D E M O - O N L I N E . D E
DEMO
n DA S S OZ I A L D E M O K R AT I S C H E M AG A Z I N F Ü R KO M M U N A L P O L I T I K
75. JG | A02125
EINZELPREIS 6,00 €
1. QUARTAL 2023
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FOTO: STOCK.ADOBE.COM/ONEWELLSTUDIO
FLUCHT UND INTEGRATION
Gutes Ankommen
möglich machen
Wie Städte, Gemeinden und Landkreise helfen
und wo sie Unterstützung brauchen
1. Quartal | 2023 DEMO
INHALT 3
Titel
Flucht und Integration
4
6
7
7
8
9
9
10
„Kommunen sind heute besser aufgestellt” | Integrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan im Gespräch
Hilfe beim Ankommen | Dortmund hat mit dem MigraDo eine Anlaufstelle für Zugewanderte geschaffen
Wohnungen gesucht | Viele Geflüchtete sind privat untergekommen – vorerst
Die Tiny Houses kommen | Hamburg nutzt Mini-Häuser als Flüchtlingsunterkünfte
Die MUT-Macherinnen | Netzwerkarbeit für geflüchtete Frauen
Auf kurzen Wegen zum Erfolg | Kommunale Jobcenter profitieren bei Integration von lokaler Vernetzung
Brücken ins Bildungssystem | Schul- und Kitaplätze fehlen. Gießen reagiert mit Mini-Kitas
Mit Powerbanks und Sommercamps | Städtepartnerschaft Neumünster-Novovolynsk
Liebe Leserin, lieber Leser,
FOTOS: DIRK BLEICKER (2); PETRA K APPE; BREMERHAVEN BUS; STOCK.ADOBE.COM/OLEKSII
die Herausforderungen für die Kommunen,
Geflüchtete unterzubringen und sie zu
versorgen, sind infolge des russischen Krieges
gegen die Ukraine und der gestiegenen Zahl von
Flüchtlingen – auch aus anderen Krisenregionen –
gewachsen. Wir zeigen in diesem Heft, wo es
hakt, aber auch, wie Städte und Gemeinden
sich gut organisieren und zu helfen wissen.
Dabei bauen sie auf die seit der Flüchtlings
zuwanderung 2015 gesammelten Erfahrungen
und neu geschaffenen Strukturen auf. Das
macht die Integrationsbeauftragte der Bundes
regierung Reem Alabali-Radovan im DEMOInterview deutlich.
Dennoch sind die Anforderungen an die
Kommunen enorm. Zweifellos brauchen sie mehr
Unterstützung vom Bund und den Ländern. Sie
können aber auch selbst eine Menge tun. Das
zeigen wir in unserem Heft, etwa am Beispiel
des MigraDo in Dortmund. Oder an Gießen,
wo schon vor dem Ukraine-Krieg viele Familien
angekommen sind. Dort gibt es Mini-Kitas für
Kinder, deren Eltern noch keinen regulären KitaPlatz gefunden haben. Die Kleinen können hier
mehrmals pro Woche betreut spielen und eben
so wie ihre Eltern Kontakte knüpfen.
Integration beginnt mit Begegnungen. Ent
scheidend ist auch, dass die Zugewanderten
die deutsche Sprache lernen und Arbeit finden
können. Zuwanderung ist für unsere Gesellschaft
sowohl Chance als auch Notwendigkeit. Denn
wir spüren fast täglich den Fachkräftemangel.
Deswegen plant die Bundesinnenministerin
ein zweites Migrationspaket, ein „Familien- und
Arbeitsmarktintegrationsgesetz“. Wir werden
unseren Wohlstand nur mit gut integrierten,
zugewanderten Arbeitskräften halten können.
Die Kommunen können in vorderster Reihe dafür
sorgen, dass dies gelingt.
Ihre
4
6
Aktuelles
12
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14
15
13
Smarte Mobilität: Kleinere Städte haben Nachholbedarf | Potenziale werden oft noch nicht genutzt
Mit Flowerpower unterwegs | Bremerhaven setzt auf Wasserstoffbusse, Bremen auf Batterien
Schwimmbad-Misere hat viele Ursachen | Im Sportausschuss des Bundestages wurden sie besprochen
„Griechenland ist in einzelnen Bereichen viel weiter als wir” | Sören Bartol über kommunale Kooperation
15
11 Service | News
16 Bücher | Termine
17 Serie Kommunen International | Was deutsch-ukrainische Partnerschaften leisten
18 Das Letzte | Vorschau | Impressum
IN DER DEMO
SGK MAGAZIN
Diesmal zu dem Thema
Sport
In der Heftmitte
Seiten I bis XX
Karin Nink, Chefredakteurin
4 TITEL
DEMO 1. Quartal | 2023
„Die Kommunen sind
heute besser aufgestellt”
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Reem Alabali-Radovan erklärt
im Interview, warum die Aufnahme der Geflüchteten anders verläuft als 2015/16
und worauf es bei der Integration ankommt
Interview Karin Nink und Carl-Friedrich Höck
Flucht und
Integration
ZUR PERSON
Reem Alabali-Radovan kam
1990 als Kind irakischer
Eltern in Moskau zur Welt.
1996 zog ihre Familie nach
Mecklenburg-Vorpommern.
An der FU Berlin studierte
sie P
olitikwissenschaft. Anschließend arbeitete sie in der
Wirtschaftsförderung und ab
2015 – nun wieder in Mecklenburg-Vorpommern – für das
Landesamt für innere Verwaltung. Zunächst war sie in der
Erstaufnahmeeinrichtung für
Geflüchtete in Nostorf-Horst
tätig, in der sie selbst als Kind
aufgenommen worden war.
2018 wurde Alabali-Radovan
Büroleiterin der Integrationsbeauftragten der Landesregierung, bevor sie im Januar 2020
selbst dieses Amt übernahm.
2021 wurde sie für die SPD
in den Bundestag gewählt.
Heute ist sie Staatsministerin
beim Bundeskanzler, Beauftragte der Bundesregierung
für Migration, Flüchtlinge
und Integration sowie
Antirassismusbeauftragte der
Bundesregierung. Privat ist
Reem Alabali-Radovan leidenschaftliche Boxerin. (CFH)
Im vergangenen Jahr sind mehr
als eine Million Menschen aus der
Ukraine nach Deutschland gekom
men. Nach dem Kriegsausbruch
war in der Bevölkerung eine große
Solidarität mit den Geflüchteten zu
beobachten. Spüren Sie die immer
noch?
Ja, die ist da. Aber mittlerweile machen
sich in Deutschland mehr Menschen
Sorgen um ihre Zukunft, weil der Krieg
auch für sie spürbare Folgen hat: Inflation, Energiekrise, steigende Gaspreise.
Dennoch nehme ich weiterhin eine große
Solidarität mit Geflüchteten wahr, auch
im Alltäglichen.
In den Jahren 2015 und 2016 haben
die Städte, Gemeinden und Land
kreise schon einmal eine größere
Fluchtbewegung nach Deutschland
erlebt. Damals lief die Erstaufnahme
teilweise chaotisch ab, heute scheint
es geregelter zu funktionieren. Was
hat sich geändert?
Wir haben viel gelernt aus den Jahren
2015 und 2016. Gerade die Kommunen
sind heute besser aufgestellt. Sie haben
Erfahrungen gesammelt, wie die Aufnahme, Unterbringung und Integration besser gelingt. Viele Menschen helfen mit,
die schon 2015 haupt- oder ehrenamtlich
dabei waren. Sie engagieren sich wieder
in beeindruckender Weise und bringen
ihre Expertise ein. Ohne die vielen Ehrenamtlichen, die vor Ort innerhalb weniger
Tage wieder mobilisiert wurden, hätte
das alles nicht funktioniert.
Es sind also neue Strukturen entstan
den?
Ja. Wenn wir uns die Integrationskurse anschauen und andere Integrationsprojekte
vor Ort, die vom Bund, von den Ländern
und Kommunen gefördert werden, wird
deutlich: Da sind Strukturen gewachsen,
die jetzt sehr hilfreich sind. Wir sehen aber
auch, dass wir noch viel mehr tun müssen,
damit Integration von Anfang an gelingt.
Geflüchtete treffen in Deutschland
auf einen angespannten Wohnungs
markt, besonders in den großen
Städten, wo bereits eine ukrainische
Community lebt.
Das stimmt und wegen der sogenannten
Massenzustrom-Richtlinie auf EU-Ebene
haben wir das erste Mal eine Gruppe
von Menschen, die sofort privat wohnen
konnten und nach einer Registrierung
auch im jeweiligen Bundesland bleiben
dürfen. Das ist ein Unterschied im Vergleich zu Asylsuchenden. Die Richtlinie
MODELLPROJEKT
GEGEN HASS
Bis 28. Februar 2023 können sich
Kommunen für das Modellprojekt
„Kommunale Allianzen und Strategien
gegen Rassismus und Hass“ bewerben.
In zehn Kommunen schmieden
Entscheidungsträger und Mitarbeitende
in Verwaltungen eine Allianz gegen
Rassismus – ob im Landkreis, in
kreisfreien Städten und Gemeinden.
Das Projekt umfasst drei Module:
1. Aufbau einer Allianz gegen Rassismus
zwischen Verwaltung, Beratungs- und
Hilfestellen und Sicherheitsbehörden.
2. Erarbeitung antirassistischer Strategie
konzepte, u. a. zu Clearingverfahren,
Intervention und Beteiligung.
3. Trainings und Coachings im Umgang
mit Rassismus und Hass.
Teilnehmende Kommunen profitieren von
einfachem Bewerbungsprozess, geringem Zeitaufwand während der Laufzeit
(2023–2025) und Begleitung durch das
IMAP Institut. Die Integrationsbeauftragte
der Bundesregierung fördert das Projekt.
Mehr Infos
http://bpaq.de/KommunaleAllianzen
hat dazu geführt, dass ukrainische Geflüchtete eher in die Städte gehen, wo es
vielleicht Verwandte oder Freunde gibt.
Das ist eine Herausforderung, weil wir
sehen, dass es im ländlichen Raum noch
Unterbringungsmöglichkeiten gibt, die
Menschen aber lieber in urbanen Räumen wohnen. Der Wohnungsmangel war
vor dem Krieg schon da. Das Thema bewegt uns als Bundesregierung sehr und
mit Bundesbauministerin Klara Geywitz
gehen wir es auch an. Der Krieg und seine Folgen erschweren jetzt die Situation.
Gibt es einen Lösungsansatz?
Zum einen ist wichtig, dass wir die Maßnahmen für mehr Wohnungsbau, die wir
2021 im Koalitionsvertrag verabredet haben, weiter angehen. Das macht Ministerin Geywitz mit großem Einsatz. Mittelfristig sollen pro Jahr 400.000 neue Wohnungen gebaut werden, davon 100.000
Sozialwohnungen. Da liegt noch eine gute Strecke vor uns, auch wegen Fachkräftemangel und steigenden Baupreisen.
Zum anderen stellt die Bundesregierung
den Ländern und Kommunen nicht nur
4,25 Milliarden Euro zusätzlich, sondern
auch rund 400 bundeseigene Liegenschaften bereit. Denn der Bund muss in
dieser Situation den Ländern helfen.
Dass Ukrainerinnen und Ukrainer,
die vor einem Krieg fliehen müssen,
die Nähe zu vertrauten Menschen
suchen, ist nachvollziehbar. Wie lässt
sich vermeiden, dass aus u
krainischen
Communities sogenannte Parallel
gesellschaften werden?
Vor allem sind Begegnungsmöglichkeiten, Deutschkurse, Zugang zu Arbeit und
Beschulung wichtig. Integration findet
vor Ort statt, also in Kommunen. Darum
ist mir als Integrationsbeauftragte des
Bundes wichtig, mit kommunalen Akteuren im Gespräch zu bleiben. Klar ist:
1. Quartal | 2023 DEMO
TITEL 5
denen die Erfahrung gezeigt hat, dass sie
nicht notwendig waren. Zum Beispiel war
es bei der Anerkennung des Fluchtstatus
üblich, die Menschen nach drei Jahren
wieder in die Einrichtung einzuladen und
dort noch einmal Gespräche zu führen.
Reem Alabali-Radovan ist Staatsministerin und die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration.
Integrationsprojekte helfen und da spielt
der ehrenamtliche Bereich eine wichtige
Rolle: Sport- und andere Vereine, Musik-,
Kunst- und Kulturangebote. Hier trifft
und begegnet man sich, hier können geflüchtete oder zugewanderte Menschen
mit der einheimischen Einwohnerschaft
zusammenkommen.
FOTO: DIRK BLEICKER
Es fehlen nicht nur Wohnungen,
sondern auch Kitas und Schulplätze.
Wie kann der Bund den Kommunen
da weiterhelfen?
Der Bund hat zugesagt, die Länder und
Kommunen weiter bei der Integration
und Aufnahme von Geflüchteten finanziell zu unterstützen. Das ist das A und
O, diese Zusage gilt. Darum war es richtig, dass wir im November erstmalig beschlossen haben, die Finanzierung zu
verstetigen. Wir müssen also nicht immer
wieder neu diskutieren, ob der Bund Geld
gibt. Wichtig ist, dass die Länder dieses
Geld den Kommunen zur Verfügung stellen. Zudem haben wir das Kita-Qualitätsgesetz beschlossen, mit dem der Bund
vier Milliarden Euro in 2023 und 2024 für
die Länder bereitstellt.
Auch aus anderen Ländern als der
Ukraine kommen wieder mehr Men
schen nach Deutschland. Im vergan
genen Jahr wurden 244.132 Asyl
anträge gestellt, die meisten Men
schen sind aus Syrien, Afghanistan
und der Türkei. Die Bundesregierung
verspricht „Integration von Anfang
an“. Worauf kommt es dabei gerade
auf lokaler Ebene besonders an?
Dazu gehört zum Beispiel die Öffnung
der Integrationskurse, die nicht mehr
vom Aufenthaltsstatus abhängig sein
dürfen. Wir wollen nicht, dass Menschen
einfach in ihren Unterkünften herumsitzen und nur auf den Ausgang ihres
Asylverfahrens warten müssen – das
dauert im Schnitt acht Monate. In dieser Zeit können sie Deutsch und unsere
Werteordnung lernen, im Integrationskurs. Und das ist wichtig, denn egal, wie
lange die Menschen bleiben: Sie sollen
auch kommunizieren und sich orientieren können. Wir haben auch vereinbart,
Beschäftigungsverbote für Asylsuchende
und Geduldete abzuschaffen. Das ist mir
ein großes Anliegen. Denn der Zugang
zum Arbeitsmarkt ist für die Integration
ebenso wichtig.
Ein weiteres Ziel der Bundesregie
rung lautet: Man will Asylverfahren
beschleunigen. Wie kann das gelin
gen, ohne dass Wesentliches dabei
verloren geht?
Wir haben das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz verabschiedet. Damit
wurden mehrere Maßnahmen getroffen.
Zum Beispiel gibt es jetzt per Gesetz eine
unabhängige Asylverfahrensberatung.
Das erleichtert die Verfahren, weil viel
mehr Asylsuchende von Anfang an wissen, wie gut oder schlecht ihre Chancen
sind. Manchmal führt es auch dazu, dass
Menschen sagen, sie kehren freiwillig
zurück, bevor sie sich überhaupt diesem
Prozess stellen. Außerdem haben wir die
Asylverfahren vereinfacht, indem bestimmte Prozesse gestrichen wurden, bei
Wenn wir
verhindern
wollen, dass
so etwas
wieder passiert,
müssen wir
das sachlich
diskutieren.
Das war leider
nicht immer
der Fall.
Reem Alabali-Radovan
über die Silvesterkrawalle
Die Zugewanderten treffen in
Deutschland oft auf Behörden,
in denen die Bevölkerung mit
M igrationshintergrund deutlich
unterrepräsentiert ist. Betrachten Sie
das als ein Problem?
Der entscheidende Punkt ist aus meiner
Sicht gar nicht, wer dort auf wen trifft,
sondern unter welchen Bedingungen und
mit welcher Einstellung man sich begegnet. Die Ausländerbehörden zum Beispiel
sind sehr ausgelastet, seit Jahren gibt es
dort einen immensen Arbeitsanstieg und
gleichzeitig eine schlechte Personalsituation. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gebührt großer Respekt für das, was
sie seit Jahren leisten. Aber wir müssen
da ran und die Situation verbessern. Nur
so können wir dort eine Willkommenskultur schaffen, die zurzeit oft noch fehlt.
Das Jahr begann mit Silvester
krawallen und einer Integrations
debatte, die teilweise auch von
Ressentiments geprägt war. Welche
Schlüsse ziehen Sie aus den Diskus
sionen für Ihre Arbeit?
Für mich ist es vor allem eine gesamtgesellschaftliche Debatte, die wir da führen
müssen: über Jugendgewalt, über soziale
Herausforderungen in bestimmten Stadtteilen und darüber, wie wir Jugendliche
erreichen können, die sich anscheinend
nicht mehr zugehörig fühlen und zu so
einer Gewalt bereit sind. Wenn wir verhindern wollen, dass so etwas wieder
passiert, müssen wir das sachlich diskutieren. Das war leider in den vergangenen Wochen nicht immer der Fall.
Zu Integration gehört auch poli
tische Teilhabe, nicht zuletzt auf
kommunaler Ebene. Politiker mit
Migrationsgeschichte sind häufiger
Anfeindungen und Hasskriminali
tät ausgesetzt sind. Was kann man
dagegen tun?
Da müssen wir solidarisch sein und die
Kommunalpolitikerinnen und -politiker
unbedingt unterstützen, ob mit oder
ohne Migrationshintergrund. Ich habe
gerade ein Modellprojekt auf den Weg
gebracht: In zehn Kommunen bauen wir
Allianzen gegen Rassismus und Hass auf,
wir unterstützen dabei gezielt kommunalpolitisch aktive Menschen. (Siehe Infokasten auf Seite 4 – Red.)
6 TITEL
DEMO 1. Quartal | 2023
verschiedene Herkunftssprachen, für
weitere Fremdsprachen sind Video-Dolmetscherdienste zuschaltbar. „Sprache
ist der Schlüssel“, sagt die Juristin und
bezieht das sowohl auf die Ankommens
situation als auch auf das Deutschlernen.
Mitarbeiterinnen zeigen eine Beratungssituation im MigraDo. Mit der zweiten Tastatur wurde eine Idee aus Stockholm übernommen.
Hilfe beim Ankommen
Mit dem MigraDo hat die Stadt Dortmund eine Anlaufstelle
für Zugewanderte geschaffen. Hier finden sie zielgerichtet Rat
Autorin Petra Kappe
A
m 24. Februar vorigen Jahres
begann Russland den Krieg gegen die Ukraine, und gleich am
nächsten Tag eröffnete die Stadt Dortmund ihr neues „Dienstleistungszentrum
für Migration und Integration“, kurz
MigraDo. Sozialdezernentin Birgit Z oerner
spricht von einer glücklichen Fügung, weil
mit dem neuen Dienstleistungsangebot
direkt auch eine Anlaufstelle für die große
Zahl an Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine zur Verfügung stand. In seinem ersten
Jahr habe sich das MigraDo als Willkommenscenter bewährt – und zwar für alle,
die neu nach Dortmund kommen, ebenso wie für die Verwaltung.
Das Dickicht von Zuständigkeiten und
Angeboten lichtet sich; Reibungsverluste
und Frustrationen werden vermieden,
wenn der erste Weg die Zugewanderten zum Friedensplatz im Zentrum der
Stadt führt. Von bisher „allein 21.500
Beratungen für Menschen aus der Ukraine“ berichtet die Leiterin des MigraDo
Silke Straubel. Doch die Herkunft spielt
keine Rolle. Ob EU-Bürger, Menschen
aus Drittstaaten oder Deutsche, die neu
nach Dortmund kommen: Für alle ist das
MigraDo erste Anlaufstelle, und alle werden dort nach ihrem individuellen Bedarf
direkt an die richtige Stelle gelotst.
Der lange Flur mit kleinen Dienstzimmern links und rechts veranschaulicht
das Konzept. Hier arbeiten Beschäftigte
verschiedener Fachbereiche der Stadt wie
auch die Träger der freien Wohlfahrtspflege und das Jobcenter Tür an Tür und
Hand in Hand. Durch Vermittlung eines
kompetenten und umfassenden Überblicks über die gesamten, für sie hilfreichen städtischen und nichtstädtischen
Dienstleistungen sollen Neuankömmlinge in Dortmund eine gute Orientierung
für das Leben in der neuen Stadt erhalten
und sich willkommen fühlen.
„Wenn am Anfang etwas schiefgeht“,
sagt Silke Straubel aus ihrer Erfahrung in
der Krisenstabsarbeit, „ist das nur schwer
wieder einzufangen“. Ziel ihrer Arbeit sei
es daher, Stolpersteine auszuräumen und
ein besseres Ankommen zu ermöglichen.
Lehren aus der vorigen Krise
Birgit Zoerner leitete den Krisenstab, mit
dem die Stadt seit 2014 die Flüchtlingskrise managte. Die Erkenntnisse aus der
akuten Krisenarbeit flossen anschließend
in eine gründliche Analyse von Schwachstellen und Stärken ein. Daraus ergab sich
das MigraDo, ein von der Europäischen
Union gefördertes Projekt, das verkrustete Verwaltungsstrukturen aufbrach, interne Bedenken überwand und inzwischen
internationale Anerkennung genießt.
Silke Straubel hebt die hohe Motivation ihres Teams hervor. Sie spricht von
dem „Kümmerer-Team“ und beschreibt
damit die zugewandte Haltung, mit der
die Neu-Dortmunder empfangen werden. Viele der Mitarbeitenden sprechen
Wenn
am Anfang
etwas
schiefgeht,
ist das
nur schwer
wieder
einzufangen.
Silke Straubel,
Leiterin des MigraDo
Das MigraDo hilft dabei, aus dem kaum
überschaubaren Angebot an Sprachkursen unterschiedlicher Träger die individuell passenden herauszufinden. Als dabei
offensichtlich wurde, dass Sprachkurse
für Kinder fehlen, stellte das MigraDo
selbst ein Angebot auf die Beine. Zehn bis
fünfzehn Kinder kommen nachmittags
ins Zentrum, weitere nehmen per Videoschalte teil. „Die meisten Kinder aus der
Ukraine gehen mittlerweile in Dortmund
zur Schule“, sagt Silke Straubel, „aber
rund 400 Schülerinnen und Schüler überwiegend aus anderen Herkunftsländern
haben leider noch keinen Platz“.
Für Birgit Zoerner liegt da dringender
Handlungsbedarf vor. „Wir haben die
Schulpflicht, die Kinder haben ein Recht
auf Bildung“, sagt sie und fordert das
Land NRW auf, aktiv zu werden. „Uns
fehlen schlicht die Räumlichkeiten. Wir
haben schon alte Gebäude reaktiviert,
Neubauten dauern zu lange.“ Der Gesetzgeber müsse in dieser Situation „Fantasie walten lassen“, sprich: bürokratische
Hürden absenken, so dass Schulunterricht
beispielsweise auch in Gemeindehäusern
möglich werde. Das Möglichmachen ist
ein Leitgedanke des MigraDo.
Für Silke Straubel steht das Empowerment der Menschen oben an. Deshalb
gibt es an den Beratungsplätzen immer
auch eine zweite Tastatur, die die Ratsuchenden selbst bedienen können. „Das
haben wir von Stockholm übernommen“,
sagt die Leiterin, die den wertvollen
Erfahrungsaustausch mit Ankommenszentren in anderen europäischen Städten
betont. Ein digitales Self-Service-Center
soll den Menschen bald Zugang zu Merkblättern, Formularen und Videos eröffnen, so dass sie ihre Anliegen selbst in
die Hand nehmen können. Ein idealer
Standort wäre die Berswordthalle, gleich
gegenüber dem MigraDo, die jetzt schon
den Infopoint beherbergt.
Von dort geht während des Gesprächs
mit den Mitarbeiterinnen Diana Barbu
und Irina Waal ein Telefonanruf ein. Eine
Frau, verzweifelt und in Tränen aufgelöst, sucht dringend Hilfe. Nach wenigen
Minuten steht sie in dem langen Flur,
die Mitarbeiterinnen klären kurz, welche
Muttersprache sie spricht. Dann schließt
sich die Tür des Beratungszimmers. Dahinter werden Probleme gelöst.
FOTOS: PETRA K APPE
Wichtige Lotsenfunktion
1. Quartal | 2023 DEMO
TITEL 7
Wohnungen gesucht
Viele Geflüchtete sind privat untergekommen – vorerst
Autor Carl-Friedrich Höck
D
ie Landkreise hätten die Belastungsgrenze erreicht, klagte
der Deutsche Landkreistag zu
Jahresbeginn. Die deutschen Kommunen
haben zunehmend Schwierigkeiten, Geflüchtete unterzubringen. Im Jahr 2022
wurden beim Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge 244.132 Asylanträge gestellt. Das sind 27,9 Prozent mehr als im
Vorjahr. Dazu kommen mehr als eine Million Menschen, die vor dem Krieg in der
Ukraine geflohen sind. Sie müssen kein
Asylverfahren durchlaufen, weil die EUStaaten für sie einen unmittelbaren, vorübergehenden Schutz vereinbart haben.
Wo die ukrainischen Geflüchteten
eine Bleibe gefunden haben, hat eine
vom Bund mitfinanzierte repräsenta
tive Studie ermittelt. Zwischen Februar und Juni 2022 wurden dafür 11.000
krainische Staatsangehörige befragt.
u
Die überwiegende Mehrheit (74 Prozent)
war zum Befragungszeitpunkt privat
untergekommen – also in einer eigenen
Wohnung, bei hilfsbereiten Fremden
oder auch bei Familienangehörigen,
Freunden oder Bekannten, die bereits
länger in Deutschland leben. Nur neun
Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer
lebten in Gemeinschaftsunterkünften.
Der Städte- und Gemeindebund
(DStGB) spricht in seiner Jahresbilanz
2022 von einer überwältigenden Hilfsbereitschaft der deutschen Bevölkerung.
„Je länger der Krieg in der Ukraine andauert, desto schwieriger wird allerdings
die private Unterbringung, die häufig
auf provisorischen Strukturen aufbaut“,
stellt der Verband fest. Das bestätigt
auch Georgia Homann, Projektleiterin
Unterstützung vom Bund
In dieser Willkommenshalle
am Berliner Hauptbahnhof
kamen im Frühjahr 2022 viele
ukrainische Geflüchtete an.
Die Tiny Houses kommen
Hamburg nutzt Mini-Häuser als Flüchtlingsunterkünfte
Autorin Susanne Dohrn
FOTOS: THOMAS TRUTSCHEL /PHOTOTHEK.DE; MOBILHEIM NORD GMBH & CO. KG
O
b als Luxusversion oder spartanisch: Tiny Houses gibt es in vielen Varianten. Weil Wohnungen
knapp sind, stehen in Hamburg ab März
die ersten 50 Mini-Häuser für Geflüchtete aus der Ukraine zur Verfügung. Rund
16,5 Quadratmeter groß und optisch eher
nüchtern sind sie eine Zwischenlösung,
bis sich eine bessere Unterbringungsmöglichkeit findet, zum Beispiel in einer Wohnung, betont Susanne Schwendtke von
Fördern & Wohnen. Das Tochterunternehmen der Stadt ist für die Flüchtlingsunterbringung zuständig. Schwendtke:
„Nach Hamburg kommen so viele Schutzsuchende, dass wir sogar Bürogebäude
zu Unterkünften umbauen müssen.“ Weil
Büros nicht dafür konzipiert sind, Menschen Tag und Nacht zu beherbergen,
sei das aufwendig und t euer. Tiny Houses
hingegen sind vom Bett bis zu Küche und
Bad mit allem ausgestattet. Zudem sind
sie mobil, so Schwendtke. Das sei auch
ein Signal an den Stadtteil. Werden sie
Alles drin: Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer befinden sich auf wenigen Quadratmetern.
nicht mehr benötigt, kann die Stadt sie
zurückgegeben. Die Hamburger MiniHäuser sind angemietet. Die Nachbarschaft in Kirchdorf-Süd wurde vorab zu
einer Infoveranstaltung eingeladen.
Die Flüchtlingsunterkünfte sind voll,
leer stehende Wohnungen gibt es
bei der Plattform #UnterkunftUkraine,
die private und kostenlose Unterkünfte
vermittelt. Derzeit würden im Schnitt
pro Woche 900 Schlafplätze gesucht.
Erfolg habe nur jedes dritte Gesuch.
Homann sagt: „Erfahrungsgemäß bevorzugen viele Geflüchtete als erste Herberge nach ihrer Ankunft in Deutschland
die Unterbringung bei privaten Gast
gebenden.“ Um sich dauerhaft hier einzuleben, seien aber langfristige Wohnmöglichkeiten nötig.
Essen und Schlafen auf
ädern: Tiny Houses können
R
nach Bedarf umziehen.
Doch der Wohnungsmarkt in Deutschland ist angespannt. Auf Bundesebene
arbeitet Bauministerin Klara Geywitz
(SPD) daran, Impulse für mehr Neubau
zu setzen – etwa mit digitalisierten und
effizienteren Planungsverfahren, seriellen
Bauweisen und staatlicher Förderung.
Das braucht Zeit. Kurzfristig helfen den
Kommunen Gebäude, die die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) den
Ländern und Kommunen mietzinsfrei für
Geflüchtete zur Verfügung stellt. Aktuell
sind das rund 300 BImA-Liegenschaften
mit einer Kapazität von rund 68.000
Unterbringungsplätzen für Geflüchtete.
kaum, auf dem Land ist es nicht anders.
Auch das Amt Wilstermarsch in Schleswig-Holstein bringt Geflüchtete in Tiny
Houses unter. „Wir verteilen sie auf die
Gemeinden“, sagt Thorsten Franck, Leiter des Ordnungs- und Sozialamtes. Die
ersten drei sind eingetroffen, fünf weitere bestellt. „Gemütlich. Man kann sich
darin wohlfühlen“, befindet Franck nach
einer Besichtigung. Aufgestellt werden
sie in Dreier- oder Fünfergruppen in den
zum Amt Wilstermarsch gehörenden
Kommunen. Der Grund: „Wir wollen
die Helferinnen und Helfer vor Ort nicht
überfordern.“
Alle Gemeindevertretungen haben
das Vorgehen mitgetragen. Die Kosten
von 85.000 Euro pro Stück inklusive der
Anschlusskosten übernimmt weitgehend
das Land in Form von Zuschüssen, wenn
die Häuser vier Jahre als Flüchtlings
unterkunft genutzt werden. Danach
könnten auch Monteure oder Urlauber
darin wohnen, so Franck. Dazu müsse
man sie nur auf den Haken nehmen und
woandershin transportieren. Fundamente brauchen sie nicht, nur einen Strom-,
Wasser- und Abwasseranschluss. Damit
ihnen die Preise nicht davonlaufen hat
das Amt Festpreise abgemacht und die
Hand auf insgesamt 28 Kleinsthäuser
gelegt.
8 TITEL
DEMO 1. Quartal | 2023
Die MUT-Macherinnen
Mit Netzwerkarbeit hilft der Verband DaMigra geflüchteten
Frauen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen
Autor Harald Lachmann
Potenzielle Hindernisse
werden aus dem Weg geschafft
Damit dies so ist, und zwar ganz unab
hängig vom möglichen (Un)Willen der
Männer, denken die MUT-Macherin
nen von vornherein pragmatisch: Man
übernimmt die Fahrtkosten und sorgt
während der Seminare für die Kinderbe
treuung. Es dürfe halt „nie ein Problem
Teilnehmerinnen eines DaMigra-Workshops
araus entstehen, wenn sie zu uns kom
d
men wollen“, fügt die Hallenser Standort
mitarbeiterin Dr. Ceren Deniz hinzu. Auch
am Geld solle der Besuch nicht scheitern.
„Zudem arbeiten wir konsequent in ihrer
Sprache, haben ausreichend Dolmetsche
rinnen, damit die Frauen wirklich auch
das letzte Detail verstehen.“
Bereits seit 2016 organisiert der in Ber
lin ansässige DaMigra e. V. jene Mut ma
chenden Programme. Nach „MUT 3.0.
Seid mutig. Geht neue Wege“ (2021/22)
startete soeben „Gemeinsam MUTig“.
Maßgeblich gefördert werden die Pro
jekte durch die Bundesbeauftragte für
Migration, Flüchtlinge und Integration,
seit 2021 also die SPD-Politikerin Reem
Alabali-Radovan, deren Eltern auch aus
dem Irak stammen.
Lobbyistinnen für Frauen
mit Migrationsgeschichte
In ihrer Netzwerkarbeit bauen die
Frauen dabei vor allem auf bestehen
de lokale Gruppen und Initiativen. „Wir
bündeln diese, fördern sie und qualifi
zieren sie weiter“, so Ellen Rublow, die
einst aus der Ukraine nach Deutschland
kam. Und zugleich wolle man „die In
teressen von Frauen mit Migrationsund Fluchtgeschichte bei politischen
Entscheider(inne)n auf Bundesebene
hörbar und sichtbar machen“, benennt
Dr. Delal Atmaca einen wichtigen Punkt
ihres Wirkens. Die Berlinerin mit türki
schen Wurzeln hat einst den Dachver
Ein Ziel: geflüchtete Frauen
aus der Isolation holen
DaMigra-Geschäftsführerin
Dr. Delal Atmaca (r.) mit Ellen
Rublow (m.), DaMigra-Standortkoordinatorin für Magdeburg
und Halle, sowie Standort
mitarbeiterin Dr. Ceren Deniz
in der Hallenser DaMigra-
Niederlassung
Diese
Workshops
bilden einen
Schutzraum,
in dem wir
eine Vertrauensatmosphäre
schaffen.
Ellen Rublow,
DaMigra-Standort
koordinatorin
Mit den MUT-Projekten wolle man ge
flüchtete Frauen informieren, beraten,
bilden und begleiten, um so ihre ge
sellschaftliche Teilhabe zu unterstützen,
erzählt Ellen Rublow. „Denn sie leben in
einem Land, in dem man sie oft nicht als
gleichberechtigten Teil der Gesellschaft
wahrnimmt.“ Es mangele diesbezüglich
auch in Deutschland noch an Toleranz.
Hierbei bediene man sich dann bewusst
der Erfahrungen von Frauen mit Mi
grationsgeschichte, die schon länger in
Deutschland leben. Diese agieren dann
als die eigentlichen MUT-Macherinnen
beziehungsweise Brückenbauerinnen.
Ziel sei es stets, geflüchtete Frauen „aus
der Isolation zu holen und sie in die La
ge zu versetzen, in ihrem neuen Umfeld
ein selbstbestimmtes Leben zu führen“,
so Dr. Ceren Deniz. Denn oft wären sie
in ihrer Heimat bereits gut ausgebildet
worden, aber Kriege hätten ihnen alle
Chancen genommen. So gehe es in den
MUT-Seminaren auch maßgeblich um
den Zugang zum deutschen Arbeitsund Ausbildungsmarkt. Weitere Themen
seien die Kindererziehung, das Schulsys
tem, das Wohnrecht, die Rolle der Frau
und wie überhaupt die deutsche Gesell
schaft funktioniere.
„Diese Workshops bilden zugleich
einen Schutzraum, in dem wir eine Ver
trauensatmosphäre schaffen, in der sich
die Frauen ohne Druck öffnen können“,
berichtet Ellen Rublow. Und da es sich
stets um international gemischte Grup
pen handelt, bemerke sie immer wieder,
„wie schnell dann alle eine gemeinsame
Sprache finden, etwa kürzlich bei einem
Treffen afghanischer und ukrainischer
Frauen“. Erscheinen dann nach und nach
einzelne Frauen nicht mehr, freut das die
MUT-Macherinnen: Es ist für sie ein gu
tes Zeichen, dass diese Arbeit gefunden
oder eine Ausbildung begonnen haben:
„Ziel erreicht – sie sind selbstständig
geworden“, schmunzelt die Standort
koordinatorin. Aber manche Migrantin
sage auch: „Wenn ich es nicht mehr
schaffe, schafft es meine Tochter …“
damigra.de
FOTOS: HARALD LACHMANN; DAMIGRA
W
ir gehen doch nicht in
Männerzirkel, wenn wir
die Frauen erreichen wol
len“, entrüstet sich Ellen Rublow fast
ein wenig. „Nein, wir wollen, dass sich
die Frauen selbst entscheiden können.
Selbstbestimmt und ohne Druck.“
Die Frage danach, wie die Teams vom
Dachverband der Migrantinnenselbst
organisationen (DaMigra e. V.) jene
Frauen aus dem Iran, aus Afghanistan,
dem Irak, Eritrea oder anderen Ländern
finden, auf denen der Fokus ihres Tuns
liegt, war denn etwas unglücklich ge
stellt. Doch fraglos ist das auch nicht
ganz leicht. Denn die meisten Migran
tengruppen und -netzwerke in Deutsch
land seien nun einmal männerdominiert,
räumt auch Ellen Rublow ein. „Anfangs
gingen wir in Aufnahmeeinrichtungen
und kontaktierten sie hier direkt“, er
zählt sie. Inzwischen spreche sich ihre
Arbeit aber auch herum, freut sich die
DaMigra-Standortkoordinatorin für
Magdeburg und Halle. Ihre regionalen
„MUT-Workshops” seien gut besucht.
band mitgegründet und leitet ihn nun als
Geschäftsführerin. Aus eigenem Erleben
weiß sie, dass „nach wie vor die gleich
berechtigte Teilhabe und Chancenge
rechtigkeit abhängig von Zugehörigkei
ten und Identitäten ist“. In ihren Augen
ist das ein Demokratie-Defizit, das es
abzubauen gelte.
1. Quartal | 2023 DEMO
TITEL 9
Auf kurzen Wegen zum Erfolg
Bei der Integration der Geflüchteten aus der Ukraine
profitieren kommunale Jobcenter von lokaler Vernetzung
Autor Uwe Roth
D
ie Bilanz beeindruckt: Im März
2022 waren in der Stadt Essen
7.500 Geflüchtete registriert.
Das war ein Monat nach Ausbruch des
Krieges in der Ukraine. Mitte November
erhielten 4.000 der Angekommenen
vom kommunalen Jobcenter Leistungen
nach SGB II. Der kurze Draht zu den
städtischen Ämtern hat den Mitarbeitenden geholfen, Prozesse zu beschleunigen. „Wir sind gut verbrüdert und verschwestert“, beschreibt Heike Schupetta
vom Job
center den unkomplizierten
Austausch innerhalb des Rathauses.
Die enge Betreuung wirke sich positiv
auf die Bereitschaft der Antragstellenden zur Kooperation aus. „Laut unserer
Auswertung erscheinen bisher 83 Prozent zu den Gesprächen. Das ist ein guter Wert.“ Von Vorteil sei, dass die Menschen aus der Ukraine gut vernetzt und
digital unterwegs seien. Übersetzungsprogramme helfen bei der Kommunikation. Von der schnellen Vermittlung
profitiert die Stadt. Einige sind bereits
als Pflegekräfte auf dem ersten Arbeitsmarkt untergekommen.
Regelmäßiger Austausch
Auch in anderen Jobcentern ist die
Erfolgsbilanz auf schnelles Handeln
zurückzuführen. Astrid Tönnis vom
Jobcenter des Landkreises Steinfurt
(450.000 Einwohner) beschreibt dies so:
Gemeinsame
erfolgreiche
Bewältigung
neuer Aufgaben
hat uns
als Team stärker
zusammengeschweißt.
Astrid Tönnis
Jobcenter Landkreis Steinfurt
Brücken ins Bildungssystem
Schul- und Kitaplätze fehlen. Gießen reagiert mit Mini-Kitas
Autor Carl-Friedrich Höck
FOTO: XANDER HEINL /PHOTOTHEK.NET
V
on 2026 an soll schrittweise ein
Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschülerinnen und Grundschüler eingeführt werden. Die Kommunen macht das nervös.
Es fehle an Erzieherinnen und Erziehern,
Gebäuden und Flächen, klagt der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Der
Verband wirbt dafür, den Rechtsanspruch
teilweise auszusetzen, weil er nicht umsetzbar sei. Ähnliche Herausforderungen
gibt es bei den Kitas. Laut einer Bertelsmann-Studie stehen in Deutschland in
diesem Jahr rund 384.000 Plätze weniger
zur Verfügung, als benötigt würden, um
die Nachfrage der Eltern zu decken.
Die Fluchtbewegung aus der Ukraine
vergrößert die Herausforderungen, vor
denen die Städte und Gemeinden stehen.
Mehr als 350.000 Kinder und Jugendliche
aus der Ukraine wurden seit Kriegsbeginn
im Ausländerzentralregister erfasst. Mehr
als 200.000 wurden bereits an allgemeinund berufsbildenden Schulen in Deutsch-
land aufgenommen. Die im Dezember
erschienene Studie „Geflüchtete aus der
Ukraine in Deutschland“ hat ermittelt: In
91 Prozent der Familien mit Kindern im
schulpflichtigen Alter besucht mindestens
ein Kind eine Schule in Deutschland. 23
Prozent der Kinder unter drei Jahren und
knapp 60 Prozent der Kinder im Kindergartenalter besuchen eine Kita.
Bedarf in Gießen steigt
Die Stadt Gießen war im Kita-Bereich eigentlich gut aufgestellt, erzählt Stadträtin
Astrid Eibelshäuser (SPD), zuständig unter anderem für Integration und S chule.
Schon vor dem Ukraine-Krieg habe sich
das geändert, weil viele Familien zugezogen sind und sich immer mehr Eltern
für ihr Kind eine Betreuung ab dem ersten Lebensjahr wünschen. Aktuell fehlen
der Stadt 400 Kita-Plätze. Zugewanderte
Familien stehen zusätzlich vor dem Problem, dass sie sich nicht, wie Einheimische,
sehr frühzeitig um einen Kitaplatz küm-
Spielzeug in einer Kita:
Zugewanderte haben es
besonders schwer, einen
Betreuungsplatz zu finden.
„Das kommunale Integrationszentrum,
das Ausländeramt, das Sozialamt haben
von Anfang an eng mit uns kooperiert.
Wir haben uns wöchentlich mit allen
Beteiligten per Videokonferenz abgestimmt.“ Bei komplizierten Themen –
wie beispielsweise dem Ausländerrecht,
Sozialversicherungen oder Krankenkassen – würden externe Experten hinzugezogen. Listen mit den wichtigsten
Fragen und Antworten würden laufend
aktualisiert, „so dass alle immer Zugriff
auf aktuelle Informationen haben“. Die
Arbeitsvermittlung habe – um einen
möglichst schnellen Übergang zu gewährleisten – kurzfristig die Prüfung der
Anträge auf Vollständigkeit übernommen. „Durch diesen Einsatz haben wir
viel Zeit bei der Bearbeitung der Anträge
gewonnen“, stellt Tönnis fest.
„Die gemeinsame, erfolgreiche Aufgabenbewältigung hat uns insgesamt
als Team stärker zusammengeschweißt“,
sagt sie. Viele Mitarbeitende hätten
kurzfristig andere Aufgaben übernommen. So hätten beispielsweise Arbeitsvermittler bei der Bearbeitung der Anträge für die Leistungen ausgeholfen.
mern konnten und diesen nun sofort benötigen. Die Stadt hat deshalb, gefördert
durch das Bundesfamilien
ministerium,
ein Projekt durchgeführt: „Kitaeinstieg –
Brücken in die Frühe Bildung“. Es berät
Zugewanderte und unterstützt sie auch
beim Anmeldeverfahren, das nicht immer
leicht verständlich sei, wie E ibelshäuser
einräumt.
Weil die Kita-Plätze nicht ausreichen,
hat die Stadt zudem bereits vor der Corona-Pandemie damit begonnen, niedrigschwellige Angebote zu schaffen:
Eltern-Kind-Gruppen und sogenannte
Mini-Kitas. „Das sind kleine Gruppen
mit einer Erzieherin, die mehrere Male
die Woche zum Spielen und zu anderem zusammenkommen können, damit
sie soziale Kontakte haben“, erklärt die
Stadträtin. Eine richtige Kita könne das
nicht ersetzen. Ziel sei es, dass diejenigen, die noch auf einen Kita-Platz warten, so schon frühzeitig Kontakt zum
Bildungssystem aufnehmen können.
Darauf konnte Gießen aufbauen, als
zunehmend Frauen und Kinder aus der
Ukraine kamen. „Wir hatten Erfahrung
mit diesem niedrigschwelligen System,
sodass wir dann sehr schnell zusätzliche Mittel eingestellt und mit den
Kita-Trägern zusammen Angebote für die
ukrainischen Kinder geschaffen haben“,
sagt die Integrationsdezernentin.
10 TITEL
Mit Powerbanks
und Sommercamps
hundert Rathäuser und Landratsämter
von innen gesehen. Hinzu kommt: Politik lernte er am Küchentisch, sein Vater
war Bürgermeister. Die Flüchtlingsperspektive ist ihm vertraut. Seine Frau, die
Künstlerin Nazanin Romy, floh vor zehn
Jahren aus dem Iran nach Deutschland.
mobilisiert, der sonst nicht auf den
Markt gekommen wäre.“ So habe ein
Ehepaar, deren Eltern gestorben waren,
das Haus für Flüchtlinge zur Verfügung
gestellt, statt es auszuräumen und zu
verkaufen. In der städtischen Wohnungsbaugesellschaft werden monatlich etwa 20 Wohnungen frei. Drei bis
vier davon sind für Menschen aus der
Ukraine reserviert, damit Einheimische
nicht das Nachsehen haben.
Bei den Kindergartenplätzen geht es
der Reihe nach. Das Jobcenter veranstaltete eine Messe für Geflüchtete, die
sich explizit nicht nur an solche aus der
Ukraine richtete. Bergmann ist überzeugt: Am schnellsten funktioniert Integration über die Arbeit. Inzwischen haben diverse Ukrainerinnen in der Stadt
einen Job gefunden, allerdings meist
nicht in ihrem Beruf. „Da gibt es noch
Potenzial nach oben“, sagt der OB.
Städtischer Wohnungsgipfel
Der Zufall spielt mit
„Als der Krieg ausbrach, war ich ratlos
und geschockt, wie alle anderen“, sagt
Bergmann. Dabei beließ er es nicht.
Als die ersten Flüchtlinge eintrafen, lud
er die städtische Wohnungsbaugesellschaft, die Genossenschaften und Privatleute zu einem Wohnungsgipfel ein.
„Wir haben auf diese Weise Wohnraum
Als Glücksfall stellte sich eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung heraus, die
aus der Ukraine stammt. Sie erzählte
dem OB, dass sie aus der Kindheit eine
enge Mitarbeiterin von Borys Karpus,
dem Bürgermeister von Novovolynsk in
der Westukraine, kennt. Das Gespräch
wurde zum Startpunkt einer Partnerschaft zwischen den Städten und ihren
Bewohnern. Im Februar 2022 rollte der
erste Hilfstransport aus
N eumünster
nach Novovolynsk, beladen mit
Powerbanks, Konserven, Babynahrung,
Kleidung. Die Spendenbereitschaft war
groß, Bergmann half beim Packen und
fragte bei Borys Karpus immer wieder
nach: „Was braucht ihr?”. N
ovovolynsker
Kindergärten erhielten Generatoren
und die Stadt Geld, zum Beispiel für die
Errichtung von Häusern in Fertigbauweise. Kurz vor Ostern 2022 kam eine
überraschende Bitte: eine Ferienfreizeit
für Kinder, denn im
N ovovolynsker
Sommercamp leben inzwischen Binnenflüchtlinge. Bei Bergmann funkte es. Er
war bei den Falken und kennt solche
Ferienfreizeiten. Ergebnis: Den Sommer
2022 verbrachten 120 Jugendliche aus
Novovolynsk zusammen mit Neumünsteraner Jugendlichen unter anderem
im Ferien-Zeltlager des SV Tungendorf
am Stocksee. Für dieses Jahr ist eine
Wiederholung geplant. Eine Gegeneinladung hat Novovolynsk schon ausgesprochen. Wenn der Krieg vorbei ist,
will die Stadt ihre vielen persönlichen
Kontakte vertiefen.
Wie zwei Bürgermeister und zwei Städte – Neumünster
in Schleswig-Holstein und Novovolynsk in der Ukraine –
Partner wurden und wie praktische Hilfe aussehen kann
Autorin Susanne Dohrn
W
enige Tage nach Kriegsbeginn in der Ukraine war
für Tobias Bergmann (SPD)
die Sache klar: Auf uns kommt etwas
zu. Abwarten gilt nicht. Das liegt an der
Situation in Neumünster. Viele Flüchtlinge in Schleswig-Holstein landen zunächst in der dortigen Erstaufnahmeeinrichtung. Am 25. Februar wandte
sich der Oberbürgermeister (OB) per
Facebook an die Öffentlichkeit: „Wenn
ihr flüchten müsst, ihr seid hier in
Neumünster willkommen.“
Zehn Monate später, in seiner Neujahrsansprache, dankte er den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt für
ihre „Hilfsbereitschaft und Offenheit“.
In den Monaten dazwischen ist viel geschehen. Die Stadt knüpfte enge Kontakte nach Novovolynsk in der Westukraine, sie feierte den ukrainischen
N ationalfeiertag am 24. August und
nahm zusätzlich 528 Menschen aus
dem Land auf, obwohl sie wegen der
Erstaufnahmeeinrichtung nicht dazu
verpflichtet war.
Als der Krieg
ausbrach,
war ich ratlos
und geschockt,
wie alle
anderen.
Tobias Bergmann,
Oberbürgermeister
von Neumünster
Rathaus-Chef mit Empathie
Bergmann, der am 30. Mai 2021 zum
OB gewählt wurde und am 1. September
2021 das Amt antrat, kam mit dem Blick
von außen in die 80.000-EinwohnerKommune. Geboren 1971 in München,
aufgewachsen in einer b
ayerischen
Kleinstadt, studierte er Volkswirtschaftslehre, Finanzwirtschaft sowie
Regionalplanung und arbeitete danach
als Berater. Er war Präses (Präsident)
der Handelskammer Hamburg, einer
der mächtigsten Institutionen der Stadt.
„Mann aus der Wirtschaft wird Bürgermeister“, könnte man meinen, aber das
ist nur ein Teil der Wahrheit. Bergmann
ist „ Kommunal-Profi“.
„Die Optimierung von Geschäftsprozessen in der Automobilindustrie hat
mich nie interessiert“, sagt er. Stattdessen beriet er den öffentlichen Sektor und hatte im Laufe der Jahre gut
Symbol für die Partnerschaft zwischen den beiden Städten: Tobias Bergmann mit dem
Wappen von Novovolynsk, im Hintergrund das von Neumünster
Weitere Informationen
neumuenster.de/ukraine-hilfe
FOTO: SUSANNE DOHRN
DEMO 1. Quartal | 2023
1. QUARTAL / 2023
MAGAZIN
Zukunft gestalten
Seite III
Was die Bundes-SGK im Jahr 2023 plant:
Neues zu Personen, Themen und Veranstaltungen.
Weiter auf Seite II
Frank Meyer, Oberbürgermeister der Stadt Krefeld,
Vorsitzender der SGK NRW
und Sprecher der BundesSGK hat das Wort …
Thema
Sport
Gemeinsam das
Wir stärken
Sport spielt in den Kommunen gerade in Zeiten der
Krise eine zentrale Rolle, macht Torsten Burmester,
Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen
Sportbundes, in seinem Beitrag deutlich.
Weiter auf Seite IV
Sport und Stadt
Beides muss zusammen gedacht
werden, sagt Thomas Beyer,
Bürgermeister der Hansestadt Wismar,
weil Sport nicht nur im Verein und der
Halle stattfindet, sondern (fast) überall
ausgeübt wird.
Weiter auf Seite VI
Sport fördern
Beiträge aus den Landesteilen zeigen,
wie ideenreich Kommunen sind,
welche Positionen und Forderungen
wichtig sind und wie Sport zum
Botschafter für ein gutes
Zusammenleben wird.
Weiter ab Seite V
II BUNDES-SGK
1. Quartal | 2023 SGK MAGAZIN
Wir gestalten die Zukunft
in unserem Land!
Gesellschaftlicher Fortschritt findet in Städten, Gemeinden
und Kreisen statt
Autorin Andrea Franz, Referentin der Bundes-SGK
D
as angebrochene Jahr 2023
wird ein ereignisreiches – auch
für die Bundes-SGK. Neben
neuen Personen wird es neue Veranstaltungsformate geben, um die wichtigen
kommunalen Themen zu diskutieren und
neu zu denken. Aber der Reihe nach!
Im Januar 2022 fand aufgrund der
Corona-Pandemie die erste digitale Delegiertenversammlung der Bundes-SGK
statt. Der Vorstand wurde neu gewählt
und der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Mainz, Michael Ebling übernahm den Vorsitz. Außerdem bestimmten wir in Beschlüssen unsere Positionen
für die neue Legislaturperiode im Deutschen Bundestag mit Blick auf die Arbeit
der Bundesregierung.
Mit dem leitenden Beschluss: „Wir
gestalten die Zukunft in unserem Land
– Gesellschaftlicher Fortschritt findet in
Städten, Gemeinden und Kreisen statt“
benannten wir die Bereiche und forderten Maßnahmen, die die notwendigen
Transformationsprozesse in den Kommunen voranbringen. Dazu gehören:
Stabile Finanzen, die Weiterentwicklung
des gesamtdeutschen Fördersystems,
die Mobilitätswende mit der Stärkung
des ÖPNV, mehr Zielgenauigkeit im Klimaschutz und den verstärkten Ausbau
der Erneuerbaren Energien, mehr Unterstützung bei der Digitalisierung und der
Sozialstaat als Partner der Menschen. Ein
Anliegen, das alle Themen durchzieht,
die Kommunen und ihre Vertreter:innen
müssen in die wichtigen Entscheidungen
auf allen politischen Ebenen miteinbezogen werden. Nur so kann Politik ihre
Ziele auch erreichen. Bei unserer Fachkonferenz im September 2022 diskutierten wir diese breite Palette an Themen
noch einmal intensiv in der kommunalen
Familie, mit Fachleuten aus Wirtschaft
und Wissenschaft und politischen Entscheidungsträger:innenn in Bund und
Ländern.
Im Oktober 2022 folgte Michael
Ebling dem zurückgetretenen Roger
Lewentz im Amt als Innenminister von
Rheinland-Pfalz und lässt seitdem sein
Amt als Vorsitzender der Bundes-SGK
ruhen. Die Nachfolge wird in einer am
29. April 2023 hybrid stattfindenden
außerordentlichen Delegiertenversammlung der Bundes-SGK mit dem
webbasierten Versammlungssystem
OpenSlides neu bestimmt. Trotz dieser
Entwicklungen ging seit Oktober 2022
die Arbeit mit unserem Sprecher Frank
Meyer, Oberbürgermeister von Krefeld,
dem Vorstand und der Geschäftsstelle
der Bundes-SGK stetig voran:
Beispielsweise mit einem neu erprobten digitalen Format, das zu einem
echten Publikumsmagneten wurde. Zu
einer ersten Veranstaltung mit dem Titel
VORSCHAU
„Bundes-SGK im Gespräch – zur Zukunft
der BIMA (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben)“ hatten wir am 24. November
2023 eingeladen – weitere Veranstaltungen in ähnlichem Format werden folgen.
Neu ist auch, der bisherige Arbeitskreis „Ländliche Räume“ wird eine festere Arbeitsstruktur erhalten und sich als
Kommission konstituieren. Dieses Vorhaben werden wir im Juni 2023 in die Tat
umsetzen. Unsere jährliche gemeinsam
mit der Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführte digitale Fachkonferenz zu „Ländlichen Räumen“ wird auch weiterhin ein
wichtiger Bestandteil unserer Jahresplanung bleiben und in diesem Jahr in zwei
Modulen an unterschiedlichen Terminen
im Oktober und November stattfinden.
Thematisch werden wir die Umsetzung
des Deutschlandtickets, die weitere Verwaltungsdigitalisierung, die verbindliche
Einführung einer kommunalen Wärmeplanung, die Umsetzung des Bürgergeldes sowie die weiteren wohnungspolitischen Vorhaben eng begleiten. Besonders
freut uns die Initiative der Bundesinnenministerin Nancy Faeser zur Stärkung des
kommunalpolitischen Ehrenamtes.
So sieht unser Fahrplan für die Wahl
des neuen Vorsitzes und des Vorstands
aus:
Außerordentliche Delegiertenversammlung der Bundes-SGK
Samstag, den 29. April 2023
TAGESORDNUNG (STAND: 20.01.2023)
11.00 Uhr Beginn
1. Begrüßung und Eröffnung
Frank Meyer, Sprecher der Bundes-SGK, Stellv. Vorsitzender
der Bundes-SGK, Vorsitzender der SGK Nordrhein-Westfalen,
Oberbürgermeister der Stadt Krefeld
– Wahl eines Tagungspräsidiums
2. Konstituierung der
Delegiertenversammlung
– Beschluss der Tagesordnung
– Vorschlag für die Wahrnehmung der Aufgaben der
Mandatsprüfung und Kontrolle der Wahlen in OpenSlides
– Beschluss der Geschäftsordnung
3. Vereinsregularien
– Bericht der Revisorinnen und Revisoren
– Aussprache zum Bericht der Revisorinnen
und Revisoren
4. Reden
Kandidat:innen für die Wahl zum Vorsitz der Bundes-SGK
5. Beginn der Wahlen
– Wahl der/des Vorsitzenden
6. Grußworte
7. Fortsetzung der Wahlen
– Wahl der fünf stellvertretenden Vorsitzenden
– Wahl der Schatzmeisterin/des Schatzmeisters
– Wahl der Schriftführerin/des Schriftführers
– Wahl der Beisitzerinnen und Beisitzer
8. Antragsberatung
– Antrag zur Änderung der Satzung
– Antrag zur Festlegung eines Zeitraumes für die
nächste Delegiertenversammlung
9. Schlusswort der/des neu gewählten Vorsitzenden
14.00 Uhr Ende der Delegiertenversammlung
https://www.bundes-sgk.de/veranstaltung/o-delegiertenversammlung-bundes-sgk-2023
SGK MAGAZIN 1. Quartal | 2023
BUNDES-SGK III
Kommunen
können Krise
L
iebe Leserinnen, liebe Leser,
obwohl der Jahreswechsel nun schon einige Wochen hinter uns
liegt, möchte ich die Gelegenheit nutzen, Euch als Sprecher der
Bundes-SGK ein friedvolles, gesundes und glückliches neues Jahr
2023 zu wünschen!
Eigentlich seid Ihr es gewohnt, dass sich an dieser Stelle der Vorsitzende der
Bundes-SGK an Euch richtet. Da nach der Ernennung von Michael Ebling
zum Innenminister von Rheinland-Pfalz im Oktober vergangenen Jahres die
Position der/des Vorsitzenden noch vakant ist, habe ich als Vorsitzender der
SGK NRW und Stellvertretender Vorsitzender der Bundes-SGK für diese Interimsphase die Funktion des Sprechers übernommen. So bleibt der Vorstand
funktionsfähig und die Vertretung nach außen sowie die Kontinuität unserer
Arbeit sind gewährleistet. Mit der Wahl einer neuen Vorsitzenden / eines
neuen Vorsitzenden in einer außerordentlichen Delegiertenversammlung endet diese Interimsphase.
In der Zwischenzeit freue ich mich darauf, die Bundes-SGK in dieser Phase zu
begleiten und zu unterstützen, damit sie als vernehmbare Stimme der sozialdemokratischen haupt- und ehrenamtlich Engagierten in den Kommunen
auch auf Bundesebene in gewohnter Weise wirken kann.
Politisch leben wir in herausfordernden Zeiten. Im Februar jährt sich zum ersten Mal der Angriffskrieg Russlands gegen einen souveränen Nachbarstaat
mitten in Europa. Deutschland unterstützt die Ukraine, ihre Verteidigungsfähigkeit und die Aufrechterhaltung der Lebensbedingungen in den Kriegsund Krisengebieten so gut wie möglich. Wer nicht in der Ukraine bleiben
kann, flüchtet innerhalb des Landes, in die Anrainerstaaten oder auch nach
Deutschland.
Gerade die Kommunen haben Herausragendes bei der Unterbringung von
Geflüchteten geleistet – teilweise bis an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit. Mit der Unterbringung allein ist es aber nicht getan, Familien müssen
betreut und der Schulbesuch für Kinder ermöglicht werden – oft sind auch
traumatische Erlebnisse zu verarbeiten.
FOTO: STADT KREFELD
In einer Zeit anhaltender Krisen scheint es schwierig, positive Botschaften
zu vermitteln, zumal diese Krisen von der Corona-Pandemie über den Krieg
bis zum Klimawandel auch vor Ort unmittelbar spürbar werden: Stadtverwaltung hat in diesen Zeiten mit dem, was Verwaltung im eigentlichen Sinn
bedeutet, nicht mehr viel zu tun – und oft enden die Aufgaben nicht an den
Grenzen der Stadt, der Gemeinde oder des Kreises. Die globalen Katastrophen schwappen wie Wellen über die jeweiligen Grenzen und verlangen
immer auch ein schnelles Handeln auf kommunaler Ebene. Daher müssen
wir Kommunen in diesen Zeiten mehr sein als die Summe unserer Krisenstäbe – unsere Aufgabe besteht auch darin, Entwicklungsmöglichkeiten und
Perspektiven zu erkennen und voranzutreiben.
Denn hinzu kommen weitere Herausforderungen, die eine hohe Flexibilität des Handelns erfordern. Der Klimaschutz mit der notwendigen Energieund Mobilitätswende sowie die Digitalisierung sind wichtige Beispiele dafür.
Nicht zuletzt ist der Zusammenhalt der Gesellschaft immer wieder neu herzu-
Frank Meyer, Oberbürgermeister der Stadt Krefeld und Sprecher der Bundes-SGK
stellen. Trotz dieser hohen Aufgabenlast und vielfältigen Herausforderungen
wollen wir Zukunft gestalten, und ich bin stolz darauf, was viele Kommunen
schon geschafft haben.
Zu Beginn des Jahres haben wir uns auch deshalb für den Sport als Schwerpunktthema für die erste Ausgabe des SGK-Magazins entschieden. Die Kommunen wollen das „Wir“, wie es im Artikel von Torsten Burmester heißt,
stärken. Sport fördert den Gemeinsinn. Er erfüllt viele wichtige Funktionen
in unseren Kommunen, ist der Gesundheit von Alt und Jung zuträglich, er
lässt Begegnung stattfinden und schweißt Menschen zusammen, weil sie
ein gemeinsames Ziel haben. Wie ideenreich, planvoll und kreativ der Sport
gefördert wird und was künftig noch notwendig ist, dazu geben die Artikel
im Magazin einen sehr guten Überblick.
Die Bundes-SGK begleitet die Bundespolitik konstruktiv und entwickelt ihre
Positionen entlang der kommunalen Perspektive gegenüber Partei und Fraktion. Dieser Aufgabe werden wir uns auch in diesem Jahr in gewohnter Weise
widmen. Zum anderen stehen wir auch direkt mit Kommunalpolitikerinnen
und Kommunalpolitikern in Verbindung, um Beratung zu gewährleisten, gute
Ideen in die Fläche zu tragen sowie den Austausch und die Vernetzung zu
befördern.
Ich freue mich mit Euch – auch angesichts der anstehenden Kommunalwahlen sowie der Landtagswahlen – auf ein gutes Jahr für die Sozialdemokratie.
Euer
Frank Meyer
IV THEMA
DOSB-Vorstandsvorsitzender Torsten Burmester ist seit dem 1. Februar 2022 im Amt.
Gemeinsam das Wir stärken
Sport ist bindende Kraft des Gemeinwesens
Autor Torsten Burmester, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes
S
einen Neujahrsempfang hat der
Dachverband des deutschen
Sports traditionell an einem der
Kraftorte deutscher Stadtgeschichte
gefeiert, im Kaisersaal des Frankfurter
Römers. Und auch ein Umzug änderte
zum Jahresbeginn nichts an der Nähe
zwischen Sport und Kommunen. Das
festliche Geschehen rückte dabei noch
näher an die kommunale Basis, in eine
Turnhalle der Turngemeinde Bornheim/
Frankfurt. Die gewählte Form entsprach
dem Inhalt: Der DOSB stellte die Sorgen
und Erwartungen seiner rund 27 Millionen Mitglieder ins Zentrum des Jahresauftaktes. Die Pandemie verliert allmählich ihren Schrecken, ihre Folgen für
Sportvereine und -verbände jedoch, für
aktive Mitbürger*innen und sportliche
Infrastruktur, begleiten uns ebenso hartnäckig wie die Konsequenzen des Russischen Überfalls auf die Ukraine.
In der Pandemie haben Sport und
Kommunen gemeinsam gelernt. Die beiden Lockdowns waren zwar epidemiologisch geboten, in ihren gesundheitlichen
und sozialen Folgen jedoch nicht unerheblich. Die Kollateralschäden belasten
Gesellschaften und Kommunen auf Umwegen. Signifikant gestiegene Adipositaszahlen bei Kindern und Jugendlichen
ebenso wie mehr psychische Auffälligkeiten in der Altersgruppe alarmierten
Forscher und Gesundheitspolitiker. Der
Bund schrieb das Wort vom Sportentwicklungsplan in den Koalitionsvertrag
und nahm das Angebot des Sports für
einen Bewegungsgipfel im Dezember
an. Die Kommunen reagierten an anderer Stelle: als die Energiekosten als
Folge des Krieges explodierten, waren
sich Entscheidungsträger in den Städten
und Gemeinden mit dem Sport einig
und erneute Sportstättenschließungen
wurden vermieden. Wenn so aktuell
auch angesichts einer sich abzeichnenden neuen alten Krise verfahren wird, ist
das im Sinne des DOSB: Die Flüchtlingszahlen steigen kontinuierlich wieder an,
die Unterbringung in Turnhallen hilft nur
vordergründig, verursacht Probleme an
anderer Stelle und sollte bei ganzheitlicher Betrachtung unterbleiben.
Die Energiekrise hat eine Dauerdiskussion zwischen Sport und Kommunen neu angefacht. Fachleute beziffern
den Sanierungsstau bei Sportstätten,
die sich überwiegend in kommunaler
Hand befinden, auf rund 31 Milliarden
Euro. Einen Großteil des Bedarfs macht
dabei die energetische Sanierung aus.
Die Krise hat noch deutlicher gemacht,
dass Sportstätten langfristig unabhängig
von fossilen Brennstoffen gemacht werden müssen. Bund und Länder dürfen
die Kommunen hier nicht allein lassen.
SPORT
Jedes Investment in Bindungskräfte
und gesellschaftlichen
Zusammenhalt
stärkt das
Gemeinwesen.
Torsten Burmester
Die 400 Millionen Euro aus dem Bundesprogramm „Sanierung kommunaler
Einrichtungen im Bereich Sport, Jugend
und Kultur“ sind dabei ein guter Anfang.
Eine im Wortsinn große Baustelle bilden vor allem die öffentlichen Schwimmbäder, deren prekäre Situation der ehemalige Kölner OB Fritz Schramma als
Sprecher der Bäderallianz unermüdlich
anprangert. 50 Prozent der deutschen Bäder seien sanierungsbedürftig, das Volumen betrage mehr als 4,5 Milliarden Euro.
Dem Sport aus Pandemie, Energiekrise und Sanierungsstau zu helfen, ist
dabei kein notwendiges Übel, sondern
ein Ausweis politischer Vernunft. Jedes
Investment in Bindungskräfte und gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt
das Gemeinwesen. Wir alle handeln und
leben „communis“, also gemeinsam.
Der Sport gibt Bürgerinnen und Bürgern
Gesundheit, Lebensfreude und Sozialleben. Kinder und Jugendliche erfahren
Fair Play, Achtung des Gegners, warum
es Regeln und einen Schiri braucht und
dass man für Training und Plackerei immer etwas zurückbekommt.
Diese Grundlagen bilden das Fundament für die faszinierende Pyramide, an
deren Spitze es die begabtesten und motiviertesten Talente bis zu Olympischen
Spielen oder in Nationalteams schaffen
und alle aus ihrem Dorf oder ihrem Viertel mit Stolz erfüllen. Leuchtturmprojekte und Vorbilder machen den Menschen
in Zeiten von Krieg und Verunsicherung
Mut. Die Mitgliederversammlung des
DOSB hat solch ein Projekt beschlossen. Wir wollen herausfinden, ob es für
unsere Gesellschaft gute Gründe gibt,
Gastgeber*innen Olympischer und Paralympischer Spiele zu sein. Mit Hilfe einer
Road Map für einen transparenten und
partizipativen Diskussionsprozess wollen
wir im Jahr 2023 gemeinsam mit Sport,
Politik und Gesellschaft ein nachhaltiges
Konzept für eine mögliche Bewerbung
erarbeiten. Im Mittelpunkt des Handelns
steht dabei stets das Ziel, den Sport in
Deutschland fit für die Zukunft zu machen. Das Echo aus den Kommunen ist
durchaus positiv: Stadtoberhäupter aus
Berlin, Hamburg oder München begrüßen das gewählte Verfahren, 14 Oberbürgermeister*innen aus NordrheinWestfalen haben sich dem in der letzten
Januarwoche angeschlossen.
Für die Unterstützung des sportlichen Vereinslebens vor Ort ebenso wie
für die olympische Vision benötigen wir
im neuen Jahr einen langen Atem und
viel Teamgeist. Ans Ziel kommen wir dabei nicht allein, sondern nur im Team.
„Communis“ eben.
FOTO: DOSB/FRANK MAY
1. Quartal | 2023 SGK MAGAZIN
SGK MAGAZIN 1. Quartal | 2023
THEMA V
Der Heilbronner Sportpass –
Erfolgsmodell wird fortgesetzt
Auch in Heilbronn leiden die Sportvereine immer noch unter den Auswirkungen
der Corona-Pandemie
Autor:innen Agnes Christner, Bürgermeisterin für Soziales, Bildung, Sport und Kultur der Stadt Heilbronn,
Tanja Sagasser-Beil, stellv. Vorsitzende der SPD-Gemeinderatsfraktion Heilbronn, Herbert Tabler, stellv. Vorsitzender Stadtverband für Sport
FOTOS: STADT HEILBRONN
W
eil sportliche Angebote
nicht oder nur unter starken
Einschränkungen durchgeführt werden konnten, haben viele Menschen während der Corona-Pandemie
den Sportvereinen den Rücken gekehrt.
Als der Heilbronner Gemeinderat sich
entschlossen hat, ein Re-Start-Paket für
Freizeit, Kultur, Handel und Gastronomie
in Höhe von einer Million Euro zu schnüren, war klar, dass man auch dem Vereinssport unter die Arme greifen musste.
Die Gelder aus dem Paket helfen, die Folgen der Pandemie abzumildern und innovative Ideen für einen Neustart nach Corona zu fördern. So wurde die Idee zum
Heilbronner Sportpass geboren, die sich
folgendermaßen beschreiben lässt:
In einem 40-seitigen Heft stellen fast
40 Vereine ihre Angebote in über 60
Sportarten vor, darunter klassische Stadtteil-Vereine mit einem breiten Spektrum
von Fußball bis Turnen, aber auch spezialisierte Angebote wie Klettern, Skifahren, Schach, Showtanz, Reha-Sport
und Reiten, um nur einige zu nennen.
Mit dem Sportpass können unverbindlich und kostenlos bis zu sechs im Sportpass aufgeführte Sportangebote getestet
werden. Stößt das Angebot auf Gefallen,
kann man dem entsprechenden Verein
beitreten und das zunächst ohne weitere
Kosten. Die Mitgliedsgebühr – bis zu 75
Euro – für das erste Jahr wird den Vereinen aus städtischen Mitteln erstattet und
muss nicht von den Sportler:innen getragen werden. Der Sportpass kann von allen genutzt werden, egal ob Kinder oder
Erwachsene. Auch Menschen, die früher
bereits bei einem der teilnehmenden Vereine Sport getrieben haben, können mit
dem Sportpass zunächst kostenlos wieder Mitglied werden.
Mit einem Jahr Erfahrung können wir
sagen: der Sportpass hat die an ihn gerichteten Erwartungen erfüllt und sich
als nachhaltige Maßnahme zur Mitglieder(rück)gewinnung für die Vereine herausgestellt. Deswegen haben sich Stadt-
Wollen Lust machen auf Sport im Verein: Bürgermeisterin Agnes Christner, Christoph
Troßbach und Herbert Tabler vom Stadtverband für Sport Heilbronn sowie Karin
Schüttler und Altin Zhegrova vom Schul-, Sport und Kulturamt (v.l.n.r.)
verwaltung und Gemeinderat auch dazu
entschlossen, den Sportpass, der eigentlich nur im Jahr 2022 gelten sollte, zu verlängern. Auch jenseits von Corona kann
ein Sportpass ein gutes Instrument sein,
um mit Hilfe der Kommune Menschen für
Vereinsangebote zu begeistern.
Auf Vorschlag der SPD-Gemeinderatsfraktion und in Abstimmung mit den
anderen Fraktionen hatte der Heilbronner Gemeinderat zum Haushalt 2021/22
ein Corona Hilfspaket für Vereine und
kulturelle Einrichtungen geschnürt. Da-
Der Sportpass
bringt die
Menschen
zurück in die
Vereine.
Bürgermeisterin
Agnes Christner
Unkompliziert neue Sportarten und Sportvereine testen. Der Heilbronner Sportpass
macht es möglich! (v.l.: Christoph Troßbach und Herbert Tabler vom Stadtverband
für Sport Heilbronn sowie Altin Zhegrova und Karin Schüttler vom Schul-, Sport und
Kulturamt)
durch war möglich, ein völlig neues und
deutschlandweit einzigartiges Konzept
für einen Heilbronner Sportpass zu entwickeln. Für dieses Projekt wurden aus dem
Hilfspaket 230.000 Euro zur Verfügung
gestellt. Nachdem die Heilbronner Sportvereine durch die Corona-Pandemie über
3.000 Mitglieder verloren hatten, sollte
nun der Heilbronner Sportpass Lust auf
die Angebote der Vereine und eine Mitgliedschaft machen. Inzwischen hat sich
der Sportpass als Erfolgsmodell herausgestellt, denn seit dem Start haben sich
schon sehr viele Menschen bei den beteiligten Sportvereinen neu (oder wieder)
angemeldet. Das war auch der Grund,
warum der Heilbronner Gemeinderat das
Projekt bis Ende 2023 verlängert hat.
Der Sportpass hat sich bewährt: Der
Heilbronner Sportpass ist ein sehr gut
geeignetes Instrument der Stadt, um
die Sportvereinslandschaft neu zu beleben und zu stärken, vor allem nach
den schwierigen und herausfordernden
Pandemiejahren. Über den digitalen
und gedruckten Sportpass können die
Heilbronner Sportvereine für ihr attraktives und vielfältiges Angebot werben.
Insgesamt ist mit dem Sportpass eine
kompakte und informative Übersicht
der sportlichen Möglichkeiten im Verein
entstanden. Über die großzügige finanzielle Unterstützung aus dem Re-StartPaket der Stadt konnten bereits über
1.700 Neumitglieder in den Vereinen gewonnen werden. Das niederschwellige
Angebot, eine großflächige Verteilung
in allen Stadtteilen und die Bewerbung
über Schulen, Hochschulen oder den Einzelhandel sind Gründe für den bisherigen
Erfolg. Gemeinsam mit den Initiatoren
des Heilbronner Sportpasses, dem Stadtverband für Sport, blicken wir zuversichtlich nach vorn: Für das Jahr 2023 sind
bereits 25.000 neue Sportpässe bestellt
– mit dem klaren Ziel, insgesamt 3.000
neue Menschen als Mitglieder für unsere
großartigen Heilbronner Sportvereine zu
gewinnen.
VI THEMA
1. Quartal | 2023 SGK MAGAZIN
Stadtentwicklung und Sport
zusammendenken
Sport hat in vielen Gemeinden hohen Stellenwert
Autor Thomas Beyer, Bürgermeister der Hansestadt Wismar, Vorsitzender der SGK Mecklenburg-Vorpommern
vor der Sportentwicklungsplanung allerdings nicht klar.
Es sind sehr interessante Ergebnisse. 77 Prozent der Bürgerinnen und
Bürger der Hansestadt Wismar treiben
Sport oder sind in irgendeiner Form bewegungsaktiv. Und davon organisieren
rund zwei Drittel ihre Sport- und Bewegungsaktivitäten selbst, ohne etwa im
Verein aktiv zu sein.
Sport ist (fast) überall möglich. Fitness an der Seebrücke in Wismar-Wendorf
SPORT
Thomas Beyer, Bürgermeister
der Hansestadt Wismar, sieht
Sport- und Stadtentwicklung
eng verknüpft.
D
ie eine oder andere Stadt
schmückt sich mit der Bezeichnung Sportstadt. Es ist aber
auch eine große Herausforderung für die
Städte, die bestehende Sportinfrastruktur zu erhalten oder gar neu aufzubauen.
Hierbei ist es unabdingbar, dass Prioritäten gesetzt werden. Diese können aber
gerade nicht allein aus Verwaltungsperspektive erarbeitet werden, denn der organisierte Sport vertritt die Interessen in
der Regel oft deutlich - und das auch zu
Recht. Diese Perspektive ist demnach zumeist bekannt. Aber wie ist es mit dem
unorganisierten Sport? Hier haben wir
oft eine unzureichende Datenlage. Daher ist es gut, wenn man eine Sportentwicklungsplanung erstellt und auch eine
breite Bürgerbeteiligung zu Grunde legt,
die sowohl den organisierten als auch
den unorganisierten Sport abdeckt.
Und natürlich ist nicht jeder begeistert
von solchen Plänen. Sie zeigen oft auf,
was bereits feststeht. Es herrscht Sanierungsstau und es muss kräftig investiert
werden. So weit, so bekannt. Es gibt
kaum eine Stadt, in der das anders wäre.
Dazu hat unter anderem auch geführt,
dass die Sportstätten lange Zeit nicht im
Fokus der Fördermittelgeber standen.
Dies hat sich, zum Glück, inzwischen geändert und auch in der Hansestadt Wismar investieren wir dank unterschiedlicher Förderprogramme aktuell in die
Sportanlagen.
Im Verein und individuell
Aber es ist nicht nur wichtig, dass die
großen Sporthallen, -plätze und -stadien im Blick sind, sondern auch die
Möglichkeiten des Individualsports
betrachtet werden. Beispielsweise bietet der Ausbau von Wegen und Radwegen den Bürgerinnen und Bürgern
eine Möglichkeit, Sport zu treiben. Wie
stark dies auch genutzt wird, war uns
Am liebsten treiben die Bürgerinnen
und Bürger Sport in der Natur. Besonders beliebt sind Radfahren, Spazierengehen, Joggen und Schwimmen. Zudem werden häufig Fitnesstraining und
Kraftsport genannt. Diese Präferenzen
zeigen sich auch dadurch, dass die wichtigsten Orte für Sport Straßen und Radwege sowie Waldwege und Parkanlagen
sind. Rund drei Viertel aller Sport- und
Bewegungsaktivitäten finden in Wismar
also auf den sogenannten Sportgelegenheiten statt. Das sind nicht speziell für
den Sport gebauten Anlagen.
Das ist schon erstaunlich und umso
mehr ein Impuls, Stadtentwicklung und
Sportentwicklung zusammen zu denken. Wege werden zum Joggen oder
Skaten genutzt, Radwege gehören zur
Verkehrsinfrastruktur, aber sind auch
für sportliches Radfahren da. Parks sind
Naherholungsbereiche, bieten aber auch
die Gelegenheit für Outdoorsport. Auch
Spielplätze sind mit Bewegungs- und
Sportmöglichkeiten auszustatten, das
gilt im Übrigen auch für die Erwachsenen. Wir haben vor Kurzem eine Multifunktionsfläche am Alten Hafen in Wismar eingeweiht, die Klettermöglichkeiten sind auch für Erwachsene ausgelegt
und es gibt Platz für Boule und Kubb.
Sehr beliebt sind in Wismar auch die Fitnessgeräte, die im Freien nahe der Seebrücke in Wendorf stehen, die vor allem
für Erwachsene und Senioren gedacht
waren. Diese werden aber von allen Generation, oft sogar gemeinsam, genutzt.
Zentral ist auch, dass man sich gut
überlegt, wie Sportanlagen erstellt werden – und es kann in einigen Fällen helfen, die Nutzerinnen und Nutzer direkt
einzubeziehen. Dies haben wir beispielswiese bei der Skateranlage im Stadtteil
Kagenmarkt getan und es hat sich gelohnt, das zeigt zumindest die ausgiebige Nutzung.
Abschließend möchte ich festhalten,
dass Sportentwicklung Stadtentwicklung ist und umgekehrt, daher gehört
der Sport auch in das Integrierte Stadtentwicklungskonzept, unser oberstes
Planungsinstrument.
FOTO: PRESSESTELLE DER HANSESTADT WISMAR; ANNE K ARSTEN
Nicht nur auf dem Sportplatz
SGK MAGAZIN 1. Quartal | 2023
THEMA VII
Mehr als ein Freizeitangebot:
Schwimmbäder
Politischer Rückhalt und neue Ideen sichern Schwimmangebot
Autor Marius Schmidt, Erster Stadtrat der Stadt Lampertheim und Geschäftsführer der Biedensand Bäder
Lampertheim GmbH
D
ie Tendenzen sind seit Jahren
klar und die Zahlen alarmierend: Die DLRG stuft mehr als
jeden zweiten Zehnjährigen nicht mehr
als sicheren Schwimmer ein. Corona mit
all seinen Einschränkungen verschärfte
diese Lage weiter.
Bädersterben
Notwendige Bedingung für mehr
Schwimmkurse ist genügend Wasserfläche. Sprich: Wir brauchen in Deutschland mehr Schwimmbäder. Aktuell läuft
hier jedoch der gegenläufige Trend: Das
„Bädersterben“. Insbesondere Hallenbäder verschwinden von der Landkarte
und schränken Möglichkeiten für Schulen, Vereine, lokale Volkshochschulen
und Schwimmschulen ein, Schwimmen
lehren zu können.
Grund für die Schließung von Hallenbädern, die zum großen Teil in Deutschland von Kommunen betrieben werden,
sind zumeist hohe Betriebskosten oder
eine anstehende Sanierung, die die jeweilige betreibende Stadt oder Gemeinde nicht mehr stemmen kann. Bäder sind
so genannte dauerdefizitäre Betriebe. Sie
mögen betriebswirtschaftlich Zuschussprojekte sein. Dies in Zeiten steigender
Preise für Wärme, Strom und grundsätzlicher Inflation noch mehr. Volkswirtschaftlich machen sie jedoch Sinn.
Marius Schmidt ist in Lampertheim verantwortlich für den
Bäderbetrieb.
de das Hallenbad aufwendig für 5,3 Millionen Euro energetisch saniert, dazu
wurde das Schwimmerbecken für knapp
250.000 Euro neu gefliest. Der jährliche
Verlustausgleich für die Schwimmbad
GmbH beträgt mittlerweile über 800.000
Euro. Weitere Investitionen stehen an.
Doch das Bad genießt politischen Rückhalt. Ein unschätzbarer Vorteil. Die Entwicklungen, die oben generell beschrieben wurden, sehen wir auch hier: Mittlerweile schwimmt eine Schule aus dem benachbarten Kreis Groß-Gerau in unserem
Bad, Vereine aus Worms, Bürstadt und
Biblis nutzen unsere Bahnen und Becken,
da ihr Bad am eigenen Standort aufwendig saniert wird oder es direkt vor Ort nie
eines gegeben hat. Die Wartelisten für
Kurse aller Art sind auf der anderen Seite
lang. Es wird klar: Wir sind nicht nur das
Lampertheimer Bad, sondern mittlerweile eines für die ganze Region.
Große Nachfrage für Schwimmkurse
Vor diesem Hintergrund gestalten wir
die Gegenwart und die Zukunft: Um die
große Nachfrage nach Schwimmkursen
zu befriedigen, haben wir ins eigene
Personal investiert. Rettungsschwimmer*innen wurden zu Schwimmlehrer*innen ausgebildet. Ferner wurden
gezielt Kooperationen mit Schwimm-
schulen und Vereinen gesucht. So
konnten wir die Zahl der Schwimmkurse im Bad mehr als verdoppeln. Auch
für Kurse wie Aquafitness bildeten wir
eigene Mitarbeiter*innen fort.
Finanzierung
Ferner wurden neue Einnahmequellen
erschlossen: Musikveranstaltungen in
größerer Machart finden im Freibad
gegen Pacht statt, ein Wohnmobilstellplatz wurde angelegt, ebenso der Freibadparkplatz gegen Gebühr als Winterquartier für Wohnwägen und -mobile
zur Verfügung gestellt. Wir haben das
Schwimmbad als Begegnungsraum aufgefasst. Kunstausstellungen finden im
Hallenbad statt, aktuell arbeiten wir an
einem regelmäßigen Kulturprogramm
mit Kabarett fürs ehemalige Hallenbadcafe und an einem Boulder-Cup. Wir
veranstalten ein Freilichtkino zum Ende
der Freibadsaison. Und: Wenn schwimmen für jeden und jede zugänglich sein
soll, muss man dies auch sicherstellen:
Kinder bis einschließlich zehn Jahren
zahlen bei uns keinen Eintritt mehr.
Denn: Je mehr Menschen bei uns heute ins Bad gelockt werden, umso mehr
Menschen werden morgen möglicherweise unsere Badegäste.
Personal
Das neue Problem, das auf den Bädermarkt einwirkt, ist der Fachkräftemangel. Hier gehen wir eigene Wege: Gezielt sprechen wir junge Menschen an,
um bei uns als Rettungsschwimmer im
Sommer etwas Geld zu verdienen. Und
ihnen das Berufsfeld „Fachangestellte für
Bäderbetriebe“ näher zu bringen und im
direkten Gespräch zu überzeugen, die
Ausbildung anzutreten. Das geschieht
mit Erfolg. Ab dem Ausbildungsjahr
2023/24 haben wir parallel vier Azubis.
Notwendig: Bäderbonus
Schwimmen ist gesund
Rehasportangebote im Wasser, Babyschwimmen oder auch Aquafitness
sind präventive Gesundheitsangebote,
die unsere Gesellschaft braucht, um
Menschen fit und in Bewegung zu halten – vom Zusammenhang zwischen
Bewegungsfähigkeit und geistiger Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen
spreche ich hier ebenso.
FOTO: MARIUS SCHMIDT
Schwimmen in Lampertheim
In Lampertheim genießt das knapp 50
Jahre alte kombinierte Hallen- und Freibad eine große Akzeptanz und Beliebtheit in der Bevölkerung. Die Fraktionen
stehen zu „ihrem“ Bad. Gerade erst wur-
Hallenbad in Lampertheim
Zum guten Schluss ein Plädoyer: Das
Land Hessen hat mit Schwimmbadinvestitions- und Modernisierungsprogramm
(SWIM) Investitionshilfe für Neubauten
und Sanierungen in Frei- und Hallenbädern geleistet. Um endlich auch den
Betrieb von Bädern finanziell abzusichern und dem Staatsziel Sport in der
hessischen Verfassung gerecht zu werden, sollte auch im Lande Hessen ein
Bäderbonus wie in Schleswig-Holstein
installiert werden. Dieser sichert über
einen gesonderten Zuschuss im kommunalen Finanzausgleich jenen Kommunen zusätzliche Mittel, die ein eigenes
Schwimmbad betreiben. Dieses Beispiel
sollte bundesweit Schule machen.
VIII THEMA
1. Quartal | 2023 SGK MAGAZIN
Kreissportbund lädt zu
„Pink gegen Rassismus“ ein
Sport ist ein Brückenbauer für gelebte Integration
Autoren Falk Heinrichs, stellvertretender Vorsitzender des Kreissportbundes Siegen-Wittgenstein, Vorsitzender des
Kreisverbandes Siegen-Wittgenstein der SGK NRW,
Micha Sommer, Fachkraft für Integration durch Sport des Kreissportbundes Siegen-Wittgenstein
A
ls Brückenbauer hat Sport eine
Vorbildfunktion für die Arbeit
gegen Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Mit
diesem Bewusstsein lädt der Kreissportbund Siegen-Wittgenstein gemeinsam
mit der Koordinierungsgruppe von „Pink
gegen Rassismus“ und vielen regionalen
Netzwerkpartner*innen am 25.03.2023
zum „Sporttag in Pink (gegen Rassismus)
nach Siegen ein.
Bottom-up Initiave
„Pink gegen Rassismus“ ist eine Initiative, die als bottom-up-Prozess mittlerweile einen festen Platz im westfälischen Sportkalender eingenommen
hat. 2020 startete der Stadtsportbund
Duisburg das erfolgreiche Pilotprojekt,
bei dem heimische Vereine in pinkfarbenen Shirts Stellung gegen Rassismus in den sozialen Medien bezogen.
Im Jahr darauf formten sich sieben
Stadt- und Kreissportbünde, darunter
der Kreissportbund Siegen-Wittgenstein, zur Koordinierungsgruppe „Pink
Und sie alle
vereint die
Freude an Sport
oder Kultur
– und der
Wunsch, sich
aktiv gegen
Alltagsrassismus zu stellen.
Micha Sommer
gegen Rassismus“ zusammen. Das
Ziel: Landesweite Bekanntheit für das
Projekt zu erzielen und ein öffentlichkeitswirksames Sprachrohr zur Verfügung haben, Farbe gegen Rassismus
im Sport zu bekennen. Dies konnte beeindruckend umgesetzt werden: 2021
nahmen an der Aktion 372 Vereine teil,
teils über die Grenzen von NRW hinaus.
Knapp 14.000 Sportler*innen konnte
die Möglichkeit gegeben werden, sich
mit einem pinkfarbenen Artikel (überwiegend T-Shirts) zu positionieren.
Unter dem Hashtag #pinkgegenrassismus wurden fast 1.500 Beiträge gegen
Rassismus auf Instagram veröffentlicht
worden. Stand heute gibt es auf Instagram rund 2.200 Beiträge mit dem
Hashtag #pinkgegenrassismus.
Mit Engagement und Phantasie
Auch in Siegen fand die Initiative großen
Anklang. Zu den jährlichen internationalen Wochen gegen Rassismus im März
2021 und 2022 sendeten insgesamt
4.500 Sportler*innen aus dem Sieger-
Integration erlebbar machen
Um Integration zu leben, soll mit Hilfe der Kooperationspartner*innen und
mit Unterstützung der Firma Bald ein
Bullishuttle eingerichtet werden. Dieser soll geflüchteten Jugendlichen und
geflüchteten jungen Erwachsenen aus
Erstaufnahmeeinrichtungen die Teilnahme am Sporttag ermöglichen. Auch
kulinarisch soll der Tag ein besonderes
Highlight bieten. Wir sind hier im Gespräch mit mehreren Migrant*innenSelbstorganisationen, ob sie Interesse
haben, landestypisches Essen anzubieten. Über die unterschiedlichen Angebote und eingebundenen Partner*innen sollen so möglichst viele Menschen
in Kontakt kommen, die sich vorher
noch nie oder nur selten begegnet
sind. Und sie alle vereint die Freude an
Sport oder Kultur – und der Wunsch,
sich aktiv gegen Alltagsrassismus zu
stellen.
Viel Rückhalt für das Projekt gibt es
auch seitens des Vorstands des Kreissportbundes. Gerade Deutschland als
Einwanderungsland ist auf gelungene
Integration angewiesen. Hierbei bietet
der Sport besondere Anknüpfungspunkte. Sport vermittelt Toleranz, Fair
Play und Teamgeist!
FOTO: KREISSPORTBUND DES KREISES SIEGEN-WITTGENSTEIN
Am 25.3.2023 findet der „Sporttag in Pink” in Siegen statt.
land und Wittgenstein Botschaften in
pinkfarbenen Shirts, um Farbe gegen
Alltagsrassismus zu bekennen. Aus den
Beiträgen gestaltete der Kreissportbund
eine Wander-Ausstellung mit 18 Rollups,
die die Einsendungen der Vereine dokumentierte und Informationen rund um
gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bot.
Im März 2023 hat sich der Kreissportbund Siegen-Wittgenstein nun
besonders Großes vorgenommen: Im
von der Stiftung „Anstoß zum Leben“
errichteten Teamsportpark Siegerland
findet dann ein buntes Programm aus
sportlichen, kulturellen und musikalischen Angeboten sowie diversen
Workshops statt. „Für den sportlichen
Anteil bieten wir ein Nachwuchs-Rudelturnen, bei dem junge Trainer*innen ihr
Fitnessangebot auf der Bühne im Rampenlicht anleiten können. Außerdem
haben wir ein Bubble Soccer-Turnier
geplant“, erzählt Micha Sommer, Fachkraft für Integration durch Sport beim
Kreissportbund Siegen-Wittgenstein.
„Darüber hinaus bieten wir kostenfreie
Workshops, die sich mit Rassismus
oder dem Umgang mit Hate Speech
beschäftigen sowie ein Kulturzelt mit
Künstler*innen aus der Region, eine
Ausstellung und noch einiges mehr.“
SGK MAGAZIN 1. Quartal | 2023
THEMA IX
Diana Stachowitz, sportpolitische Sprecherin der bayerischen SPD-Landtagsfraktion, setzt sich intensiv für die Sportförderung im Freistaat
ein.
Breitere Unterstützung
für den Sport!
Unsere Forderungen als SPD-Fraktion
im bayerischen Landtag
Autorin Diana Stachowitz, MdL, sportpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Bayern
FOTO: DIANA STACHOWITZ
D
er Sport steht derzeit vor einem
weiteren Jahr mit großen Herausforderungen. Angesichts
der gestiegenen Energiekosten sind viele
Vereine und Kommunen auf finanzielle
Unterstützung angewiesen. Besonders
für die Sportlerinnen und Sportler, die
Kinder und Jugendlichen aber auch für
den Rehasport gilt es deshalb für ausreichend Unterstützung zu sorgen. Schon
allein durch die Pandemie ist ein großer
Bewegungsmangel entstanden, der für
Klein und Groß gesundheitliche Schäden
haben kann. Schon seit Jahren setze ich
mich für den Sport in Bayern ein – zuerst
im Münchner Stadtrat und seit 2008 im
Bayerischen Landtag bei der SPD-Landtagsfraktion.
Deshalb haben wir als bayerische
SPD-Landtagsfraktion bereits im Jahr
2022 einige Anträge auf den Weg gebracht:
1. Wir fordern die Grundfinanzierung
der Vereine ein weiteres Jahr durch die
Verdopplung der Vereinskostenpauschale zu stärken. Auch wenn die Verdopplung noch lange nicht ausreichend
sein wird, um die Arbeit der Sport- und
Schützenvereine insgesamt und langfristig zu stabilisieren, ist sie doch eine erste
Maßnahme, um finanzielle Hilfen sofort
zur Verfügung zu stellen.
Die Sportvereine dürfen
nicht alleingelassen
werden.
Diana Stachowitz
2. Wir fordern für besitzende Vereine
und für Vereine, die Sportstätten von
Kommunen nutzen, eine deutliche Entlastung von den Energiekosten als zusätzliches Unterstützungsprogramm in
Ergänzung des Gaspreisdeckels auf Bundesebene auf den Weg zu bringen. Denn
so wichtig es ist, Energie zu sparen, dürfen wir nicht den Fehler machen, dass
Sport in den Vereinen für die Menschen
finanziell unerschwinglich wird oder
unsere Sportstätten sogar geschlossen
werden müssen.
3. Wir fordern für die besonders energieintensiven Sportarten Schwimmen
und Eissport ein eigenes Konzept und
finanzielles Unterstützungsprogramm
durch den Freistaat Bayern, um die
Kommunen in die Lage zu versetzen, die
Schwimmhallen offen zu halten und die
Eisflächen herzustellen, die für den Vereins- und Breitensport nötig sind.
Deutlich ist, dass die Sportvereine
nicht allein gelassen werden dürfen.
Die SPD-Landtagsfraktion setzt daher
auch im Jahr 2023 auf finanzielle Maßnahmen zur Unterstützung der Vereine. Ziel ist es auch, dass die Kommunen und Gemeinden eine verlässliche
finanzielle Unterstützung zur Sportentwicklung und -erhaltung bekommen.
Dies stellt kurzfristige Lösungen wie
beispielsweise eine unbürokratische
Energiekostenpauschale und Zuschüsse für die Betriebsmittel zum Betreiben
der Schwimmbäder aber auch langfristige Lösungen wie die Förderung der
Übungsleiter*innen. Deshalb darf der
Sport keine freiwillige Leistung mehr
darstellen – vielmehr muss der Sport
fest verankert werden. Der Freistaat
Bayern muss deshalb dafür Sorge tragen, dass der Sport durch die finanzielle Förderung gesichert ist – auch aufgrund der vielen gesundheitlichen Aspekte. Abschließend möchte ich mich
bei allen ehrenamtlichen Helferinnen
und Helfer bedanken, die maßgeblich
für den Zusammenhalt im Sport verantwortlich sind. Ohne sie wäre vieles
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X THEMA
1. Quartal | 2023 SGK MAGAZIN
Sport in den Schulen wichtig
für soziale Kompetenz und Fairplay
Die Schulsportinitiative Rheinland-Pfalz will mehr Bewegung in den Unterricht bringen
Autorin Dr. Stefanie Hubig, Bildungsministerin Rheinland-Pfalz
S
chon die alten Römer haben es
gewusst: „Mens sana in corpore
sano.“ Ein gesunder Geist soll in
einem gesunden Körper wohnen. Was
vor 2000 Jahren richtig war, gilt heute
natürlich genauso – oder vielleicht sogar mehr denn je. Sportunterricht hat
in unseren Schulen einen ganz hohen
Stellenwert. Bei den Schülerinnen und
Schülern gilt er völlig zurecht als eines
der beliebtesten Fächer. Und er vermittelt so vieles, was für junge Menschen
wichtig ist und ein Leben lang wichtig
bleibt: Freude und Spaß an Bewegung,
soziale Kompetenzen und Fairplay, die
Fähigkeit, gemeinsam Entscheidungen
zu treffen, verantwortliches Handeln,
auf sich selbst und auf andere zu achten,
indem man die Regeln einhält. Sportunterricht besticht zudem durch Vielfalt:
Hier können Schülerinnen und Schüler
ihre individuellen Neigungen und Fähigkeiten entdecken, trainieren und perfektionieren. Bewegung, Spiel und Sport
sind einfach unverzichtbar.
Ich bin deshalb besonders froh, dass
wir die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie auch und gerade im
Sportunterricht hinter uns lassen konn-
ten. Klar ist aber auch: Kinder und Jugendliche haben sich in dieser Zeit zu
wenig bewegt, deshalb müssen wir hier
im wahrsten Sinne des Wortes „am Ball
bleiben“. Um die Folgen der Pandemie
abzufedern, haben das Ministerium für
Bildung und seine Partner – die Unfallkasse RLP, das Pädagogische Landesinstitut und die Schulaufsicht – im Sommer
2022 die Schulsportinitiative RheinlandPfalz ins Leben gerufen. Sportunterricht
sicherstellen und verbessern – dafür haben wir konkrete Maßnahmen auf den
Weg gebracht, zum Beispiel das interaktive Arbeitsheft „Mein Sportbuch“ für
die Grund- und Förderschulen oder das
Online-Tool „schulsportideen.de“.
6.000 Sportlehrkräfte
Mit Blick auf unsere Bemühungen um
guten Schulsport ist es wichtig, dass
Rheinland-Pfalz gut mit Sportlehrkräften versorgt ist: Im Schuljahr 2020/2021
waren fast 6.000 Lehrkräfte hauptamtlich mit der Lehrbefähigung Sport beschäftigt. Zudem bilden wir mit unseren
Partnern Lehrkräfte in der Reihe WidiS
(„Wege in den inklusiven Sportunterricht“) weiter. Hier werden Lehrkräfte
Sport zieht sich
wie ein roter
Faden durch
unsere gesamte
Bildungskette
und soll zum
Leben von
Kindern,
Jugendlichen
und Erwachsenen gehören.
Dr. Stefanie Hubig
Schwimmsport schwierig
Ein besonderes Augenmerk legt die Landesregierung auf das Schwimmen – ein
wichtiges, aber kein einfaches Thema.
Die Förderung der Schwimmfähigkeit ist
im Koalitionsvertrag vereinbart worden
und wird durch zahlreiche Maßnahmen
unterstützt. Kooperation mit der DLRG,
Förderung von Ferienschwimmkursen,
Runde Tische zur Überwindung von lokalen Hürden wie fehlenden Wasserflächen und Fortbildungen für Lehrkräfte
sind Inhalte des Maßnahmenkataloges.
Sport beginnt natürlich nicht erst in
der höheren Schule: Bewegungskitas für
die Kleinsten, Partnerschulen für Bewegung, Spiel und Sport im Primarbereich
und Partnerschulen des Sports bzw.
des Leistungssports an den weiterführenden Schulen sind Stationen in einem
hoffentlich bewegten Leben – denn bei
uns zieht sich Sport wie ein roter Faden
durch die gesamte Bildungskette. Auch
in Zukunft soll Sport bei uns vom Start
weg in der Spitzengruppe mitmischen.
FOTO: BILDUNGSMINISTERIUM RHEINLAND-PFALZ
Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig bei der Preisübergabe an erfolgreiche Teilnehmer beim Wettbewerb „Jugend trainiert für Olympia
und Paralympics”.
auf ihren Einsatz im Sportunterricht vorbereitet und können dort auch die Lehrbefähigung Sport erhalten.
Da Schulsport aber mehr ist als die
einzelne Sportstunde, arbeiten wir nicht
nur bei der Schulsportinitiative mit vielen starken Partner zusammen, wie zum
Beispiel dem Landessportbund. Im Programm „Sport in Schule und Verein“,
gibt es über den Ganztagschulbetrieb hinaus rund 420 Kooperationen. Im Ganztagschulbetrieb selbst verzeichnen wir
aktuell 533 Sportvereinskooperationen.
Das Programm „Sportfinder“ mit rund
70 niederschwelligen Kooperationsveranstaltungen zwischen Schulen und Vereinen ergänzt diese Zusammenarbeit.
Abgerundet wird unser SchulsportAngebot durch zahlreiche Wettkampfformate. „Jugend trainiert für Olympia
& Paralympics“, Grundschulwettbewerbe, der Schülerstaffellauf im Rahmen
des Mainzer Gutenberg-Marathons und
Aktivitäten der Initiative „Land in Bewegung“ gehören zum festen Bestandteil
des Schulsports.
SGK MAGAZIN 1. Quartal | 2023
THEMA XI
Wiederaufbau der
Sportstätten im Ahrtal
SPORT
Schadenssumme bei 200 Millionen Euro
Interview Wolfgang Kröhler, SGK Rheinland-Pfalz
SPORTSTÄTTEN
IM AHRTAL
D
ie Schäden durch die Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021
waren derart massiv, dass der
Wiederaufbau noch voll im Gange ist
und wahrscheinlich noch Jahre dauern wird. Große Teile der Infrastruktur
wurden zerstört. Sehr stark betroffen
waren auch Sportanlagen von Gemeinden, Vereinen und Schulen. Zum
Wiederaufbau der Sportstätten im
Ahrtal nachfolgend ein Interview mit
Nicole Steingass, Staatssekretärin
im rheinland-pfälzischen Innenministerium und dort zuständig für den
Wiederaufbau im Katastrophengebiet.
FOTOS: SGK-ARCHIV; INNENMINISTERIUM RLP/SCHOMBARA
Wie viele Sportstätten wurden
durch die Flut zerstört bzw. vorübergehend unbenutzbar gemacht?
Der Landkreis Ahrweiler hat in seinem
Maßnahmenplan über 40 Sportstätten
aufgeführt, die im Zuge der verheerenden Naturkatastrophe im Juli 2021
beschädigt oder gänzlich zerstört wurden. Darunter befinden sich klassische
Sportplätze und Sporthallen ebenso
wie Schwimmbäder, Vereinsanlagen
von Schützen und Tennisspielern, aber
auch ein Basketballfeld oder eine Minigolfanlage. Die Schadenssumme für die
Sportstätten beträgt rund 200 Millionen Euro.
Wie stark betroffen waren Schulsportanlagen?
Bei 17 Schulen im Landkreis Ahrweiler
sind Sportanlagen betroffen, die teilweise von mehreren Schulen genutzt werden. Daneben werden Schulturnhallen
oft auch von unterschiedlichsten Vereinen frequentiert. Deshalb wiegt der Verlust gleich doppelt schwer. Andererseits:
Viele Schulen haben auch Sportplätze
genutzt, die von den Gemeinden und
Vereinen unterhalten werden und daher
nicht unmittelbar unter die Begrifflichkeit Schulsportanlage fallen. Man kann
aber sagen: Sowohl der Schul- als auch
der Vereinssport im Ahrtal wurden von
den Folgen der Flut stark in Mitleidenschaft gezogen. Interimsmaßnahmen,
die zu 100 Prozent aus dem Wieder-
40
Sportstätten wurden zerstört,
davon 17 an Schulen.
12
Anträge zur Wiederherstellung
wurden gestellt, acht davon
sind bereits für 4,8 Millionen
Euro genehmigt.
Bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 wurden hunderte Gebäude wie in Herrnstein zerstört, darunter
auch Schulen und Sportanlagen. Der Wiederaufbau wird Jahre dauern und Milliarden von Euro kosten.
aufbaufond finanziert werden können,
werden helfen, den Schulsport zu gewährleisten, bis dauerhafte Lösungen
umgesetzt wurden.
Wie ist der aktuelle Stand der Wiederaufbaumaßnahmen?
Der Schulsport und viele Sportvereine
sind oft noch auf Provisorien angewiesen, die aus Mitteln des Wiederaufbaufonds finanziert wurden oder weichen
zu Nachbarvereinen aus, die in großer
Zahl ihre Unterstützung angeboten
haben. Komplett renoviert werden
konnte bisher aber eine Sporthalle in
Ahrweiler, die von der Flut schwer beschädigt wurde. Fast 1,3 Millionen Euro
wurden aus dem Wiederaufbaufonds
dafür freigegeben. Kurz gesagt: Es
geht jeden Tag voran, aber vieles liegt
noch vor uns. Wiederaufbau oder Neubau sind aber auch Fragen der kommunalen Selbstverwaltung. Vielerorts
haben Stadt- und Gemeinderäte in den
vergangenen Monaten entschieden,
was, wo und wie wiedererrichtet oder
saniert werden soll. Der Wiederaufbau
der kommunalen Infrastruktur betrifft
ja nicht ausschließlich Sportstätten,
sondern ist breit gefächert. Der wiederkehrende Begriff der vor uns liegenden „Mammutaufgabe“ trifft es daher
QUELLE: INNENMINISTERIUM RHEINLANDPFALZ
ganz gut. Sportstätten sind aber auch
Teil der sozialen Infrastruktur. Allen am
Wiederaufbau beteiligten Akteuren ist
bewusst, welche Wertigkeit der Sport,
als verbindendes gesellschaftliches Element innehat und dass er durch seine
integrative Kraft für das Wohlergehen
unseres Gemeinwesens von herausragender Bedeutung ist.
Wie viel Geld hat das Land mittlerweile schon in die Sportanlagen investiert?
Bisher wurden 12 Anträge auf Förderung zur Wiederherstellung der genannten Sportstätten beim Land eingereicht.
Hiervon wurden bisher acht Anträge in
Höhe von rund 4,8 Millionen Euro bewilligt. Die Bewilligung eines weiteren
Antrages über rund zehn Millionen Euro
für den Wiederaufbau einer Sporthalle
in Sinzig wird zeitnah erfolgen. Diese
Anträge müssen übrigens nicht vor der
Durchführung der Maßnahme gestellt
werden. Mit der Umsetzung der Maßnahmen kann schon vorher begonnen
werden. Sie können auch schon abgeschlossen worden sein, ohne dass bisher ein Antrag auf Förderung vorgelegt
wurde. So konnte im Grunde schon seit
Herbst 2021 mit dem Wiederaufbau begonnen werden.
Wir haben
die Rahmenbedingungen für
den Wiederaufbau von Sportanlagen so
angepasst,
dass er in
zeitgemäßer
Art und Weise
erfolgen kann.
Staatssekretärin
Nicole Steingaß, Beauftragte
für den Wiederaufbau im
Ahrtal
Es ist wichtig, dass die Menschen schon im Kindesalter Spaß am Sport entwickeln. Die SPD-Bundestagsfraktion will das unterstützen.
Deutschland wieder
in Bewegung bringen
Die SPD-Bundestagsfraktion will mit einem Entwicklungsplan
mehr Menschen für Sport begeistern
Autorin Sabine Poschmann, MdB, Sportpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion
D
ie Bedeutung von Sport und Bewegung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Nicht
nur für die Gesundheit jedes Einzelnen,
sondern auch für den Zusammenhalt der
ganzen Gesellschaft. Denn Sport fördert
das Miteinander und bringt die unterschiedlichsten Menschen zusammen.
Die Vorteile von Sport liegen auf der
Hand. In der Realität sieht es jedoch so
aus, dass sich Deutschland zu wenig
bewegt. Weniger als ein Drittel der Bevölkerung erfüllt die nationalen Bewegungsempfehlungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Die
Corona-Pandemie hat diesen Trend noch
verstärkt. Es besteht politischer Handlungsbedarf. Die SPD-Bundestagsfraktion
möchte Impulse geben, um Deutschland
wieder in Bewegung zu bringen.
Bereits im Koalitionsvertrag wurde die
Erarbeitung eines „Entwicklungsplans
Sport“ vereinbart. Er soll verschiedene
Maßnahmen bündeln, um mehr Menschen für Sport und Bewegung zu begeistern. Dies kann nur gelingen, wenn
Sport als Gemeinschaftsaufgabe begriffen wird: Verschiedene Ressorts und
alle politischen Ebenen müssen einbezogen werden. Vor diesem Hintergrund
fand im Dezember in Berlin unter der
Federführung von Sportministerin Nancy
Faeser und Gesundheitsminister Karl
Lauterbach ein großer Bewegungsgipfel
statt. Hier kamen alle wichtigen Akteure
zusammen: Politik aus Kommunen, Ländern und Bund sowie die Sportverbände.
Der Gipfel diente als Auftakt für den nun
folgenden Prozess, in dem wir den Entwicklungsplan Sport erarbeiten werden.
Drei zentrale Punkte
Der SPD-Bundestagsfraktion sind dabei
drei Punkte besonders wichtig:
Erstens: Damit mehr Menschen
Sport treiben, brauchen wir vor Ort in
Damit mehr
Menschen
Sport treiben,
brauchen wir
vor Ort in den
Kommunen
eine moderne,
barrierefreie
und attraktive
Infrastruktur.
Sabine Poschmann
den Kommunen eine moderne, barrierefreie und attraktive Infrastruktur.
Das gilt einerseits für Sportstätten wie
Schwimmbäder, Sportplätze und Sporthallen, wo oftmals die klassischen Sportvereine ansässig sind. Als Bund unterstützen wir die Kommunen mit einem
milliardenschweren Programm, um dringend benötigte Sanierungen in Angriff
zu nehmen. Das Programm wollen wir
ausbauen und noch besser mit Ländern
und Kommunen zusammenarbeiten.
Immer mehr Menschen treiben jedoch
auch unabhängig von Vereinen Sport.
Daher müssen wir auf der anderen Seite zusätzlich einen großen Fokus auf die
Schaffung von Bewegungsräumen in
den Städten und Gemeinden legen, die
für alle individuell und zeitlich flexibel
zugänglich sind.
Wir müssen zweitens dafür sorgen,
Bewegung und Sport für alle Menschen
in Deutschland einfach erreichbar zu
machen – unabhängig von Herkunft,
Geschlecht, Alter, finanziellen Möglichkeiten oder körperlichen Fähigkeiten.
Hier haben wir Nachholbedarf. Noch
immer sind beispielsweise Frauen und
Menschen mit Migrationshintergrund
in Sportvereinen unterrepräsentiert. Wir
müssen die Einstiegshürden identifizieren und abbauen. Zudem müssen wir
passgenaue Angebote für ältere Menschen schaffen, besondere Anforderungen für Menschen mit Behinderungen
immer mitdenken und Kinder bereits in
Kita und Schule für Sport begeistern.
Der dritte wichtige Punkt ist das Thema Ehrenamt. Bereits vor der Pandemie
gab es die Entwicklung, dass sich immer weniger Menschen ehrenamtlich in
Sportvereinen engagieren. Wir brauchen
eine Trendwende, denn ein breites und
vielfältiges Angebot können Sportvereine nur ermöglichen, wenn es genügend
Menschen gibt, die Kurse und Trainingseinheiten leiten. Das als Unterstützung
nach der Corona-Pandemie aufgelegte
ReStart-Programm hilft Vereinen bei
der Gewinnung von Übungsleiterinnen
und -leitern und ist ein erster wichtiger
Schritt. Im Zuge des „Entwicklungsplans
Sport“ wollen wir aber weitere Maßnahmen herausarbeiten, um das Ehrenamt
wieder attraktiver zu machen.
Unser Ziel ist es, alle diese Punkte mit
konkreten Maßnahmen zu unterfüttern,
zu bündeln und so in diesem Jahr den
Startschuss für eine Bewegungsoffensive
zu geben. Wenn Bund, Länder und Kommunen gemeinsam mit den Sportverbänden an einem Strang ziehen, haben
wir die Chance, Deutschland nachhaltig
fit zu machen!
FOTO: UTE GRABOWSKY/PHOTOTHEK.NET
1. Quartal | 2023 Anzeigen-Sonderveröffentlichung
1. Quartal | 2023 Anzeigen-Sonderveröffentlichung
Zusammenhalt macht stark
Die SPD-Bundestagsfraktion treibt einen Paradigmenwechsel
in der Migrations- und Integrationspolitik voran
Autor Prof. Dr. Lars Castellucci, MdB, Migrationspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
A
Wir sorgen
für geregelte
Einwanderung
zum Wohle
aller Beteiligten.
Lars Castellucci
FOTO: INGA K JER /PHOTOTHEK.NET
ls SPD-Bundestagsfraktion arbeiten wir für ein gutes Zusammenleben aller Menschen in
Deutschland, das macht unser Verständnis von Integration aus. Dieses Zusammenleben in Vielfalt funktioniert im Alltag
ziemlich gut, ob in den Kindertagesstätten, in den Betrieben oder beim Sport.
Es bleibt allerdings eine Daueraufgabe.
Und der Angriffskrieg Russlands auf die
Ukraine stellt uns auch in diesem Bereich
vor große Herausforderungen.
Etwa eine Million Menschen aus der
Ukraine, vor allem Frauen und Kinder,
sind seit Beginn des Krieges vor einem
Jahr nach Deutschland gekommen. Für
sie braucht es Unterbringung, Sprachkurse, Zugang zu Bildung, Arbeit. Das
erfordert einen gemeinschaftlichen Kraftakt aller Ebenen, von Haupt- und Ehrenamt. Vor Ort in den Kommunen wird mit
größter Anstrengung gearbeitet, damit
Ankommen und Einleben gelingen, vor
allem Wohnraum ist ein knappes Gut.
Dabei sind viele Kommunen schon heute am Limit. Sie sind unterfinanziert, zum
Teil hoch verschuldet, und alles kommt
bei ihnen an. Hier gibt es ganz grundsätzlichen Handlungsbedarf. Im Koalitionsvertrag haben wir uns auf eine Lösung der
Altschuldenproblematik verständigt. In
der aktuellen Situation unterstützen wir
seitens des Bundes, indem wir die Kos-
Wer sich zu unserem Land bekennt, soll leichter die Staatsbürgerschaft erhalten.
tenbeteiligung des Bundes an den flüchtlingsbezogenen Aufwänden der Länder
und Kommunen verstetigen, Bundesimmobilien zur Verfügung stellen und Integrationskurse finanzieren. Darüber hinaus
ist es Aufgabe des Bundes, steuernd und
ordnend in das Migrationsgeschehen einzugreifen, wo das sinnvoll und möglich
ist. Im vergangenen Jahr hat beispielsweise auch die irreguläre Migration über
die sogenannte Balkanroute wieder zugenommen. Oftmals folgen Menschen
falschen Versprechungen und machen
sich auf den Weg, obwohl sie keine realistische Aussicht auf einen Schutzstatus
haben und in einer Sackgasse landen. Es
ist Ziel der Regierung, die irreguläre Migration zu reduzieren. Dazu müssen wir
den Menschen auch Alternativen bieten.
Als führende Kraft im Deutschen Bundestag können wir endlich umsetzen,
was wir uns schon lange vorgenommen
haben. Wir sorgen für geregelte Einwanderung zum Wohle aller Beteiligten – zum
Wohle der Menschen, die wandern, zum
Wohle der Menschen, die zurückbleiben
und etwa von Rücküberweisungen ihrer
Landsleute profitieren, und auch zum
Wohle von uns, denn der Mangel an
Arbeitskräften ist eine Wachstumsbremse
für unser Land.
Mit der Einführung des Chancen
aufenthaltsrechts haben wir den im Koalitionsvertrag versprochenen Neuanfang
in der Migrationspolitik eingeleitet. Viele
Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus sind schon längst gut angekommen. Wer fünf Jahre hier war, sich anstrengt und nichts zu Schulden kommen
lässt, soll eine Chance erhalten, hier zu
bleiben – davon profitieren über 130.000
Menschen. Damit beenden wir die unsichere Lage der Menschen, die sich von
Duldung zu Duldung hangeln müssen,
und geben ihnen eine echte Perspektive
in Deutschland – und ihren Arbeitgebern.
Deutschland war über Jahrhunderte
ein Land, aus dem Menschen auswandern mussten. Was für eine Auszeichnung für unser Land, dass wir zu einem
Einwanderungsland geworden sind. Dieser nicht ganz so neuen Wirklichkeit, die
immer noch nicht von allen geteilt wird,
müssen wir endlich besser gerecht werden. Bis 2060 werden es nach heutigen
Schätzungen ein Drittel weniger Menschen sein, die dem Arbeitsmarkt zur
Verfügung stehen. Wir haben auch große inländische Potenziale, sind aber auf
Zuzug von außen angewiesen. Sonst ist
unser Wohlstand nicht zu halten und die
Daseinsvorsorge, nicht zuletzt eine gute
Versorgung im Alter, nicht zu gewährleisten. Anders als landläufig angenommen,
sind wir dabei nicht das Zielland Nr. 1.
Wir stehen im harten Wettbewerb um
die Arbeitskräfte, die wir hier benötigen,
und zwar mit Ländern, die eine einfachere Sprache, besseres Wetter und, ja, auch
mehr Offenheit gegenüber Menschen aus
anderen Ländern zeigen. Debatten um
Vornamen oder „kleine Paschas“ leisten
uns hier einen Bärendienst.
Bessere Regeln zur Einwanderung gehen wir in diesem Jahr an, erleichtern
Arbeitskräftemigration und verbessern
die Anerkennung sowohl von Arbeitserfahrung als auch von Berufsabschlüssen
– das dient auch vielen, die schon lange
hier sind.
Wir unterstützen darüber hinaus,
wenn sich Menschen zu unserem Land
bekennen und integrieren wollen, indem
wir den Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft erleichtern. Das Zusammenleben gelingt am besten mit gleichen Rechten und Pflichten für alle. Anstatt nach
acht Jahren sollen Menschen zukünftig
bereits nach fünf Jahren eingebürgert
werden können, wie das in vielen anderen Ländern üblich ist – bei besonderen
Integrationsleistungen auch nach drei
Jahren. Wir bekennen uns klar zum Prinzip
der Mehrstaatigkeit, wie dies bereits bei
EU-Bürger*innen möglich ist. Wir wollen
die Mehrstaatigkeit generell auch für all
jene ermöglichen, die die Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllen. Mehr
als zehn Millionen Menschen leben in
Deutschland ohne deutsche Staatsbürgerschaft, obwohl über die Hälfte von ihnen
bereits seit mehr als zehn Jahren bei uns
ist. Insbesondere für die erste Generation
der damals sogenannten Gastarbeiter*innen sind die Hürden für die Einbürgerung
bislang zu hoch. Sie haben unser Land mit
aufgebaut, der Wohlstand unseres Landes ist ohne ihren Anteil nicht denkbar,
aber es gab kaum Hilfen oder Angebote
zur Integration. Sie haben Anerkennung
verdient und die Möglichkeit, hier voll teilzuhaben und wählen zu können.
V.i.S.d.P.:
Josephine Ortleb MdB, Parlamentarische Geschäftsführerin,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Tel.: (030) 227-744 20,
josephine.ortleb@spdfraktion.de
XIV LANDES-SGK
1. Quartal | 2023 SGK MAGAZIN
Für eine barrierefreie Mobilitätswende
Wie blinde und sehbehinderte Personen profitieren und wo
Herausforderungen liegen
Autor Peter Woltersdorf, Sachverständiger für barrierefreies Bauen beim Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin (ABSV)
und Talk-Back (Android) eines hohen
Lernaufwandes, ist aufwändig und im
lauten Verkehrsalltag auch oft schwer
hörbar. Auch bei Fahrgastinformation
wird immer mehr auf App-basierte Lösungen gesetzt. Die Digitalisierung der
Angebote darf nicht ausgerechnet die
Personengruppen abhängen, die von
der Mobilitätswende besonders profitieren könnten.
MOBILITÄT
Neue Mobilität – nicht nur Vorteile
Zum anderen sind On-Demand-Angebote kritisch, da sie häufig auf „virtuelle Haltestellen“ setzen. Was für die
meisten Nutzer*innen hilfreich ist, stellt
blinde und sehbehinderte Fahrgäste
vor erhebliche Probleme: Wie sollen
sie feststellen können, wo das bestellte
Fahrzeug hält, wenn Auffindestreifen
wie an Bushaltestellen fehlen? Noch
problematischer wird es, wenn künftig nicht mal mehr Fahrer oder Fahrerin helfen können, weil die Fahrzeuge
autonom unterwegs sind.
Sorgen bereitet blinden und sehbehinderten Fußgänger*innen aber vor
allem die gewollte und natürlich auch
sinnvolle Steigerung des Radverkehrs.
Wird der Konflikt zwischen Rad- und
KFZ-Verkehr zu Lasten des Fußverkehrs
Weitere
Informationen
Im Herbst 2022 hat der ABSV
eine Verbandsklage für freie
Gehwege eingereicht
https://www.absv.de/presse
Die SGK Berlin hat sich bereits
im Juli 2022 in ihrem Forum
mit dem Thema beschäftigt:
sgk-berlin.de
Leider noch viel zu selten: Mit Fußgängerüberweg gesicherte Querung über einen
Radweg.
aufgelöst: wie bei der Freigabe des
rechtsabbiegenden Radverkehrs durch
den Grünen Pfeil, sind Fußgänger*innen gefährdet, die die Straße bei Grün
queren wollen - da hilft auch die leider
viel zu seltene Ausstattung der Ampeln
mit akustischen Signalen nichts. Die
Führung des Radverkehrs im Bereich
von Bus- und Straßenbahnhaltestellen
durch den Wartebereich oder zwischen
Wartebereich und Gehweg hindurch,
negiert die Konflikte mit aussteigenden
Fahrgästen und potentiellen Fahrgästen, die zum Wartehäuschen wollen.
Erschwerend kommt hinzu, dass der
Radverkehr lautlos ist und es damit
keine Möglichkeit gibt, Lücken zum
Queren von Radwegen, Fahrradstraßen
oder gar Radschnellverbindungen zu
hören. Die gestiegene Geschwindigkeit
und das größere Gewicht von E-Bikes
und Lastenrädern erhöhen die Gefahr
erheblich. Eine Forderung des ABSV ist
es daher, auch über Radwege hinweg
Fußgängerüberwege („Zebrastreifen“)
anzulegen und so insbesondere blinden
und sehbehinderten Menschen dort
Vorrang zu gewähren.
Verkehrssicherheit beachten
Bei Mischverkehrsflächen wie Shared
Spaces oder Begegnungszonen wird auf
gegenseitige Rücksichtnahme gesetzt,
dabei entstehen leider schnell „No-GoAreas“ – Gegenden, die blinde und sehbehinderte Verkehrsteilnehmer*innen
meiden, weil sie sich eben nicht über
Vorfahrtregelungen per Blickkontakt
abstimmen können. Werden dann auch
noch Verkehrsmittel wie E-Tretroller im
Free-Floating-Verleihsystem von der
Politik als Teil der Mobilitätswende angepriesen, von den Nutzern aber rücksichts- und gedankenlos überall im Weg
abgestellt, dann ergibt sich für schwächere Verkehrsteilnehmer*innen leider
ein fader Beigeschmack der Mobilitätswende.
Nur wenn Barrierefreiheit, Verkehrssicherheit und gegenseitige Rücksichtnahme stimmen, dann kann und wird
die Mobilitätswende für alle erfolgreich
werden.
FOTO: PETER WOLTERSDORF, ABSV
W
enn von der Mobilitätswende die Rede ist, wird
vor allem an die Förderung
des Radverkehrs und die Attraktivitätssteigerung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) gedacht. Beides
sind wichtige Eckpfeiler zur Verschiebung – vom Motorisierten Individualverkehr (MIV) hin zum Umweltverbund
bestehend aus ÖPNV, Radfahren und
zu Fuß gehen. Jeder Mensch ist unabhängig vom vorrangig benutzten Verkehrsmittel im Straßenverkehr immer
mal zu Fuß unterwegs, der Fußverkehr
ist daher in Großstädten die häufigste
Verkehrsart.
Blinde und sehbehinderte Menschen
haben im Gegensatz zu allen anderen
Verkehrsteilnehmer*innen dabei aber
keine Auswahlmöglichkeit: Sie können
für ihre Mobilitätsbedürfnisse nicht
einfach eigenständig auf das Fahrrad
oder auf Car-Sharing-Fahrzeuge umsteigen. Sie sind damit auf den ÖPNV
und das Zu-Fuß-Gehen angewiesen
und profitieren daher von allem, was
diese Verkehrsarten verbessert und sicherer macht. Gleichzeitig gehören sie
aufgrund der fehlenden Blickverständigung zu den schwächsten und vulnerabelsten Verkehrsteilnehmer*innen.
Es ist daher nachvollziehbar, dass
diese Personengruppe ganz besonders
von einer Reduzierung des KFZ-Verkehrs
und von Verbesserungen im ÖPNV, wie
höhere Taktfrequenzen, dichtere Haltestellenabstände und vor allem durchgängige Barrierefreiheit profitiert. Insofern sind die Ziele der Mobilitätswende
zu begrüßen.
Aber es gibt auch Aspekte, die künftig die ÖPNV-Nutzung komplizierter
werden lassen: Vor allem On-DemandAngebote, die erst auf Bestellung fahren, sind problematisch.
Schon die Buchung der Fahrt ist
schwierig, wenn sie ausschließlich über
Apps möglich ist. Aufgrund der hohen
Altersstruktur unter blinden und sehbehinderten Menschen ist der Anteil der
Smartphone-Nutzer geringer, zudem
bedarf die Bedienung mit akustischen
Hilfsfunktionen wie Voice-Over (iOS)
Der Wandel kommt
überall hin. Gut, dass
wir schon da sind.
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Auf dem Weg in eine nachhaltigere Zukunft kann ganz
Deutschland auf die Unterstützung der SparkassenFinanzgruppe zählen. Mit der größten Finanzierungssumme für den Mittelstand und als Partnerin von
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XVI LANDES-SGK
1. Quartal | 2023 SGK MAGAZIN
Jubiläum im altehrwürdigen Ständesaal des
Schleswiger Rathauses
Autor Oliver Schmidt-Gutzat, stellv. Vorsitzender der SGK Schleswig-Holstein,
Bürgermeister von Heide
E
Klaus Nielsky, früherer SGKLandesvorsitzender und
Bürgermeister a.D. der Stadt
Schleswig, bei seinem Redebeitrag.
twa 35 Kommunalpolitiker:innen
und Bürgermeister:innen, aber
auch Vertreter:innen der Landesebene sowie der Bundes-SGK, sind der
Einladung nach Schleswig am 5. November 2022 gefolgt, um an die Wurzeln der
Landes-SGK zu erinnern.
Im Juni/Juli 1972 ist die SGK gegründet
worden, um sozialdemokratische Kommunalpolitiker:innen insbesondere im
ländlichen Raum zu unterstützen. Viele
der SPD-Ortsvereine waren seinerzeit gerade gegründet worden. Daran erinnerte
Klaus Nielsky, früherer SGK-Landesvorsitzender und Bürgermeister a.D. der Stadt
Schleswig, in seinem Redebeitrag. Laut
Nielsky beteiligten sich an den kontrovers geführten Diskussionen während der
Gründungsveranstaltungen u.a. Günter
Jansen, Gert Börnsen, Norbert Gansel,
Eckart Kuhlwein, Gert Walter und Björn
Engholm aktiv. Schon bald nach ihrer
Gründung legte die SGK ihre ersten Seminare für Kommunalpolitiker:innen auf, z.B.
über die Aufstellung eines Haushalts, den
Finanzausgleich oder die Konstituierung
einer Kommunalvertretung. Und auch
heute erfreuen sich die Seminare und Beratungen der SGK, etwa zu Kommunalwahlkampagnen, großer Beliebtheit.
Auch der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Thomas Losse-Müller war
unter den Gästen der Jubiläumsveranstaltung. In seiner Rede hob er die
besondere Bedeutung der SPD für die
kommunale Selbstverwaltung hervor:
S
Das kommunale
Mandat im Wandel
ich jährlich bei einem Kommunalkongress zu treffen und aktuelle
kommunale Themen zu diskutieren, gehört zu den ältesten Traditionen
der SGK Brandenburg. Im Oktober 2022
stand das kommunale Mandat auf der
Agenda – und der damit verbundene
Wandel. Denn selten bleibt etwas wie es
ist! Demographischer Wandel, technische
Entwicklungen, rechtliche Grundlagen,
Entscheidungs- und Handlungsspielräume, politische Verhältnisse und vieles
mehr haben sich entwickelt.
Wie das in der Praxis aussieht, darüber
konnten aktive Kommunalpolitiker*innen
berichten. Der Vorsitzende der SGK Brandenburg, Christian Großmann, mit einer
eigenen langjährigen kommunalen Erfahrung, betonte die Bedeutung des kommunalen Mandats, auch angesichts der
anstehenden Kommunalwahlen 2024.
Was möglich ist, was man vielleicht auch
mitbringen muss, worin, aber auch der
Reiz eines Mandates liegt.
Allen Beteiligten konnte man die Freude am Mandat deutlich anmerken – zum
Teil auch nach vielen Jahren, mit vielen
Herausforderungen. Andreas Noack, im
Landkreis Oberhavel in der Kommunalpolitik aktiv seit 1990, Mitglied des Land-
Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Thomas Losse-Müller
war Gast der Jubiläumsveranstaltung.
Kommunalkongress der SGK Brandenburg 2022
Autorin Rachil Rowald, Geschäftsführerin der SGK Brandenburg
Martina Mieritz, Georg Hanke,
Nadine Lilienthal, Christian
Grossmann, Annett Jura (v.l.)
Martina Mieritz, Nadine
Lilienthal (v.l.)
tages Brandenburg sowie im Vorstand
der SGK Brandenburg, konnte mit einem
Rückblick, wie sich das kommunale Mandat auf faktisch allen Ebenen im Laufe der
Jahrzehnte verändert hat, aufwarten. Ihm
konnte man deutlich anmerken, wieviel
Freude mit einem kommunalen Mandat
verbunden ist. Ihm war aber auch wichtig zu erläutern, wie man damit umgeht, wenn es vielleicht nicht so läuft,
wie man es sich wünscht. Georg Hanke,
Vorsitzender des Kreistages im Landkreis
Dahme-Spreewald und Mitglied in der
Stadtverordnetenversammlung KönigsWusterhausen, wies darauf hin, dass die
Repräsentanz von Parteien zugunsten
von Wählergemeinschaften zurücktrete,
die Digitalisierung zunehme, aber auch
die Anfeindungen, nicht zuletzt aus dem
rechten Spektrum. Aber man sehe vor
Ort eben auch, was man erreicht hat!
Nadine Lilienthal, Fraktionsvorsitzende
der SPD-Fraktion in der Stadt Werder,
war es besonders wichtig die Vereinbarkeit des Mandates mit Beruf und Familie
zu erläutern und die Schwierigkeiten, die
damit einhergehen. Gerade für Frauen
sei das oft nicht einfach, gleichwohl sei
aber gerade ihr Engagement besonders
wichtig. Verena Letsch, Referentin bei
Frauenpolitischer Rat Land Brandenburg
e.V., konnte das in ihrem Beitrag noch
untermauern. Bezugnehmend auf eine
Studie der FES Brandenburg zur Vielfalt in
der Kommunalpolitik machten ihre Ausführungen deutlich, dass auf dem Weg
zu einer paritätischen Beteiligung von
Frauen und Männern noch einiges zu tun
ist. Annett Jura, vormals Bürgermeisterin
der Stadt Perleberg, Mitglied im Vorstand
sowohl der SGK Brandenburg als auch
der Bundes-SGK und hauptberuflich Abteilungsleiterin im Bundesministerium für
Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, rundete mit ihrem Beitrag zu den aktuellen Entwicklungen in den Bereichen
Bauen und Wohnen den Kongress ab, ein
für alle Kommunen und Bundesländer besonders relevant.
FOTOS: SGK SCHLESWIG-HOLSTEIN; SGK BRANDENBURG
50 Jahre SGK
Schleswig-Holstein
„Das hängt mit unserer Geschichte zusammen. Die Sozialdemokratie gründete
sich in Form vieler regionaler Zusammenschlüsse.“ Bei der Klimatransformation
müssten Land und Kommunen Hand in
Hand arbeiten. Und um dieses Bekenntnis zu unterstreichen, kündigte Thomas
seinen Beitritt zur SGK an.
Die Grußworte bei der Jubiläumsveranstaltung wurden entrichtet vom Bürgermeister der Stadt Schleswig, Stephan
Dose. Ihm ist zu verdanken, dass wir an
diesem ehrwürdigen Veranstaltungsort
tagen durften. Weitere Grußworte folgten von Norbert Tessmer vom SGK-Bundesvorstand, Dr. Manfred Sternberg, dem
Geschäftsführer der Bundes-SGK, sowie
dem Stellvertretenden Vorsitzenden des
Landkreistages Ingo Degner. Moderiert
wurde die Veranstaltung vom Stellvertretenden Landesvorsitzenden der SGK
Schleswig-Holstein, dem Bürgermeister
der Stadt Heide, Oliver Schmidt-Gutzat.
Er hob die Herausforderungen hervor,
die Kommunalpolitiker:innen zwischen
Beruf, Familie und immer komplexeren
Fragestellungen der kommunalen Selbstverwaltung bewältigen müssten. Aufgabe
der SGK sei es, Unterstützung zu leisten,
damit diese Aufgaben bewältigt werden
können.
SGK MAGAZIN 1. Quartal | 2023
B
ei 28 Grad in der Sonne sitzen
und gleichzeitig über die Vergabe zur Wartung der Straßenbeleuchtung, eine Flächennutzungsplanänderung und den Neubau eines
Kinderhauses entscheiden? Klingt verrückt – seit mehreren Monaten aber
mein Alltag.
Alles begann im Jahr 2019 als unser
damaliger Jugendreferent mich fragte,
ob ich mir vorstellen könnte für die SPDListe für den Gemeinderat in Gilching zu
kandidieren. Ein sechsjähriges Mandat…
wer weiß was ich machen werde, wenn
ich 26 Jahre alt bin?
Durch meine Studienplatzzusage in
München werde ich aber sowieso erstmal in der Nähe bleiben. Außerdem war
es für mich die perfekte Chance, nach
vier Jahren Engagement im Jugendbeirat Gilching mich weiterhin für meinen
Heimatort einzusetzen. Also warum
nicht einfach mal den Versuch wagen
und sich für die SPD Liste aufstellen lassen? Als ich dann im Frühjahr 2020 die
QUALIFIZIERUNG XVII
Auslandsstudium
und Mandat
Hybride Sitzungen machen es möglich
Autorin Sophie Hüttemann, Gemeinderätin der Gemeinde Gilching
Nachricht erhalten habe, dass ich zur
Gemeinderätin gewählt wurde, standen
wir schon vor der ersten großen Herausforderung: die Corona Pandemie.
Nicht nur unsere Sitzungen mussten
wir aufgrund der Abstandsregelungen
aus dem Sitzungssaal in den Veranstaltungssaal verlegen, bald war es auch für
jede Gemeinderätin und jeden Gemeinderat möglich, sich individuell online zur
Sitzung zuzuschalten. Diese Option der
hybriden Sitzungsteilnahme wurde von
meinen Kolleginnen und Kollegen dankend angenommen.
Erfahrungsaustausch in
Deutschland und Polen
Kommunalpolitische Fachkonferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung
mit Unterstützung der Bundes-SGK
Autor:innen Anne Haller, Leiterin Akademie Management und Politik und
KommunalAkademie der FES,
Peter Hamon, stellvertretender Geschäftsführer der Bundes-SGK
FOTOS: PRIVAT; FES
R
und 30 progressive polnische
und sozialdemokratische deutsche Kommunalpolitikerinnen und -politiker kamen vom 24. bis
26. November 2022 in Warschau zur
ersten Deutsch-Polnischen kommunalpolitischen Fachkonferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung nach Beginn der
Pandemie zusammen. Thematisch standen die Auswirkungen des russischen
Angriffskrieges in der Ukraine auf die
Kommunalpolitik sowie die Gestaltung
der Energiewende in den Kommunen
in Polen und Deutschland im Vordergrund.
Die Teilnehmenden wurden begrüßt
vom Bürgermeister des gastgebenden
Warschauer Bezirks Bielany Grzegorz
Pietruczuk und von Dr. Daniela Harsch,
Bürgermeisterin für Ordnung, Soziales
und Kultur der Universitätsstadt Tübingen und stellv. Vorsitzende der Bundes-
SGK, sowie von Dr. Max Brändle, Repräsentant der FES in Polen. Am Beginn
der Fachkonferenz stand ein lebendiger
Informationsaustausch zu aktuellen
Herausforderungen für die Kommunalpolitik in Polen und Deutschland statt.
Hierzu führten Tim Kähler, Bürgermeister der Hansestadt Herford und Vorsitzender der Kommission „Europa und
Sophie Hüttemann ist auch
Absolventin des 58. Kurses
der Sozialdemokratischen
Kommunalakademie von
Bundes-SGK und SPD.
In diesen
politisch
schwierigen
Zeiten ist ein
gutes deutschpolnisches
Verhältnis
von großer
Bedeutung.
Beata Klimek, Oberbürgermeisterin der Stadt Ostrów
Wielkopolski
Die Teilnehmenden der Deutsch-Polnischen kommunalpolitischen Fachkonferenz der
FES vom 24. bis 26. November 2022 in Warschau
Aktuell profitiere auch ich sehr von dieser Möglichkeit, denn zwischen dem Sitzungsaal in Gilching und meinem Schreibtisch in Granada liegen knappe 2.200 km.
Bereits vor Beginn meines Studiums stand
für mich außer Frage, dass ich ein Auslandssemester machen möchte. Als ich
letztes Frühjahr die Zusage für ein Erasmusjahr in Spanien bekommen habe, war
meine Freude dementsprechend groß.
Allerdings stand ich dadurch auch vor der
Frage, ob ich mein politisches Mandat
weiterführen kann, obwohl ich für zehn
Monate nicht mehr in Gilching sein werde. Die hybride Sitzungsteilnahme macht
dies jedoch für mich möglich. Auch durch
die Unterstützung meiner Faktion und
die ebenfalls hybrid stattfindenden Fraktionssitzungen kann ich seit einem halben
Jahr trotz räumlicher Distanz aktiv Politik
in Gilching gestalten. Trotzdem freue
ich mich unglaublich darauf mit meinen
wundervollen Kolleginnen und Kollegen
ab dem Sommer wieder persönlich zusammen zu arbeiten.
Internationales“ der Bundes-SGK, und
die Klimabeauftragte Ewa Całus der
Stadt Krakau mit Impulsen ein.
Timm Fuchs, Beigeordneter des
Deutschen Städte- und Gemeindebundes, und der stellv. Bürgermeister der
Stadt Świdnica Szymon Chojnowski
gaben einen Überblick zum Stand der
Energiewende auf kommunaler Ebene
in beiden Ländern. Über die Unterbringung, Versorgung und Betreuung von
Geflüchteten aus der Ukraine berichteten Bürgermeister Grzegorz Pietruczuk
und Silke Engler, stellv. Landrätin des
Landkreises Kassel, beispielhaft aus
ihren Kommunen und diskutierten mit
den Delegationen über Rahmenbedingungen für gute Integration. Abschließend fanden eine Exkursion zum neuen
hochmodernen kommunalen Kindergarten in Bielany sowie eine kommunalpolitische Stadtrundfahrt statt.
Die Veranstaltung wurde von der
KommunalAkademie der FES in Kooperation mit dem FES-Büro Warschau
und mit Unterstützung der Bundes-SGK
durchgeführt und von der Erich-BrostSchenkung gefördert. Die Resonanz der
Teilnehmenden auf die Konferenz war
durchweg positiv und so waren sich alle einig mit Beata Klimek, Oberbürgermeisterin der Stadt Ostrów Wielkopolski, die angeregt hat: diese Form des
deutsch-polnischen Erfahrungsaustausches sollte in den kommenden Jahren
fortgesetzt werden.
XVIII WAHLEN
1. Quartal | 2023 SGK MAGAZIN
Wahlen vor Ort gewinnen:
Die etwas andere
Kommunalwahlkampagne
Ein Leitfaden für den Wahlerfolg
Autor Thies Thiessen, Geschäftsführer der SGK Schleswig-Holstein
Geschehen, das aus dem Rathaus für ihn
gestaltet wird, ihm und seinem tagtäglichen Leben nützt. Kommunale Daseinsvorsorge ist dabei die Grundlage für den
Lebensstandard und den sozialen Zusammenhalt in unserer Gemeinschaft.
Dabei kann der Bürger mit allgemeinen Aussagen „für gute Bildung“ oder
„für mehr Radweg“ wenig anfangen.
Die Favoriten unserer Wahlkampagne
werden daher so ausgewählt, dass möglichst viele Bürger in der konkreten Erfüllung dieser Forderungen für sich und
seine Gemeinde Erfolg und Fortschritt
sehen.
Der Perspektivenwechsel
E
in Wort vorweg: Wahlen zu
gewinnen fällt unserer Partei
manchmal leicht („Willy-Wahl“
1972: 45 % bei 91 % Wahlbeteiligung)
und manchmal etwas schwerer (Landtagswahl SH2022: 16 %). Da empfiehlt
sich eine sorgfältige Analyse. Ein Grund
mag sein: Wir nehmen uns und unsere Themen zu wichtig, vernachlässigen
dabei die Frage, was dem Bürger nützt
und ihm ein komfortables Leben ermöglicht. Dies gilt besonders für die Daseinsvorsorge in unseren Kommunen.
Abweichend von den uns bekannten
Wahlkampfkonzepten ist „die etwas andere Kommunalwahlkampagne“ auch
für die bevorstehende Kommunalwahl
in Schleswig-Holstein am 14. Mai 2023
daher von folgenden vier Grundsätzen
geprägt:
1. Strikter Bezug auf unsere Gemeinde
mit konkreten örtlichen Themen
2. Perspektivenwechsel: Wir lauschen
dem Bürger die Themen ab
3. Konzentration der Kampagne auf drei
bis vier Favoriten
4. Andere Visualisierung: corporate
identity, Team statt Köpfe, besondere
Aktionen
Das Wahlprogramm
Grundlage auch für die „etwas andere
Wahlkampagne“ ist zunächst ein stinknormales Wahlprogramm, so wie wir es
schon immer diskutiert und aufgeschrieben haben.
Dieses klassische Wahlprogramm gibt
uns die Grundlage und Sicherheit für
unser kommunales Handeln. Bei unserer
Wahlkampagne spielt dieses jedoch nur
eine passive Rolle, wirkt nicht nach außen.
Wir sind also weiterhin „sprechfähig” ,
wissen in allen kommunalen Themen Bescheid, konzentrieren uns jedoch auf nur
wenige Themen. So sparen wir viel Kraft,
Zeit und Geld für unsere neue Kampagnenform.
Strikter örtlicher Bezug
Kommunalpolitik ist konkretes Handeln
vor Ort mit Themen, die allein den Interessen unserer Bürger dienen. Der Bürger
erwartet zu Recht, dass das kommunale
Perspektivenwechsel:
Wir lauschen
dem Menschen
die Themen ab.
Thies Thiessen
Information
Aus Gründen der Lesbarkeit
wird in diesem Beitrag
auf die Verwendung
geschlechtsspezifischer
Sprachformen verzichtet.
Entsprechende Bezeichnungen
gelten stets für alle
Geschlechtsidentitäten.
Aufbereitung der Themen:
von 120 auf vier Favoriten
Die im Interview gewonnenen Themen
werden nun in drei Schritten auf unsere Favoriten für die Kampagne „eingedampft”:
• Doppelnennungen, Eintagsfliegen und
Steckenpferde fliegen raus. Es bleiben
60-80 Themen.
• Konzentration auf zehn Kernthemen:
Bestimmung durch Punktevergabe: Jeder im Team vergibt drei mal drei verschiedenfarbige Klebepunkte (rot: liegt
mir am Herzen, grün: eigene Kompetenz, schwarz: besonderes Bürgerinteresse). Kumulieren ist zulässig. Dabei
sollten bei allen Themen alle drei Farben vertreten sein.
FOTO: SABINE BAERWALD
Workshop zur “Etwas anderen Kommunalwahlkampagne”
Eine entscheidenden Schritt zur anderen Kampagne folgt nun: Wir treten aus
unserem eigenen kommunalen Rahmen
heraus und blicken mit dem Auge des
Bürgers auf die kommunalen Dinge, die
uns alle bewegen
Dazu bedienen wir uns der Technik
des Interviews. Zu zweit (einer befragt,
der andere dokumentiert) besuchen wir
(nach Voranmeldung) Meinungsführer
in unserer Gemeinde, die gerade nicht
unbedingt sozialdemokratisches Gedankengut in sich tragen und die für eine
persönliche oder allgemeine Interessenlage stehen (Pastor, Lehrer, Arzt, Künstler, Unternehmer…). Die Anzahl der
Interviews sollte bei ca. 20 liegen.
Von diesen Leuten lassen wir uns erzählen, welche Dinge für sie in unserer
Gemeinde wichtig sind. Dabei hören wir
zu und schreiben auf, keine Selbstdarstellung, keine Diskussion. Vermutlich
hören wir ganz andere konkrete Themen als unsere eigenen. Die Interviews
wollen gut vorbereitet sein. Am besten
üben wir die Interviews in einem Rollenspiel. Das Ergebnis sollte 100-120 Themen enthalten.
SGK MAGAZIN 1. Quartal | 2023
• Die Ermittlung der drei bis vier wahlentscheidenden Favoriten bildet ein
Rollenspiel. Hierfür definieren wir die
n Wählergruppen, die wir ansprechen
wollen (wohlhabende Senioren, Unternehmer, Bildungsbürger, Familien mit
Kindern, neue Bürger, Erstwähler). In
unserem Team werden nun diese Gruppen gebildet, die sich in die Lebenssituation der jeweiligen Wählergruppe
hineinversetzen. Die Gruppen spielen
dann nach dem Prinzip „Champions
League” entsprechend ihrer Interessenlage die Kernthemen gegeneinander aus, werben für die eigenen Themen und neutralisieren den Wert der
anderen Themen. Das Ergebnis wird in
eine Hitlisten-Matrix übertragen und
entsprechend mit ein bis zehn Punkten
priorisiert.
• Die einzelnen Gruppen-Ergebnisse werden in eine Gesamtmatrix übertragen,
so dass am Ende unseres Auswahlprozesses drei Favoriten für alle Gruppen
und somit die gesamte Gemeinde übrig bleiben. Platz vier ist für den „Lucky
Looser”, unterbewertet und doch ein
wichtiges Thema.
Kreativität bei Slogan und Subtext
Die drei bis vier Favoriten werden nun
kampagnentauglich bearbeitet. Hierin
liegt die Kreativität, die unsere Wahlkampagne von der der anderen Parteien
unterscheidet.
Von der Qualität, von der Kürze, vom
Witz, kurzum von der Prägnanz dieser
Textbausteine lebt unsere Kampagne. Darum müssen wir für diese kreative Arbeit
WAHLEN XIX
genügend Zeit einplanen, die Entwürfe
sacken lassen, das Ergebnis überschlafen
und daher mehrere Sitzungen einplanen.
Die Beispiele in Klammern im folgenden Text stammen aus der sehr erfolgreichen Kampagne in Timmendorfer Strand.
Für jedes Thema brauchen wir als „Eyecatcher“ zunächst einen einprägsamen,
griffigen oder witzigen Slogan (Hunke
von der Brücke). Der Slogan wird durch
einen Subtext (Die Seeschlösschenbrücke
gehört uns allen!) erläutert.
Drei Punkte tragen unsere Programmatik: Der Status, die Selbstverständlichkeit (die Seebrücken sind für uns und
unsere Gäste da. Sie müssen jederzeit
für jedermann frei zugänglich sein.), das
Problem (Doch Investoren und Sponsoren
greifen nach der Verfügungsgewalt – Jürgen Hunkes Aktivitäten lassen grüßen.)
und die Lösung (Wir werden uns für die
schnelle Fertigstellung des Brückenkopfes
der Seeschlösschenbrücke durch die Gemeinde einsetzen. Denn diese Brücke gehört uns allen!).
Die Visualisierung
(Plakate, Flyer & Co.)
Eine weitere Besonderheit unserer Kampagne ist die Art der Vermittlung der
knappen Inhalte an den Bürger.
Dazu ist das „Dach“ unserer Kampagne ein zentraler Slogan, der immer der
inhaltlichen Botschaft auf allen Werbeträgern vorangestellt wird. Dieser Slogan muss für uns typisch sein (Wir sind
Timmendorfer Strand).
Unverzichtbar für die Wiedererkennung unserer Kampagne ist die Corpo-
Unsere
Kampagnenaktionen
hingegen sollen
unsere Themen
sichtbar und
die Menschen
neugierig
machen und im
Idealfall zum
„Mitmachen”
anregen.
Thies Thiessen
Kontakte
Wenn Ihr mehr über diese
neuen Inhalte und Form der
Kampagne wissen wollt:
•Thies Thiessen, 04832 1211,
thies.thiessen@meldorf.info
•Sabine Baerwald,
Grafik to go, 04503 7073 68,
www.congrafik.de
•nafroth.com pr +
Kommunikationsberatung
04231 95 65-140,
Fax: 04231 95 65-139
nafroth@nafroth.com
rate Identity („CI“). Elemente der CI sind
gleicher Schrifttyp, gleiche Farbe, gleiche Symbole, gleiche Formate, gleiche
Sprachmelodie, gleicher Textaufbau....
Für die Entwicklung dieser CI sollten
wir uns unbedingt professioneller Hilfe
bedienen, damit die Elemente der CI
konsequenz eingehalten werden.
Als Träger für unsere Botschaften
benutzen wir Plakate (DIN A 0) – auch
mit freien Flächen für Textbausteine –,
Kampagnenbriefpapier (für Zielgruppenbriefe), Flyer (für den Infostand und zur
Hausverteilung – Kandidatenflyer in den
einzelnen Wahlkreisen und Schlussflyer
flächendeckend in der ganzen Gemeinde) und für die Kandidaten persönliche
Pledgecards (für die Hausbesuche). Als
Highlight für unsere Kampagne erzeugen Großflächenplakate eine besondere
Aufmerksamkeit beim Wähler.
Die entsprechenden Beispiele aus der
Kampagne Timmendorfer Strand sowie
viele weitere Informationen für „die
etwas andere Kommunalwahlkampagne” findet ihr auf unserer Homepage
http://sgk.spd-schleswig-holstein.de/
Besondere Aktionsformen
Im Straßenwahlkampf benötigen wir
andere Aktionsformen als die üblichen
Infostände. Der Tapetentisch ist megaout! Unsere Kampagnenaktionen hingegen sollen unsere Themen sichtbar
und den Bürger neugierig machen und
im Idealfall zum „mitmachen“ anregen.
Wolfgang Nafroth hat in seiner Broschüre „Themen zum Thema machen”
viele gute Beispiele aufgezeigt.
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STAAT IM UMBAU
Hier entsteht für Sie die Verwaltung von morgen
www.digitaler-staat.org
XX RECHT
1. Quartal | 2023 SGK MAGAZIN
Steuerliche Behandlung
von Entschädigungen
Entschädigungen ehrenamtlicher Mitglieder kommunaler Volksvertretungen
müssen versteuert werden
Autor Manfred Pühl, Landesgeschäftsführer der SGK Niedersachsen
D
ie den ehrenamtlichen Mitgliedern kommunaler Volksvertretungen gewährten Entschädigungen unterliegen grundsätzlich als
Einnahmen aus „sonstiger selbständiger
Arbeit” der Einkommensteuer. Dies sind
Aufwandsentschädigungen, aber auch
Entschädigungen, die für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden.
Einzelheiten werden von den jeweiligen
Finanzbehörden der Bundesländer festgelegt. Daher an dieser Stelle einige
Grundsätze:
1. Höchstsätze steuerfreier Aufwandsentschädigungen für Mitglieder von Gemein-
deräten, Samtgemeinderäten, Stadträten
und Kreistagen werden nach Größenklassen der Kommunen festgesetzt.
2. Die steuerfreien Beträge erhöhen sich
für Funktionsträger/innen wie Rats- und
Kreistagsvorsitzende, Fraktions- und
Gruppenvorsitzende sowie Vertreter/innen der Hauptverwaltungsbeamten um
ein Mehrfaches.
3. Übt ein/e Abgeordnete/r mehrere
dieser herausgehobenen Tätigkeiten in
einer Kommune zugleich aus, kann nur
der höchste pauschale Steuerfreibetrag
gewährt werden. Eine Addition ist nicht
zulässig.
Weitere Informationen
Niedersachsen: OFD v. 03.08.2016
(S 2121 - 17 - St 213);
BaWü: Erl. FM vom 21.1.2014 –
(3-S 2337/3);
Hessen: OFD Ffm. vom 27.10.2016
– (S 2248 A -007 -St 3213).
4. Tatsächliche Fahrkosten für Fahrten
von der Wohnung zum Sitzungsort und
zurück, um an Rats-, Fraktions-, Gruppen- und Ortsvereinssitzungen, Bürgerversammlungen u. ä. teilzunehmen,
werden als steuerfreie Aufwandsentschädigung anerkannt.
5. Steuerpflichtige, die gleichzeitig Mitglieder mehrerer kommunaler Volksvertretungen (z.B. Stadtrat und Kreistag)
sind, können steuerfreie Entschädigungen nebeneinander beziehen.
6. Mit den steuerfreien Entschädigungen sind alle Aufwendungen, die mit
einer ehrenamtlichen Tätigkeit zusammenhängen, abgegolten. Es bleibt den
Steuerpflichtigen unbenommen, ihre
tatsächlichen Aufwendungen, soweit
sie nicht Kosten der Lebensführung
sind, die ihre wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung mit sich bringt,
gegenüber dem Finanzamt nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. In
diesem Falle können die tatsächlichen
Aufwendungen insoweit, als sie die
steuerfreien Entschädigungen übersteigen, als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.
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1. Quartal | 2023 DEMO
Neubau-Förderung
startet im März
Lebenszyklus von Gebäuden
soll berücksichtigt werden
B
undesbauministerin Klara
Geywitz hat eine neue Förde
rung für klimafreundlichen
Neubau vorgestellt. Diese soll am
1. März 2023 an den Start gehen. Pro
Jahr wird der Bund 750 Millionen Euro
bereitstellen. Umgesetzt wird das Programm durch die Kreditanstalt für Wie-
FOTOS: JOERG CARSTENSEN/PHOTOTHEK.DE; UTE GRABOWSKY/PHOTOTHEK.NET
Bauministerin Klara Geywitz (SPD)
deraufbau (KfW). Diese ermöglicht zinsverbilligte Kredite. Gefördert werden
ausschließlich der Neubau sowie Erst
erwerb von klimafreundlichen Wohnund Nichtwohngebäuden.
Mit dem neuen Förderprogramm
wird zum ersten Mal der gesamte
Lebenszyklus des Gebäudes berücksichtigt. Es geht also nicht mehr nur darum,
wie effizient der Wärme- und Stromverbrauch während des Betriebs sind.
Ebenso wichtig sind der TreibhausgasAusstoß im Bauprozess und die Frage,
welche Klimaeffekte es hat, wenn das
Haus später mal rückgebaut werden
muss. Wenn die Neubauten die Kriterien des neu geschaffenen Qualitätssiegels Nachhaltiges Gebäude (QNG)
einhalten, fällt die staatliche Unterstützung höher aus. Konkret: Ohne Nachhaltigkeitssiegel beträgt die Förderung
maximal 100.000 Euro je Wohneinheit,
mit Siegel ist eine Fördersumme bis zu
150.000 Euro möglich.
Anträge für das neue Förderprogramm können Investoren, Genossenschaften, Unternehmen und Privatpersonen stellen. Darüber hinaus können
Kommunen und Landkreise Investitionszuschüsse erhalten, etwa für den Bau
von Wohnungen, Kitas und Schulen,
teilt das Bauministerium mit. CFH
demo-online.de/neubaufoerderung
SERVICE / NEWS 11
Mandatsbeiträge
sind einklagbar
Auch ein als Einzelkandidat angetretener
Bürgermeister muss an seine Partei zahlen
Autor Carl-Friedrich Höck
A
mts- und Mandatsträgerabgaben sind für die
Parteien eine wichtige
Einnahmequelle. Erhoben werden
die Sonderbeiträge nicht nur von
Abgeordneten und Regierungsmitgliedern, sondern auch von
Bürgermeistern, Landräten und
Ratsmitgliedern. Aber dürfen Parteien die Mandatsträgerbeiträge
auch gerichtlich einklagen? Ja,
hat der Bundesgerichtshof (BGH)
jetzt entschieden.
Geklagt hatte ein CDU-Kreisverband in Sachsen-Anhalt. Die
Klage richtete sich gegen einen
ehrenamtlichen Bürgermeister,
der von 1972 bis 2019 Parteimitglied war. Seinen Wahlkampf im
Jahr 2015 hatte er jedoch als Einzelkandidat ohne personelle und
finanzielle Unterstützung seiner
Partei geführt. Als Bürgermeister
erhielt er für seine ehrenamtliche
Tätigkeit eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe
von 765 Euro. Auf dieser Grundlage verlangt der CDU-Kreisverband Sonderbeiträge in Höhe von
insgesamt 740,46 Euro für die
Zeit von Januar 2018 bis November 2019. Dabei stützt er sich auf
die Finanz- und Beitragsordnung
der Satzung des CDU-Landes
verbandes.
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes gab dem CDU-Kreisverband recht (Urteil vom 31. Januar 2023, II ZR 144/21). Der Beklagte sei zur Zahlung der geltend
gemachten Beträge verpflichtet,
und zwar unabhängig davon, ob
er bei der Wahl als Kandidat der
Partei angetreten oder von dieser unterstützt worden sei. Der
Wortlaut der Finanz- und Beitragsordnung in der CDU-Landessatzung setze keine konkrete
Unterstützungsleistung der Partei
– etwa im Wahlkampf – voraus.
Allerdings geht das Gericht davon
aus, dass die Parteimitgliedschaft
Vorteile gebracht haben könnte,
die sich nicht genau bemessen
lassen. Zum Beispiel, weil die
Partei „richtungsweisende Unterstützungshandlungen“ geleistet
hat oder Wahlberechtigte von der
langjährigen Parteimitgliedschaft
wussten. Das Argument, es stelle
eine verfassungswidrige indirekte
staatliche Parteienfinanzierung
dar, wenn der Bürgermeister
einen Teil der Aufwandsentschädigung an die Partei entrichten
müsse, wies der BGH ebenfalls
zurück. Denn eine geleistete
Aufwandsentschädigung gehe in
das private Vermögen des Amtsoder Mandatsträgers über.
Städte für Demokratie
Mit einer Erklärung bekennen sich mehr
als 100 Oberbürgermeisterinnen und
-bürgermeister weltweit zu ihrer Rolle
als Verfechter der Demokratie. Sie bekräftigen ihren Einsatz für freie Wahlen
und die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit auf allen Regierungsebenen.
Aufgesetzt wurde das Schreiben von
den Städtenetzwerken GMF Cities, Pakt
der freien Städte und dem Global Parliament of Mayors. Unterzeichnet haben
u. a. Frank Mentrup (Karlsruhe), Peter
Kurz (Mannheim), Werner Arndt (Marl),
Stephan Keller (Düsseldorf), Markus
Lewe (Münster), Katrin Albsteiger
(Neu-Ulm) und Gunter Czisch (Ulm). CFH
pactoffreecities.com
Mende rückt nach
Der ehemalige Oberbürgermeister von
Celle, Dirk-Ulrich Mende (SPD), ist in den
Bundestag nachgerückt, weil der bisherige Abgeordnete Andreas Philippi zum
niedersächsischen Sozialminister ernannt
wurde. Im Parlament will sich Mende für
kommunale Belange einsetzen. „Manchmal habe ich den Eindruck – aus meiner
heutigen kommunalen Perspektive he
raus, dass die Lebenswirklichkeit in den
Städten und Gemeinden ein Stück weit
in den Hintergrund rückt, wenn Entscheidungen im Bundestag getroffen werden”, sagt Mende der DEMO. Man müsse Prozesse bis zum Ende denken, also
bis zum letzten Glied in der staatlichen
Verwaltung. Mende ist Geschäftsführer
beim Niedersächsischen Städtetag und
Vorstandsmitglied der Bundes-SGK. CFH
demo-online.de/aktuelles
Krankenhausreform
Die Gesundheitsminister von Bund und
Ländern haben sich auf einen Fahrplan
für die geplante Krankenhausreform geeinigt. Noch vor der parlamentarischen
Sommerpause sollen die Eckpunkte für
einen Gesetzentwurf erarbeitet werden.
Das sagte der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), BadenWürttembergs Gesundheitsminister
Manfred Lucha (Grüne) nach einer Sitzung am 30. Januar. Auf eine schnelle
Reform der Krankenhausfinanzierung
drängt auch der Deutsche Städtetag. Er
fordert unter anderem mehr Geld für
Investitionen. CFH
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe
demo-online.de/aktuelles
12 AKTUELLES
DEMO 1. Quartal | 2023
Eine Analyse zeigt, dass die Potenziale
der Digitalisierung oft noch nicht genutzt werden
Autor Carl-Friedrich Höck
Machbar: Mit dem Smartphone ein Fahrrad auszuleihen, wie hier in Nürnberg, ist immerhin in vielen Kommunen schon möglich.
F
ür die angestrebte Verkehrswende spielt die Digitalisierung eine
zentrale Rolle. Wenn sich weniger
Autos in den Innenstädten stauen sollen, benötigen die Menschen Alternativen. Das kann ein Carsharing-Angebot
sein, das mit dem Smartphone gebucht
wird. Oder eine schnelle ÖPNV-Verbindung, die sich leicht per App ermitteln
lässt. Kommunen können mit digitalen Verkehrsschildern den Verkehrsfluss steuern. Manches davon gehört
schon zum Alltag, doch das Potenzial
der „smarten“ Mobilität wird in den
meisten deutschen Städten noch längst
nicht ausgeschöpft. Das zeigt eine Auswertung der Wirtschaftsprüfungs- und
Beratungsgesellschaft PwC.
Drei Millionenstädte
auf den vorderen Plätzen
Sie hat dafür Daten aus dem „Bitkom
Smart City Index 2022“ ausgewertet.
Auf dieser Grundlage wurden die deutschen Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern in einem Ranking gelistet, in
dem sie maximal 100 Punkte erreichen
konnten. Nur elf von 81 Städten kamen
über die Marke von 80 Punkten. Ganz
vorne landete Nürnberg, gefolgt von
den Metropolen München, Berlin und
Hamburg. Deutlich wurde, dass kleinere
Großstädte in der Regel einen deutlich
höheren Nachholbedarf haben.
Mehr als 60 Prozent der Städte setzen bereits „Smart Parking“-Maßnahmen um. Darunter fällt zum Beispiel die
Möglichkeit, das Parkticket per Handy-App zu bezahlen. Die Kommunen
können aber auch die Parkplatzsuche
erleichtern – mit Hilfe von Sensoren,
Datenplattformen, vernetzten Displays
oder intelligenter Bilderfassung über
öffentliche Kameras.
Damit das nicht dazu führt, dass
Autofahren attraktiver wird und noch
mehr Pkw-Verkehr in die Städte fließt,
sollten solche Projekte durch Steuerungsmaßnahmen begleitet werden,
empfehlen die PwC-Experten. Als Beispiel nennen sie smartes Verkehrsmanagement. In fast 30 Prozent der Städte
IN ZAHLEN
11
von 81 Großstädten können
sich laut PwC als „Smart Cities”
bezeichnen.
30
Prozent der Städte nutzen
digitale Verkehrsschilder.
2021
wurde die NürnbergMOBILApp eingeführt.
QUELLE: PWC / BITKOM SMART CITY INDEX
2022
Frankenmetropole
führt das Ranking an
Vorreiter in Sachen smarter Mobilität ist
laut der PwC-Analyse die Stadt Nürnberg. Sie kommt auf 94 von 100 möglichen Punkten. Ein Grund für das gute
Abschneiden ist die im Sommer 2021
eingeführte NürnbergMOBIL-App. Sie
bündelt ÖPNV-, Rad- und Lastenradangebote, demnächst lassen sich dort auch
E-Scooter und P
ark&Ride-Parkplätze buchen. Punkten konnte die Stadt zudem
mit freiem WLAN im Öffentlichen Nahverkehr und dem Einsatz intelligenter
Ampeln.
„Qualitativ hochwertige Mobilitätsangebote sind die Voraussetzung für
einen Umstieg vom motorisierten Individualverkehr und unterstützen deshalb
eine klimagerechte Stadtentwicklung”,
meint PwC-Mobilitätsexperte Gabriel
Flore. Die kommunalen Verkehrsunternehmen seien besonders gefordert. Sie
müssten sich zu umfassenden Mobilitätsdienstleistern weiterentwickeln.
demo-online.de/smarte-mobilitaet
FOTO: SAMANTHA ZOUL / VAG NÜRNBERG
Smarte Mobilität: Kleinere
Städte haben Nachholbedarf
würden bereits digitale Verkehrsschilder
eingesetzt.
Luft nach oben sehen die Experten
bei der Logistik auf der „letzten Meile“.
Paket- und andere Warenlieferungen
beeinträchtigen den Verkehrsfluss in
den Innenstädten und verstärken die
Belastung durch Abgase und Feinstaub.
Fast die Hälfte der untersuchten Städte
richtet deshalb Mikro-Depots ein. Das
sind Zwischenlager, in denen die Ware
beispielsweise vom Lkw aufs Lastenfahrrad umgeladen wird. Oft handele
es sich aber nur um Pilotprojekte, monieren die PwC-Experten. Vor allem in
Städten mit weniger als 200.000 Einwohnern sei man noch nicht weit fortgeschritten.
Im Rückstand seien die kleineren
Städte auch bei neuen ÖPNV-Lösungen,
Sharing-Angeboten und Multimodalität
– also der Kombination verschiedener
Verkehrsmittel. Nicht einmal 15 Prozent
von ihnen haben R
idepooling-Angebote
bereitgestellt. Das sind organisierte
und flexible Angebote, um auf Anfrage
mehrere Personen mit ähnlichem Ziel
gemeinsam zu befördern. Immerhin ist
es in allen untersuchten Städten möglich, Nahverkehrs-Tickets per App zu
kaufen und Echtzeit-Informationen abzurufen. Fast alle Kommunen verfügen
über ein Carsharing-Angebot. Meistens
werden sie ergänzt durch Tretroller- und
Bikesharing. E-Roller leihen kann man jedoch in weniger als der Hälfte der Städte.
1. Quartal | 2023 DEMO
AKTUELLES 13
Mit Flowerpower unterwegs
Wasserstoff oder Batterie: Bremerhaven und Bremen setzen
auf Null-Emissionen beim Nahverkehr
Autor Ulf Buschmann
I
n Bremerhaven fahren Busse mit
Blümchenmotiven. Dieses Retro
design erinnert an die Werbung
eines Spülmittels aus den 1970er Jahren.
Doch rückwärtsgewandt sind die Fahr
zeuge ganz und gar nicht. Im Gegen
teil, ihnen gehört die Zukunft. Denn die
Blümchenbusse von der Wesermündung
werden durch Wasserstoff beziehungs
weise Brennstoffzellen angetrieben. Da
mit Menschen wissen, dass die Zukunft
bei ihrem kommunalen Verkehrsunter
nehmen Bremerhaven Bus begonnen
hat, haben sich die Marketingstrategen
das auffällige Blümchendesign ausge
dacht – gepaart mit dem Slogan „Luft &
Liebe statt Lärm und CO2“.
Kleine, mittlere und große Kommu
nen habe sich das Ziel Klimaneutralität
auf die Fahnen geschrieben – unter an
derem beim öffentlichen Personennah
verkehr (ÖPNV). Wo Busse im Einsatz
sind, sollen diese in den kommenden
Jahren durch emissionsfreie ersetzt wer
den. Das Ende der Fahrzeuge mit Diesel
motoren ist absehbar. Nur die Strategien
unterscheiden sich von Bundesland zu
Bundesland, ja sogar von Kommune zu
Kommune.
Bestes Beispiel dafür ist das sozial
demokratisch regierte Land Bremen,
wo im Mai eine neue Bürgerschaft ge
wählt wird. Während die Stadtgemeinde
Bremerhaven auf Wasserstoff setzt, hat
sich die Stadtgemeinde Bremen für die
Anschaffung von batterieelektrischen
Bussen entschieden. Das erklärte Ziel: Bis
zum Jahr 2030 sollen alle 45 Solo- und
190 Gelenkfahrzeuge mit Verbrennungs
motor gegen Elektrobusse ausgetauscht
werden; alleine bis zum Jahr 2025 sollen
es 70 neue sein. 20 Busse sind seit dem
vergangenen Jahr im Einsatz.
100 Millionen Investitionssumme
Die Kosten für diesen Teil der Verkehrs
wende belaufen sich bis 2030 auf rund
100 Millionen Euro. Davon zahlt die
Stadtgemeinde Bremen 59 Millionen
und weitere 22 Millionen kommen vom
Bund. Rund 14,7 Millionen Euro muss
das kommunale Verkehrsunternehmen,
die traditionsreiche Bremer Straßenbahn
AG (BSAG) aus eigener Kraft stemmen.
In den 100 Millionen enthalten ist auch
die Schaffung der notwendigen Infra
struktur mit Ladestellen, Batterielager
und einigem mehr. Hierzu wird einer der
BSAG-Betriebshöfe für die Gelenkbusse
umgebaut. Alleine dieser Posten schlägt
mit 44 Millionen Euro zu Buche.
Im Vergleich dazu sind die Bremer
havener bescheiden. Bereits im Jahr
2020 beschloss die Regierungskoalition
aus SPD, CDU und FDP, Wasserstoff
busse zu beschaffen. Zusammen mit der
kommunalen Oldenburger Verkehr und
Wasser GmbH (VWG) und der Vestischen
Straßenbahnen GmbH brachte die
Bremerhaven Bus eine europaweite Aus
VERGLEICH
320
Kilometer Wegstrecke schafft
ein Batterie-Bus mit einer
Stromladung.
400
Kilometer beträgt die
Reichweite eines WasserstoffBusses mit einer Betankung.
Bis zu
30
Prozent höhere Anschaffungskosten schlagen bei einem
Wasserstoff-Bus zu Buche.
QUELLE: BSAG
FOTO: BREMERHAVEN BUS
Bremerhaven setzt auf
Wasserstoffbusse. Aktuell
gehören drei Fahrzeuge zur
Flotte von Bremerhaven Bus.
Weitere sollen im zweiten
Quartal dieses Jahres geliefert
werden.
schreibung von 15 Fahrzeugen auf den
Weg – davon sieben für die Seestadt. Drei
sind bereits geliefert, weitere vier sollen
im Laufe des zweiten Quartals dieses Jah
res folgen. Damit, so freuen sich die Ver
antwortlichen, würden zehn Prozent der
Bremerhaven-Bus-Flotte emissionsfrei be
trieben. Die Kosten zur Anschaffung der
Busse – Stückpreis 700.000 Euro – sowie
den Ausbau der Infrastruktur beziffert die
Stadtgemeinde Bremerhaven auf rund
5,6 Millionen Euro.
Testregion für Wasserstoffantrieb
Diese sind nur Teil eines größeren Plans,
wie die Bremerhavener Gesellschaft für
Innovationsförderung und Stadtent
wicklung (BIS) auf ihrer Internetseite
verrät: „Bremerhaven verfolgt das Ziel,
Testregion und Kompetenzzentrum für
Wasserstoff- und Brennstoffzellentech
nologien im Norden zu werden.“ Dem
nach gehören die Wasserstoffbusse mit
den fröhlichen Blümchenmotiven zum
Projekt „Testregion für mobile Wasser
stoffanwendungen“. Denn im 5,6-Mil
lionen-Wasserstoff-Investitionspaket, für
das alleine das Land Bremen fünf Mil
lionen aus dem Bremen-Fonds auf den
Tisch legt, sind nicht nur die Test- und
Instandhaltungsinfrastruktur enthalten.
Vielmehr soll es darüber hinaus die
erste öffentliche Wasserstofftankstelle
auf dem Gelände der Bremerhaven Bus
in der Nähe der Autobahnanschlussstelle
Bremerhaven-Mitte geben. „Betrieben
werden soll sie mit grünem Wind-Was
serstoff made in Bremerhaven“, teilt
die BIS mit. Das Projekt „Testregion für
mobile Wasserstoffanwendungen“ sei
Teil der im Dezember 2021 verabschie
deten Wasserstoffstrategie des Landes
Bremen.
Eine Wasserstoff-Tankstelle ist zwar
laut BSAG auf einem ihrer Bremer Be
triebshöfe an der Unternehmenszentra
le geplant. Doch die Hansestadt setzt
trotzdem lieber auf Batterien. Zwar
ist ihre Reichweite mit 320 Kilometern
geringer als die Wasserstoff-Variante
mit 400 Kilometern. Doch aktuell sind
Wasserstoffbusse am Markt rund 25 bis
30 Prozent teurer als Elektrobusse.
„Für uns ist die Investition in Busse
plus notwendige Infrastruktur zu groß“,
sagt BSAG-Sprecher Andreas Holling.
Er ergänzt: „Daher setzen wir derzeit
auf Elektrobusse. Wir beobachten den
Markt natürlich und stehen auch im Aus
tausch mit anderen Verkehrsunterneh
men zu deren Erfahrungen.“ Sollte die
Technik bezahlbarer werden, würde das
Unternehmen das Thema Wasserstoff
sicherlich neu bewerten.
14 AKTUELLES
DEMO 1. Quartal | 2023
Schwimmbad-Misere
hat viele Ursachen
Kommunen mit eigenen Schwimmbädern kämpfen mit
einem Bündel an Problemen. Sie hoffen auf Hilfen des Bundes
Autor Uwe Roth
Lange Fahrten zum Schwimmbad
Eingeladen zur Anhörung waren die
B undesvereinigung der kommunalen
Spitzenverbände, die Deutsche LebensRettungs-Gesellschaft (DLRG), der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) sowie die
IAKS (International Association for Sports
und Leasure Facilities) Deutschland. Letztere ist ein Zusammenschluss im Sportbereich von Unternehmen, Kommunen,
Vereinen und Dienstleistern.
Die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete und heutige DLRG-Präsidentin
Ute Vogt berichtete, dass Trainingskräfte in manchen Gegenden über eine
Stunde Anfahrt in Kauf nehmen, um
einen Schwimmkurs zu geben, weil in
der N
ähe dazu keine Gelegenheit besteht. Kai Morgenroth vom DSV wusste,
dass Kinder zwei bis drei Jahre warten
müssen, bis sie einen Platz in einem
Schwimmkurs bekommen. Plätze würden bei Ebay versteigert.
Unsere
Trainingskräfte
müssen
über eine
Stunde bis
zum nächsten
Schwimmkurs
fahren.
Ute Vogt,
Präsidentin des DLRG
Datenmaterial ist unvollständig
Konkrete Zahlen, wo Bäder fehlen und
die Nachfrage am höchsten ist, konnten
die Eingeladenen wegen fehlender Erhebungen jedoch nicht liefern. Ute Vogt
forderte einen Runden Tisch, an dem
die Fakten zusammengetragen werden.
„Bestehende Lücken auf der Landkarte
müssen geschlossen und das Entstehen
neuer Lücken durch Investitionen in den
Bestand oder Ersatzbauten vermieden
werden“, so die DLRG-Frau. Wenn der
Bedarf ermittelt ist, fehlt für den nächsten Schritt jedoch das Wichtigste: ausreichend Mittel zum Investieren.
Der Investitionsbedarf wird auf
4,5 Milliarden Euro geschätzt. Die kommunalen Verbände verlangen ein mehrjähriges Investitionsprogramm für die
Sanierung und Modernisierung von
Schwimmbädern und anderen Sportstätten. Neben den Ländern sollte der Bund
„dafür mit einem eigenen Programm die
entsprechenden Fördergrundlagen schaffen“, heißt es im Positionspapier. „Das
Bundesprogramm sollte langfristig angelegt sein, bürokratiearm ausgestaltet
werden und die flexible Verwendung der
Fördermittel ermöglichen.“ Nur so könne Planungssicherheit für die Kommunen
185 Millionen Euro für 53 Bäder
Letztlich gehört die Schwimmbad-Förderung nicht zu den Aufgaben des Bundes. Trotzdem hat die Regierung im Koalitionsvertrag angekündigt, sich darum
kümmern zu wollen. Im Dezember verkündete der Haushaltsausschuss des Bundestag, dass mit Fördermitteln aus dem
Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen” zahlreiche Bäder modernisiert werden können. Laut dem Vertreter des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
sind unter den 148 geförderten Projekten
53 Bäder, an deren Träger 185 Millionen
Euro vergeben wurden. Insgesamt betrage die Fördersumme 476 Millionen Euro.
Die Expertinnen und Experten, aber
auch einzelne Mitglieder des Ausschusses kritisierten die Förderrichtlinien, die
Kommunen mit Geldreserven bevorteilten. Denn einen Zuschuss gibt es nach
den Statuten nur, wenn die Kommune
eine Teilfinanzierung stemmen kann.
A rme Kommunen stellten hingegen
keine Anträge, weil sie sich die Kofinanzierung nicht leisten könnten, so die Erfahrung. Das gelte vor allem für solche
im ländlichen Raum. Somit ändere sich
dort, wo der Bedarf am höchsten sei,
nur wenig oder überhaupt nichts.
Neue Lösungen sind gefragt
Die Sitzungsteilnehmer schlugen Alternativen zum klassischen Schwimmbad
vor, um Geld und Bauzeit zu sparen. Abhilfe könnten Schwimmbäder schaffen,
die modulartig aufgebaut und auf das
Notwendige beschränkt sind. „
O hne
Schnickschnack“, so der D
SV-Vertreter.
Schwimmfähige Systeme könnten in
Badeseen installiert werden und über
die Sommermonate sichere Schwimmkurse möglich machen.
FOTO: THOMAS IMO/PHOTOTHEK.NET
F
rank Ullrich ist im Bundestag der
Vorsitzende des Sportausschusses. Eine Anhörung im Januar hat
der vormalige Olympiasieger und Weltmeister im Biathlon unter die Überschrift
„Status quo, Herausforderungen und
Perspektiven“ gestellt. Eine kontroverse
Diskussion hatte der SPD-Politiker sicher
nicht erwartet. Die Probleme im deutschen Badewesen sind offenkundig. In
ihren zuvor beim Ausschuss e ingereichten
Stellungnahmen haben die geladenen
Expertinnen und Experten das erneut bestätigt: Die Kommunen haben mit ihren
Schwimmbädern nicht nur das Problem,
dass diese oftmals mehr als 50 Jahre alt
und damit in die Jahre gekommen sind.
Sie sind in vielfacher Hinsicht auch
Energiefresser. Die hohen Strom- und
Gaspreise verschlechtern zusätzlich die
Negativbilanz. Und es fehlen von Jahr
zu Jahr mehr Fachkräfte. Wenn es an
Geld und Bäderpersonal chronisch mangelt, wird in der kommunalen Not das
eine oder andere Bad für immer dichtgemacht. Somit fehlen besonders in den
ländlichen Räumen ausreichend Wasserflächen zum Schwimmen.
geschaffen werden. Schwerpunkt sollte
die energetische Sanierung sein.
Schwimmen ist Bewegung und Spaß zugleich. Geschlossene Bäder sind ein doppelter Verlust.
1. Quartal | 2023 DEMO
AKTUELLES 15
Die DGV wurde im Jahr 2010 gegründet und stärkt die bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und Deutschland.
„Griechenland ist in einzelnen
Bereichen viel weiter als wir“
Interview mit Sören Bartol, dem Beauftragten der
Bundesregierung für die Deutsch-Griechische Versammlung
FOTOS: STOCK.ADOBE.COM/OLEKSII; PHOTOTHEK /SPD-BUNDESTAGSFRAKTION
Interview Carl-Friedrich Höck
Können Sie bitte kurz erklären, was
die Deutsch-Griechische Versammlung (DGV) ist und wozu es sie gibt?
Die DGV ist ein kommunalpolitisches
Netzwerk zwischen Deutschland und
Griechenland. Ziel dieses Netzwerkes ist
es, den europäischen Gemeinschafts
gedanken zu stärken sowie die deutschgriechischen Beziehungen auf lokaler und
regionaler Ebene nachhaltig zu vertiefen.
Es sollen vor allem die Herausforderun
gen des kommunalen Alltags beider
Länder in den Blick genommen werden.
Um das zu erreichen, führt die DGV zum
Beispiel Fachseminare oder Tagungen
durch, die für die Kommunen beider Län
der von besonderer Relevanz sind. Seit
Gründung der DGV im Jahr 2010 konnten
sich zahlreiche Partnerschaften zwischen
deutschen und griechischen Kommunen
etablieren. Die DGV ist also ein fester Be
standteil der bilateralen Beziehung beider
Länder geworden.
Das Netzwerk wurde 2010 gegründet, mitten in der sogenannten
Euro-Krise. Warum ist gerade zwischen Deutschland und Griechenland eine kommunale Zusammenarbeit so wichtig?
Tatsächlich wurde die Deutsch-Grie
chische Versammlung zu einer Zeit ge
gründet, als Griechenland großen wirt
schaftlichen und sozialen Spannungen
Die DGV
versteht sich
als kommunale
Plattform, die
auf Augenhöhe
den Austausch
von Wissen und
Erfahrungen
organisiert.
Sören Bartol
ausgesetzt war. Kontroverse Debatten in
der Finanz- und Wirtschaftspolitik über
lagerten seinerzeit die deutsch-griechi
schen Beziehungen. Umso erfreulicher
ist es, dass in den vergangenen Jahren
Dialogformate wie die DGV oder das
Deutsch-Griechische Jugendwerk zur
Festigung des bilateralen Verhältnisses
beigetragen haben. Ohnehin blickt die
deutsch-griechische Freundschaft auf
eine sehr lange Tradition zurück.
Gerade in Zeiten wie diesen, in de
nen mitten in Europa ein brutaler, von
Russland initiierter Krieg tobt, ist es
wichtig, zusammenzurücken. Ob Krieg,
Flucht, Klimawandel, Globalisierung
oder der demografische Wandel: All die
se Herausforderungen treiben auch die
Kommunen beider Länder um. Viele Sor
gen im Alltag sind in Deutschland und
Griechenland ähnlich. Die DGV versteht
sich daher als kommunale Plattform,
die auf Augenhöhe den Austausch von
Wissen und Erfahrungen organisiert, um
das Leben der Menschen vor Ort durch
diesen Erfahrungstausch unmittelbar zu
verbessern. Dieses Modell ist derzeit in
Europa nahezu einzigartig.
Können Sie uns ein konkretes Beispiel nennen, wie diese bilaterale
Zusammenarbeit in der Praxis aussieht und was sie bisher gebracht
hat?
Die Deutsch-Griechische Versammlung
arbeitet nachfrageorientiert. Das bedeu
tet, dass Kommunen aus Deutschland
oder Griechenland die DGV kontaktieren
und ihr Interesse an einer Partnerschaft
mit einer Kommune des anderen Landes
bekunden. Wir überprüfen dann mit Hilfe
von Expertinnen und Experten in einem
Prozess, welche Kommunen aufgrund
ähnlicher Problemlagen gut zueinander
passen. Neben der Unterstützung be
reits bestehender Städtepartnerschaften
etablieren wir so auch neue Verbindun
gen, wie zum Beispiel die von Detmold
und Oraiokastro, Sindelfingen und der
Insel Samos oder Schwerte und Ioannina.
Die Vertreterinnen und Vertreter der be
teiligten Kommunen definieren dabei die
Felder der jeweiligen Zusammenarbeit.
Diese reichen von Fragen zu effizienten
Abfallwirtschaftskonzepten bis hin zu in
novativen Bürgerbeteiligungsmodellen.
Dabei wird die Expertise der jeweiligen
Kommunalverwaltungen genutzt.
Auch Akteure aus der lokalen Wirt
schaft engagieren sich in unserem Netz
werk. So hat die DGV etwa die IHK
Heraklion mit Verbänden und Kammern
in Deutschland zusammengebracht. Auf
Kreta finden nun sehr erfolgreich Weiter
bildungsprojekte für Schweißer und Tro
ckenbauer nach deutschem Standard statt
– ein völlig neuer Ansatz im griechischen
Ausbildungssystem. Dabei ist es uns be
sonders wichtig, den Auszubildenden eine
bessere Qualifikation und Perspektive auf
dem griechischen Arbeitsmarkt zu geben.
Was nützt einer deutschen Kommune
die Mitgliedschaft in der DGV?
Griechenland ist in einzelnen Bereichen
viel weiter als wir in Deutschland. Die
Digitalisierung der Verwaltung ist etwa
bei uns gerade ein großes Thema – in
Griechenland kann man seit Kurzem zum
Beispiel seinen Personalausweis oder
Führerschein digital auf dem Smartphone
führen. Und auch in Kommunalverwal
tungen gibt es bereits wertvolles Wissen,
von dem wir profitieren können. In der
nordgriechischen Stadt Trikala ist es bei
spielsweise möglich, eine beglaubigte
Kopie der eigenen Geburtsurkunde am
Automaten auszudrucken. Auch im Be
reich des Katastrophenschutzes und der
Waldbrandbekämpfung gibt es in Grie
chenland einen großen Erfahrungsschatz.
Diese Aspekte möchte ich hier bei uns in
Deutschland sichtbar machen.
Sören Bartol (SPD) ist Parlamentarischer
Staatssekretär im Bundesbauministerium
und seit Januar Beauftragter für die DGV.
www.grde.eu
16 BÜCHER / TERMINE
Daseinsvorsorge in allen Facetten
Ein Handbuch des VKU erklärt, wie sie funktioniert
Mehr als zwei Millionen Ergebnisse
erhält, wer „Daseinsvorsorge“ goo
gelt. Das Wort ist im öffentlichen
Diskurs allgegenwärtig. Dass der
Verband kommunaler Unternehmen
(VKU) dem Begriff nun ein ganzes
Handbuch widmet, erscheint in
sofern als logischer Schritt. Wer dort
eine allgemeingültige Definition
sucht, wird allerdings enttäuscht
sein. „Daseinsvorsorge ist und bleibt
ein unscharfer Begriff“: Dies räumen
Herausgeberin Claudia Neu und
VKU-Verlagsgeschäftsführer Carsten
Wagner gleich im Vorwort ein.
Doch gerade deshalb ist das
Buch lesenswert. Es zeigt auf, wie
facetten
reich der Begriff ist. Auf
mehr als 350 eng beschriebenen
Seiten wird Daseinsvorsorge rundum
beleuchtet. Dafür haben zahlreiche
Autorinnen und Autoren aus Wissen
schaft und Praxis ihre Expertise bei
gesteuert. Kurz und kompakt stellen
sie die Aspekte der Daseinsvorsor
ge vor, darunter klassische Sparten
wie Abfallwirtschaft, Energiemarkt,
Termine
Das neue Mietspiegelrecht – Erfahrungen,
Herausforderungen, Praxis-Tipps
27.02.2023, Berlin/online
fub.iges.com/tagung-mietspiegel.html
VKU-Verbandstagung
06.03.2023 – 07.03.2023, Berlin
kommunaldigital.de
Gesundheitsversorgung oder Woh
nungswesen. Je nach Definition wer
den auch Sparkassenwesen, Thea
ter, Bibliotheken und Sportanlagen
zur Daseinsvorsorge gerechnet. Das
Handbuch geht außerdem auf die
Akteure der Daseinsvorsorge ein
(neben dem Staat sind das auch pri
vate Unternehmen und Zivilgesell
schaft), auf die Begriffsgeschichte
und auf neuere Entwicklungen wie
die Digitalisierung und den Aus
bau der Breitbandversorgung. CFH
Claudia Neu (Hg.)
Handbuch Daseinsvorsorge. Ein
Überblick aus Forschung und Praxis
VKU-Verlag, 2022, 354 Seiten,
89,00 Euro, ISBN 978-3-87750-936-4
Fahrrad in allen Facetten
Ein „Rad-Geber” für mehr Mikromobilität
Mikromobile sind Fahrzeuge, die ein
oder zwei Personen befördern kön
nen, also zum Beispiel Segways oder
E-Roller. Der Fokus des Sammelban
des „Zukunft Mikromobilität” liegt
aber eindeutig auf dem Fahrrad. Der
Ansatz des Buches ist ungewöhnlich.
Denn es ist einerseits ein Fachbuch,
das sich mit der Verkehrswende aus
einandersetzt. Es enthält Kapitel zu
Verkehrsplanung, Urbanen Mobili
tätskonzepten oder den Potenzialen
von Lastenrädern. Andererseits ist
das Werk ein buntes Sammelsurium,
das Geschichten, Wissenswertes
und Unterhaltsames rund ums Fahr
rad versammelt. „Es ist nicht starr
auf ein Thema fixiert, sondern wid
met sich auch vielen Seitenstraßen”,
schreiben die Herausgeberinnen. Sie
begreifen das Fahrrad nicht nur als
Fortbewegungsmittel, sondern als
Symbol für eine gesellschaftliche Be
wegung. Herausgekommen ist eine
Schrift, die man auch als „Handbuch
für Fahrradkultur” bezeichnen könn
te. Darin wird eine Radtour durch
DEMO 1. Quartal | 2023
Führung und modernes Personalmanagement in der öffentlichen Verwaltung
07.03.2023 – 08.03.2023, online
weiterbildung.uni-speyer.de
Bürger_innenbeteiligung nachhaltig
gestalten
10.03.2023 – 11.03.2023, Bielefeld
fes.de/kommunalakademie
Geht nicht gibt`s nicht!
Aus der Opposition zum Erfolg
10.03.2023 – 11.03.2023, online
fes.de/kommunalakademie
Kommunikationskampagnen in der
Abfallwirtschaft (VKU-Webinar)
14.03.2023, online
kommunaldigital.de
WasserDialog
15.03.2023, Leipzig
veolia.de/wasserdialog
Die umweltfreundliche
Marketingausstattung: Drucksachen
& Papiere richtig ausschreiben
15.03.2023, online
news.fnr.de
Social Smart City – Einblicke in eine
sozial-digitale Kommunalpolitik
17.03.2023 – 18.03.2023, Bochum
fes.de/kommunalakademie
Rhetorik I – Souveräne freie Rede
17.03.2023 – 18.03.2023, Dortmund
fes.de/kommunalakademie
5. Speyerer Sozialrechtstage 2023:
Migration und Sozialleistungsbezug
20.03.2023 – 21.03.2023, Speyer
uni-speyer.de/weiterbildung/
Thüringen geschildert, Humorvolles
von Karl Valentin abgedruckt und
über das „Fahrrad als Dekorations
objekt” sinniert. Das Interesse der
Autorinnen und Autoren gilt außer
dem dem Wirtschaftsfaktor Fahr
rad und der Frage, was es auf dem
Weg zur Kreislaufwirtschaft beitra
gen kann. Klar ist: Fahrräder lassen
sich leichter reparieren und recyceln
als viele andere Verkehrsmittel. CFH
Alexandra Hildebrandt und Claudia
Silber (Hg.):
Zukunft Mikromobilität. Wie wir
nachhaltig in die Gänge kommen:
Ein Rad-Geber
Büchner-Verlag, 2022, 328 Seiten,
36,00 Euro, ISBN 978-3-96317-313-4
Tagung Kommunale Abfallwirtschaft
meets Start-ups
22.03.2023 – 23.03.2023, Hamburg
kommunaldigital.de
Aufbau-Seminar Kommunales
Haushaltsrecht in NRW
24.03.2023 – 25.03.2023, Dortmund
fes.de/kommunalakademie
Aktion Earth Hour
25.03.2023, weltweit
wwf.de/earth-hour
VDV-Elektrobuskonferenz
27.03.2023 – 28.03.2023
ebuskonferenz.de
KommunalAkademie digital Kurs 1:
Kommune in Staat und Gesellschaft
01.04.2023 – 31.12.2023, online
fes.de/kommunalakademie
KommunalAkademie digital Kurs 2:
Kommunaler Haushalt und Finanzen
02.04.2023 – 31.12.2023, online
fes.de/kommunalakademie
Souveräne Moderation
und Sitzungsleitung
21.04.2023 – 22.04.2023, Köln
fes.de/kommunalakademie
Kommunale Sozial- und
Jugendhilfepolitik gestalten
21.04.2023 – 22.04.2023, Bonn
fes.de/kommunalakademie
9. Kommunaler IT-Sicherheitskongress
24.04.2023 – 25.04.2023, Berlin/online
eveeno.com/kommunaler-it-sicherheitskongress
Kongress Digitaler Staat
25.04.2023 – 26.04.2023, Berlin
digitaler-staat.org
Seminar Geschäftsmodelle, Finanzierung
und Förderung für erneuerbare
Nahwärmeversorgung
26.04.2023, online
landkreistag.de/termine
Seminar Torfminderung und Kreislaufwirtschaft im kommunalen GaLaBau
27.04.2023, online
news.fnr.de
Einstiegsseminar kommunale
Entwicklungspolitik
03.05.2023, online
skew.engagement-global.de
Rhetorik II: Schlagfertig diskutieren
05.05.2023 – 06.05.2023, Bonn
fes.de/kommunalakademie
Wohnraum nachhaltig entwickeln
05.05.2023 – 06.05.2023, Köln
fes.de/kommunalakademie
19. Deutscher IT-Sicherheitskongress
10.05.2023 – 11.05.2023, digital
bsi.bund.de
Fachkonferenz „Kommunen aktiv
für den Klimaschutz”
10.05.2023, Bonn
dstgb.de
Sportliches Podiumstraining
für Kommunalpolitiker_innen
12.05.2023 – 13.05.2023, Bonn
fes.de/kommunalakademie
Tag der Städtebauförderung 2023
13.05.2023, bundesweit
tag-der-staedtebaufoerderung.de
Hauptversammlung Deutscher Städtetag
23.05.2023 – 25.05.2023, Köln
staedtetag.de/veranstaltungen
polisMOBILITY-Konferenz 2023
24.05.2023 – 26.05.2023, Köln
polis-mobility.de
21. kommunalpolitische
Sommerakademie der FES
02.06.2023 – 04.06.2023, Haltern am See
fes.de
Jahrestreffen Netzwerk
Junge Bürgermeister*innen
15.06.2023 – 16.06.2023, Berlin
junge-buergermeisterinnen.de
1. Quartal | 2023 DEMO
SERIE 17
Was deutsch-ukrainische
Partnerschaften leisten
Solidarische Hilfe funktioniert nicht im Einzelkampf,
sondern kann nur gemeinsam gelingen
Autor Burkhard Vielhaber, Servicestelle Kommunen in der Einen Welt
FOTO: STADT GUDENSBERG
I
mmer mehr deutsche Kommunen
und kommunale Unternehmen –
große wie kleine – unterstützen
u krainische Städte durch umfangrei
che Hilfen in den schweren Zeiten des
Krieges auf vielfältige Weise.
Während vor Kriegsbeginn 70 Partnerschaften im deutsch-ukrainischen
Städtenetzwerk der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von
Engagement Global registriert waren,
sind es Anfang des Jahres 2023 bereits
109 – weitere sind schon in Planung. Die
Ausgestaltung ist dabei so individuell
wie die Partnerschaften selbst. Hier
einige Beispiele:
Die Stadt Münster unterstützte direkt nach Kriegsbeginn ihre polnische
Partnerstadt Lublin durch umfangreiche
Hilfslieferungen für Geflüchtete aus der
Ukraine. Die Stadt Lublin leitete Teile
dieser Hilfen an ihre ukrainische Partnerstadt Winnyzja weiter. Daraus ist eine
Dreieckskooperation entstanden, die
im Dezember 2022 vom Rat der Stadt
Münster beschlossen wurde und in Kürze
in der formellen Besiegelung einer Solidaritätspartnerschaft zwischen Münster
und Winnyzja münden wird. Mit Mitteln
aus dem Bundesprogramm „Kommunale Direkthilfe im Rahmen der deutsch-
ukrainischen Solidaritätspartnerschaften“ wurde ein Hilfstransport mit mobilen Küchen, haltbaren Lebensmitteln,
Geschirr und Generatoren bereits nach
Lublin gebracht. Von dort wurde der
Weitertransport nach W
innyzia organisiert. Die Solidaritätspartnerschaft ist zunächst auf fünf Jahre angelegt, was Unterstützung für den Wiederaufbau nach
dem Krieg ausdrücklich mit einschließt.
Weitere Projekte, wie eine Kunstaktion
mit Fotos aus dem Alltag in Winnyzja,
die Vorbereitung einer „Familienerholung für Kinder und Mütter“ in Münster
sowie die Vermittlung von Know-how
im Energiesektor, runden die Partnerschaft ab.
Magdeburg pflegt bereits seit
2008 eine Partnerschaft mit der uk-
Aus Gudensberg wurden auch ausrangierte Feuerwehrautos in die Ukraine geliefert.
rainischen Stadt Saporischschja im
Südosten des Landes, geprägt unter
anderem von einem intensiven Kulturaustausch. Im November 2022 präsentierte M
agdeburg mit der Ausstellung
„Kunst im Krieg – Antikriegsplakate aus
Saporischschja“ 25 Werke der ukrainischen Künstlerin Nataliya Lobach. „Der
Kulturaustausch ist durch den Krieg
zwar etwas zurückgegangen“, so Annica
Hilger, zuständig für die Städtepartnerschaften der Stadt, „ist aber insgesamt
ungebrochen“. Spendenkonzerte halfen,
die Solidarität zu fördern und Hilfsgelder
zu mobilisieren. Circa 4.400 Geflüchtete
aus der Ukraine, meist Frauen mit Kindern, wurden in sicheren Wohnungen
untergebracht. In puncto Sprache, Bildungs- und Betreuungsangebote werden sie von der ukrainischen Gemeinde
in Magdeburg unterstützt. Magdeburg
stimmt sich bei Hilfslieferungen mit der
Stadt Oberhausen, die ebenfalls eine
Partnerschaft mit Saporischschja pflegt,
eng ab. Unter anderem wurden auch
spezielle Pumpen zur Wundversorgung
und Verbandsmaterial in die frontnahe
Stadt geliefert. Logistisch unterstützt
wird Magdeburg dabei durch ihre polnische Partnerstadt Radom.
Die etwa 10.000 Einwohnerinnen und
Einwohner zählende Stadt Gudensberg
DEMO-SERIE
Kommunen
International:
Viele Städte, Gemeinden
und Landkreise vernetzen
sich und verändern so die
Welt. Was internationale
Partnerschaften, Bündnisse und Institutionen
bewirken, thematisieren
wir in unserer Jahresserie.
pflegt seit 2012 eine Städtepartnerschaft mit der etwa gleichgroßen
u krainischen Stadt Schtschyrez, ent
standen über die gemeinsame Partnerstadt Jelcz-Laskowice in Polen. Bereits 42 Hilfstransporte wurden – auch
mit maßgeblicher Unterstützung des
Gudensberger Partnerschaftsvereins –
nach Schtschyrez gebracht. Mit Hilfe von
Fördermitteln des Bundesministeriums
für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (BMZ) konnte zudem
ein Reha-Zentrum für die Versorgung
von Kriegsverletzten erweitert werden.
Für ihr besonderes Engagement wurde
Gudensberg im September 2022 mit
dem Preis „Kommune bewegt Welt“ der
SKEW und im November 2022 mit dem
DEMO-Kommunalfuchs ausgezeichnet.
Ein starker Rückhalt durch alle Verwaltungseinheiten und Gremien wie auch in
der Zivilgesellschaft sei dabei sehr wichtig gewesen, so Bürgermeisterin Sina
Best. Eine sehr große Solidarität sei in
der Bürgerschaft entstanden. „Solidarische Hilfe funktioniert nicht im Einzelkampf, sondern kann nur gemeinsam
gelingen“, resümiert sie.
Tipps für die Partnerschaft
Gefragt nach den Erfolgsfaktoren für
eine gut gelingende Partnerschaft mit
einer ukrainischen Kommune, antworten alle drei Stadtvertreterinnen weit
gehend übereinstimmend:
• Partnerkommune in ähnlicher Größe,
idealerweise mit ähnlichen Strukturen,
zum Beispiel im Bildungs-, Kultur- oder
Wirtschaftsbereich
• Unterstützung innerhalb der Verwaltung und Bürgerschaft, zum Beispiel
durch Kultur- und Partnerschaftsver
eine oder eine ukrainische Diaspora
• Möglichst eine Unterstützung durch
eine polnische Stadt, idealerweise in
Form einer Dreieckskooperation
Eine deutsch-ukrainische Städtepartnerschaft ist keine Größenfrage. Auch
kleine Kommunen können Großes bewirken. Die SKEW unterstützt sie dabei im
Auftrag des BMZ beratend und finanziell.
SERVICE FÜR KOMMUNEN
Die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von Engagement
Global unterstützt im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) deutsche Kommunen im Rahmen
des niederschwelligen Angebotes „Solidaritätspartnerschaften mit der
Ukraine“ durch Vermittlung, Anbahnung, Vernetzung und Beratung sowie
finanzielle Förderung von Hilfstransporten und Hilfsprojekten.
Weitere Informationen: https://skew.engagement-global.de/sonderseite-solidaritaetspartnerschaften-mit-der-ukraine.html
18 DAS LETZTE
DEMO 1. Quartal | 2023
Mit Äpfeln gegen Putin?
Warum für manche der Obstverzehr auch ein Statement
gegen Imperialismus sein kann
Autor Carl-Friedrich Höck
DEMO – Demokratische Gemeinde,
Fachorgan der Sozialdemokratischen
Gemeinschaft für Kommunalpolitik
(Bundes-SGK)
Stresemannstraße 30, 10963 Berlin
Postfach 61 03 22, 10925 Berlin
Telefon:
(030) 255 94-200
E-Mail:
redaktion@demo-online.de
Internet: www.demo-online.de
Herausgeber:
Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH,
Stresemannstraße 30, 10963 Berlin
Äpfel sind gesund und lecker – und in vielen
Kommunen günstig zu bekommen.
sich für manch einen die Frage: Woher einen Apfel nehmen, wenn nicht
stehlen? Die Antwort ist naheliegend: Von kommunalen Wiesen oder
öffentlichen Wäldern. Denn für diese
gilt die sogenannte Handstraußregel.
Vereinfacht gesagt: So viel Obst, wie
zwischen Daumen und Zeigefinger
passt, darf ganz legal gepflückt und
verzehrt werden. Wer mehr naschen
will, kann in vielen Kommunen ein
Ernterecht erwerben.
Leider scheint vielen Deutschen
noch nicht bewusst zu sein, wie
wichtig das Äpfel-Essen für den
Weltfrieden ist. So beklagte die Stadt
Wolfhagen im vergangenen Herbst,
dass die Früchte von Hunderten
Bäumen einfach auf der Wiese ver-
DEMO 2. Quartal 2023
erscheint am 20. Juni 2023
Darin befassen wir uns mit der Digitalisierung
in den Kommunen. Wie läuft die Umstellung
von Verwaltungsleistungen? Welche Potenziale
bietet sie für unsere Städte und Gemeinden? Wo
gehen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker mit neuen Ideen voran? Und wie kann die
IT-Infrastruktur vor Angriffen geschützt werden?
Das und mehr lesen Sie im nächsten DEMO-Heft.
gammeln, weil sich kaum
jemand für das Ernterecht interessierte. Dabei kostete dieses nur
fünf Euro. Da kann
man nur hoffen, dass
das Fallobst wenigstens noch ein paar
Mardern als Nahrung
gedient hat.
Andere dagegen steigern
sich in einen übertriebenen ApfelPatriotismus hinein – und zwar ganz
bewusst. In den 2000er Jahren bereits gründete sich die „Front Deutscher Äpfel“, eine satirische Organisation, welche die (einst von Holger
Apfel geführte) NPD und andere
Nazis aufs Korn nimmt. Sie tritt am
Rande von rechten Demonstrationen
auf und sorgt damit für herrliche
Irritationen. Offiziell engagiert sich
die Truppe gegen „die Überfremdung des deutschen Obstbestandes“
durch Südfrüchte und „gegen faul
herumlungerndes Fallobst“. Eng verbandelt ist die Apfelfront mit dem
„Bund weicher Birnen“.
Klar ist also: Äpfel sind politisch.
Falls Sie sich nun inspiriert fühlen,
im Kreistag oder Gemeinderat einmal engagiert über den Baumbestand und örtliche Streuobstwiesen
zu debattieren, nur zu! Eines sollten
Sie in der Diskussion aber unbedingt
unterlassen: Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
Redaktion: Karin Nink (Chefredakteurin),
Carl-Friedrich Höck (Leitender Redakteur)
Telefon:
(030) 255 94-355
Karin Billanitsch (Redakteurin),
Uwe Roth (redaktionelle Mitarbeit)
Ulf Buschmann (redaktionelle Mitarbeit)
V. i. S. d. P.: Karin Nink für die Seiten 1-20
V. i. S. d. P.: Manfred Sternberg für die Seiten I-XX
Layout/Sekretariat: Heidemarie Lehmann
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Treugeber Parteivorstand der Sozialdemokratischen
Partei Deutschlands (SPD) mit 94,67 Prozent und die
Solidarität V erwaltungs-und Treuhandgesellschaft
mbH, Berlin, als Treuhänderin für den Treugeber Parteivorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
(SPD) mit 5,33 Prozent.
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(BvVG) hat sich entschieden, Transparenz zu zeigen und
veröffentlicht seit 2017 freiwillig auf demo-online.de
Sponsoren und Anzeigenkunden. Der Verlag folgt damit
auch einem Beschluss des SPD-Parteivorstandes von
Dezember 2016.
FOTOS: STOCK.ADOBE.COM/ZCY; UTE GRABOWSKY/PHOTOTHEK.NET
N
un also doch! Die Bundesregierung liefert Marder
und „Leos“ in die Ukraine.
Die Panzer sollen dem Land
helfen, sich gegen Wladimir Putins Angriffskrieg
zu verteidigen. Das erinnert mich an einen
Spruch, den ich einst in
Polen gehört habe: „An
apple a day keeps Putin
away.“ Das ist zu schön,
um wahr zu sein. Braucht es
etwa gar kein schweres Kriegsgerät,
sondern nur ein paar Äpfel, um die
russische Invasion zu stoppen?
So einfach ist es leider nicht. Doch
der Satz hat einen wahren Kern: Entstanden ist er nach der Annexion
der Krim im Jahr 2014. Als Reaktion
verhängte der Westen Sanktionen
gegen Russland, was Putin mit einem
Importstopp für Lebensmittel beantwortete. Politiker in Polen – und
auch der damalige deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt
(CSU) – riefen daraufhin die Bevölkerung auf, mehr Äpfel zu essen. Denn
die heimische Obsternte konnte nun
nicht mehr nach Russland exportiert
werden. Seitdem lässt sich ein beherzter Biss in die gesunde Frucht
offenbar durchaus als antiimperialistische Tat verstehen. Man könnte sagen: Äpfel aktivieren Abwehrkräfte.
Doch weil die Lebensmittelpreise
zuletzt massiv gestiegen sind, stellt
Impressum
GVV Kommunal
Finanzielle Absicherung kommunaler
Entscheidungsträger
Bürgermeister, Ratsmitglieder sowie hauptamtliche Mitarbeiter engagieren sich für ihre Gemeinden. Dabei
treffen sie wichtige Entscheidungen für das Gemeinwohl. Kommt es hierbei zu einem Schaden, haften sie
häufig mit ihrem gesamten Privatvermögen.
Bei den tagtäglich zahlreichen Entscheidungen bleiben Fehlentscheidungen und Versäumnisse nicht aus.
Nicht selten geraten diese Fälle sogar in den Fokus der Aufsichtsbehörden und Gerichte. Schützen Sie Ihre
Entscheidungsträger vor den Folgen von Fehlern mit:
• einer Vermögenseigenschadenversicherung und
• einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (Kommunal D&O).
Weil Fehler von Entscheidungsträgern oft zu besonders hohen Vermögensschäden
führen, reicht die Deckungssumme der Vermögenseigenschadenversicherung nicht
immer aus. Mit der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von GVV Kommunal
werden kommunale Entscheidungsträger finanziell abgesichert.
Treffen Sie die wirklich wichtigen Versicherungsentscheidungen erst nach sorgfältiger
Beratung. Unsere erfahrenen Mitgliedsberater sind bestens dafür ausgebildet.
Ihr direkter Draht zu uns:
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Aachener Straße 952–958 | 50933 Köln
T: 0221 4893-920 | sekretariatbd@gvv.de
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