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EIN BEITRAG ZUR UNTERSUCHUNG
bisher angewendete Kritik auch für Diodor nicht für ausreichend; er
erachtet es für das nächstliegendste und wahrscheinlichste (a. a. O.
S. 115), dass das Werk des Diodor eine Compilation aus einer ganzen
Anzahl von anderen Werken sei, dass diese aber nicht in einem
partieenweise Abschreiben, sondern in einer mit dem Anspruch auf
Selbständigkeit, aber mit Willkür, Leichtfertigkeit und ohne die nötige
Beherrschung des Stoffes geschehene Verarbeitung derselben besteht,
womit nicht unvereinbar ist, dass er sich hier und da eng an eine
Quelle angeschlossen hat. Auch von Sieroka 49 ) sind namentlich für
das 4. Buch einzelne Ausführungen gegen die Einheit von Diodors
Quelle in den Berichten desselben gemacht worden, die uns trotz
Schneiders 50 ) Bemühen noch nicht widerlegt erscheinen. Ganz
richtig erscheint uns auch, wenn Sieroka (a. a. O. S. 10) den Quellen
untersuchungen, welche sich auf Eigentümlichkeiten des Stils basieren
wollten, bei Diodor wenig Erfolg voraussagt 51 ), da dieser Schrift
steller durchweg denselben wenig charaktervollen Stil bewahre, nur
möchte ich dies vielleicht dahin modifizieren, dass es hin und wieder
möglich sein könnte, bei dem Auftreten von neuen sonst sich nicht
findenden Wendungen und Ausdrücken , auf das Einsetzen einer
neuen Quelle zu schliessen, während es wohl gefährlich sein dürfte,
auf das Vorkommen solcher in späteren Stücken einen Beweis für
die Quelle basieren zu wollen, da es ja gewiss eine ganz natürliche
und auch in unseren Tagen vorkommende Erscheinung ist, dass man
bei der Abhängigkeit von einer anderen Vorlage Ausdrücke aus derselben
herübernimmt, sie aber dann auch wohl noch später anwendet, ohne
dass man dieselbe Vorlage noch vor Augen hätte. Ausserdem wird
uns ja grade bei Diodor die Sache unendlich dadurch erschwert, dass
uns der grösste Teil seines Werkes fehlt.
49 ) Die mythographischen Quellen für Diodors 3. u. 4. Buch Progr.
Lyck 1878.
M ) a. a. O. S. 62 ff.
51 ) Vergl. auch Holm a. a. O. S. 38g. Nach Abschluss der Arbeit
kommt mir eine Untersuchung von Kallenberg „Zur Quellenkritik von
Diodors XVI. Buche. Berlin 1882” zu. K. nimmt an, dass für manche Ab
schnitte Ausdrücke und Wendungen, die sonst nicht verkommen, wie die
Leitfossilien in sonst gleichartigen Gesteinsmassen uns auf besondere
Quellen hinweisen (S. 8). Auf die von ihm angeführten Beispiele gilt auch
das, was ich oben bemerkte. Wir können gewiss aus dem Vorkommen
von hnygaif ij in der Bedeutung „Ehre, Ruhm, den man von einer Sache
hat, zuweilen auch Schande” (Buch XVI), schliessen, Diodor habe es seiner
Quelle entlehnt, da es sich sonst bei ihm nicht findet. Den Schluss jedoch,
welchen K. zieht, die Stellen 5o, 6. 57, 1. 86, 4. g5, 3 seien einer gemein
samen Quelle entnommen, halte ich für nicht richtig, da Diodor doch
selbständiger arbeitete, als man anzunehmen pflegt.