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DIE SCHENKUNGEN PIPPINS UND KARLS DES GROSSEN
Wir erfahren hier also: Stephan hat bei seiner ersten Begegnung
mit Pippin in dessen Hände alle Angelegenheiten des h. Petrus gelegt,
und der König mit seinen Söhnen hat ihm damals 19 ) versprochen,
die Gerechtsame des h. Petrus durchzuführen und die Kirche zu
schützen. Von dieser Promissio wird dann unterschieden die Donatio,
die Schenkungsurkunde, welche auch Pippin mit seinen Söhnen zu
sammen ausgestellt hat, in welcher dieser die Zurückgabe von Städten.
Orten, dazu auch von Geissein und Gefangenen 20 ) zugesagt hat, welche
aber durch die Treulosigkeit Aistulfs nicht zur Erfüllung gekommen ist.
Die anderen Briefe aus der nächsten Zeit übergehe ich, da in
ihnen allen, auch in der berühmten Prosopopöie, in welcher der Papst
den heiligen Petrus selbst zu Pippin und den Franken sprechen lässt,
Stephan in seiner steigenden Bedrängnis Pippin nur um Hülfe und
Rettung anfleht, ohne dass dabei auf die früheren Abmachungen
genauer Bezug genommen würde.
Durch die angeführten Briefe wird nur in einem Punkte die Dar
stellung der vita Stephani berichtigt, nämlich in betreff des Zeit
punktes, w’ann die Schenkungsurkunde Pippins ausgestellt worden
ist: dieses ist nicht, wie dort behauptet wird, nach dem zweiten, sondern
nach dem ersten Feldzuge des Königs 764, bei Gelegenheit des Friedens
schlusses mit Aistulf, wahrscheinlich, wie schon v. Sybel angenommen
hat, vor Pavia geschehen, im übrigen wird durch diese Briefe der Bericht
jener vita, mit welchem ja auch die Angaben der fränkischen Quellen
im Einklänge stehen, bestätigt. Pippin hat bei der ersten Begegnung mit
Stephan zu Ponthion demselben im allgemeinen das Versprechen ge-
gebefi, die Kirche zu schützen und dem Papste zur Wiedergewinnung
der von diesem als sein Eigentum in Anspruch genommenen, von
Aistulf eroberten Gebiete zu verhelfen; 21 ) nachher, nach Beendigung des
ersten Feldzuges, hat er dem Papst eine Schenkungsurkunde ausge
stellt, in welcher er demselben die Städte und Gebiete, zu deren Ab
tretung sich Aistulf in dem Frieden verpflichten musste, nämlich
19 ) Durchaus willkürlich bezieht Martens (S. z3, s. auch S. 51) dieses
Versprechen auf die Salbung zu St. Denis.
20 ) Martens (S. 54) versteht unter den obsides und captivos die von
Aistulf zu stellenden Geissein, der Zusammenhang aber lehrt, dass hier die
von Aistulf früher aus dem päpstlichen Gebiete fortgeführten Geissein und
Gefangenen, welche er jetzt freigeben soll, gemeint sind.
21 ) Martens (S. z3 ff) sucht nachzuweisen, dass Pippin bei Gelegenheit
seiner Salbung zu St. Denis noch einmal dem Papste ein Defensionsver-
sprechen geleistet und dass er damals mit ihm einen Liebesbund geschlossen
habe, allein von allen den Quellenstellen, welche er anführt, nennen nur
Einhardi Annales wirklich diese Gelegenheit (Ann. Mettenses sind kein
selbständiges Zeugnis, sondern vermittelst des Chron. Moissiac. aus Ann.
Einhardi abgeleitet), alle anderen sind nur künstlich darauf gedeutet worden.