klima
allianz
deutschland
Abschalten allein
genügt nicht.
Wer aussteigt, muss auch
rich g einsteigen!
-1-
Impressum:
AutorInnen
Dr. Ralf Köpke (Hauptredak on)
Jürgen Maier, Julia Junge
und der SprecherInnenrat
der klima-allianz deutschland
(Vorwort, Forderungen, Fazit)
Unter Mitarbeit von
Klaus Breyer (Ev. Kirche von Wes alen)
Daniela Se on (klima-allianz deutschland)
Sabine Spilles (klima-allianz deutschland)
Herausgeber
klima-allianz deutschland
V.i.S.d.P: Julia Junge
Marienstr. 19–20
10117 Berlin
Tel: 030-678 177 577
info@klima-allianz.de
www.klima-allianz.de
Rechtsträger der klima-allianz
ist der Deutsche Naturschutzring e.V.
Layout
www.die-projektoren.de
Titelbild
cienpiesn, fotolia.de
Druck
dieUmweltDruckerei GmbH
Diese Publika on wurde klimaneutral und
auf 100 Prozent Recyclingpapier gedruckt.
Juni 2012
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
4
Forderungen Kurzfassung
5
I. Das Energiekonzept
6
II. Das Energiewende-Paket
9
III. Erkennbare Probleme
a) Der Einfluss der europäischen Klimaschutzpoli k
16
16
b) Der heu ge Strommarkt muss auf neue Füße gestellt werden –
ein neues Design muss her
17
c) Neue Stromnetze sind unverzichtbar – doch wie viele
Trassenkilometer sind tatsächlich notwendig?
18
d) Neue Speicher braucht das Land – neue Technologien sind noch
weit vom kommerziellen Durchbruch en ernt
23
e) Die Integra on der erneuerbaren Energien in den Strommarkt –
ein wegweisendes Konzept ist nicht in Sicht
24
f) Der Umbau der Energieversorgung kostet Geld – wie viel, weiß
niemand seriös, was Populisten für S mmungsmache ausnutzen
26
g) Ein Energiesparweltmeister mit Angst vor der eigenen Courage:
Das Versagen der Bundsregierung bei der Energieeffizienzpoli k
29
Das Fazit der klima-allianz deutschland
32
Die klima-allianz deutschland
34
Foto: klima-allianz deutschland
VORWORT
Ein Jahr nach der Verabschiedung des
„Energiewende“-Gesetzespakets im Bundestag zieht die klima-allianz deutschland mit der
vorliegenden Analyse Bilanz.
Die Energiewende ist keine Erfindung der Regierung Merkel, sondern auch das Ergebnis des
langjährigen Einsatzes unserer Mitgliedsorganisa onen für eine zukun sfähige Energieversorgung ohne Atomkra und ohne Klimazerstörung. 2007 haben wir die mi lerweile auf
118 Mitgliedsorganisa onen angewachsene
klima-allianz deutschland gegründet, um den
gesellscha lichen Druck zu erzeugen, dass den
Klimaschutz-Versprechen der Regierung Taten
folgen.
Immer noch ist Deutschland von einer konsistenten Klimaschutzpoli k weit en ernt. Nach
wie vor setzen wir uns deshalb gegen den Neubau von Stein- und Braunkohlekra werken,
gegen die alltäglichen A acken aus Wirtscha
und Poli k auf die erneuerbaren Energien, gegen Subven onen für Spritschlucker-Dienst-
wagen und für eine ökologisch konsequente,
sozial gerechte Energiewende ein. Gemeinsam
mit Bürgerini a ven und Verbänden wurden
17 geplante klimaschädigende Kohlekra werke in den letzten Jahren erfolgreich gestoppt.
Nicht nur im Stromsektor, sondern auch beim
Verkehr und der Wärmeerzeugung gibt es noch
jede Menge unerledigte Aufgaben.
Auch wenn es vordergründig einen poli schen
Konsens über die „Energiewende“ zu geben
scheint – bei näherem Hinsehen wird rasch
deutlich, dass sich der Konsens zu o darin erschöp , dass die Atomkra keine Zukun hat
und in den nächsten Jahren auslaufen wird.
Der Rest, das heißt die entscheidende Frage,
wie und was für den Umbau unserer Energieversorgung angepackt werden muss, ist mehr
oder weniger stri g.
Als breites gesellscha liches Bündnis für Klimaschutz, das Organisa onen aus Umwelt und
Entwicklungszusammenarbeit, Jugendverbänden, Gewerkscha en und Kirchen vereint, set-
-4-
zen wir uns dafür ein, dass die Energiewende
im Strom-, Wärme- und Verkehrsbereich konsequent vorangetrieben wird, dass der Anteil
der Kohle am deutschen Strommix weiter abnimmt und dass das große Ziel „100 Prozent
erneuerbare Energien“ so schnell wie möglich
erreicht wird.
Wer aussteigt, muss auch rich g einsteigen!
Dafür stehen wir als klima-allianz deutschland
und deshalb melden wir uns mit dieser Einschätzung ein Jahr nach der Veröffentlichung
der „Energiewende“-Gesetze kri sch zu Wort.
WIR FORDERN FÜR DAS ZWEITE JAHR NACH
DEM ENERGIEWENDE GESETZPAKET:
Im Einzelnen bedeutet dies:
• Strom, Netze und erneuerbare Energien:
Um den Ausbau der Erneuerbaren fortzuschreiben, braucht es weiterhin ein starkes
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und den
von den Erneuerbaren her gedachten Umbau der Stromnetzes und des ergänzenden
Kra werksparks. Neue Kohlekra werke sind
für die kün ige Stromversorgung nicht nö g.
• Verkehr: Deutschland braucht ein verbindliches Klimaschutzziel für den Verkehrssektor, eine verbesserte Finanzierung
des Öffentlichen Verkehrs, ambi onierte
CO2-Obergrenzen für PKW und LKW sowie
eine ökologisch ausgerichtete Dienstwagenbesteuerung. Subven onen für den besonders klimaschädlichen Lu verkehr müssen gestrichen werden.
• Energieeffizienz und Gebäudesanierung:
Die Bundesregierung muss ihren Bekenntnissen zu Sanierungen jährliche Einsparziele folgen lassen und Rahmenbedingungen
für die Gebäudesanierung schaffen, die
Investoren Planungssicherheit bringen und
Wohnraum dauerha für alle sozialen Gruppen bezahlbar machen.
Sicherheit, Verbindlichkeit und Langfrisgkeit der weiteren Planungen in einem
deutschen Klimaschutzgesetz festzuhalten;
die Energiewende als par zipa ver Prozess zu gestalten, der alle gesellscha lichen
Akteure beteiligt und eine transparente
Bewertung der Fortschritte ermöglicht;
die kurzfris gen Inves onskosten gerade angesichts der mi el- und langfris gen
Kosteneinsparungen sozial ausgeglichen
zu teilen und dazu die zahlreichen Vergüns gungen für die Industrie abzubauen;
den engagierten Einsatz der Bundesregierung für ein CO2-Reduk onsziel von 30 Prozent bis 2020 auf europäischer Ebene.
klima
allianz
deutschland
Der SprecherInnenrat
der klima-allianz deutschland
-5-
Foto: Rainer Sturm, pixelio.de
I. DAS ENERGIEKONZEPT –
oder wie die Bundesregierung selbst eine Wende
in ihrer Energiepolitik binnen weniger Monate vollzog
Das Atom-Unglück von Fukushima vom
11. März 2011 hat nicht nur die Gesellscha sund Energiepoli k in Japan verändert. Auch
hierzulande hat dieses Ereignis Folgen gehabt,
die niemand erwartet hä e. In einem Rückblick auf das Jahr 2011 schreibt das Nachrichtenmagazin Der Spiegel: „Mit Fukushima
brach für Merkel […] eine Welt zusammen. Ein
solches Ereignis ha e sie für unmöglich gehalten. Plötzlich wollte die Kanzlerin so schnell
wie möglich aussteigen, während andere Industriena onen deutlich weniger radikal auf
das Unglück in Japan reagierten.“
Fukushima leitete Deutschlands zweiten Atomauss eg ein. Zur Erinnerung: Im Jahr 2002 hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung
bereits das sukzessive Abschalten aller Atomkra werke beschlossen. Die schwarz-gelbe
Bundesregierung ha e dann erst im Herbst
2010, also gut ein halbes Jahr vor Fukushima,
die Laufzeiten der deutschen Kernkra werke
wieder verlängert.
Das es dazu kam, war keine Überraschung. Im
Vorfeld der Bundestagswahl im Herbst 2009
ha en sich sowohl die Union als auch die Liberalen eindeu g für einen Auss eg aus dem
während der rot-grünen Regierungszeit im
Jahr 2002 beschlossenen Atom-Auss eg ausgesprochen. Nach ihrem überlegenen Wahlsieg kündigte die neue Bundesregierung unter
Angela Merkel (CDU) und Guido Westerwelle
(FDP) ein Energiekonzept mit einer Neubewertung der Atomenergie an.
Um auf der „sicheren Seite“ zu sein, ließen die
zuständigen Fachministerien drei Szenarien
rechnen. Sie sollten der poli sch schon beschlossenen Laufzeitverlängerung der Atomreaktoren einen vermeintlich wissenscha lichen
Rahmen geben.
Um das angekündigte Energiekonzept in ihrem
Sinne zu beeinflussen, richteten im Sommer
2010 die Vorstandschefs der großen Energiekonzerne sowie führende Konzernlenker energieintensiver Branchen in ganzsei gen Tageszeitungsanzeigen einen „Energiepolitischen
Appell“ an die Bundesregierung. Forciert ha e
diese Ak on Jürgen Großmann, der damalige
Vorstandschef von RWE, die Koordina on der
-6-
Ini a ve erfolgte über den Bundesverband der lerin Merkel und der damalige UmweltminisDeutschen Industrie (BDI). In diesem „Appell“ ter Norbert Rö gen den Bundesbürgern die
forderten rund 40 Manager die Bundesre- Laufzeitverlängerung „schmackha “ zu magierung auf, die Energieversorger und Unter- chen – eine widersinnige Argumenta on: Für
nehmen nicht stärker als bisher mit Abgaben einen dynamischen Ausbau der erneuerbaren
zu belasten. Die Atomkra sowie Stein- und Energien bedarf es keiner einzigen atomaren
Braunkohle sollten weiter – „unverzichtbar“ – Kilowa stunde. Im Gegenteil: Die großen, leiszum bundesdeutschen Energiemix gehören, tungsstarken und inflexiblen Atomkra werke
damit der Umbau hin zu erneuerbaren Energi- behindern den Aufbau dezentraler Versoren finanzierbar sei. Der medienwirksame Ap- gungsstrukturen, bei denen vor allem regenepell war nichts anderes als der Versuch einer ra ve Kra werke eingesetzt werden.
gezielten Einflussnahme, um die bestehenden Umweltminister Rö gen vers eg sich damals
in die Bemerkung, dass
zentralisierten Strukturen
das Energiekonzept „das
der Energiewirtscha zu
„Fukushima hat meine Haltung
anspruchsvollste energieerhalten.
zur Kernenergie verändert. Ich
poli sche Programm der
Diese Einflussnahme zeighabe für mich eine neue Bewertung vorgenommen.“
Welt“ sei, „ein Fahrplan
te zunächst Erfolg. Als die
ins Zeitalter der erneuerBundesregierung im SepAngela Merkel
baren Energien.“ Rich g
tember 2010 ihr neues
ist, dass das EnergiekonEnergiekonzept vorstellte, ha en sich die Stromriesen durchgesetzt: zept 117 zum Teil durchaus ehrgeizige Einzelnach den Vorstellungen von Union und FDP maßnahmen vorsah. Dazu zählte auch der Aussollten die 17 deutschen Atomkraftwerke bau der regenera ven Energien, die im Jahr
zwischen 8 und 14 Jahre länger laufen. Da- 2050 mehr als 80 Prozent des Energiebedarfs
mit wäre der letzte Atommeiler wohl nicht vor decken sollten.
dem Jahr 2036 außer Betrieb gegangen. Der Bevor die Bundesregierung mit den entsprerot-grüne Ausstiegbeschluss hatte das Jahr chenden Gesetzen den Weg dahin ebnen
2022 anvisiert. Sozusagen als Kompensa on konnte, ereignete sich am 11. März 2011 der
der sich mit der Laufzeitverlängerung abzeich- Super-Gau in Fukushima. In den Tagen danach
nenden Milliardengewinne beschloss die Bun- sprach Kanzlerin Merkel die Worte, die innerdesregierung, eine bis Ende 2016 bestehende halb kürzester Zeit eine erneute Kehrtwende in
Steuer auf Kernbrennstoffe einzuführen und der deutschen Energiepoli k einleiteten: „Fudie vier 4 großen Atomstromkonzerne für die kushima hat meine Haltung zur Kernenergie
Übergangszeit zu Einmalzahlungen in einen verändert. Ich habe für mich eine neue Bewerneu zu schaffenden Energie- und Klimafonds tung vorgenommen.“
Ha e der Bundestag drei Monate zuvor mit der
(EKF) zu verpflichten.
Als „Brücken-Technologie“ auf dem Weg zu Atomrechtsnovelle die Laufzeitverlängerung abden regenera ven Energien versuchten Kanz- gesegnet, so ordneten mehrere Bundesländer
-7-
Foto: klima-allianz deutschland
in Absprache mit der Bundesregierung am
14. März 2011 für acht ältere Atomkra werke
(genau genommen waren es sieben, da das
Atomkra werk Krümmel schon seit längerem
s ll stand) eine dreimona ge Zwangsabschaltung an. Dieses Moratorium, so die offizielle
Lesart, sollte zu einer Sicherheitsüberprüfung
genutzt werden. Die vom Moratorium betroffenen acht Atomreaktoren wurden dann
im Sommer endgültig abgeschaltet. Damit
ging eine atomare Erzeugungsleistung von
8 800 Megawa (MW) vom Netz, sprich: noch
werden in den verbleibenden 9 Atomkra werken 12 700 MW für die Stromerzeugung
eingesetzt.
Bei ihrem Weg in eine atomstromfreie Zukun
Deutschlands stützte sich die Bundesregierung
auf zwei Kommissionen. Zum einen auf die Reaktorsicherheitskommission, die während des
Moratoriums all die technischen Fragen stellen
und beantworten sollte, die sich aus der Nuklearkatastrophe in Japan ergaben. Zum anderen
berief die Bundesregierung die Ethikkommission zur sicheren Energieversorgung unter dem
Vorsitz von Ex-Umweltminister Klaus Töpfer
(CDU) und Ma hias Kleiner, dem Präsidenten
der Deutschen Forschungsgesellscha (DFG).
Aufgabe dieses 20-köpfigen Gremiums war es,
eine gesellscha spoli sche Risikobewertung
der Atomkra vorzunehmen sowie Vorschläge
für den Atomauss eg und die weitere Energieversorgung zu machen. Der Ende Mai 2011
vorgestellte Abschlussbericht mit dem Titel
„Deutschlands Energiewende – Ein Gemeinscha swerk für die Zukun “ empfahl der Bundesregierung, aus der Atomkra auszusteigen.
Die Kommission sei „der festen Überzeugung,
dass der Auss eg innerhalb eines Jahrzehnts
abgeschlossen werden kann“, hieß es in dem
35-sei gen Papier. Die Energiewende könne
gelingen, wenn gleichzei g die von der Ethikkommission vorgelegten Vorschläge zum Ausbau regenera ver Energien und der Energieeffizienz umgesetzt würden.
Knapp vier Wochen nachdem die Ethikkommission ihren Abschlussbericht vorgestellt ha e,
beschloss der Bundestag ein Gesetzespaket zur
„Energiewende in Deutschland“.
-8-
II. DAS ENERGIEWENDE-PAKET:
Die acht Gesetze im Überblick
Die Energiewende hat zwei wichtige Eckdaten: Der Bundestag beschloss am 30. Juni
2011, nur 16 Wochen nach dem FukushimaGau, acht Gesetze, mit denen die Bundesregierung ihren neuen energiepoli schen Kurs
auf den Weg brachte. Gut eine Woche später,
am 8. Juli, s mmte der Bundesrat mit einer
Ausnahme allen Gesetzen zu.
Wie sah nun dieses Energiewende-Paket im
Einzelnen aus? Umfasste das Gesetzespaket
alle notwendigen Hebel, um die Energiewende
zu realisieren? Und wie sieht es mit der Umsetzung dieser Gesetze bislang aus?
Für den Auss eg aus der Atomkra war vor allem eine Änderung der 13. Novelle des Atomgesetzes notwendig. Dafür gab es im Sommer
2011 eine breite Mehrheit im Bundestag.
Neben den Regierungsfraktionen stimmten
auch die meisten Parlamentarier von SPD und
Grünen für den gestaffelten Auss eg aus der
Atomkra bis zum Jahr 2022. Die im Frühjahr
2011 bereits abgeschalteten sieben Atomkra werke sowie der Pannenmeiler Krümmel
blieben vom Netz. In gut zehn Jahren ist hierzulande Schluss mit der Atomkra nutzung, wenn
die Atomkra werke Isar II, Neckarwestheim II
und Emsland die Stromproduk on einstellen.
Die deutschen AKW und ihre Restlaufzeiten
Berlin (dpa) – Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima hat die Bundesregierung ihre Laufzeitverlängerung für die Kernkra werke zurückgenommen
und einen schri weisen Atomauss eg beschlossen.
ATOMKRAFTWERK
Sta frühestens 2036 soll nun der letzte Meiler bis
2022 vom Netz gehen. Acht AKW wurden 2011 sofort
s llgelegt, 2015, 2017 und 2019 folgen jeweils eins,
2021 und 2022 jeweils drei.
Haupteigentümer
Nennleistung
in MegawaƩ
Neue Laufzeit
EnBW
840
1976–2011
BADEN-WÜRTTEMBERG:
Neckarwestheim I*
Neckarwestheim II
EnBW
1395
1989–2022
Philippsburg I*
EnBW
926
1979–2011
Philippsburg II
EnBW
1458
1984–2019
Eon
912
1977–2011
BAYERN:
Isar I, Essenbach*
Isar II
EON
1475
1988–2022
Grafenrheinfeld
EON
1345
1981–2015
Gundremmingen B
RWE/EON
1344
1984–2017
Gundremmingen C
RWE/EON
1344
1984–2021
> Fortsetzung nächste Seite
ATOMKRAFTWERK
Haupteigentümer
Nennleistung
in MegawaƩ
Neue
Laufzeit
HESSEN:
Biblis A*
RWE
1225
1974–2011
Biblis B*
RWE
1300
1976–2011
EON
1410
1978–2011
NIEDERSACHSEN:
Unterweser, Esensham*
Grohnde
EON
1430
1984–2021
RWE/EON
1400
1988–2022
Brunsbü el*
Va enfall/EON
806
1976–2011
Krümmel, Geesthacht*
Va enfall/EON
1402
1983–2011
Brokdorf
EON/Va enfall
1440
1986–2021
Emsland, Lingen
SCHLESWIG-HOLSTEIN:
Anmerkung: Die mit * markierten Anlagen wurde 2011 sƟllgelegt.
Nach einer Analyse des Öko-Ins tuts wäre –
rein unter Versorgungsgesichtspunkten – auch
der komple e Auss eg im Jahr 2017 möglich,
eine Op on, die in der poli schen Deba e keine Rolle spielte.
Die Atomrechtsnovelle sah auch eine Ermächtigung für die Bundesnetzagentur vor, eine
störungsfreie Stromversorgung sicherzustellen.
Bis September 2011 sollte die Bonner Behörde
darüber entscheiden, ob eines der s llgelegten
Atomkra werke für die Überbrückung möglicher Netzengpässe während der Wintermonate
2011/2012 in Kaltreserve gehalten werden sollte, sprich sozusagen in Stand-by-Haltung laufen
sollte. Die Netzagentur nahm jedoch in Abstand
dazu einige fossile Blöcke in Deutschland und
Österreich, mit einer Gesamtleistung von rund
1 000 Megawa , unter Vertrag.
Nur drei Mal mussten die deutschen Netzbetreiber auf diese Kra werksreserve während
der Wintermonate 2011/2012 zurückgreifen.
Ob dieser Rückgriff auf diese Reserven immer notwendig war, ist umstri en. Bis heute
nicht widerlegte Recherchen der Deutschen
Umwelthilfe zeigten, dass es am 8. und 9. Dezember 2011 keinen Versorgungsengpass in
Süddeutschland gegeben hat.
Diese wenigen Rückgriffe auf die Kra werksreserve waren jedoch Wasser auf die Mühlen von
Industrieverbänden, Teilen der Energiewirtscha
und Poli k, auf die vermeintlichen Gefahren der
Energiewende hinzuweisen – dahinter stand
immer die Kri k, dass das Abschalten der acht
Atommeiler im Frühjahr 2011 unnö g gewesen
sei und die Versorgungssicherheit gefährde.
Bis heute ist rechtlich nicht abschließend geklärt, ob die Bundesregierung die Kernkra werksbetreiber für die durch die Rücknahme
der Laufzeitverlängerungen entgangenen Gewinne entschädigen muss. Eon und RWE wollen vor dem Bundesverfassungsgericht klären
lassen, ob eine Grundrechtsverletzung vor-
- 10 -
Eigentlich sollte bis Ende vergangenen Jahres
auch die Endlagerfrage für den atomaren Müll
geklärt werden. Lange konzentrierten sich alle
Bemühungen darauf, den Salzstock in Gorleben
zu erkunden. Von dieser einsei gen Fokussierung ist das Bundesumweltministerium mi lerweile abgewichen. Ende April 2012 zeichnete
sich indes ein neues Endlagersuch-Gesetz ab,
mit dem der damalige Bundesumweltminister
Rö gen ein oder zwei weitere Standorte mit
Gorleben als „ReferenzstandDer Strommix in Deutschland im Jahr 2010
orte“ vergleichen will. Dass
Erneuerbare Energien lieferten 16,8%
Gorleben weiterhin als mögdes Bruttostromverbrauchs.
Photovoltaik
Erneuerbare
liches Endlager gehandelt
2,0%
Energien
Kernenergie
(12,0 Mrd. kWh)
101,7
Mrd.
kWh
wird, löste einen vehementen
22%
17%
Wasserkraft
(regenerativ)
Protest von Unweltverbän3,3%
Erdgas
(19,7 Mrd. kWh)
den, Anti-Atom-Initiativen,
13%
Biomasse
gesamt
Gewerkscha en und Kirchen
(inkl. biogener
605 Mrd. kWh
Abfall)
im Wendland aus.
Braunkohle
liegt, sie versuchen gemeinsam einen „Schaden“ von 10 Mrd. Euro geltend zu machen.
Alle Atomkraftswerksbetreiber zusammen
beziffern ihren Verlust auf 15 Mrd. Euro. Die
Steuer auf Kernbrennstäbe, die mit der Laufzeitverlängerung 2010 beschlossen wurde,
blieb auch mit der Energiewende bestehen.
Auch dagegen klagten die Betreiber, mussten
allerdings eine erste gerichtliche Niederlage
hinnehmen.
5,5%
(33,5 Mrd. kWh)
23%
Sonstige (ohne
EE-Anteil) 6%
Steinkohle
19%
Windenergie
6,0%
(36,5 Mrd. kWh)
Quelle: AGEB, AGEE-Stat
Stand: 08/2011
Der Strommix im Jahr 2020:
Erneuerbare Energien sichern 47 % der Versorgung
Kernenergie
9 TWh (1 %)
Erdgas
65 TWh (11 %)
Braunkohle
99 TWh (17 %)
gesamt
595 TWh
Steinkohle
114 TWh (19 %)
Sonstige*
29 TWh (5 %)
Quelle: Branchenprognose 2020
Stand: 1/2009
Geothermie
1%
Wasserkraft
(regenerativ)
5%
Photovoltaik
7%
Bioenergie
9%
Windenergie
auf See 6 %
Windenergie
an Land 19 %
*Abfall, Mineralöl,
Speicher usw.
- 11 -
www.unendlich-viel-ene rgie.de
Erneuerbare
Energien
278 TWh
(47 %)
Im Gesetz zur Neuregelung
des Rechtsrahmens für die
Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hat die Regierung festgelegt, dass der Ökostromanteil
hierzulande Ende dieser Dekade bei mindestens 35 Prozent, 2040 bei 65 Prozent und
bis 2050 bei mindestens 80
Prozent liegen soll. Damit
verpasste die Bundesregierung allerdings die Chance,
sich frühzeitig höhere Ausbauziele zu setzen. Schon die
bereits vor Fukushima vorliegenden Entwürfe für das Erneuerbare-Energien-Gesetz
Foto: Andreas Barnickel, pixelio.de
(EEG) sahen ein Ausbauziel von 35 Prozent bis
zum Jahr 2020 vor. Nach Fukushima ergänzte
das federführende Bundesumweltministerium
die entsprechende Passage durch das Wörtchen „mindestens“.
Die ohnehin im Jahr 2011 anstehende EEGNovelle nutzte die Bundsregierung nicht nur
für Neujus erungen im Bioenergiebereich, um
die vielfäl gen und komplexen Förderregeln
zu vereinfachen. Besonderes Augenmerk legte
die Bundesregierung auf eine deutlich erhöhte
Einspeisevergütung für Strom aus OffshoreWindparks, sprich: Windstrom, der auf See
erzeugt wird. Da die Offshore-Windenergie
schon unter der in den Jahren 2005 bis 2009
in Berlin regierenden Großen Koalition als
wich ge Zukun sop on galt, war dieser Schri
folgerich g – zumal mit den bis dahin gül gen
Vergütungssätzen ein rentabler Betrieb der
Meereskra werke, deren Inves onskosten
für 400 Megawa Leistung in der Regel bei
rund anderthalb Mrd. Euro liegen, kaum möglich war.
Auf Unverständnis s eß der ursprüngliche Plan
des Bundesumweltministeriums, die Förderbedingungen für Windturbinen an Land zu
verschlechtern. Dieses wenig stringente Vor-
gehen – Windparks im Binnenland werden
noch über Jahre hinweg wirtscha licher sein
als Projekte auf See – konnte erst mit einer
Kra anstrengung der Verbände und mit Unterstützung des Bundesrates verhindert werden.
Für die Kra werke auf See ist seit Ende Januar
2012 die angekündigte Änderung der Seeanlagenverordnung in Kra . Damit obliegen nunmehr dem Bundesamt für Seeschifffahrt und
Hydrographie alle Umweltprüfungen, die für
die Genehmigung eines Offshore-Windparks
notwendig sind. Im Hinblick auf die Straffung
des Genehmigungsverfahrens ist dies allemal
ein Fortschri ; gebaut wurde deshalb aber
noch kein zusätzlicher Offshore-Windpark.
Problema sch ist vor allem, dass sich der für
die Nordsee-Projekte zuständige und gesetzlich verpflichtete Netzbetreiber TenneT mit
den vielen Anschlussbegehren finanziell überfordert sieht. Mit Hilfe der Bundesnetzagentur
und der staatseigenen KfW-Bankengruppe sollen Investoren gesucht werden, die den Netzausbau mi ragen. Um zu Netzanschlüssen auf
See zu kommen, will die Bundesregierung das
Ha ungsrisiko für die Netzbetreiber ändern.
Sollte es kün ig zu Netzausfällen oder Kabelschäden kommen, werden die Einnahmeausfälle der Offshore-Windparkbetreiber aus der
Staatskasse gedeckt, sprich vom Steuerzahler.
Vor allem die Festlegung der Bundesregierung
in der EEG-Novelle, den Ökostromanteil bis
2020 auf 35 Prozent auszubauen, s eß auf Krik, denn dieses Vorhaben wird bis heute als
wenig ambi oniert gesehen. Bereits 2009 hatten die Verbände der erneuerbaren EnergienBranche in einer gemeinsamen Abschätzung
einen Ökostromanteil von 47 Prozent bis zum
Jahr 2020 für machbar erklärt. Fest steht: Ohne
- 12 -
das EEG und dessen Vorläufer, das Stromeinspeisungsgesetz aus den frühen 1990er Jahren, wäre weder die Zielmarke der Bundesregierung noch die der Verbände erreichbar.
Die Zwischenbilanz lässt hoffen: Ende 2011 lag
der Ökostromanteil bei annähernd 20 Prozent
und damit erstmals über dem Anteil der Atomkra – bedingt auch durch das Abschalten von
acht Atomkra werken im gleichen Jahr.
Als Konsequenz des Energiekonzeptes ließ die
Bundesregierung das Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“ ausarbeiten. Aus dem Geldtopf plant
die Bundesregierung zahlreiche na onale und
interna onale Projekte zu unterstützen. Finanziert werden sollte dieser Fonds ursprünglich
durch Abgaben auf die Zusatzgewinne, die die
Laufzeitverlängerung den vier Atomkonzernen
in ihre Kassen spült. Nach Fukushima änderte
die Bundesregierung die Strategie: Gespeist
werden soll der Fonds ab 2013 auch aus Einnahmen aus der Versteigerung der CO2-Emmissionsrechte, wenn fossile Kra werksbetreiber
diese Zer fikate erwerben müssen. In diesem
Jahr erhält der Fonds aus dem Bundeshaushalt
450 Mio. Euro.
Allerdings zeichnet sich bereits heute eine
folgenschwere Unterdeckung des Fonds ab.
Denn in den Kalkula onen zur Finanzierung
des Fonds geht die Bundesregierung von einem Zer fikatspreis von mehr als 15 Euro pro
emi erter Tonne Kohlendioxid und jährlichen
Gesamteinnahmen von bis zu 3,3 Mrd. Euro
aus. Angesichts der zuletzt unter die 7-EuroMarke gefallenen CO2-Zer fikatspreise ist die
Finanzausstattung des Fonds erheblich gefährdet. Ob die fehlenden Mi el sta dessen
aus dem Bundeshaushalt kommen werden, ist
mehr als fraglich.
Zu den zentralen Vorhaben des „Energiewende-Gesetzpakets“ zählt das Gesetz über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus
Elektrizitätsnetze. Im Mi elpunkt steht dabei
die Erarbeitung des sogenannten Bundesbedarfsplans, der festlegt, wieviele neue Netzkilometer notwendig sind. Die entsprechenden
Vorarbeiten laufen – auch
In der Hand der kleinen Leute
mit Beteiligung von UmAnteile der verschiedenen Gruppen an der bundesweit installierten Leistung zur
Stromerzeugung aus Erneuerbaren-Energien-Anlagen (43.000 MW Ende 2009).
weltverbänden und Bürgern. Die vier ÜbertraPrivatpersonen
Projektierer
42%
15%
gungsnetzbetreiber haben
Ende Mai ihre BerechnunEnergieversorgungsunternehmen
gen und Vorschläge für
Gesamt:
13%
43.000 MWel
den Netzentwicklungsplan
Fonds / Banken
vorgelegt.
11%
Ziel der Bundesregierung ist
Industrieunternehmen
Gewerbe 7%
es zudem, die Bau- und PlaLandwirte
Regionalerzeuger
nungszeiten für die Netze
9%
Sonstige
2%
1%
von gut zehn auf vier Jahre
Quelle: trend research 2010; Stand: 10/2010
zu verkürzen. Daher über-
- 13 -
Foto: Rainer Sturm, pixelio.de
nimmt die Bundesnetzagentur die Planung für
Ländergrenzen überschreitende Trassen, was
auf Widerstand in den Bundesländern s eß.
Eine Verordnung, die der Bundesnetzagentur
die neuen Kompetenzen überträgt, lässt immer
noch auf sich warten. Um auf lokaler Ebene
mehr Zus mmung für den Bau neuer Trassen
zu bekommen, erhalten Städte und Gemeinden eine einmalige Entschädigung von bis zu
40 000 Euro je Kilometer Höchstspannungsnetz. Dieses Gesetz wird, wenn überhaupt
nur den Bau neuer Trassen beschleunigen, die
nach Verabschiedung des erwähnten Bundesbedarfplans gebaut werden. Bereits bestehende Planungen bleiben davon unberührt.
Eine große Baustelle ist weiterhin das Gesetz
zur steuerlichen Förderung von energe schen
Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden.
Hausbesitzer oder Kleinvermieter, die ihre
Häuser energe sch sanieren und auf moderne
Heiztechnik umsteigen, sollen diese Inves onen bei ihrer Steuererklärung geltend machen
können. Voraussetzung hierfür ist, dass die
Häuser nach erfolgter Sanierung im Energiever-
brauch um nachweisbar 15 Prozent unter dem
für vergleichbare Neubauten maximal zulässigen Wert liegen. Über die Au eilung der mit
diesen Fördermaßnahmen verbundenen Steuerausfällen – Experten gehen von einer Summe
von jährlich bis zu 1,5 Mrd. Euro aus – haben
Bundesregierung und Bundesländer bis heute
keine Einigung erzielt. Die Länderregierungen
verweigerten dem Gesetz bei der Sitzung am
8. Juli 2011 im Bundesrat ihre Zus mmung. Erst
drei Monate später rief die Bundesregierung
den Vermi lungsausschuss an, kein Zeichen
stringenten Handelns. Seit Herbst vergangenen Jahres scheint der Vermi lungsausschuss
trotz mehrerer Sitzungsrunden und Ankündigungen einer „baldigen Einigung“ nicht in der
Lage zu sein, einen Kompromiss zwischen Bund
und Ländern herzustellen. Die Mehrzahl der
Beobachter wertet dies als deutliches Indiz für
ein mangelndes Zusammenspiel zwischen der
Bundesregierung und den Bundesländern bei
der Energiewende.
Erst Ende März 2012, mit großer Verzögerung,
gab der Haushaltsausschuss des Bundestages
seine Zus mmung für die Freigabe der Mi el,
- 14 -
Foto: klima-allianz deutschland
Bei dem Gesetz zur Neuregelung energiewirtscha licher Vorschri en geht es vornehmlich
um eine Anpassung an die 3. EU-Binnenmarktrichtlinie. Fragen der Netzen lechtung, sprich,
die Regelung, dass die Energieversorger die
Stromproduk on und den -transport rechtlich
trennen müssen, aber auch die Frage, welche
Fristen beim Wechsel des Stromlieferanten für
die Verbraucher einzuhalten sind, werden unter
anderem in den einzelnen Paragrafen geregelt.
Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes
regelt auch, dass ein Netzentwicklungsplan
erstellt werden muss (siehe Seite 18) – die Voraussetzung für den Bau neuer, unverzichtbarer
Netztrassen. Im neuen Energiewirtscha sgesetz, das sozusagen das Grundgesetz für die
heimische Energieversorgung darstellt, hat es
die Bundesregierung allerdings versäumt, die
führende Rolle der erneuerbaren Energien für
die kün ige Strom- und Wärmeversorgung explizit zu betonen – eine Klarstellung, die mehr
als wünschenswert gewesen wäre.
Keine Rolle in der öffentlichen Diskussion spielt
bislang das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten
und Gemeinden. Immerhin sieht das Gesetz
eine sogenannte „Klimaschutzklausel“ vor, mit
der Kommunen Bauherren die Nutzung von
erneuerbaren Energien und den Einsatz von
Kra -Wärme-Kopplung vorschreiben können.
Der breiten Öffentlichkeit wird dieses Gesetz
aufgrund seiner hochkomplexen bauplanungsrechtlichen Materie aber unbekannt bleiben.
Geplant ist für das Jahr 2012 eine weitere
Gesetzesnovelle, im Zuge derer Klimaschutzmaßnahmen verstärkt in der Baunutzungsverordnung verankert werden sollen.
- 15 -
Quelle: dena/BMVBS
die für das sogenannte CO2-Gebäudesanierungsprogramm vorgesehen waren. Für dieses
Jahr und bis 2014 stehen so jährlich 1,5 Mrd.
Euro für die verschiedenen Förderprogramme
mit zinsvergüns gten Krediten zur Verfügung,
die von der KfW-Bankengruppe betreut werden.
Kri ker bemängeln, dass die Bundesregierung
mit diesem Budget ihr selbstgestecktes Ziel einer
jährlichen Sanierungsrate im Altbausbestand
von zwei Prozent verfehlen wird. Heute liegt
diese Quote bei unter einem Prozent. Dass die
Förderung der Gebäudesanierung – das „Rückgrat“ erfolgreicher Energieeffizienzpoli k – keinen allzu großen Stellenwert in Regierungskreisen besitzt, ist offensichtlich: im Jahr 2009, lange
vor der verkündeten Energiewende, umfasste
das Budget für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm immerhin 2,2 Mrd. Euro.
Foto: klima-allianz deutschland
III. ERKENNBARE PROBLEME
bei der Umsetzung der Energiewende
a) Der Einfluss der europäischen
Klimaschutzpoli k
Das Gelingen der Energiewende in Deutschland hängt eng mit einer konsequenten Klimaschutzpoli k auf interna onaler Ebene zusammen. Die EU hat sich 2008 verpflichtet, ihren
Treibhausgasausstoß bis 2020 im Vergleich zu
1990 um 20 Prozent zu senken. Vier Jahre nach
dem Beschluss wird deutlich: Dieses Ziel ist ist
zu niedrig angesetzt worden. Bereits 2010 lagen die CO2-Emissionen in der EU 14 Prozent
unter den Werten aus dem Jahr 1990. Grund
dafür ist insbesondere der Zusammenbruch
der Industrie in Mi el- und Osteuropa nach
der poli schen Wende in den 1990er Jahren.
Es gibt noch ein weiteres Problem: Die EU setzt
bei ihrer Klimaschutzpoli k seit dem Jahr 2005
auf den Emissionshandel. Danach muss ein
Unternehmen für jede Tonne CO2, die es ausstößt, ein Zer fikat erwerben. Wird mehr CO2
emi ert, müssen Zer fikate hinzugekau werden. Erhielten Energieversorger und Industriebetriebe diese Verschmutzungsrechte anfangs
gra s, müssen sie mi lerweile teilweise ersteigert werden. Die Erlöse aus der Versteigerung
der CO2-Zer fikate sollen in Klimaschutzmaßnahmen inves ert werden.
Der CO2-Preis ist aber heute weit davon entfernt, Einfluss auf die Inves onsentscheidungen der Betriebe zugunsten klimafreundlicher
Technologien zu en alten. Zudem ist das Gelingen der deutschen Energiewende stark von
den Erlösen aus der Versteigerung der Zer fikate im Rahmen des EU-Emissionshandels abhängig. Bleibt es beim schwachen 20-ProzentKlimaziel der EU, verliert die Bundesregierung
durch die extrem niedrigen Zer fikatspreise
im Vergleich zu den erwarteten Erlösen ab
2013 jährlich Einnahmen in Milliardenhöhe.
In diesem Fall ist zudem nicht absehbar, wie
Deutschland und die EU ihren Anteil an der interna onalen Klimafinanzierung werden leisten können. Jede Untä gkeit angesichts des
niedrigen Emissionshandelspreises vernichtet
damit Vertrauen in die Ernstha igkeit der von
Deutschland auf der UN-Klimakonferenz 2009
in Kopenhagen gemachten Zusagen.
Deutlich ist dabei: Das im Koali onsvertrag
festgelegte Reduk onsziel von 40 Prozent zu
2020 im Vergleich zum Basisjahr 1990 wird mit
- 16 -
Nicht nur aus Umweltschutzgründen kommen als konven onelle Einheiten nur neue
Gaskraftwerke oder sogenannte Gas- und
Dampfturbinen-Kraftwerke (GuD) in Frage.
Beide Kra werkstypen können flexibel an die
schwankende Ökostromeinspeisung angepasst werden. VerLinearer Emissionspfad bis 2050 erfordert eigentlich mindestens 34 Prozent Minderung bis 2020
einfacht ausgedrückt
6000
heißt das: diese
Kraftwerkstypen
5000
Trendlinie -20% bis 2020
sind technologisch
4000
in der Lage, schnell
Trendlinie -30% bis 2020
-34 bis -38%
3000
auf unterschiedliche
Lastanforderungen
2000
zu reagieren.
-80% bis 2050
1000
Angesichts der der-95% bis 2050
zeit niedrigen Bör0
1990
1995
2000
2005
2010
2015
2020
2025
2030
2035
2040
2045
2050
senstrompreise ist
Quelle: CAN Europe 2011
aber kein poten eller Betreiber bereit, genau diese benö gten
b) Der heu ge Strommarkt muss
Kra werke zu bauen. Neue Kra werke müssauf neue Füße gestellt werden –
ten nach gängigen Brancheneinschätzungen
ein neues Design muss her
Der deutsche Strommarkt steht vor einem bei auskömmlichen Preisen mindestens 3 000
Umbruch. Bei dem endgül g für das Jahr 2022 bis 5 000 Stunden im Jahr Strom produzieren,
fixierten Aus der Atomkra und der in der Tat damit die Investoren ihre Kredite bedienen
rasant steigenden Ökostromerzeugung drängt und mi elfris g Geld verdienen können.
sich die Frage auf, wie kün ig ein op maler Die Aussichten dafür sind schlecht: derzeit sinkt
Kra werkspark beschaffen sein muss − durch die Auslastung der Kohle- und Gaskra werke.
den gleichzei g die Versorgungssicherheit, die Grund dafür ist die steigende ÖkostromeKlimaziele und dauerha akzeptable Preise ge- inspeisung. Bereits in den sonnenreichen
Märzwochen dieses Jahres lag allein die Solarwährleistet sind.
Auch wenn bereits heute jede fün e Kilowa - einspeisung an einigen Tagen in den Mi agsstunde regenera v erzeugt wird und am Ende stunden bei über 17 000 Megawa , während
dieser Dekade nach vorliegenden Abschätzun- der Pfings age waren es sogar über 22 000
gen die 40-Prozent-Marke deutlich übersprun- Megawa . In der Vergangenheit ha en vor algen sein dür e, werden für die Stromerzeu- lem Gaskra werke ihr Geld genau in diesem
gung zumindest übergangsweise weiterhin Zeitraum verdient, in dem in zigtausend Küchen
laufende Stromherde den Verbrauch nach oben
fossile Kra werke gebraucht.
Mio. Tonnen CO2-Äquivalent
2020
2050
dem niedrigen 20-Prozent-Ziel der EU kaum
erreichbar sein. Mehrere EU-Mitgliedsstaaten engagieren sich daher, dass das niedrige
20-Prozent-Ziel auf 30 Prozent angehoben
wird. Deutschland könnte hierbei eine entscheidende Rolle spielen.
- 17 -
Foto: Rainer Sturm, pixelio.de
treiben. Diese Tagesspitzen ließen bislang den
Strompreis an den Börsen hochschnellen.
Bislang hat die Bundesregierung keine Antwort
darauf, wie dieses Dilemma zu lösen ist: Eine
übersichtliche Zahl neuer Gaskra werke ist
notwendig, um den Ausbau der erneuerbaren
Energien zu unterstützen. Die entsprechenden
Kra werkstypen sind aber unter den derzei gen (energie-)wirtscha lichen Rahmenbedingungen nicht rentabel.
Als möglicher Lösungsansatz wird über eine
Neuordnung des Strommarktes deba ert. Im
Mi elpunkt stehen dabei die Schaffung sogenannter Kapazitätsmechanismen. Dahinter
steckt eine Bedarfsplanung, die den Bau neuer Kra werke nicht mehr allein „dem Markt“
überlässt. Kraftwerksbetreiber würden ihr
Geld nicht mehr überwiegend mit der Erzeugung möglichst vieler Kilowa stunden verdienen, sondern eine Prämie dafür erhalten, dass
sie ihr Kra werk quasi Standby halten – und so
zur Netzstabilität beitragen.
Mi lerweile gehen erste Gutachten davon aus,
dass Ende dieser Dekade der Bau neuer Gaskra werke unverzichtbar ist. Mehrere ältere
fossile Kra werke sind bis dahin vom Netz gegangen, auch steigt die Ökostromeinspeisung.
Zudem sind um das Jahr 2020 nur noch sechs
Atomkra werke in Betrieb.
Da die Planung, Genehmigung und Finanzierung neuer GuD-Anlagen mehrere Jahre in Anspruch nimmt, ist die Deba e um die Zukun
der hiesigen Kra werkslandscha bereits heute
zu führen. Mit Verweis auf die – unbestri en –
derzeit bestehenden Überkapazitäten sieht
die Bundesregierung aktuell keinen Bedarf für
einen Kapazitätsmarkt. „Der Markt“ wird nach
Ansicht vieler Experten aber nicht für den Bau
der benö gten Gaskra werke sorgen.
Für viele Umweltak visten und -verbände bedeutet das notwendige neue Strommarktdesign ein Umdenken: Sie müssen für eine Übergangszeit zum Gelingen der Energiewende den
Neubau von Gaskra werken in begrenztem
Maße akzep eren und unterstützen.
c) Neue Stromnetze sind unverzichtbar –
doch wie viele Trassenkilometer sind
tatsächlich notwendig?
Auch Stromnetze werden nicht über Nacht gebaut. Der Bau von Überlandleitungen nimmt
mehrere Jahre in Anspruch. Jede einzelne Stufe, von der Planung über die Genehmigung bis
zum Bau, kostet Zeit. Dass am Bau neuer Trassen
auf der Höchstspannungs- und der Verteilnetzebene kein Weg vorbeiführt, war seit Jahren
bekannt. In Brüssel hat die Europäische Kommission seit Mi e der 1990er Jahre die Strommarktliberalisierung forciert. Damit der Strom
vom Skagerak nach Sizilien oder von der Algarve
bis zur polnisch-russischen Grenze fließen kann,
ist ein durchgehendes, mul na onales Netz mit
vielen Grenzkuppelstellen notwendig.
Um die Vorgaben aus Brüssel für einen europäischen Strommarkt zu erfüllen, müssen alle
Mitgliedsstaaten ihre Stromnetze erweitern,
was aber in den meisten Ländern bis heute nicht
- 18 -
einer Anfang Mai 2012 von der Bundesnetzagentur vorgestellten Zwischenbilanz bislang
lediglich 214 km, tatsächlich in Betrieb waren
zum gleichen Zeitpunkt weniger als 100 km.
Wie viele zusätzliche Übertragungsnetz-Kilometer benö gt werden, versucht die Bundesnetzagentur mit dem sogenannten Netzentwicklungsplan zu ermi eln. Die Netzagentur
hat im Vorlauf des Netzentwicklungsplans
(NEP) drei mögliche Ausbauszenarien der Netzbetreiber öffentlich konsul ert. Verbände und
interessierte Bürger konnten Vorschläge und
Änderungen zu den Szenarien machen, von
denen auch viele berücksich gt wurden.
Ende Mai haben die vier Übertragungsnetzbetreiber ihre Ergebnisse vorgelegt. Demnach müssen in den kommenden zehn Jahren
1 700 km Höchstspannungsnetze in Drehstrom- und 2 100 km in Gleichstromtechnik
neu gebaut werden. Für die Gleichstrom-Leitungen sind insgesamt vier Korridore vorgesehen, die den an der Nord- und Ostseeküste
erzeugten Ökostrom Richtung Süddeutschland
transpor eren sollen. Außerdem kündigten die
Netzbetreiber zahlreiche
Staatliche Förderungen 1970-2010 in Mrd. Euro (real)
Modernisierungen an
den bestehenden 4 000
350 Mrd. Euro
Trassenkilometern an.
228 Mrd.
Förderwert Rückstellungen
300
Vorgesehen ist, den oben
Förderwert EEG
250
skizzierten Entwurf der
Vorteile
Emissionshandel
196 Mrd.
Übertragungsnetzbetrei200
Steuervergüns gungen
ber zwei Mal öffentlich
150
mit Verbänden und BürFinanzhilfen
gern zu diskutieren; in
100
Während die Förderung Erneuerbarer
67 Mrd.
den Diskussionsrunden
Energien transparent ist (EEG), ist sie
39 Mrd.
50
bei Atom und Kohle größtenteils nicht
„sichtbar“
geäußerte Vorschläge
Quelle: FÖS
0
und Kri k will die NetzSteinkohle Braunkohle Atomenergie Erneuerbare
agentur für ihre Fassung
erfolgt ist. Dass die zunehmende Ökostromeinspeisung den Bau neuer Netze erforderlich
macht, lag angesichts der poli sch gewollten
Ausbauszenarien seit Ende der 1990er auf der
Hand. Dennoch haben die vier Betreiber der
„Stromautobahnen“, die sogenannten Übertragungsnetzbetreiber, die zu diesem Zeitpunkt
Teil der vier großen Stromkonzerne waren, diese Prognosen nicht ernst genommen und den
Netzausbau jahrelang verschleppt.
Schon die von der Deutschen Energie-Agentur
federführend betreute „dena-Netzstudie I“
hielt im Jahr 2005 einen Neubau von 850 zusätzlichen km zu den vorhanden 35 000 km auf
der Höchstspannungsebene für unverzichtbar.
Gebaut waren davon Ende 2011 weniger als
100 km.
Ebenso bescheiden fällt die Bilanz der sogenannten EnLAG-Projekte aus. Die in den Jahren
2005 bis 2009 regierende Große Koali on aus
CDU, CSU und SPD ha e mit dem Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) 24 Netzneubauprojekte mit insgesamt 1 834 Trassenkilometer
als vorrangig eingestu . Gebaut wurden nach
- 19 -
Foto: Lutz Stallknecht, pixelio.de
des Netzentwicklungsplans berücksich gen.
Diese Basis will dann der Bundestag nutzen,
um voraussichtlich 2013 den Bundesbedarfsplan zu beschließen.
Dass die Bundesnetzagentur beim Netzentwicklungsplan auf die Beteiligung von Verbänden
und Bürgern Wert legt, ist eine Reak on auf den
zunehmenden Widerstand vielerorts gegen den
Bau neuer Stromleitungen. Bislang haben Polik und Netzbetreiber es nicht für nö g erachtet, die Notwendigkeit neuer Stromleitungen
zu vermi eln. Nach wie vor ist nicht abschließend geklärt, wieviele Netzkilometer wirklich
notwendig sind. Ein beschleunigter Bau von
neuen Netzen ist aber nur dann möglich, wenn
möglichst viele Anwohner die Trassen mi ragen. Akzeptanz heißt das neue Zauberwort.
Um eine höhere öffentliche Akzeptanz für neue
Netze zu erreichen, gibt es mi lerweile in Norddeutschland erste Ini a ven, mit denen sich
Bürger finanziell an den Neubautrassen beteiligen können. Dieses Bürgernetz lehnt sich an das
erfolgreich prak zierte Bürgerwindpark-Modell
an, bei dem Anwohner mit ihrem Geld Anteile
eines Windparks erwerben können.
Für mehr Akzeptanz und Beschleunigung sollen auch lokale Einspeisenetze sorgen, das sind
direkte Verbindungen zwischen einem oder
mehreren Windparks zum Übertragungsnetz.
Das Besondere dabei: Diese „Ökostrom-Sam-
melschienen-Trassen“ sind nicht für die öffentliche Versorgung bes mmt, somit können
diese Leitungen wesentlich kostengüns ger
gebaut werden.
Mit einem solchen Einspeisenetz will die Windbranche auch die zunehmende Netzabschaltung von Windturbinen vermeiden, was vor
allem in Norddeutschland vorkommt: Immer
dann, wenn die Kapazität der bestehenden Verteilnetze ausgeschöp ist, können die Netzbetreiber die Windmühlen „abregeln“, sprich, die
Einspeisung unterbrechen. Zwar erhalten die
Windmüller dafür einen gesetzlich festgelegten
finanziellen Ausgleich, dennoch bleibt die Maßnahme widersinnig: Der Windstrom wird gesetzlich gefördert, kann aber nicht eingespeist
werden – eine gleichermaßen ökologisch als
auch volkswirtscha lich missliche Situa on.
Seit Jahren gibt es hierzulande die Diskussion,
dass mit intelligenten Netzen (sogenannten
„Smart Grids“) der Bau vieler Trassenkilometer unnö g würde. Allerdings steckt der flächendeckende Ausbau in den Kinderschuhen.
Noch gibt es von der Bundesnetzagentur keine
regulatorischen Anreize, mit denen der Au au
der Smart Grids unterstützt wird. Überfällig ist
auch eine Deba e darüber, welche Rolle künfg die Verteilnetzbetreiber bei einer dezentralen Op mierung der Netze auf der niedrigen
Spannungsstufe übernehmen sollen.
Nicht nur an Land hapert es mit den Netzanschlüssen, sondern auch bei der Windstromeinspeisung auf See. Für den Anschluss aller
Offshore-Windparks in der Nordsee ist der
Übertragungsnetzbetreiber TenneT zuständig,
ein Tochterunternehmen des niederländischen
Staates. Im Spätherbst 2011 ha e TenneT angekündigt, die notwendigen Milliardeninves o-
- 21 -
nen für den Netzausbau auf See finanziell nicht
alleine bewäl gen zu können. Und wenn TenneT
zwischenzeitlich für erste Umspannsta onen,
die sogenannten Steckdosen auf See, Partner
gewinnen kann, ist das Kernproblem ungelöst:
Für die Offshore-Windparks, die nach 2015 gebaut werden sollen, ist die Netzfrage weiterhin
ungelöst. Das bringt den Zeitplan für den Bau
dieser zu den wich gen Säulen der Energiewende zählenden Windparks noch weiter in Verzug.
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- 22 -
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Bislang hat es die Bundesregierung versäumt,
auf europäischer Ebene für ein koordiniertes
Vorgehen bei der Nutzung der Offshore-Windenergie einen Plan vorzulegen. Über Brüssel
ließe sich für alle Nordsee-Anrainerstaaten ein
entsprechendes Netz planen und (wahrscheinlich) auch mi inanzieren. Für die Idee eines
solchen paneuropäischen Netzes auf See sucht
seit Jahren die Ini a ve „Friends of the Super
Grid“ Unterstützung, bislang hat es aus Berlin
aber keine posi ven Signale gegeben.
d) Neue Speicher braucht das Land –
neue Technologien sind noch weit vom
kommerziellen Durchbruch en ernt
Die Frage, wie viele Netzkilometer wirklich
neu gebaut werden müssen, hängt auch davon
ab, wie groß die Ökostrommengen sind, die
zwischengespeichert werden können. Solche
Speicher dienen als Puffer: Wenn beispielsweise viel Wind weht und die Energienachfrage
gering ist, kann der Windstrom mit verschiedenen Technologien für einige Tage gespeichert
und bei entsprechender Nachfrage wieder ins
Netz eingespeist werden.
Allerdings gibt es ein Missverhältnis zwischen
vorhandenen Speichern und der zunehmenden Ökostromeinspeisung. Ende 2011 lag die
bundesweit installierte Ökostromleistung bei
mehr als 55 000 Megawa . Bis 2022 könnte
sich diese Kapazität verdreifachen. Davon geht
die Bundesnetzagentur in ihren bereits erwähnten Szenarien für den Netzentwicklungsplan aus. In Deutschland wird die Speicherung
derzeit über Wasserkra werke geleistet. Als
Pumpspeicherkra werke sind derzeit bundesweit 30 Wasserkra werke in Betrieb, deren
Turbinenleistung zusammen knapp 6 700 MW
beträgt. Daneben gibt es noch den Zugriff auf
einige Speicher im angrenzenden Ausland, so
dass sich nach einer Übersicht der Bundesnetzagentur die vorhandene Speicherkapazität auf
insgesamt 9 150 MW erhöht.
Nach den vorliegenden Szenarien der Netzagentur dür e die durch Pumpspeicherkra werke bereit gestellte Leistung in Deutschland
bis Ende dieser Dekade um vielleicht 2 400 MW
anwachsen, davon en ällt mehr als die Häl e
auf das höchst umstri ene Projekt Atorf der
Schluchseewerk AG im Süden Baden-Wür embergs. Bürgerproteste werden wohl zu einer
Verzögerung des Projektes führen.
Dass weder die Bundesregierung noch die Länderregierung in der Vergangenheit die Stromspeicher-Frage im Fokus hatten, rächt sich
heute. Neben den Pumpspeicherkra werken
gibt es heute keine ausgerei e und wirtscha liche Speichertechnologie am Markt. Adiabate
Drucklu speicher, Wasserstoff-Speicher, die
Power-to-Gas-Technologie oder die Autobatterien von Elektroautos werden immer wieder
als weitere Op onen für Speichermöglichkeiten disku ert. All diese Varianten haben eines
gemeinsam: Diese Technologien sind noch im
Forschungs- und Entwicklungsstadium, mit
einem kommerziellen Einsatz ist in dieser Dekade nicht mehr zu rechnen. Daran wird auch
die im Mai 2011 ausgerufene „Förderini a ve
Energiespeicher“ der Bundesregierung nichts
ändern. Das Programm hat ein Volumen von
200 Mio. Euro, mi lerweile liegen Förderanträge in Höhe von rund einer Milliarde Euro
vor – was, um es posi v auszudrücken, den
Bedarf an neuen Speichertechnologien unterstreicht. Oder anders ausgedrückt: Die
Bundesregierung muss die Förderung von
- 23 -
Speichertechnologien forcieren, da sie ein unverzichtbarer Teil der Energiewende sind.
e) Die Integra on der erneuerbaren
Energien in den Strommarkt –
ein wegweisendes Konzept ist nicht in Sicht
Ende 2012 lag der Anteil der regenerativen
Energien an der bundesweiten Stromerzeugung bei knapp 20 Prozent. Dabei wird es nicht
lange bleiben: Schon Ende dieser Dekade soll
dieser Anteil bei mindestens 35 Prozent liegen,
die Verbände der erneuerbaren Energien halten
es sogar für möglich, dass bis dahin jede zweite
erzeugte Kilowa stunde hierzulande aus Wind-,
Solar- oder Biokra werken stammt. 2050, so
das Ziel der Bundesregierung, sollen die erneuerbaren Energien mehr als 80 Prozent des hiesigen Strombedarfs decken – was nichts anderes
als eine Vollversorgung bedeutet.
Seit den frühen 1990er Jahren wird der Ausbau der grünen Energien in Deutschland über
das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beziehungsweise dessen Vorläufer, das Stromeinspeisungsgesetz, gefördert. Die Kernelemente
des EEG sind garan erte, degressiv sinkende
Vergütungstarife für alle erneuerbaren Energieträger sowie eine Vorrangeinspeisung ins
Stromnetz.
Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien
steigt das jährliche Fördervolumen, was mi lerweile einen zweistelligen Milliardenbetrag
erreicht hat. Dieses Geld wird nicht aus der
Staatskasse subventioniert. Über die sogenannte EEG-Umlage bezahlt jeder Privathaushalt sowie das Gros der Gewerbe- und Industriebetriebe die Förderung der Ökoenergieen.
Diese EEG-Umlage ist in den vergangenen Jahren ges egen. Für dieses Jahr liegt der Satz
bei 3,59 Cent pro Kilowa stunde, wobei der
Ans eg mit 0,06 Cent pro Kilowa stunde allerdings kaum nennenswert war. (Siehe Grafik
S. 27) Dafür gibt es mehrere Gründe:
Sowohl die klima sch bedingte Ökostromeinspeisung (2011 war beispielsweise ein überdurchschni lich sonnenreiches Jahr) als auch
die Zahl der geförderten EEG-Kra werke ist
deutlich ges egen, allen voran die der Photovoltaikanlagen. Mi lerweile ist in Deutschland
mit 24 000 Megawa ein Dri el der weltweit
installierten Solarstromleistung am Netz. Indem die Bundesregierung zulässt, dass immer
weniger Unternehmen die Abgabe zahlen müssen, hat sie den Ans eg der EEG-Zulage allerdings teilweise selbst verursacht.
Genau dieses Ungleichgewicht bemängelt
die Bundesnetzagentur in einem Mi e Mai
veröffentlichten Bericht. Darin heißt es: „Die
aktuellen Regelungen implizieren, dass die privilegierten Unternehmen im Jahr 2012 zwar
18 Prozent des Gesamtstromverbrauchs ausmachen, aber lediglich 0,3 Prozent des gesamten Umlagebetrages tragen. Es gilt, zukün ig
die rich ge Balance zwischen der notwendigen
Entlastung der stromintensiven Industrie und
der Belastung für kleine und mi lere Unternehmen sowie der Haushaltskunden zu finden.“ In Summe werden die stromintensiven
Unternehmen nach dem Bericht der Netzagentur um 2,5 Mrd. Euro entlastet.
Würden alle Verbraucher zu gleichen Teilen belastet, „wäre eine Umlage in Höhe von knapp
drei Cent pro Kilowa stunde ausreichend“,
heißt es weiterhin in dem Bericht.
Mit dieser Absenkung ist kaum zu rechnen.
Das Credo der vergangenen Jahre lautete, die
erneuerbaren Energien schri weise an den
- 24 -
Markt heranzuführen. Das Instrument, das
die Bundesregierung mit der EEG-Novelle 2012
gewählt hat, die an eine Marktprämie gekoppelte Direktvermarktung, erweist sich jedoch
schon wenige Wochen nach ihrer Einführung
als wenig tauglich. Denn dieses neue Förderregelement führt absehbar zu Mehrkosten
in dreistelliger Millionenhöhe, die die EEGUmlage steigen lässt. Bei der Direktvermarktung plus Marktprämie melden die Betreiber
ihre Ökokra werke von der EEG-Vergütung
ab. Ihren Strom verkaufen Stromhändler an
der Strombörse. Um beiden, Betreibern und
Stromhändlern, einen Anreiz zu geben, auf das
Energie- und Strompreisvergünstigungen für die Industrie in 2010 und 2011
AUSNAHME
TATBESTAND
Kriterien
finanzielles Volumen der
Ausnahmen pro Jahr
2010
2011
Branchenzugehörigkeit (Art des
industriellen Prozesses)
1,0 Mrd. Euro
1,2 Mrd. Euro
Zugehörigkeit zum
Produzierenden Gewerbe
2,5 Mrd. Euro
1,0 Mrd. Euro
Energie- und Stromsteuer: Spitzenausgleich
Verhältnis zu Rentenversicherungsbeiträgen, Belastung/ Entlastung durch
ökologische Steuerreform
1,9 Mrd. Euro
2,2 Mrd. Euro
EEG: Besondere
Ausgleichsregelung
Energieintensität (Verhältnis Stromkosten/ Bru owertschöpfung), absoluter Stromverbrauch und Energiemanagementsystem
1,5 Mrd. Euro
2,0 Mrd. Euro
Selbst erzeugter und verbrauchter
Strom, insgesamt ca. 50 TWh p.a.
1,0 Mrd. Euro
1,7 Mrd. Euro*
Energie- und Stromsteuer: Steuerbefreiung
Energie- und Stromsteuer: Allgemeine
Vergünsitgungen
EEG: Eigenstromprivilegien
Absoluter Stromverbrauch; für weitere
Vergüns gungen zusätzlich Energieintensität (Verhältnis Stromkosten/
Umsatz)
0,5 Mrd. Euro
(Ø 2009–2011)**
Konzessionsabgabe
Absoluter Stromverbrauch
k.A.
Strom Netzentgelte
Nutzungsdauer und absoluter
Stromverbrauch
KWK Umlage
Emissionshandel
(Über-)Zuteilung der CO2-Zer fikate
auf Grundlage von Benchmarks
SUMME
0,2 Mrd. Euro
0,3 Mrd. Euro***
0,4 Mrd. Euro
(Ø 2008–2010)
~ 9 Mrd. Euro p.a.
Quelle: Zusammenstellung auf Grundlage eigener (FÖS) Berechnungen, Angaben der Bundesregierung (u.a. SubvenƟonsbericht, EEG-Erfahrungsbericht) und Daten der Netzbetreiber. * Eigene Berechnung (FÖS) auf Grundlage der begünsƟgten Strommengen nach Prognos 2011b und EEG-Umlagen von 2,047 ct/kWh in 2010 und 3,53 ct/kWh in 2011. ** Eigene Berechnung
auf Basis von Daten der Netzbetreiber (ÜNB 2011a) *** Wert für 2012 nach Angabe der Bundesnetzagentur (BNA 2012). Insgesamt beträgt die VergünsƟgung 440 Mio. Euro, wobei 140 Mio. Euro auf PumpspeicherkraŌwerke enƞallen (BMWi 2012b).
- 25 -
Zusammensetzung der Energie- und Strompreisvergünstigungen
im Jahr 2011 in Mrd. Euro
0,4
1,2
Energie/StromSteuer Steuerbefreiung von Prozessen
0,3
0,2
1,0
Energie/StromSteuer Allg.
Vergüns gung
Energie/StromSteuer Spitzenausgleich
Energie- und
Stromsteuervergünstigungen
1,7
EEG Besondere Ausgleichsregelung
EEG Eigenstromprivileg
EEGVergünstigungen
KWK-Umlage Ø
2,2
Strom Netzentgelte (Regelung 2012)
2,0
Emissionshandel Überalloka on Ø
Quelle: FÖS
neue Förderregime umzusteigen, hat die Bundesregierung in der EEG-Novelle als Bonbon
eine Managementprämie beispielsweise für
Windmüller von 12 Euro pro Megawa stunde
ausgelobt – eine Summe, die sich Betreiber
und Händler in etwa teilen. Daher ist auch zu
verstehen, dass mi lerweile über 60 Prozent
der installierten Windkra leistung das neue
Fördersystem nutzt.
Das eigentliche Ziel, mit dem neuen Fördersystem die Ökostromeinspeisung dem Verbrauch
anzupassen, ist nicht erreicht worden. Denn
an der „Fahrweise“ der meisten Windturbinen
hat sich bislang nichts geändert, sie speisen,
wenn es irgend geht, ihre erzeugten Kilowa stunden in die Netze ein. Einen Vorwurf kann
den Betreibern niemand machen, sie profi eren von einem handwerklich schlecht gemachten Paragrafen in der EEG-Novelle.
Konzep onell häufen sich die Fehler der Bundesregierung bei den ständig zunehmenden
Änderungen des EEG. Um den angeblich
ausufernden und nicht bezahlbaren Photovoltaikausbau einzugrenzen, planten das
Bundesumwelt- und das Bundeswirtscha s-
ministerium drastische
Einschni e bei der Vergütungshöhe, und zwar
um bis zu 30 Prozent.
Die Änderung sah zudem eine Begrenzung
des Solarausbaus für die
kommenden Jahre vor,
der im Jahr 2017 auf ein
Niveau von etwa 1 000
Megawatt zurückfallen
soll – sicherlich kein Aufbruchsignal im Jahr eins
der Energiewende.
Auch mit S mmen von unionsregierten Ländern lehnte der Bundesrat Anfang Mai den
Solar-Kahlschlag der Bundesregierung mit einer Zweidri elmehrheit ab – womit nun im
Vermi lungsausschuss eine Lösung gefunden
werden muss.
Wie immer die Lösung auch aussiehen wird,
die Vorgänge zeigen: die Bundesregierung hat
kein schlüssiges Konzept, wie sie die erneuerbaren Energien weiterhin fördern und den
bestehenden Markt an die Erfordernisse der
erneuerbaren Energien anpassen will. Oder
besser gesagt, es fehlt an einem Konzept, wie
um die erneuerbaren Energien die noch verbleibenden fossilen Energien angepasst werden sollen.
f) Der Umbau der Energieversorgung kostet
Geld – wie viel, weiß niemand seriös, was
Populisten für S mmungsmache ausnutzen
Schon kurz nach dem Atomkra -Moratorium
der Bundesregierung im März 2011 veröffentlichte das Deutsche Ins tut für Wirtscha sforschung (DIW) in Berlin Berechnungen,
- 26 -
kosten demnach zunehmend zu einem „Standortrisiko“. Festzuhalten bleibt jedoch auch, dass
viele genau dieser Unternehmen von der EEGUmlage und der Ökosteuer befreit sind.
Die Befürchtung, dass sich die Strompreise in
Deutschland nach dem Abschalten der acht
Atomkra werke kurz nach dem FukushimaGau schlagar g erhöhen würden, hat sich nicht
bewahrheitet. Der Börsenpreis s eg zwar in
den ersten Wochen nach dem Atomdesaster
in Japan in der Tat an, fiel danach aber unter
das Niveau von vor Fukushima.
An dieser Entwicklung hat sich bis heute nichts
geändert: Am Tag vor dem Atomkra -Moratorium am 14. März 2011 lag der sogenannte
Baseload-Preis für das Frontjahr 2012 an der
Leipziger EEX-Strombörse bei 53,11 Euro je
Megawa stunde. Mi e Mai 2012 no erte der
Baseload-Preis für das Frontjahr 2013 in Leipzig
bei 49,30 €/MWh. Ursache dafür sind unter anderem die gesunkenen Kohle- und Gaspreise auf
den Weltmärkten, aber auch der preisdämpfende Effekt der erneuerbaren Energien.
Unbestri en ist, dass alle Privatkunden, Handwerk, Gewerbe und Teile
Entwicklung der Haushaltsstrompreise 2007-2012
der Industrie den Ausbau
Die Förderung Erneuerbarer Energien hat einen kleinen Anteil und kann den
Gesamtanstieg der Strompreise nicht erklären.
der erneuerbaren EnerCent pro Kilowattstunde
gien über die bereits er30
26,4
EEG-Umlage
25,5
sonstige Stromkosten
wähnte EEG-Umlage mi i3,6
25
23,6
23,1
3,5
nanzieren. In diesem Jahr
21,7
2,0
1,3
22,8
20,6
1,1
22,0
1,0
20
21,8
21,6
liegt der Umlagebetrag bei
20,5
19,7
rund 3,6 Cent pro Kilowa 15
stunde. Für einen Vier-Per10
sonen-Haushalt mit einem
jährlichen Stromverbrauch
5
von 3 500 Kilowa stunden
0
2007
2008
2009
2010
2011
2012*
kommen so rund 126 Euro
*Prognose
Quellen: ÜNB, BDEW, Eurostat, Verivox, eigene
Berechnungen; Stand: 2/2012
zusammen. Die Indust-
wonach für den Umbau des heu gen Energiesystems in den kommenden zehn Jahren an
die 200 Mrd. Euro Inves onen notwendig
sind. Geld, das für neue Kra werke, Stromleitungen oder Stromspeicher unverzichtbar ist.
Dadurch kämen auf Verbraucher und Industrie
höhere Kosten zu. Die DIW-Berechnungen gingen damals von jährlichen Mehrkosten bis zu
240 Euro pro Haushalt aus.
Inwieweit diese Abschätzungen rich g sind,
darüber lässt sich trefflich streiten. Auch ohne
die Energiewende hätte es den Bau neuer
Kra werke, Stromtrassen und Speicher gegeben, die unweigerlich über einen längeren Zeitraum gesehen mit zu steigenden Strompreisen
führen würden.
Vor allem die energieintensiven Unternehmen
verweisen in diesem Zusammenhang immer
wieder auf die in Deutschland schon im Vergleich zu Norwegen oder Finnland um rund
60 Prozent teureren Strompreise. Zusammen
mit „energiepoli schen Sonderlasten“ wie dem
Erneuerbare-Energien-Gesetz oder der Energiesteuer entwickelten sich steigende Strom-
- 27 -
riebranche, auf die hierzulande mehr als die
Häl e des Stromverbrauchs en ällt, bezahlt
dank gesetzlich vereinbarter Ausnahmen weit
weniger als die Häl e dieser EEG-Kosten.
Würde die EEG-Umlage auf bis zu 5 Cent steigen, kämen auf einen Vier-Personen-Haushalt
etwa weitere 50 Euro an Stromkosten hinzu. Am
15. Oktober werden die vier Netzbetreiber den
Umlagepreis für das kommende Jahr bekannt
geben. Bereits heute gibt es Spekula onen über
eine erhöhte EEG-Umlage, die als S mmungsmache gegen die Energiewende genutzt wird.
Die Strompreise steigen hierzulande nicht nur
wegen des Ausbaus erneuerbarer Energien.
Die Gegner der Energiewende verschweigen,
dass beispielsweise auch der Bau eines neuen fossilen Kra werkes auf Kohle- oder Gasbasis zu höheren Erzeugungskosten führt, die
an die Verbraucher weitergegeben werden.
Die steigenden Preise für
Energierohstoffe, für Kra werkskomponenten oder
die Netzinfrastruktur fließen
mit in Tariferhöhungen ein.
Die Gegner der Energiewende verweisen zunehmend
darauf, dass die Energiewende zu einer Energiearmut führe. Mit dieser An Energiewende-Stimmung
hat sich Anfang Juni die
Wochenzeitung Die Zeit auseinandergesetzt. In einem
Grundsatzartikel heißt es:
„Die Energiewende hat poli sche Verlierer produziert,
und sie wird gesellscha liche Verlierer produzieren.
Aber der ökologische Umbau einer sozialen
Marktwirtscha ist nicht per se unsozial – das
Unsoziale daran ist nur die Regierungspoli k.“
Das heißt, die Bundesregierung muss bei
Umsetzung der Energiewende die finanzielle
Situa on einkommensschwacher Haushalte
berücksich gen. Dazu zählt bundesweit fast
jeder fün e Haushalt. Erwerbslose, Geringverdienende, Rentererinnen oder Rentner dürfen
nicht von anstehenden Maßnahmen zur Energiewende wie beispielsweise Gebäudesanierungen oder der Förderung energieeffizienter
Geräte ausgeschlossen werden. Gleichzei g
dürften diese Bevölkerungsgruppen nicht
durch hohe, kaum kompensierbare Energieund Mietkosten über Gebühr belastet werden.
Notwendig können dazu staatliche Unterstützungsprogramme sein. Schon in den zurückliegenden Wochen und Monaten hat es immer
- 28 -
wieder Zahlen und Schlagzeilen über die angeblichen ausufernden Kosten gegeben, die mit
der Energiewende verbunden sind. Daran wird
sich auch in nächster Zukun nichts ändern. Es
ist ein „Lobbykrieg über die Kosten des Atomauss egs“ entbrannt, beschrieb die Financial
Times Deutschland rich gerweise.
Doch die zukün igen Preistreiber werden nicht
die erneuerbaren Energien sein. Denn während
die Kosten für Solar- und Windstrom seit Jahren
sinken, steigen die Kosten für Kohle und Gas
weiter an. So kostet Steinkohle heute mehr als
doppelt so viel wie noch im Jahr 2000, Erdgas
fast dreimal so viel. Und nicht eingerechnet
bleiben die ökologischen Folgekosten, die dank
erneuerbarer Energien gespart würden: Saubere Lu , sauberere Böden und eine Verlangsamung des Klimawandels und der damit einhergehenden nö gen Anpassungsmaßnahmen.
g) Ein Energiesparweltmeister mit Angst vor
der eigenen Courage: Das Versagen der Bundsregierung bei der Energieeffizienzpoli k
Schon nach den beiden Ölpreiskrisen in den
1970er Jahren gab es breit angelegte Kampagnen der Bundesregierung, um das Energiesparen zu forcieren – frei nach dem Mo o: Energiesparen ist die beste und zugleich preiswerteste
Energiequelle. Jede eingesparte Kilowa stunde Strom oder Wärme ist in der Tat gleich aus
mehreren Gründen wich g: Sie schont die vorhandenen Energieressourcen, sie ist ein Beitrag
zur Versorgungssicherheit, weil weniger Öl und
Gas impor ert werden muss, sie ist ein Beitrag
zum Klimaschutz und sie entlastet die Energierechnungen von privaten Verbrauchern sowie
Gewerbe- und Industriekunden.
Auf Ini a ve der Bundesregierung im Rahmen
der EU-Ratspräsidentscha und dank des persönlichen Einsatzes von Kanzlerin Angela Merkel
vereinbarten im Jahr 2007 in Brüssel Parlament,
Kommission und Europäischer Rat, den Primärenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent zu senken. Allerdings wurde dieses 20-Prozent-Ziel nicht verbindlich festgeschrieben.
Entsprechend ernüchternd fiel die Zwischenbilanz im vergangenen Jahr aus: Ohne zusätzliche Maßnahmen, konsta erte EU-Energiekommissar Oe nger, würde man bis Ende dieser
Dekade bestenfalls die Häl e des Ziels, sprich
zehn Prozent Energieeinsparung, schaffen. Daher ließ Oe nger den Entwurf für eine europäische Effizienzrichtlinie erarbeiten.
Die neue Richtlinie soll nun auf Basis des Beschlusses aus dem Jahr 2007 verbindliche Einsparziele für alle Mitgliedsländer festschreiben.
Unter anderem sollten die Energieversorger
verpflichtet werden, jährlich 1,5 Prozent der
im Vorjahr an die Endkunden gelieferten Energie einzusparen. Um dieses Ziel zu erfüllen,
können sie entweder Effizienzmaßnahmen an
Kra werken und Stromleitungen vornehmen
oder ihre Kunden beim Energiesparen unterstützen, beispielsweise durch Zuschüsse zum
Kauf besonders effizienter Geräte oder bei
der energe schen Sanierung von Gebäuden,
allen voran der Gebäudehülle. Entsprechende
Fördersysteme, die die Energieversorger oder
Netzbetreiber in die Pflicht nehmen, werden
in anderen EU-Ländern – beispielsweise Großbritannien und Dänemark – seit Jahren erfolgreich angewandt.
Als einziger großer EU-Mitgliedstaat verweigerte Deutschland diesem Entwurf monatelang die
Zus mmung. Nachvollziehbar war das nicht,
denn der von Deutschland im Zuge der Erfül-
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lung des EU-Energieeinsparziels zu erbringende
Beitrag entspricht fast auf die Nachkommastelle
genau dem im Energiekonzept der Bundesregierung formulierten na onalen Energiesparziel
bis 2020. Mi e Juni verständigten sich die EUMitgliedsländer auf einen Kompromiss – auch
um Deutschland entgegen zu kommen – mit
dem der ursprüngliche Entwurf für die Effizienzrichtlinie verwässert wurde. Danach lässt die
Kommission den Mitgliedsstaaten die Wahl, ob
sie Einsparverpflichtungen für Energievesorger
einführen oder andere Maßnahmen ergreifen,
um die Sparziele zu erreichen. Fest steht schon
heute: Mit den zahlreichen Ausnahmen wird
die EU das erho e Ziel, 150 Millionen Tonnen
Rohöleinheiten bis zum Jahr 2020 einzusparen,
nicht erreichen. Nach dem vereinbarten Kompromiss gehen Experten von nur 100 Millionen
eingesparten Tonnen aus.
Mit einem offenen Brief ha e ein breites Bündnis aus Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden, Unternehmen und Gewerkscha en
während der Verhandlungen um die Richtlinie
an Kanzlerin Merkel appelliert, sich für ambionierte Ziele einzusetzen. Auch auf na onaler Ebene stecke die Effizienzpoli k fest, hieß
es in dem Brief, obwohl die Bundesregierung
in ihrem Energiekonzept die Energieeffizienz
zur „Schlüsselfrage“ des Gelingens der Energiewende gemacht habe. Die Gebäudesanierung komme nicht voran, Fördergelder werden
gekürzt oder verharrten auf niedrigem Stand.
Inves onen in energieeffiziente Industrieanlagen werden zurückgehalten – an all dem hat
sich bis heute nichts geändert.
Mit zur Effizienzsteigerung gehört der vermehrte Einsatz der Kra -Wärme-Kopplung (KWK),
eine Technologie, bei der Strom und Wärme
gleichzei g erzeugt werden. Dank dieser Technologie kann der in großen und kleinen Kra werken eingesetzte Brennstoff in einem hohen
Maße ausgenutzt werden. Eine Vielzahl solcher
KWK-Anlagen kann auf absehbare Zeit zudem
den Neubau größerer Gaskra werke ersetzen.
Gesamtgesellschaftliche Kosten der Stromerzeugung im Jahr 2010 im Vergleich
ATOM
ENERGIE
STEIN
KOHLE
BRAUN
KOHLE
WIND
ONSHORE
WASSER
PV
1. Verkaufspreis des
Stroms auf erster
Handelsstufe
5,2 Ct/kWh
5,2 Ct/kWh
5,2 Ct/kWh
8,8 Ct/kWh
7,6 Ct/kWh
46,8 Ct/
kWh
2. Staatliche
Förderungen (A.+B.)
1,9 Ct/kWh
2,5 Ct/kWh
1,1 Ct/kWh
-0,3 Ct/kWh
-0,3 Ct/kWh
-0,3 Ct/
kWh
3. nicht
internalisierte
externe Kosten
5,7 Ct/kWh
4,4 Ct/kWh
5,8 Ct/kWh
-0,9 Ct/kWh
-0,9 Ct/kWh
-0,04 Ct/
kWh
12,8 Ct/kWh
12,1 Ct/kWh
12,2 Ct/kWh
7,6 Ct/kWh
6,5 Ct/kWh
46,5 Ct/
kWh
SUMME
gesamtgesellscha liche Kosten
Quelle: FÖS
- 30 -
Wärmeverbrauch in privaten Haushalten 2009
rme aus mit Pellets oder
Holz befeuerten Öfen, aus
Solarkollektoren oder aus
Wärmepumpen beziehen.
Während es bei der StromHX]Z^i]dao
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erzeugung und -nutzung
eine nennenswerte Auf=daoeZaaZih
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wärtsbewegung gibt, gibt
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es kaum posi ve Signale
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bei der regenerativen
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Wärmenutzung. Im Jahr
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2011 sank der Anteil der
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erneuerbaren Energien
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im Wärmesektor auf 9,4
Das bereits vor der Energiewende formulier- Prozent, nachdem die Quote im Vorjahr noch
te Ziel der Bundesregierung, den Anteil des in bei 9,6 Prozent gelegen ha e. Der Rückgang
KWK-Technik erzeugten Stroms bis zum Jahr lag nach Experteneinschätzung nicht nur am
2020 auf 25 Prozent zu erhöhen, war mit dem insgesamt eher milden We er während des
bislang vorliegenden Gesetz nicht zu schaf- Jahres 2011, sondern auch der verfehlten Förfen. Deshalb beschloss der Bundestag Ende derpoli k der Bundesregierung. Daher lagen
Mai 2012 nach monatelangen Vorarbeiten die Zuwächse bei den verkau en Pelletsheieine Novelle des Kraft-Wärme-Kopplung- zungen, Solarkollektoren und Wärmepumpen
Gesetzes. Diese Überarbeitung bewerten die auf niedrigem Niveau.
Branchenverbände und viele Energieexperten Mit einer Änderung des vorliegenden, jedoch
als erkennbaren Fortschri , nicht aber als gro- viele Schwachpunkte aufweisenden regeneraven Wärme-Gesetzes (EEWärmeG) plant die
ßen Wurf. Was beispielsweise fehlt, ist eine
Wärmeplanung auf kommunaler Ebene. Die Bundesregierung, die immer noch brachliein Blockheizkra werken (kleineren KWK-Anla- genden Potenziale bei der Ökowärme umzugen) produzierte Wärme sollte am besten vor setzen. Nach wie vor ist allerdings kein ÜberOrt über Nahwärmenetze verteilt und genutzt arbeitungsentwurf in Sicht, geschweige denn
der seit Jahren überfällige Erfahrungsbericht
werden.
Neben der Gebäudesanierung und der Kra - zum EEWärmeG. Einige Energiewissenscha ler
Wärme-Kopplung birgt der Einsatz erneuer- machen sich seit Jahren für ein Umlagemodell
barer Energien für die Wärmenutzung großes stark, um die regenera ve Wärmenutzung voPotenzial zur Senkung der Treibhausgasemissi- ranzubringen. Ein eigenes Modell hat die Bunonen. Das heißt, Häuser und Gebäude sollten desregierung dagegen noch nicht entwickelt.
nicht mehr mit Erdgas oder Öl beheizt werden,
sondern würden einen Großteil ihrer Heizwä^ch\ZhVbi+%&IZgVlViihijcYZc:cYZcZg\^Z
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- 31 -
Foto: klima-allianz deutschland
DAS FAZIT DER KLIMA-ALLIANZ DEUTSCHLAND:
Was wir für das zweite Jahr nach dem Energiewende-Gesetzpaket
brauchen
Die Energiewende braucht Sicherheit, Verbindlichkeit und Langfris gkeit im Rahmen eines
deutschen Klimaschutzgesetzes und unabhängiger Controlling-Mechanismen, mit denen die
Fortschri e in regelmäßigen Abständen überprü werden müssen.
Die Energiewende darf nicht in den Hinterzimmern der Republik ausgekungelt werden. Sie
ist ein gesamtgesellscha liches Projekt und
muss als par zipa ver Prozess gestaltet werden. Alle gesellscha lichen Akteure haben ein
Anrecht auf eine offene Beteiligung und eine
transparente Bewertung der Fortschri e der
Energiewende.
Die Energiewende eröffnet zahlreiche Chancen – auch durch neue Beschä igungsfelder
und ein Mehr an Beschä igung. Sie spart nicht
zuletzt angesichts steigender Rohstoffpreise
mittel- und langfristig Kosten. Die kurzfrisgen Inves onskosten müssen sozial ausgeglichen verteilt werden. Dazu müssen die
zahlreichen Vergüns gungen für die Industrie
bei den Strompreisen abgebaut werden. Die
entstehenden neuen Arbeitsfelder brauchen
angemessene Bezahlung, Qualifizierung und
das Recht auf Selbstorganisa on der Arbeitnehmenden. Wo durch die Energiewende
Arbeitsplätze verloren gehen, braucht es umfassende Um-und Fortbildungsangebote und
Unterstützung des Einzelnen.
Die Bundesregierung darf nichts unversucht
lassen, um auf europäischer Ebene das Ziel
einer CO2-Minderung von 30 Prozent bis 2020
durchzusetzen. Deutschland hat ein Interesse
an einem starken, funk onsfähigen europäischen Emissionshandelssystem, dessen Erlöse
einen wich gen Beitrag zur Finanzierung der
Energiewende in Deutschland sowie von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen
in Entwicklungsländern liefern. Ein funk onierender Emissionshandel in der EU könnte zudem Vorbild für die USA und China werden, die
beiden Länder mit dem höchsten CO2-Ausstoß.
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Foto: klima-allianz deutschland
sie nicht flexibel genug an die schwankende
Einspeisung erneuerbarer Energien angepasst
werden.
Im Einzelnen bedeutet dies:
Strom, Netze und erneuerbare Energien: Der
Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor ist eine riesige Erfolgsgeschichte. Um
sie fortzuschreiben, brauchen wir ein starkes Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Der
Ausbau der Erneuerbaren sowie der Aus- und
Umbau des Stromnetzes müssen endlich gemeinsam gedacht und gestaltet werden und
an den Bedürfnissen der Erneuerbaren ausgerichtet werden. Neue Kohlekra werke sind
für die kün ige Stromversorgung weder nö g
noch sinnvoll. Sie tragen durch ihre Emissionen
jahrzehntelang weiter zum Klimawandel bei
und durch ihre schlechte Steuerbarkeit können
Verkehr: Deutschland braucht ein verbindliches Klimaschutzziel für den Verkehrssektor,
eine verlässliche und verbesserte Finanzierung
des Öffentlichen Verkehrs, die den Ausbau des
Personen- und Güterverkehrs voran bringt,
ambi onierte CO2-Obergrenzen für PKW und
LKW sowie eine Dienstwagenbesteuerung,
die sich an der Klimaverträglichkeit ausrichtet.
Subven onen für den besonders klimaschädlichen Lu verkehr müssen gestrichen werden.
Energieeffizienz und Gebäudesanierung: Die
Bundesregierung muss ihren Bekenntnissen zu
Sanierungen endlich Instrumente folgen lassen. Sie muss dazu jährliche Einsparziele definieren und ausreichende Inves onsanreize
für die Gebäudesanierung schaffen, die Investoren langfris ge Planungssicherheit bringen
und Wohnraum dauerhaft für alle sozialen
Gruppen bezahlbar machen.
Prognose und Wirklichkeit
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Wie die Realität alle
Prognosen überholt.
Foto: klima-allianz deutschland
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allianz
deutschland
Die klima-allianz deutschland:
Die klima-allianz deutschland ist das breite gesellscha liche Bündnis für mehr Klimaschutz
von 118 Organisa onen aus Umweltschutz,
Entwicklungszusammenarbeit, Kirchen, Gewerkschaften, Jugend- und Verbraucherschutzverbänden sowie weiteren Ini a ven.
Durch Kampagnen und Projekte trägt sie dazu
bei, Blockaden in der Umweltpoli k zu überwinden und zu zeigen, dass Klimaschutz ein
Anliegen aus der Mi e der Gesellscha ist.
Weitere Informa onen zur Arbeit der
klima-allianz deutschland finden sich unter:
www.klima-allianz.de
www.kohle-protest.de
www.facebook.com/klimaallianz
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Weitere Informationen zur Arbeit der klima-allianz deutschland finden sich unter:
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