmung. Erst drei Monate später rief die Bundesregierung den Vermi lungsausschuss an, kein Zeichen stringenten Handelns. Seit Herbst vergangenen Jahres scheint der Vermi lungsausschuss trotz mehrerer Sitzungsrunden und Ankündigungen einer „baldigen Einigung“ nicht in der Lage zu sein, einen Kompromiss zwischen Bund und Ländern herzustellen. Die Mehrzahl der Beobachter wertet dies als deutliches Indiz für ein mangelndes Zusammenspiel zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern bei der Energiewende. Erst Ende März 2012, mit großer Verzögerung, gab der Haushaltsausschuss des Bundestages seine Zus mmung für die Freigabe der Mi el, - 14 - Foto: klima-allianz deutschland Bei dem Gesetz zur Neuregelung energiewirtscha licher Vorschri en geht es vornehmlich um eine Anpassung an die 3. EU-Binnenmarktrichtlinie. Fragen der Netzen lechtung, sprich, die Regelung, dass die Energieversorger die Stromproduk on und den -transport rechtlich trennen müssen, aber auch die Frage, welche Fristen beim Wechsel des Stromlieferanten für die Verbraucher einzuhalten sind, werden unter anderem in den einzelnen Paragrafen geregelt. Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes regelt auch, dass ein Netzentwicklungsplan erstellt werden muss (siehe Seite 18) – die Voraussetzung für den Bau neuer, unverzichtbarer Netztrassen. Im neuen Energiewirtscha sgesetz, das sozusagen das Grundgesetz für die heimische Energieversorgung darstellt, hat es die Bundesregierung allerdings versäumt, die führende Rolle der erneuerbaren Energien für die kün ige Strom- und Wärmeversorgung explizit zu betonen – eine Klarstellung, die mehr als wünschenswert gewesen wäre. Keine Rolle in der öffentlichen Diskussion spielt bislang das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden. Immerhin sieht das Gesetz eine sogenannte „Klimaschutzklausel“ vor, mit der Kommunen Bauherren die Nutzung von erneuerbaren Energien und den Einsatz von Kra -Wärme-Kopplung vorschreiben können. Der breiten Öffentlichkeit wird dieses Gesetz aufgrund seiner hochkomplexen bauplanungsrechtlichen Materie aber unbekannt bleiben. Geplant ist für das Jahr 2012 eine weitere Gesetzesnovelle, im Zuge derer Klimaschutzmaßnahmen verstärkt in der Baunutzungsverordnung verankert werden sollen. - 15 - Quelle: dena/BMVBS die für das sogenannte CO2-Gebäudesanierungsprogramm vorgesehen waren. Für dieses Jahr und bis 2014 stehen so jährlich 1,5 Mrd. Euro für die verschiedenen Förderprogramme mit zinsvergüns gten Krediten zur Verfügung, die von der KfW-Bankengruppe betreut werden. Kri ker bemängeln, dass die Bundesregierung mit diesem Budget ihr selbstgestecktes Ziel einer jährlichen Sanierungsrate im Altbausbestand von zwei Prozent verfehlen wird. Heute liegt diese Quote bei unter einem Prozent. Dass die Förderung der Gebäudesanierung – das „Rückgrat“ erfolgreicher Energieeffizienzpoli k – keinen allzu großen Stellenwert in Regierungskreisen besitzt, ist offensichtlich: im Jahr 2009, lange vor der verkündeten Energiewende, umfasste das Budget für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm immerhin 2,2 Mrd. Euro. Foto: klima-allianz deutschland III. ERKENNBARE PROBLEME bei der Umsetzung der Energiewende a) Der Einfluss der europäischen Klimaschutzpoli k Das Gelingen der Energiewende in Deutschland hängt eng mit einer konsequenten Klimaschutzpoli k auf interna onaler Ebene zusammen. Die EU hat sich 2008 verpflichtet, ihren Treibhausgasausstoß bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 20 Prozent zu senken. Vier Jahre nach dem Beschluss wird deutlich: Dieses Ziel ist ist zu niedrig angesetzt worden. Bereits 2010 lagen die CO2-Emissionen in der EU 14 Prozent unter den Werten aus dem Jahr 1990. Grund dafür ist insbesondere der Zusammenbruch der Industrie in Mi el- und Osteuropa nach der poli schen Wende in den 1990er Jahren. Es gibt noch ein weiteres Problem: Die EU setzt bei ihrer Klimaschutzpoli k seit dem Jahr 2005 auf den Emissionshandel. Danach muss ein Unternehmen für jede Tonne CO2, die es ausstößt, ein Zer fikat erwerben. Wird mehr CO2 emi ert, müssen Zer fikate hinzugekau werden. Erhielten Energieversorger und Industriebetriebe diese Verschmutzungsrechte anfangs gra s, müssen sie mi lerweile teilweise ersteigert werden. Die Erlöse aus der Versteigerung der CO2-Zer fikate sollen in Klimaschutzmaßnahmen inves ert werden. Der CO2-Preis ist aber heute weit davon entfernt, Einfluss auf die Inves onsentscheidungen der Betriebe zugunsten klimafreundlicher Technologien zu en alten. Zudem ist das Gelingen der deutschen Energiewende stark von den Erlösen aus der Versteigerung der Zer fikate im Rahmen des EU-Emissionshandels abhängig. Bleibt es beim schwachen 20-ProzentKlimaziel der EU, verliert die Bundesregierung durch die extrem niedrigen Zer fikatspreise im Vergleich zu den erwarteten Erlösen ab 2013 jährlich Einnahmen in Milliardenhöhe. In diesem Fall ist zudem nicht absehbar, wie Deutschland und die EU ihren Anteil an der interna onalen Klimafinanzierung werden leisten können. Jede Untä gkeit angesichts des niedrigen Emissionshandelspreises vernichtet damit Vertrauen in die Ernstha igkeit der von Deutschland auf der UN-Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen gemachten Zusagen. Deutlich ist dabei: Das im Koali onsvertrag festgelegte Reduk onsziel von 40 Prozent zu 2020 im Vergleich zum Basisjahr 1990 wird mit - 16 - Nicht nur aus Umweltschutzgründen kommen als konven onelle Einheiten nur neue Gaskraftwerke oder sogenannte Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke (GuD) in Frage. Beide Kra werkstypen können flexibel an die schwankende Ökostromeinspeisung angepasst werden. VerLinearer Emissionspfad bis 2050 erfordert eigentlich mindestens 34 Prozent Minderung bis 2020 einfacht ausgedrückt 6000 heißt das: diese Kraftwerkstypen 5000 Trendlinie -20% bis 2020 sind technologisch 4000 in der Lage, schnell Trendlinie -30% bis 2020 -34 bis -38% 3000 auf unterschiedliche Lastanforderungen 2000 zu reagieren. -80% bis 2050 1000 Angesichts der der-95% bis 2050 zeit niedrigen Bör0 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 senstrompreise ist Quelle: CAN Europe 2011 aber kein poten eller Betreiber bereit, genau diese benö gten b) Der heu ge Strommarkt muss Kra werke zu bauen. Neue Kra werke müssauf neue Füße gestellt werden – ten nach gängigen Brancheneinschätzungen ein neues Design muss her Der deutsche Strommarkt steht vor einem bei auskömmlichen Preisen mindestens 3 000 Umbruch. Bei dem endgül g für das Jahr 2022 bis 5 000 Stunden im Jahr Strom produzieren, fixierten Aus der Atomkra und der in der Tat damit die Investoren ihre Kredite bedienen rasant steigenden Ökostromerzeugung drängt und mi elfris g Geld verdienen können. sich die Frage auf, wie kün ig ein op maler Die Aussichten dafür sind schlecht: derzeit sinkt Kra werkspark beschaffen sein muss − durch die Auslastung der Kohle- und Gaskra werke. den gleichzei g die Versorgungssicherheit, die Grund dafür ist die steigende ÖkostromeKlimaziele und dauerha akzeptable Preise ge- inspeisung. Bereits in den sonnenreichen Märzwochen dieses Jahres lag allein die Solarwährleistet sind. Auch wenn bereits heute jede fün e Kilowa - einspeisung an einigen Tagen in den Mi agsstunde regenera v erzeugt wird und am Ende stunden bei über 17 000 Megawa , während dieser Dekade nach vorliegenden Abschätzun- der Pfings age waren es sogar über 22 000 gen die 40-Prozent-Marke deutlich übersprun- Megawa . In der Vergangenheit ha en vor algen sein dür e, werden für die Stromerzeu- lem Gaskra werke ihr Geld genau in diesem gung zumindest übergangsweise weiterhin Zeitraum verdient, in dem in zigtausend Küchen laufende Stromherde den Verbrauch nach oben fossile Kra werke gebraucht. Mio. Tonnen CO2-Äquivalent 2020 2050 dem niedrigen 20-Prozent-Ziel der EU kaum erreichbar sein. Mehrere EU-Mitgliedsstaaten engagieren sich daher, dass das niedrige 20-Prozent-Ziel auf 30 Prozent angehoben wird. Deutschland könnte hierbei eine entscheidende Rolle spielen. - 17 - Foto: Rainer Sturm, pixelio.de treiben. Diese Tagesspitzen ließen bislang den Strompreis an den Börsen hochschnellen. Bislang hat die Bundesregierung keine Antwort darauf, wie dieses Dilemma zu lösen ist: Eine übersichtliche Zahl neuer Gaskra werke ist notwendig, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu unterstützen. Die entsprechenden Kra werkstypen sind aber unter den derzei gen (energie-)wirtscha lichen Rahmenbedingungen nicht rentabel. Als möglicher Lösungsansatz wird über eine Neuordnung des Strommarktes deba ert. Im Mi elpunkt stehen dabei die Schaffung sogenannter Kapazitätsmechanismen. Dahinter steckt eine Bedarfsplanung, die den Bau neuer Kra werke nicht mehr allein „dem Markt“ überlässt. Kraftwerksbetreiber würden ihr Geld nicht mehr überwiegend mit der Erzeugung möglichst vieler Kilowa stunden verdienen, sondern eine Prämie dafür erhalten, dass sie ihr Kra werk quasi Standby halten – und so zur Netzstabilität beitragen. Mi lerweile gehen erste Gutachten davon aus, dass Ende dieser Dekade der Bau neuer Gaskra werke unverzichtbar ist. Mehrere ältere fossile Kra werke sind bis dahin vom Netz gegangen, auch steigt die Ökostromeinspeisung. Zudem sind um das Jahr 2020 nur noch sechs Atomkra werke in Betrieb. Da die Planung, Genehmigung und Finanzierung neuer GuD-Anlagen mehrere Jahre in Anspruch nimmt, ist die Deba e um die Zukun der hiesigen Kra werkslandscha bereits heute zu führen. Mit Verweis auf die – unbestri en – derzeit bestehenden Überkapazitäten sieht die Bundesregierung aktuell keinen Bedarf für einen Kapazitätsmarkt. „Der Markt“ wird nach Ansicht vieler Experten aber nicht für den Bau der benö gten Gaskra werke sorgen. Für viele Umweltak visten und -verbände bedeutet das notwendige neue Strommarktdesign ein Umdenken: Sie müssen für eine Übergangszeit zum Gelingen der Energiewende den Neubau von Gaskra werken in begrenztem Maße akzep eren und unterstützen. c) Neue Stromnetze sind unverzichtbar – doch wie viele Trassenkilometer sind tatsächlich notwendig? Auch Stromnetze werden nicht über Nacht gebaut. Der Bau von Überlandleitungen nimmt mehrere Jahre in Anspruch. Jede einzelne Stufe, von der Planung über die Genehmigung bis zum Bau, kostet Zeit. Dass am Bau neuer Trassen auf der Höchstspannungs- und der Verteilnetzebene kein Weg vorbeiführt, war seit Jahren bekannt. In Brüssel hat die Europäische Kommission seit Mi e der 1990er Jahre die Strommarktliberalisierung forciert. Damit der Strom vom Skagerak nach Sizilien oder von der Algarve bis zur polnisch-russischen Grenze fließen kann, ist ein durchgehendes, mul na onales Netz mit vielen Grenzkuppelstellen notwendig. Um die Vorgaben aus Brüssel für einen europäischen Strommarkt zu erfüllen, müssen alle Mitgliedsstaaten ihre Stromnetze erweitern, was aber in den meisten Ländern bis heute nicht - 18 - einer Anfang Mai 2012 von der Bundesnetzagentur vorgestellten Zwischenbilanz bislang lediglich 214 km, tatsächlich in Betrieb waren zum gleichen Zeitpunkt weniger als 100 km. Wie viele zusätzliche Übertragungsnetz-Kilometer benö gt werden, versucht die Bundesnetzagentur mit dem sogenannten Netzentwicklungsplan zu ermi eln. Die Netzagentur hat im Vorlauf des Netzentwicklungsplans (NEP) drei mögliche Ausbauszenarien der Netzbetreiber öffentlich konsul ert. Verbände und interessierte Bürger konnten Vorschläge und Änderungen zu den Szenarien machen, von denen auch viele berücksich gt wurden. Ende Mai haben die vier Übertragungsnetzbetreiber ihre Ergebnisse vorgelegt. Demnach müssen in den kommenden zehn Jahren 1 700 km Höchstspannungsnetze in Drehstrom- und 2 100 km in Gleichstromtechnik neu gebaut werden. Für die Gleichstrom-Leitungen sind insgesamt vier Korridore vorgesehen, die den an der Nord- und Ostseeküste erzeugten Ökostrom Richtung Süddeutschland transpor eren sollen. Außerdem kündigten die Netzbetreiber zahlreiche Staatliche Förderungen 1970-2010 in Mrd. Euro (real) Modernisierungen an den bestehenden 4 000 350 Mrd. Euro Trassenkilometern an. 228 Mrd. Förderwert Rückstellungen 300 Vorgesehen ist, den oben Förderwert EEG 250 skizzierten Entwurf der Vorteile Emissionshandel 196 Mrd. Übertragungsnetzbetrei200 Steuervergüns gungen ber zwei Mal öffentlich 150 mit Verbänden und BürFinanzhilfen gern zu diskutieren; in 100 Während die Förderung Erneuerbarer 67 Mrd. den Diskussionsrunden Energien transparent ist (EEG), ist sie 39 Mrd. 50 bei Atom und Kohle größtenteils nicht „sichtbar“ geäußerte Vorschläge Quelle: FÖS 0 und Kri k will die NetzSteinkohle Braunkohle Atomenergie Erneuerbare agentur für ihre Fassung erfolgt ist. Dass die zunehmende Ökostromeinspeisung den Bau neuer Netze erforderlich macht, lag angesichts der poli sch gewollten Ausbauszenarien seit Ende der 1990er auf der Hand. Dennoch haben die vier Betreiber der „Stromautobahnen“, die sogenannten Übertragungsnetzbetreiber, die zu diesem Zeitpunkt Teil der vier großen Stromkonzerne waren, diese Prognosen nicht ernst genommen und den Netzausbau jahrelang verschleppt. Schon die von der Deutschen Energie-Agentur federführend betreute „dena-Netzstudie I“ hielt im Jahr 2005 einen Neubau von 850 zusätzlichen km zu den vorhanden 35 000 km auf der Höchstspannungsebene für unverzichtbar. Gebaut waren davon Ende 2011 weniger als 100 km. Ebenso bescheiden fällt die Bilanz der sogenannten EnLAG-Projekte aus. Die in den Jahren 2005 bis 2009 regierende Große Koali on aus CDU, CSU und SPD ha e mit dem Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) 24 Netzneubauprojekte mit insgesamt 1 834 Trassenkilometer als vorrangig eingestu . Gebaut wurden nach - 19 - Foto: Lutz Stallknecht, pixelio.de des Netzentwicklungsplans berücksich gen. Diese Basis will dann der Bundestag nutzen, um voraussichtlich 2013 den Bundesbedarfsplan zu beschließen. Dass die Bundesnetzagentur beim Netzentwicklungsplan auf die Beteiligung von Verbänden und Bürgern Wert legt, ist eine Reak on auf den zunehmenden Widerstand vielerorts gegen den Bau neuer Stromleitungen. Bislang haben Polik und Netzbetreiber es nicht für nö g erachtet, die Notwendigkeit neuer Stromleitungen zu vermi eln. Nach wie vor ist nicht abschließend geklärt, wieviele Netzkilometer wirklich notwendig sind. Ein beschleunigter Bau von neuen Netzen ist aber nur dann möglich, wenn möglichst viele Anwohner die Trassen mi ragen. Akzeptanz heißt das neue Zauberwort. Um eine höhere öffentliche Akzeptanz für neue Netze zu erreichen, gibt es mi lerweile in Norddeutschland erste Ini a ven, mit denen sich Bürger finanziell an den Neubautrassen beteiligen können. Dieses Bürgernetz lehnt sich an das erfolgreich prak zierte Bürgerwindpark-Modell an, bei dem Anwohner mit ihrem Geld Anteile eines Windparks erwerben können. Für mehr Akzeptanz und Beschleunigung sollen auch lokale Einspeisenetze sorgen, das sind direkte Verbindungen zwischen einem oder mehreren Windparks zum Übertragungsnetz. Das Besondere dabei: Diese „Ökostrom-Sam- melschienen-Trassen“ sind nicht für die öffentliche Versorgung bes mmt, somit können diese Leitungen wesentlich kostengüns ger gebaut werden. Mit einem solchen Einspeisenetz will die Windbranche auch die zunehmende Netzabschaltung von Windturbinen vermeiden, was vor allem in Norddeutschland vorkommt: Immer dann, wenn die Kapazität der bestehenden Verteilnetze ausgeschöp ist, können die Netzbetreiber die Windmühlen „abregeln“, sprich, die Einspeisung unterbrechen. Zwar erhalten die Windmüller dafür einen gesetzlich festgelegten finanziellen Ausgleich, dennoch bleibt die Maßnahme widersinnig: Der Windstrom wird gesetzlich gefördert, kann aber nicht eingespeist werden – eine gleichermaßen ökologisch als auch volkswirtscha lich missliche Situa on. Seit Jahren gibt es hierzulande die Diskussion, dass mit intelligenten Netzen (sogenannten „Smart Grids“) der Bau vieler Trassenkilometer unnö g würde. Allerdings steckt der flächendeckende Ausbau in den Kinderschuhen. Noch gibt es von der Bundesnetzagentur keine regulatorischen Anreize, mit denen der Au au der Smart Grids unterstützt wird. Überfällig ist auch eine Deba e darüber, welche Rolle künfg die Verteilnetzbetreiber bei einer dezentralen Op mierung der Netze auf der niedrigen Spannungsstufe übernehmen sollen. Nicht nur an Land hapert es mit den Netzanschlüssen, sondern auch bei der Windstromeinspeisung auf See. Für den Anschluss aller Offshore-Windparks in der Nordsee ist der Übertragungsnetzbetreiber TenneT zuständig, ein Tochterunternehmen des niederländischen Staates. Im Spätherbst 2011 ha e TenneT angekündigt, die notwendigen Milliardeninves o- - 21 - nen für den Netzausbau auf See finanziell nicht alleine bewäl gen zu können. Und wenn TenneT zwischenzeitlich für erste Umspannsta onen, die sogenannten Steckdosen auf See, Partner gewinnen kann, ist das Kernproblem ungelöst: Für die Offshore-Windparks, die nach 2015 gebaut werden sollen, ist die Netzfrage weiterhin ungelöst. Das bringt den Zeitplan für den Bau dieser zu den wich gen Säulen der Energiewende zählenden Windparks noch weiter in Verzug. Ie\kdaj_ed_[hjkdi[h[Ijhecl[hieh]kd] 9VhHigdbcZio^c9ZjihX]aVcY^hiigVY^i^dcZaaVah :^cWV]chigV›Z`dco^e^Zgi#9Vh=ŽX]hiheVccjc\h" dYZgzWZgigV\jc\hcZioigVchedgi^ZgiYZcHigdbVjh Y^ijifWddkd]id[jp ((&eZ[h).&A_belebjaL lZiiZgVW]~c\^\Z AVhi[a“hhZ JbheVcclZg`Z C_jjb[h[AhW\jm[ha[ o#7# eY^ifWddkd]id[jp ,&eZ[h''&aL Ab[_d[h[AhW\jm[ha[ o#7# 7adX`]Z^o`gV[ilZg`Z! 7^dbVhhZ"jcY LVhhZg`gV[iVcaV\Zc! L^cYZcZg\^ZVcaV\Zc! HdaVgeVg`h C_jj[bifWddkd]id[jp )Å)&aL >cYjhig^ZaaZ cYjhig^ZaaZj# \ZlZgWa^X]Z 6WcZ]bZg D_[Z[hifWddkd]id[jp ()&eZ[h*&&Lebj ab[_d[IebWhWdbW][d >cYjhig^ZaaZj# \ZlZgWa^X]Z 6WcZ]bZg HiVcY&$'%&& Ehji#kdZIjWZjd[jp[ - 22 - lll#jcZcYa^X]"k^Za"ZcZg\^Z#YZ Bislang hat es die Bundesregierung versäumt, auf europäischer Ebene für ein koordiniertes Vorgehen bei der Nutzung der Offshore-Windenergie einen Plan vorzulegen. Über Brüssel ließe sich für alle Nordsee-Anrainerstaaten ein entsprechendes Netz planen und (wahrscheinlich) auch mi inanzieren. Für die Idee eines solchen paneuropäischen Netzes auf See sucht seit Jahren die Ini a ve „Friends of the Super Grid“ Unterstützung, bislang hat es aus Berlin aber keine posi ven Signale gegeben. d) Neue Speicher braucht das Land – neue Technologien sind noch weit vom kommerziellen Durchbruch en ernt Die Frage, wie viele Netzkilometer wirklich neu gebaut werden müssen, hängt auch davon ab, wie groß die Ökostrommengen sind, die zwischengespeichert werden können. Solche Speicher dienen als Puffer: Wenn beispielsweise viel Wind weht und die Energienachfrage gering ist, kann der Windstrom mit verschiedenen Technologien für einige Tage gespeichert und bei entsprechender Nachfrage wieder ins Netz eingespeist werden. Allerdings gibt es ein Missverhältnis zwischen vorhandenen Speichern und der zunehmenden Ökostromeinspeisung. Ende 2011 lag die bundesweit installierte Ökostromleistung bei mehr als 55 000 Megawa . Bis 2022 könnte sich diese Kapazität verdreifachen. Davon geht die Bundesnetzagentur in ihren bereits erwähnten Szenarien für den Netzentwicklungsplan aus. In Deutschland wird die Speicherung derzeit über Wasserkra werke geleistet. Als Pumpspeicherkra werke sind derzeit bundesweit 30 Wasserkra werke in Betrieb, deren Turbinenleistung zusammen knapp 6 700 MW beträgt. Daneben gibt es noch den Zugriff auf einige Speicher im angrenzenden Ausland, so dass sich nach einer Übersicht der Bundesnetzagentur die vorhandene Speicherkapazität auf insgesamt 9 150 MW erhöht. Nach den vorliegenden Szenarien der Netzagentur dür e die durch Pumpspeicherkra werke bereit gestellte Leistung in Deutschland bis Ende dieser Dekade um vielleicht 2 400 MW anwachsen, davon en ällt mehr als die Häl e auf das höchst umstri ene Projekt Atorf der Schluchseewerk AG im Süden Baden-Wür embergs. Bürgerproteste werden wohl zu einer Verzögerung des Projektes führen. Dass weder die Bundesregierung noch die Länderregierung in der Vergangenheit die Stromspeicher-Frage im Fokus hatten, rächt sich heute. Neben den Pumpspeicherkra werken gibt es heute keine ausgerei e und wirtscha liche Speichertechnologie am Markt. Adiabate Drucklu speicher, Wasserstoff-Speicher, die Power-to-Gas-Technologie oder die Autobatterien von Elektroautos werden immer wieder als weitere Op onen für Speichermöglichkeiten disku ert. All diese Varianten haben eines gemeinsam: Diese Technologien sind noch im Forschungs- und Entwicklungsstadium, mit einem kommerziellen Einsatz ist in dieser Dekade nicht mehr zu rechnen. Daran wird auch die im Mai 2011 ausgerufene „Förderini a ve Energiespeicher“ der Bundesregierung nichts ändern. Das Programm hat ein Volumen von 200 Mio. Euro, mi lerweile liegen Förderanträge in Höhe von rund einer Milliarde Euro vor – was, um es posi v auszudrücken, den Bedarf an neuen Speichertechnologien unterstreicht. Oder anders ausgedrückt: Die Bundesregierung muss die Förderung von - 23 - Speichertechnologien forcieren, da sie ein unverzichtbarer Teil der Energiewende sind. e) Die Integra on der erneuerbaren Energien in den Strommarkt – ein wegweisendes Konzept ist nicht in Sicht Ende 2012 lag der Anteil der regenerativen Energien an der bundesweiten Stromerzeugung bei knapp 20 Prozent. Dabei wird es nicht lange bleiben: Schon Ende dieser Dekade soll dieser Anteil bei mindestens 35 Prozent liegen, die Verbände der erneuerbaren Energien halten es sogar für möglich, dass bis dahin jede zweite erzeugte Kilowa stunde hierzulande aus Wind-, Solar- oder Biokra werken stammt. 2050, so das Ziel der Bundesregierung, sollen die erneuerbaren Energien mehr als 80 Prozent des hiesigen Strombedarfs decken – was nichts anderes als eine Vollversorgung bedeutet. Seit den frühen 1990er Jahren wird der Ausbau der grünen Energien in Deutschland über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beziehungsweise dessen Vorläufer, das Stromeinspeisungsgesetz, gefördert. Die Kernelemente des EEG sind garan erte, degressiv sinkende Vergütungstarife für alle erneuerbaren Energieträger sowie eine Vorrangeinspeisung ins Stromnetz. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien steigt das jährliche Fördervolumen, was mi lerweile einen zweistelligen Milliardenbetrag erreicht hat. Dieses Geld wird nicht aus der Staatskasse subventioniert. Über die sogenannte EEG-Umlage bezahlt jeder Privathaushalt sowie das Gros der Gewerbe- und Industriebetriebe die Förderung der Ökoenergieen. Diese EEG-Umlage ist in den vergangenen Jahren ges egen. Für dieses Jahr liegt der Satz bei 3,59 Cent pro Kilowa stunde, wobei der Ans eg mit 0,06 Cent pro Kilowa stunde allerdings kaum nennenswert war. (Siehe Grafik S. 27) Dafür gibt es mehrere Gründe: Sowohl die klima sch bedingte Ökostromeinspeisung (2011 war beispielsweise ein überdurchschni lich sonnenreiches Jahr) als auch die Zahl der geförderten EEG-Kra werke ist deutlich ges egen, allen voran die der Photovoltaikanlagen. Mi lerweile ist in Deutschland mit 24 000 Megawa ein Dri el der weltweit installierten Solarstromleistung am Netz. Indem die Bundesregierung zulässt, dass immer weniger Unternehmen die Abgabe zahlen müssen, hat sie den Ans eg der EEG-Zulage allerdings teilweise selbst verursacht. Genau dieses Ungleichgewicht bemängelt die Bundesnetzagentur in einem Mi e Mai veröffentlichten Bericht. Darin heißt es: „Die aktuellen Regelungen implizieren, dass die privilegierten Unternehmen im Jahr 2012 zwar 18 Prozent des Gesamtstromverbrauchs ausmachen, aber lediglich 0,3 Prozent des gesamten Umlagebetrages tragen. Es gilt, zukün ig die rich ge Balance zwischen der notwendigen Entlastung der stromintensiven Industrie und der Belastung für kleine und mi lere Unternehmen sowie der Haushaltskunden zu finden.“ In Summe werden die stromintensiven Unternehmen nach dem Bericht der Netzagentur um 2,5 Mrd. Euro entlastet. Würden alle Verbraucher zu gleichen Teilen belastet, „wäre eine Umlage in Höhe von knapp drei Cent pro Kilowa stunde ausreichend“, heißt es weiterhin in dem Bericht. Mit dieser Absenkung ist kaum zu rechnen. Das Credo der vergangenen Jahre lautete, die erneuerbaren Energien schri weise an den - 24 - Markt heranzuführen. Das Instrument, das die Bundesregierung mit der EEG-Novelle 2012 gewählt hat, die an eine Marktprämie gekoppelte Direktvermarktung, erweist sich jedoch schon wenige Wochen nach ihrer Einführung als wenig tauglich. Denn dieses neue Förderregelement führt absehbar zu Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe, die die EEGUmlage steigen lässt. Bei der Direktvermarktung plus Marktprämie melden die Betreiber ihre Ökokra werke von der EEG-Vergütung ab. Ihren Strom verkaufen Stromhändler an der Strombörse. Um beiden, Betreibern und Stromhändlern, einen Anreiz zu geben, auf das Energie- und Strompreisvergünstigungen für die Industrie in 2010 und 2011 AUSNAHME TATBESTAND Kriterien finanzielles Volumen der Ausnahmen pro Jahr 2010 2011 Branchenzugehörigkeit (Art des industriellen Prozesses) 1,0 Mrd. Euro 1,2 Mrd. Euro Zugehörigkeit zum Produzierenden Gewerbe 2,5 Mrd. Euro 1,0 Mrd. Euro Energie- und Stromsteuer: Spitzenausgleich Verhältnis zu Rentenversicherungsbeiträgen, Belastung/ Entlastung durch ökologische Steuerreform 1,9 Mrd. Euro 2,2 Mrd. Euro EEG: Besondere Ausgleichsregelung Energieintensität (Verhältnis Stromkosten/ Bru owertschöpfung), absoluter Stromverbrauch und Energiemanagementsystem 1,5 Mrd. Euro 2,0 Mrd. Euro Selbst erzeugter und verbrauchter Strom, insgesamt ca. 50 TWh p.a. 1,0 Mrd. Euro 1,7 Mrd. Euro* Energie- und Stromsteuer: Steuerbefreiung Energie- und Stromsteuer: Allgemeine Vergünsitgungen EEG: Eigenstromprivilegien Absoluter Stromverbrauch; für weitere Vergüns gungen zusätzlich Energieintensität (Verhältnis Stromkosten/ Umsatz) 0,5 Mrd. Euro (Ø 2009–2011)** Konzessionsabgabe Absoluter Stromverbrauch k.A. Strom Netzentgelte Nutzungsdauer und absoluter Stromverbrauch KWK Umlage Emissionshandel (Über-)Zuteilung der CO2-Zer fikate auf Grundlage von Benchmarks SUMME 0,2 Mrd. Euro 0,3 Mrd. Euro*** 0,4 Mrd. Euro (Ø 2008–2010) ~ 9 Mrd. Euro p.a. Quelle: Zusammenstellung auf Grundlage eigener (FÖS) Berechnungen, Angaben der Bundesregierung (u.a. SubvenƟonsbericht, EEG-Erfahrungsbericht) und Daten der Netzbetreiber. * Eigene Berechnung (FÖS) auf Grundlage der begünsƟgten Strommengen nach Prognos 2011b und EEG-Umlagen von 2,047 ct/kWh in 2010 und 3,53 ct/kWh in 2011. ** Eigene Berechnung auf Basis von Daten der Netzbetreiber (ÜNB 2011a) *** Wert für 2012 nach Angabe der Bundesnetzagentur (BNA 2012). Insgesamt beträgt die VergünsƟgung 440 Mio. Euro, wobei 140 Mio. Euro auf PumpspeicherkraŌwerke enƞallen (BMWi 2012b). - 25 - Zusammensetzung der Energie- und Strompreisvergünstigungen im Jahr 2011 in Mrd. Euro 0,4 1,2 Energie/StromSteuer Steuerbefreiung von Prozessen 0,3 0,2 1,0 Energie/StromSteuer Allg. Vergüns gung Energie/StromSteuer Spitzenausgleich Energie- und Stromsteuervergünstigungen 1,7 EEG Besondere Ausgleichsregelung EEG Eigenstromprivileg EEGVergünstigungen KWK-Umlage Ø 2,2 Strom Netzentgelte (Regelung 2012) 2,0 Emissionshandel Überalloka on Ø Quelle: FÖS neue Förderregime umzusteigen, hat die Bundesregierung in der EEG-Novelle als Bonbon eine Managementprämie beispielsweise für Windmüller von 12 Euro pro Megawa stunde ausgelobt – eine Summe, die sich Betreiber und Händler in etwa teilen. Daher ist auch zu verstehen, dass mi lerweile über 60 Prozent der installierten Windkra leistung das neue Fördersystem nutzt. Das eigentliche Ziel, mit dem neuen Fördersystem die Ökostromeinspeisung dem Verbrauch anzupassen, ist nicht erreicht worden. Denn an der „Fahrweise“ der meisten Windturbinen hat sich bislang nichts geändert, sie speisen, wenn es irgend geht, ihre erzeugten Kilowa stunden in die Netze ein. Einen Vorwurf kann den Betreibern niemand machen, sie profi eren von einem handwerklich schlecht gemachten Paragrafen in der EEG-Novelle. Konzep onell häufen sich die Fehler der Bundesregierung bei den ständig zunehmenden Änderungen des EEG. Um den angeblich ausufernden und nicht bezahlbaren Photovoltaikausbau einzugrenzen, planten das Bundesumwelt- und das Bundeswirtscha s- ministerium drastische Einschni e bei der Vergütungshöhe, und zwar um bis zu 30 Prozent. Die Änderung sah zudem eine Begrenzung des Solarausbaus für die kommenden Jahre vor, der im Jahr 2017 auf ein Niveau von etwa 1 000 Megawatt zurückfallen soll – sicherlich kein Aufbruchsignal im Jahr eins der Energiewende. Auch mit S mmen von unionsregierten Ländern lehnte der Bundesrat Anfang Mai den Solar-Kahlschlag der Bundesregierung mit einer Zweidri elmehrheit ab – womit nun im Vermi lungsausschuss eine Lösung gefunden werden muss. Wie immer die Lösung auch aussiehen wird, die Vorgänge zeigen: die Bundesregierung hat kein schlüssiges Konzept, wie sie die erneuerbaren Energien weiterhin fördern und den bestehenden Markt an die Erfordernisse der erneuerbaren Energien anpassen will. Oder besser gesagt, es fehlt an einem Konzept, wie um die erneuerbaren Energien die noch verbleibenden fossilen Energien angepasst werden sollen. f) Der Umbau der Energieversorgung kostet Geld – wie viel, weiß niemand seriös, was Populisten für S mmungsmache ausnutzen Schon kurz nach dem Atomkra -Moratorium der Bundesregierung im März 2011 veröffentlichte das Deutsche Ins tut für Wirtscha sforschung (DIW) in Berlin Berechnungen, - 26 - kosten demnach zunehmend zu einem „Standortrisiko“. Festzuhalten bleibt jedoch auch, dass viele genau dieser Unternehmen von der EEGUmlage und der Ökosteuer befreit sind. Die Befürchtung, dass sich die Strompreise in Deutschland nach dem Abschalten der acht Atomkra werke kurz nach dem FukushimaGau schlagar g erhöhen würden, hat sich nicht bewahrheitet. Der Börsenpreis s eg zwar in den ersten Wochen nach dem Atomdesaster in Japan in der Tat an, fiel danach aber unter das Niveau von vor Fukushima. An dieser Entwicklung hat sich bis heute nichts geändert: Am Tag vor dem Atomkra -Moratorium am 14. März 2011 lag der sogenannte Baseload-Preis für das Frontjahr 2012 an der Leipziger EEX-Strombörse bei 53,11 Euro je Megawa stunde. Mi e Mai 2012 no erte der Baseload-Preis für das Frontjahr 2013 in Leipzig bei 49,30 €/MWh. Ursache dafür sind unter anderem die gesunkenen Kohle- und Gaspreise auf den Weltmärkten, aber auch der preisdämpfende Effekt der erneuerbaren Energien. Unbestri en ist, dass alle Privatkunden, Handwerk, Gewerbe und Teile Entwicklung der Haushaltsstrompreise 2007-2012 der Industrie den Ausbau Die Förderung Erneuerbarer Energien hat einen kleinen Anteil und kann den Gesamtanstieg der Strompreise nicht erklären. der erneuerbaren EnerCent pro Kilowattstunde gien über die bereits er30 26,4 EEG-Umlage 25,5 sonstige Stromkosten wähnte EEG-Umlage mi i3,6 25 23,6 23,1 3,5 nanzieren. In diesem Jahr 21,7 2,0 1,3 22,8 20,6 1,1 22,0 1,0 20 21,8 21,6 liegt der Umlagebetrag bei 20,5 19,7 rund 3,6 Cent pro Kilowa 15 stunde. Für einen Vier-Per10 sonen-Haushalt mit einem jährlichen Stromverbrauch 5 von 3 500 Kilowa stunden 0 2007 2008 2009 2010 2011 2012* kommen so rund 126 Euro *Prognose Quellen: ÜNB, BDEW, Eurostat, Verivox, eigene Berechnungen; Stand: 2/2012 zusammen. Die Indust- wonach für den Umbau des heu gen Energiesystems in den kommenden zehn Jahren an die 200 Mrd. Euro Inves onen notwendig sind. Geld, das für neue Kra werke, Stromleitungen oder Stromspeicher unverzichtbar ist. Dadurch kämen auf Verbraucher und Industrie höhere Kosten zu. Die DIW-Berechnungen gingen damals von jährlichen Mehrkosten bis zu 240 Euro pro Haushalt aus. Inwieweit diese Abschätzungen rich g sind, darüber lässt sich trefflich streiten. Auch ohne die Energiewende hätte es den Bau neuer Kra werke, Stromtrassen und Speicher gegeben, die unweigerlich über einen längeren Zeitraum gesehen mit zu steigenden Strompreisen führen würden. Vor allem die energieintensiven Unternehmen verweisen in diesem Zusammenhang immer wieder auf die in Deutschland schon im Vergleich zu Norwegen oder Finnland um rund 60 Prozent teureren Strompreise. Zusammen mit „energiepoli schen Sonderlasten“ wie dem Erneuerbare-Energien-Gesetz oder der Energiesteuer entwickelten sich steigende Strom- - 27 - riebranche, auf die hierzulande mehr als die Häl e des Stromverbrauchs en ällt, bezahlt dank gesetzlich vereinbarter Ausnahmen weit weniger als die Häl e dieser EEG-Kosten. Würde die EEG-Umlage auf bis zu 5 Cent steigen, kämen auf einen Vier-Personen-Haushalt etwa weitere 50 Euro an Stromkosten hinzu. Am 15. Oktober werden die vier Netzbetreiber den Umlagepreis für das kommende Jahr bekannt geben. Bereits heute gibt es Spekula onen über eine erhöhte EEG-Umlage, die als S mmungsmache gegen die Energiewende genutzt wird. Die Strompreise steigen hierzulande nicht nur wegen des Ausbaus erneuerbarer Energien. Die Gegner der Energiewende verschweigen, dass beispielsweise auch der Bau eines neuen fossilen Kra werkes auf Kohle- oder Gasbasis zu höheren Erzeugungskosten führt, die an die Verbraucher weitergegeben werden. Die steigenden Preise für Energierohstoffe, für Kra werkskomponenten oder die Netzinfrastruktur fließen mit in Tariferhöhungen ein. Die Gegner der Energiewende verweisen zunehmend darauf, dass die Energiewende zu einer Energiearmut führe. Mit dieser An Energiewende-Stimmung hat sich Anfang Juni die Wochenzeitung Die Zeit auseinandergesetzt. In einem Grundsatzartikel heißt es: „Die Energiewende hat poli sche Verlierer produziert, und sie wird gesellscha liche Verlierer produzieren. Aber der ökologische Umbau einer sozialen Marktwirtscha ist nicht per se unsozial – das Unsoziale daran ist nur die Regierungspoli k.“ Das heißt, die Bundesregierung muss bei Umsetzung der Energiewende die finanzielle Situa on einkommensschwacher Haushalte berücksich gen. Dazu zählt bundesweit fast jeder fün e Haushalt. Erwerbslose, Geringverdienende, Rentererinnen oder Rentner dürfen nicht von anstehenden Maßnahmen zur Energiewende wie beispielsweise Gebäudesanierungen oder der Förderung energieeffizienter Geräte ausgeschlossen werden. Gleichzei g dürften diese Bevölkerungsgruppen nicht durch hohe, kaum kompensierbare Energieund Mietkosten über Gebühr belastet werden. Notwendig können dazu staatliche Unterstützungsprogramme sein. Schon in den zurückliegenden Wochen und Monaten hat es immer - 28 - wieder Zahlen und Schlagzeilen über die angeblichen ausufernden Kosten gegeben, die mit der Energiewende verbunden sind. Daran wird sich auch in nächster Zukun nichts ändern. Es ist ein „Lobbykrieg über die Kosten des Atomauss egs“ entbrannt, beschrieb die Financial Times Deutschland rich gerweise. Doch die zukün igen Preistreiber werden nicht die erneuerbaren Energien sein. Denn während die Kosten für Solar- und Windstrom seit Jahren sinken, steigen die Kosten für Kohle und Gas weiter an. So kostet Steinkohle heute mehr als doppelt so viel wie noch im Jahr 2000, Erdgas fast dreimal so viel. Und nicht eingerechnet bleiben die ökologischen Folgekosten, die dank erneuerbarer Energien gespart würden: Saubere Lu , sauberere Böden und eine Verlangsamung des Klimawandels und der damit einhergehenden nö gen Anpassungsmaßnahmen. g) Ein Energiesparweltmeister mit Angst vor der eigenen Courage: Das Versagen der Bundsregierung bei der Energieeffizienzpoli k Schon nach den beiden Ölpreiskrisen in den 1970er Jahren gab es breit angelegte Kampagnen der Bundesregierung, um das Energiesparen zu forcieren – frei nach dem Mo o: Energiesparen ist die beste und zugleich preiswerteste Energiequelle. Jede eingesparte Kilowa stunde Strom oder Wärme ist in der Tat gleich aus mehreren Gründen wich g: Sie schont die vorhandenen Energieressourcen, sie ist ein Beitrag zur Versorgungssicherheit, weil weniger Öl und Gas impor ert werden muss, sie ist ein Beitrag zum Klimaschutz und sie entlastet die Energierechnungen von privaten Verbrauchern sowie Gewerbe- und Industriekunden. Auf Ini a ve der Bundesregierung im Rahmen der EU-Ratspräsidentscha und dank des persönlichen Einsatzes von Kanzlerin Angela Merkel vereinbarten im Jahr 2007 in Brüssel Parlament, Kommission und Europäischer Rat, den Primärenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent zu senken. Allerdings wurde dieses 20-Prozent-Ziel nicht verbindlich festgeschrieben. Entsprechend ernüchternd fiel die Zwischenbilanz im vergangenen Jahr aus: Ohne zusätzliche Maßnahmen, konsta erte EU-Energiekommissar Oe nger, würde man bis Ende dieser Dekade bestenfalls die Häl e des Ziels, sprich zehn Prozent Energieeinsparung, schaffen. Daher ließ Oe nger den Entwurf für eine europäische Effizienzrichtlinie erarbeiten. Die neue Richtlinie soll nun auf Basis des Beschlusses aus dem Jahr 2007 verbindliche Einsparziele für alle Mitgliedsländer festschreiben. Unter anderem sollten die Energieversorger verpflichtet werden, jährlich 1,5 Prozent der im Vorjahr an die Endkunden gelieferten Energie einzusparen. Um dieses Ziel zu erfüllen, können sie entweder Effizienzmaßnahmen an Kra werken und Stromleitungen vornehmen oder ihre Kunden beim Energiesparen unterstützen, beispielsweise durch Zuschüsse zum Kauf besonders effizienter Geräte oder bei der energe schen Sanierung von Gebäuden, allen voran der Gebäudehülle. Entsprechende Fördersysteme, die die Energieversorger oder Netzbetreiber in die Pflicht nehmen, werden in anderen EU-Ländern – beispielsweise Großbritannien und Dänemark – seit Jahren erfolgreich angewandt. Als einziger großer EU-Mitgliedstaat verweigerte Deutschland diesem Entwurf monatelang die Zus mmung. Nachvollziehbar war das nicht, denn der von Deutschland im Zuge der Erfül- - 29 - lung des EU-Energieeinsparziels zu erbringende Beitrag entspricht fast auf die Nachkommastelle genau dem im Energiekonzept der Bundesregierung formulierten na onalen Energiesparziel bis 2020. Mi e Juni verständigten sich die EUMitgliedsländer auf einen Kompromiss – auch um Deutschland entgegen zu kommen – mit dem der ursprüngliche Entwurf für die Effizienzrichtlinie verwässert wurde. Danach lässt die Kommission den Mitgliedsstaaten die Wahl, ob sie Einsparverpflichtungen für Energievesorger einführen oder andere Maßnahmen ergreifen, um die Sparziele zu erreichen. Fest steht schon heute: Mit den zahlreichen Ausnahmen wird die EU das erho e Ziel, 150 Millionen Tonnen Rohöleinheiten bis zum Jahr 2020 einzusparen, nicht erreichen. Nach dem vereinbarten Kompromiss gehen Experten von nur 100 Millionen eingesparten Tonnen aus. Mit einem offenen Brief ha e ein breites Bündnis aus Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden, Unternehmen und Gewerkscha en während der Verhandlungen um die Richtlinie an Kanzlerin Merkel appelliert, sich für ambionierte Ziele einzusetzen. Auch auf na onaler Ebene stecke die Effizienzpoli k fest, hieß es in dem Brief, obwohl die Bundesregierung in ihrem Energiekonzept die Energieeffizienz zur „Schlüsselfrage“ des Gelingens der Energiewende gemacht habe. Die Gebäudesanierung komme nicht voran, Fördergelder werden gekürzt oder verharrten auf niedrigem Stand. Inves onen in energieeffiziente Industrieanlagen werden zurückgehalten – an all dem hat sich bis heute nichts geändert. Mit zur Effizienzsteigerung gehört der vermehrte Einsatz der Kra -Wärme-Kopplung (KWK), eine Technologie, bei der Strom und Wärme gleichzei g erzeugt werden. Dank dieser Technologie kann der in großen und kleinen Kra werken eingesetzte Brennstoff in einem hohen Maße ausgenutzt werden. Eine Vielzahl solcher KWK-Anlagen kann auf absehbare Zeit zudem den Neubau größerer Gaskra werke ersetzen. Gesamtgesellschaftliche Kosten der Stromerzeugung im Jahr 2010 im Vergleich ATOM ENERGIE STEIN KOHLE BRAUN KOHLE WIND ONSHORE WASSER PV 1. Verkaufspreis des Stroms auf erster Handelsstufe 5,2 Ct/kWh 5,2 Ct/kWh 5,2 Ct/kWh 8,8 Ct/kWh 7,6 Ct/kWh 46,8 Ct/ kWh 2. Staatliche Förderungen (A.+B.) 1,9 Ct/kWh 2,5 Ct/kWh 1,1 Ct/kWh -0,3 Ct/kWh -0,3 Ct/kWh -0,3 Ct/ kWh 3. nicht internalisierte externe Kosten 5,7 Ct/kWh 4,4 Ct/kWh 5,8 Ct/kWh -0,9 Ct/kWh -0,9 Ct/kWh -0,04 Ct/ kWh 12,8 Ct/kWh 12,1 Ct/kWh 12,2 Ct/kWh 7,6 Ct/kWh 6,5 Ct/kWh 46,5 Ct/ kWh SUMME gesamtgesellscha liche Kosten Quelle: FÖS - 30 - Wärmeverbrauch in privaten Haushalten 2009 rme aus mit Pellets oder Holz befeuerten Öfen, aus Solarkollektoren oder aus Wärmepumpen beziehen. Während es bei der StromHX]Z^i]dao *,",JM^ erzeugung und -nutzung eine nennenswerte Auf=daoeZaaZih ,"'JM^ =Z^oŽa wärtsbewegung gibt, gibt (-"- =VX`hX]c^ioZa es kaum posi ve Signale +")JM^ bei der regenerativen HdaVgi]Zgb^Z Higdb-"& )"(JM^ Wärmenutzung. Im Jahr ;Zgcl~gbZ-"- L~gbZejbeZc 7gVjc`d]aZ HiZ^c`d]aZ )"(JM^ 2011 sank der Anteil der '"/ &") erneuerbaren Energien FjZaaZ/OHL'%&%0HiVcY/D`idWZg'%&% lll#jcZcYa^X]"k^Za"ZcZg\^Z#YZ im Wärmesektor auf 9,4 Das bereits vor der Energiewende formulier- Prozent, nachdem die Quote im Vorjahr noch te Ziel der Bundesregierung, den Anteil des in bei 9,6 Prozent gelegen ha e. Der Rückgang KWK-Technik erzeugten Stroms bis zum Jahr lag nach Experteneinschätzung nicht nur am 2020 auf 25 Prozent zu erhöhen, war mit dem insgesamt eher milden We er während des bislang vorliegenden Gesetz nicht zu schaf- Jahres 2011, sondern auch der verfehlten Förfen. Deshalb beschloss der Bundestag Ende derpoli k der Bundesregierung. Daher lagen Mai 2012 nach monatelangen Vorarbeiten die Zuwächse bei den verkau en Pelletsheieine Novelle des Kraft-Wärme-Kopplung- zungen, Solarkollektoren und Wärmepumpen Gesetzes. Diese Überarbeitung bewerten die auf niedrigem Niveau. Branchenverbände und viele Energieexperten Mit einer Änderung des vorliegenden, jedoch als erkennbaren Fortschri , nicht aber als gro- viele Schwachpunkte aufweisenden regeneraven Wärme-Gesetzes (EEWärmeG) plant die ßen Wurf. Was beispielsweise fehlt, ist eine Wärmeplanung auf kommunaler Ebene. Die Bundesregierung, die immer noch brachliein Blockheizkra werken (kleineren KWK-Anla- genden Potenziale bei der Ökowärme umzugen) produzierte Wärme sollte am besten vor setzen. Nach wie vor ist allerdings kein ÜberOrt über Nahwärmenetze verteilt und genutzt arbeitungsentwurf in Sicht, geschweige denn der seit Jahren überfällige Erfahrungsbericht werden. Neben der Gebäudesanierung und der Kra - zum EEWärmeG. Einige Energiewissenscha ler Wärme-Kopplung birgt der Einsatz erneuer- machen sich seit Jahren für ein Umlagemodell barer Energien für die Wärmenutzung großes stark, um die regenera ve Wärmenutzung voPotenzial zur Senkung der Treibhausgasemissi- ranzubringen. Ein eigenes Modell hat die Bunonen. Das heißt, Häuser und Gebäude sollten desregierung dagegen noch nicht entwickelt. nicht mehr mit Erdgas oder Öl beheizt werden, sondern würden einen Großteil ihrer Heizwä^ch\ZhVbi+%&IZgVlViihijcYZc:cYZcZg\^Z ;hd[k[hXWh[ ;d[h]_[d '&"- :gY\Vh **"- - 31 - Foto: klima-allianz deutschland DAS FAZIT DER KLIMA-ALLIANZ DEUTSCHLAND: Was wir für das zweite Jahr nach dem Energiewende-Gesetzpaket brauchen Die Energiewende braucht Sicherheit, Verbindlichkeit und Langfris gkeit im Rahmen eines deutschen Klimaschutzgesetzes und unabhängiger Controlling-Mechanismen, mit denen die Fortschri e in regelmäßigen Abständen überprü werden müssen. Die Energiewende darf nicht in den Hinterzimmern der Republik ausgekungelt werden. Sie ist ein gesamtgesellscha liches Projekt und muss als par zipa ver Prozess gestaltet werden. Alle gesellscha lichen Akteure haben ein Anrecht auf eine offene Beteiligung und eine transparente Bewertung der Fortschri e der Energiewende. Die Energiewende eröffnet zahlreiche Chancen – auch durch neue Beschä igungsfelder und ein Mehr an Beschä igung. Sie spart nicht zuletzt angesichts steigender Rohstoffpreise mittel- und langfristig Kosten. Die kurzfrisgen Inves onskosten müssen sozial ausgeglichen verteilt werden. Dazu müssen die zahlreichen Vergüns gungen für die Industrie bei den Strompreisen abgebaut werden. Die entstehenden neuen Arbeitsfelder brauchen angemessene Bezahlung, Qualifizierung und das Recht auf Selbstorganisa on der Arbeitnehmenden. Wo durch die Energiewende Arbeitsplätze verloren gehen, braucht es umfassende Um-und Fortbildungsangebote und Unterstützung des Einzelnen. Die Bundesregierung darf nichts unversucht lassen, um auf europäischer Ebene das Ziel einer CO2-Minderung von 30 Prozent bis 2020 durchzusetzen. Deutschland hat ein Interesse an einem starken, funk onsfähigen europäischen Emissionshandelssystem, dessen Erlöse einen wich gen Beitrag zur Finanzierung der Energiewende in Deutschland sowie von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern liefern. Ein funk onierender Emissionshandel in der EU könnte zudem Vorbild für die USA und China werden, die beiden Länder mit dem höchsten CO2-Ausstoß. - 32 - Foto: klima-allianz deutschland sie nicht flexibel genug an die schwankende Einspeisung erneuerbarer Energien angepasst werden. Im Einzelnen bedeutet dies: Strom, Netze und erneuerbare Energien: Der Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor ist eine riesige Erfolgsgeschichte. Um sie fortzuschreiben, brauchen wir ein starkes Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Der Ausbau der Erneuerbaren sowie der Aus- und Umbau des Stromnetzes müssen endlich gemeinsam gedacht und gestaltet werden und an den Bedürfnissen der Erneuerbaren ausgerichtet werden. Neue Kohlekra werke sind für die kün ige Stromversorgung weder nö g noch sinnvoll. Sie tragen durch ihre Emissionen jahrzehntelang weiter zum Klimawandel bei und durch ihre schlechte Steuerbarkeit können Verkehr: Deutschland braucht ein verbindliches Klimaschutzziel für den Verkehrssektor, eine verlässliche und verbesserte Finanzierung des Öffentlichen Verkehrs, die den Ausbau des Personen- und Güterverkehrs voran bringt, ambi onierte CO2-Obergrenzen für PKW und LKW sowie eine Dienstwagenbesteuerung, die sich an der Klimaverträglichkeit ausrichtet. Subven onen für den besonders klimaschädlichen Lu verkehr müssen gestrichen werden. Energieeffizienz und Gebäudesanierung: Die Bundesregierung muss ihren Bekenntnissen zu Sanierungen endlich Instrumente folgen lassen. Sie muss dazu jährliche Einsparziele definieren und ausreichende Inves onsanreize für die Gebäudesanierung schaffen, die Investoren langfris ge Planungssicherheit bringen und Wohnraum dauerhaft für alle sozialen Gruppen bezahlbar machen. Prognose und Wirklichkeit ;djm_Yabkd]Z[h;dZ[d[h]_[X[h[_jij[bbkd]Wki;hd[k[hXWh[d;d[h]_[d _d:[kjiY^bWdZ IZgVlViihijcYZc '*% (). 10 '%% 1 &*% 8 2 &%% 4 5 6 7 -( 3 *% % &..* '%%% '%%* FjZaaZ/7BJ$6<::"HiVi0HiVcY/)$'%%. '%&% '%&* H[Wb[;djm_Yabkd] 1 @;6!&.-' 2 ;gVjc]d[Zg>H>$9>L! &.-) 5 3 Egd\cdh!&.-) 4 9AG!&..( 5 LjeeZgiVa>chi^iji! &..96 6 Egd\cdh!&..7 7BJ$J76/@a^bV" hX]jiohijY^Z!&... 8 L>$9AG/AVc\[g^hi" hoZcVg^d!'%%' 9 :cfjZiZ"@dbb^hh^dc/ CVX]]Vai^\Z:cZg\^Z" kZghdg\jc\!GZ[ZgZco" hoZcVg^d!'%%' 10 9AG/7BJAZ^ihijY^Z! '%%, '%'% lll#jcZcYa^X]"k^Za"ZcZg\^Z#YZ - 33 - Wie die Realität alle Prognosen überholt. Foto: klima-allianz deutschland klima allianz deutschland Die klima-allianz deutschland: Die klima-allianz deutschland ist das breite gesellscha liche Bündnis für mehr Klimaschutz von 118 Organisa onen aus Umweltschutz, Entwicklungszusammenarbeit, Kirchen, Gewerkschaften, Jugend- und Verbraucherschutzverbänden sowie weiteren Ini a ven. Durch Kampagnen und Projekte trägt sie dazu bei, Blockaden in der Umweltpoli k zu überwinden und zu zeigen, dass Klimaschutz ein Anliegen aus der Mi e der Gesellscha ist. Weitere Informa onen zur Arbeit der klima-allianz deutschland finden sich unter: www.klima-allianz.de www.kohle-protest.de www.facebook.com/klimaallianz - 34 - Weitere Informationen zur Arbeit der klima-allianz deutschland finden sich unter: www.klima-allianz.de / www.kohle-protest.de / www.facebook.com/klimaallianz
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