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DEMO
72. JG | A02125
EINZELPREIS 10,00 €
01/02 2020
VO R WÄ R T S - KO M M U N A L ■ DA S S OZ I A L D EM O K R AT I S C H E M AG A Z I N F Ü R KO M M U N A L P O L I T I K
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FOTO: STOCK.ADOBE.COM/OLIVER BOEHMER /BLUEDESIGN®
ZUSAMMENHALT IN DEN KOMMUNEN
Miteinander
stark
Wie Städte, Gemeinden und Landkreise
Gemeinsinn aktiv fördern und begleiten
mit t
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Der Preis für herausragende kommunale
Beispiele zu Migration und Entwicklung
WETTBEWERB
für Städte, Gemeinden oder Landkreise, die sich gemeinsam mit Migrantinnen
und Migranten entwicklungspolitisch engagieren.
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Bewerbungsschluss: 28. Juni 2020
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Die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) ist Teil von ENGAGEMENT GLOBAL und
arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
ENGAGEMENT GLOBAL gGmbH | Service für Entwicklungsinitiativen | Tulpenfeld 7 | 53113 Bonn
www.engagement-global.de
Servicestelle Kommunen in der Einen Welt: www.service-eine-welt.de | info@service-eine-welt.de
Im Auftrag des
© Christian Lademann
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INHALT 3
01-02/2020 DEMO
Titel
Zusammenhalt in den Kommunen
Liebe Leserin, lieber Leser,
In dieser DEMO zeigen wir eine Reihe von
Beispielen für guten Zusammenhalt in Kommunen.
Die Texte sind alle vor dem Anschlag in Hanau
entstanden, sonst wäre das Heft sicher etwas
anders ausgefallen. Denn dieses brutale Massaker,
bei dem mindestens zehn Menschen feige
ermordet worden sind, zeigt, wie tief unsere
Gesellschaft trotz aller ehrlichen Bemühungen
von vielen Kommunalen um Zusammenhalt durch
Rechtsradikale und Rechtsextreme gespalten wird.
Vielleicht war der Hanauer Täter ein Psychopath,
das lässt sich kaum noch eindeutig belegen. Dass
er ein Rassist war, steht aber außer Frage. Rassisten
und Rechtsextremisten wollen nicht zusammenführen. Für sie gibt es Menschen erster und zweiter
Klasse. Im Netz schüren sie (noch) relativ ungestört
Hass und Gewalt und bestätigen sich gegenseitig
in ihrem Wahn. Bundesjustizministerin Lambrecht
sorgt gerade dafür, dass das nicht so bleibt.
FOTOS: DIRK BLEICKER; BDK J/JÖRG LOEFFKE; BERND HÄGERMANN; RAINER K AFFENBERGER /OREG; DIRK BLEICKER
Die geistigen Väter und Mütter dieser Rechtsextremen aber sitzen heute mit der AfD im Bundestag, in allen Landesparlamenten und in vielen
kommunalen Volksvertretungen. Mit ihnen darf
es keine Form der politischen Zusammenarbeit
geben, auch kein Verständnis für ihre Haltung.
In den Städten, Gemeinden und Landkreisen
spielt sich das reale Leben ab. Dort gilt es, ALLE
einzubinden. Dort müssen aber auch alle demokratischen Kräfte zusammenstehen. Kommunale
Vertreterinnen und Vertreter, Vereine und Zivilgesellschaft müssen gemeinsam aufstehen gegen
all jene, die unsere freiheitliche und demokratische
Ordnung und damit unser friedliches Zusammenleben zerstören wollen. Gegen die, die Menschen
gegeneinander aufstacheln und jene, die ihnen
nicht gefallen, als minderwertig abqualifizieren.
Und wir Bürgerinnen und Bürger müssen die Politikerinnen und Politiker besonders unterstützen, die
sich gegen die Rechtsextremen und Rechtsradikalen stellen und – immer öfter – von ihnen bedroht
werden. Wir dürfen die Mutigen nicht alleinlassen.
Das ist nicht nur eine solidarische menschliche Geste, das ist in diesen Zeiten auch staatsbürgerliche
Pflicht, wenn wir nicht wollen, dass dumpfe und
geschichtsvergessene Extremisten die Geschicke
unseres Landes bestimmen können.
Karin Nink, Chefredakteurin
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„Für eine werteorientierte Demokratie eintreten” | Interview mit Lisi Maier, Deutscher Bundesjugendring
Gegen den Strom | Der Preis „Soziale Stadt 2019” ist nach Bremerhaven gegangen
Einfach dazugehören | Wie die Stadt Heilbronn Projekte für muslimische Jugendliche begleitet
Jobchancen für Geflüchtete im Gesundheitswesen | Lokale Kooperationen in Essen
„Wir müssen den Bürgern wieder mehr zutrauen” | Interview mit Dirk Neubauer, Bürgermeister von
Augustusburg, der gegen Politikfrust kämpft
Einstehen für die Menschen hinter den Zahlen | Der Bund plant eine Wohnungslosen-Berichterstattung
Spielen ohne Hindernisse | Viele Hallen und Plätze sind noch nicht barrierefrei
Der schleichenden Einsamkeit im Alter vorbeugen | Präventionsprojekte in Hamburg
Brücken bauen zwischen Alt und Jung | Seniorenamt Regensburg steht für Miteinander der Generationen
„Seenland aus Bergmannshand” | Großräschens Bürgermeister Thomas Zenker treibt den Strukturwandel
in der Lausitz voran
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Report
Kommunalwirtschaft
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Stadtwerke zahlen die Zeche | Für das Kohleausstiegsgesetz besteht Nachbesserungsbedarf
Glasfaser bis zur Milchkanne | Um schnelle Leitungen bis in die Wohnung wirtschaftlicher zu machen, muss
die Netzauslastung gesteigert werden
Gemeinden stärker an Wertschöpfung von Windenergieprojekten beteiligen | Fragen an Andreas Pick,
Projektentwicklung Windkraft bei der EnBW
Odenwaldkreis trägt zu mehr Klimaschutz bei | Neue Photovoltaikanlage versorgt 600 Haushalte mit Strom
d-Port21 – Dortmunds nächstes Leuchtturmprojekt | Stadtwerke schreiben Erfolgsgeschichten
Cross-industrielle Netzwerke | Kommunale Industrieregionen stärken
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News | Drei Fragen an Frank Baranowski
Gemeinsam gegen rechts | Gespräch mit Patrick Dahlemann
Bücher | Wahlen | Termine
Das Letzte | Vorschau | Impressum
4 TITEL
DEMO 01-02/2020
„Für eine werteorientierte
Demokratie eintreten“
Warum Engagement in jungen Jahren besonders wichtig ist und wie die Kommunen
Jugendverbandsarbeit unterstützen können, erklärt Lisi Maier vom Deutschen
Bundesjugendring. Sie beklagt, dass Jugendverbände Angriffe von rechts erleben
Interview Karin Billanitsch
ZUR PERSON
Lisi (Elisabeth) Maier, 1984
geboren, ist aufgewachsen im
oberbayerischen Irschenberg.
Bis zum Jahr 2003 hat sie eine
Ausbildung zur Hauswirtschafterin absolviert, 2005 machte
sie Abitur und studierte bis
zum Jahr 2010 Politikwissenschaften, Soziologie und
Wirtschaftswissenschaften an
der LMU München.
Bis 2010 war Lisi Maier Mitarbeiterin der Frauenbeauftragten der LMU München und
bis 2012 ehrenamtlich aktiv
bei verschiedenen Verbänden,
auf der Orts- bis zur Bundesebene, vor allem bei der
Kolpingjugend, dem BDKJ und
bei ver.di.
In ihrer Heimatgemeinde
Irschenberg wurde sie 2008 in
den Gemeinderat gewählt und
war dort bis 2011 Mitglied.
Seit dem Jahr 2012 ist Maier
hauptamliche Vorsitzende des
BDKJ. Darüber hinaus ist sie
im Vorstand des Deutschen
Bundesjugendrings, des Bundesjugendkuratoriums, der
Bundesarbeitsgemeinschaft
katholische Jugendsozialarbeit
und des deutschen Frauenrats
aktiv. (KB)
Unsere Gesellschaft braucht Zusammenhalt – doch Teile davon driften
auseinander und die politische Polarisierung wächst. Woran liegt das?
Wir nehmen natürlich wahr, dass Faktoren wie die klaffende Einkommens- und
Vermögensverteilung, die zur Spaltung
der Gesellschaft ein Stück weit beitragen,
zunehmen. Deshalb ist es wichtiger denn
je, sich Gedanken zu machen, wie man
vereinende Elemente schafft und der
Spaltung entgegenwirkt. Zum Beispiel
mit dem gesetzlichen Mindestlohn als
einem ersten Schritt, der die weitere Öffnung der Einkommensschere verhindert.
Doch die Gruppe, die das höchste
Einkommen und vor allem Vermögen
hat, läuft voran, während sich die Mittelschicht weiter auflöst. Wir haben ein
Zwei-Klassen-Gesundheitssystem, in Teilen ein Drei-Klassen-Schulsystem – und
nach wie vor hängt der Zugang zu Infrastruktur, sozialen und kulturellen Angeboten, zu Arbeitsplätzen und zur Kinder- und Jugendhilfe vom Wohnort ab.
Das trägt alles dazu bei, dass man immer
weniger Zusammenhalt fühlt. Darüber
hinaus gibt es immer mehr Akteure, die
durch eine Politik der Ausgrenzung und
das Schüren von Vorurteilen und Ängsten das Auseinanderdriften der Gesellschaft verstärken.
In vielen ländlichen Regionen fühlen
sich Menschen abgehängt, sind wütend oder frustriert, weil die letzte
Bank zumacht oder der Bus seltener
fährt. Es gibt eine verschärfte politische Polarisierung und einen Rechtsruck. Was tun?
Es gibt solche und solche ländliche Regionen. Ich komme aus einer florierenden ländlichen Gegend in Oberbayern,
wo viel auf Tourismus gesetzt worden ist.
Aber es gibt auch eine Kehrseite: Grundstückspreise sind unglaublich gestiegen,
sehr viele Menschen wollen dort hinziehen. Das ist eine ganz andere Situation
als etwa in Brandenburg. Ich nehme auch
wahr, dass es ländliche Regionen gibt, die
bei weitem nicht so attraktiv sind und wo
viele Menschen das Gefühl haben, abgehängt zu sein. Ungleichwertige Lebensverhältnisse sind nicht nur ein Stadt-LandProblem, sondern eine Frage der regionalen Unterschiedlichkeit und natürlich
auch der Zukunftsperspektiven vor Ort.
Zugleich: Dort wo es eine starke rechte Bewegung gibt, hat das nicht immer
etwas mit einem Gefühl des AbgehängtSeins zu tun. Mich hat überrascht, dass es
in meiner Heimat bei den letzten Landtagswahlen Sympathien mit der AfD gab,
obwohl in meinem Dorf eine Arbeitslosigkeit von unter zwei Prozent herrscht. Da
kann sich eigentlich niemand aufgrund
der wirtschaftlichen Lage abgehängt fühlen. Und dennoch gibt es dort ein gewisses Potenzial an AfD-Wählerschaft. Das
ist erschreckend. Es tragen mehr Dinge
dazu bei, ob man die AfD wählt oder
nicht.
Lisi Maier: „Es ist wichtig, dass sich schon
junge Menschen einbringen, um eine lebenswerte
Gesellschaft zu gestalten.“
Ist die Jugendverbandsarbeit Druck
von rechts ausgesetzt?
Wir nehmen wahr, dass unsere Verbände aus rechten Milieus angegriffen werden. Das nimmt teilweise dramatische
Züge an, etwa in Berlin-Neukölln. Hier
sind die Falken, die sozialistische Jugend
Deutschlands, immer wieder Angriffen
oder Drohungen von rechtsextremistischer Seite ausgesetzt. Und dies betrifft
eben nicht nur abstrakt den Verband als
Organisation, sondern ganz konkret junge Menschen, die ehrenamtlich Verantwortung übernehmen und sich für andere engagieren. Wir erleben das aber
auch im ländlichen Bereich.
Der Deutsche Bundesjugendring hat
schon 2016 eine Analyse dazu gemacht.
Insbesondere Jugendverbände, die viel
Geflüchtetenarbeit machen, berichten
von Schmierereien an Fassaden offener
Jugendtreffs oder von Drohungen. Bei
meinem Verband, dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), gab
es nach einer Plakataktion zum christlich-muslimischen Dialog im Südwesten
Deutschlands – in einer mittelgroßen
Stadt – Morddrohungen gegen Mitarbeitende. Man merkt sehr deutlich,
dass sich die Angriffe nicht nur explizit
gegen Verbände mit Migrationshintergrund richten, sondern gegen alle, die
für eine pluralistische werteorientierte
Demokratie eintreten, was für alle Verbände im Deutschen Bundesjugendring
zutrifft. Das ist auf alle Fälle schon sehr
erschreckend.
Die AfD versucht, über parlamentarische Anfragen und Anträge die
Arbeit von Verbänden und freien
Trägern zu stören. Haben Sie damit
Erfahrungen gemacht?
Der Streit um Neutralität wird aktuell
vor allem auf Landesebene geführt, aber
auch in größeren Städten. Die Auseinan-
FOTO: BDK J / CHRISTIAN SCHNAUBELT
Zusammenhalt
in den
Kommunen
TITEL 5
01-02/2020 DEMO
bewegen können. Das ist ein großer
Schatz.
dersetzung ist immer die gleiche. Vorgetragen wird: Wenn man staatliches Geld
bekommt, dann würde man auch der
Neutralitätspflicht, die für die Staatsorgane gilt, unterliegen. Ich habe bisher nur
juristische Gutachten gesehen, die genau
das Gegenteil sagen. Die Zivilgesellschaft
wird nicht zum Staatsorgan, nur weil sie
staatliche Gelder bekommt. Sonst würde unsere Rolle, Interessenvertretung für
Menschen in einem pluralen System zu
sein, ad absurdum geführt. Nicht zuletzt
beschreibt das Kinder- und Jugendhilfegesetz dass „durch Jugendverbände und
ihre Zusammenschlüsse Anliegen und Interessen junger Menschen zum Ausdruck
gebracht und vertreten“ werden.
Das Problem ist zudem, dass die Anfragen viele Ressourcen in der Verwaltung binden.
FOTO: BDK J/JAN / JAN HOEFER
Fördert Engagement im Jugendbereich den Zusammenhalt, indem
Kinder und Jugendliche Gemeinschaft erleben?
Wenn man gemeinsame Erfahrungshorizonte hat und die Möglichkeit, Zusammenhalt zu erleben, wird der Vereinzelung und dem Auseinanderdriften
der Milieus ein Stück weit entgegengewirkt. Das funktioniert auch, wenn man
aus unterschiedlichen Wertekontexten
kommt, vielfältige Erfahrungen und familiäre Hintergründe mitbringt. Kinder
und Jugendliche lernen Gleichgesinnte
unabhängig von der soziokulturellen
Situation des oder der Einzelnen kennen.
Sie lernen, die demokratische Auseinandersetzung mit anderen Positionen zu
führen und Kompromisse zu finden.
Unter dem Dach des Bundesjugendrings sind viele Jugendorganisationen mit unterschiedlichen Zielen.
Kann man sagen, dass die Begegnung das Verständnis füreinander
fördert?
Ob es jetzt der Bundesjugendring auf
Bundesebene, Landesjugendringe in den
Bundesländern oder Kreis- und Stadtjugendringe vor Ort in den Kommunen
sind: Es ist ein Begegnungsraum für
junge Menschen, die sich gemeinsam
im Sinne von Selbstorganisation für die
Interessen anderer junger Menschen
einsetzen. Es gibt ein breites Spektrum,
das von der Landjugend mit Bezug zum
Bauernverband, über die Gewerkschaftsjugenden, konfessionelle Verbände,
Migrantenjugendselbstorganisationen,
der Feuerwehrjugend bis hin zur Naturschutz- und der BUND-Jugend reicht.
Dabei kommt es natürlich auch zu
gewissen Konflikten. Auf Demonstratio-
Warum ist es überhaupt wichtig,
dass sich schon Junge einbringen?
Um eine lebenswerte Gesellschaft für
sich zu gestalten. Alle Studien sagen,
wie relevant das Engagement in jungen
Jahren ist. Die, die es nie getan haben,
finden später viel schwerer Zugänge.
Das hat viel mit Sozialisation zu tun. Deshalb müssen Kommunen ein so großes
Interesse daran haben, Räume, Strukturen und finanzielle Ressourcen bereitzustellen, damit Engagement vor Ort
stattfinden kann, weil sie dadurch auch
Menschen an sich binden. Jemand, der
in jungen Jahren den Ort mitgestaltet
und nicht nur scheinbeteiligt wird, der
wird auch später ein großes Interesse
haben, sich einzusetzen und etwas zum
Zusammenhalt beizutragen.
Abschluss der Aktion „Zukunftszeit – Gemeinsam für ein buntes Land“ des Bundes
der katholischen Jugend in Berlin, gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit
nen im Januar auf der Grünen Woche in
Berlin stehen sie sich auf verschiedenen
Seiten gegenüber. Dennoch schafft man
es innerhalb der Strukturen, Positionen
z.B. umweltpolitischer Natur zu verabschieden, die so gestaltet sind, dass sie
alle mitnehmen.
Sind Jugendverbände eine Art Auslaufmodell, weil sich immer weniger
Jugendliche engagieren?
Es gibt Studien, die sich mit dem ehrenamtlichen Engagement von Jugendlichen befassen, zum Beispiel der Freiwilligensurvey, der zuletzt 2015 erschienen
ist. Da wurde deutlich, dass junge Menschen ein großes Interesse haben, sich
zu engagieren, die Zahl der Ehrenamtlichen sogar leicht ansteigt, aber weniger
Zeit für dieses Engagement bleibt. Vor
20 Jahren waren es noch durchschnittlich acht Stunden ehrenamtliches Engagement pro Woche bei den unter 18-Jährigen, heute sind es nur noch zwei. Aber
Jugendliche wollen mitmachen, wollen
Teil einer Gruppe sein.
Spannend ist auch, dass unterschiedliche Studien zeigen: Junge Menschen engagieren sich am liebsten in ihrem Nahraum, im kommunalen Bereich. Zwar haben viele eine globale Perspektive – wie
„Fridays vor Future“ zeigt – die meisten
interessieren sich aber mehr für ihre unmittelbare Umgebung, weil sie da eine
hohe Wirksamkeit erfahren und etwas
Die meisten
jungen
Menschen
interessieren
sich für ihre
unmittelbare
Umgebung,
weil sie da
eine hohe
Wirksamkeit
erfahren.
Lisi Maier,
Bundesvorsitzende des
Bundes der katholischen
Jugend und des Deutschen
Bundesjugendrings
Kommunen richten beispielsweise
Jugendparlamente ein. Wie sind hier
Ihre Erfahrungen?
Wir haben leider die Erfahrung gemacht,
dass mit der Bezeichnung „Jugendparlament“ eine sehr breite Palette an Organisationen beziehungsweise Angebote mit ganz unterschiedlichem Zugang
gemeint sind. Dahinter stecken nicht
immer die besten Beteiligungsformate.
Vielfach darf dann ein bisschen beraten,
aber nichts entschieden werden. Das ist
nicht der Anspruch der Jugendverbände.
Sie wollen kein „Probeparlament“ haben, sondern wirklich etwas verändern.
Dafür müssten in den jeweiligen Landeskommunalverfassungen Beteiligungsrechte oder Anhörungsverfahren für die
Jugend verankert werden. Beispiele für
gute Beteiligungsrechte gibt es etwa in
Schleswig-Holstein.
Was können Kommunen ganz praktisch beitragen?
Räume für Jugendclubs oder Gruppen
zu organisieren, ist immer wieder ein
Thema. Die Kommune sollte ein Interesse daran haben, dass es Orte gibt, wo
Menschen unterschiedlicher Herkunft
zusammenfinden können. Je mehr Zeit
Schule im Alltag einnimmt und dort
auch Aktivitäten am Nachmittag stattfinden, desto weniger Menschen mit unterschiedlichen Bildungshintergründen
lernen sich kennen. Einsparungen in der
offenen Kinder- und Jugendarbeit haben
sich mit Blick auf das Erstarken rechter
Parteien auch schon negativ ausgewirkt.
Es gibt Beispiele, wo Nazis Bauwagen
für Jugendliche geöffnet haben, nachdem der Jugendtreff weggespart wurde.
6 TITEL
DEMO 01-02/2020
Gegen den Strom
Der Preis „Soziale Stadt 2019” ist nach Bremerhaven
gegangen. Dort wird seit mehr als 20 Jahren der Stadtteil
Wulsdorf revitalisiert
Autor Ulf Buschmann
B
itte recht freundlich: Es herrscht
Feierlaune an diesem Tag im
vorigen Herbst. Denn das Projekt „Gegen den Strom – Soziale Stadt
Wulsdorf“ des kommunalen Wohnungsunternehmens STÄWOG aus
Bremerhaven wird mit dem rennommierten Preis „Soziale Stadt 2019“ ausgezeichnet. Die kleinere der beiden Kommunen
des Landes Bremen ist dafür prämiert
worden, dass viele Menschen gemeinsam
ein Quartier umgekrempelt und so die soziale Situation verbessert haben.
Aus einstigen Schmuddelecken und
heruntergekommenen Schlichtbauten
sind schmucke Häuser geworden, umgeben von Begegnungs- und Spielmöglichkeiten für Erwachsene und Kinder.
Bewohnerinnen und Bewohner, soziale
Einrichtungen wie die Bremerhavener
AWO, kommunale Unternehmen, Politik
und Verwaltung haben das Projekt gemeinsam entwickelt und umgesetzt. Bei
der Bremerhavener Wohnungsbaugesellschaft STÄWOG sind die Fäden dafür
zusammengelaufen. Der Preis ist immerhin mit 10.000 Euro dotiert und wird von
allen Beteiligten ordentlich gewürdigt.
Verwahrlosung und Vandalismus
Manfred Klenner (l.), pensionierter Sozialarbeiter, und
Architekt Hans-Joachim Ewert
vor dem Spiralhaus
Rückblende: Ende der 1990er Jahre sieht
es trist aus in Wulsdorf. Viele eilig in den
1950er Jahren errichtete schlichte Blocks
zur Beseitigung der akuten Wohnungsnot verfallen mehr und mehr. Heute
erinnern nur noch Fotos daran: ein ungepflegter Hauseingang mit abgewetzten Stühlen davor, trostlose Straßen, in
denen auch Müll und Unrat liegt, mit
Graffiti besprühte Wände. STÄWOG-Geschäftsführer Sieghard Lückehe erinnert
sich an eine unheilvolle Mischung aus
hohem Wohnungsleerstand, Verwahrlosung und Vandalismus. „Es war ein stark
sozial benachteiligtes Quartier“, sagt er.
Dort lebten Menschen mit unterschiedlichen Migrationshintergründen zu einem
Großteil von Sozialhilfe.
Bremerhavens Verantwortliche, allen
voran die STÄWOG mit dem damaligen
Kleiner Quartierspaziergang
Zwei dieser Menschen, die für eine solche Aufgabe brennen, sind Hans-Joachim Ewert und Manfred Klenner. Ewert
war damals als junger Architekt gerade
frisch bei der STÄWOG in Bremerhaven.
Heute leitet er die Planungsabteilung.
Klenner arbeitete damals als Sozialarbeiter im Quartier, inzwischen ist er pensioniert. Aber Ruhe gönnt er sich trotzdem
nicht. „Ich habe noch einen kleinen Job
im Sozialmanagement der STÄWOG“,
stellt er sich vor.
Die beiden Männer nehmen sich Zeit
für einen kleinen Spaziergang durch das
Viertel. Dabei erinnert sich Ewert an die
Anfänge seiner ihm vor 20 Jahren gestellten Aufgabe. Er schlägt immer noch
die Hände über dem Kopf zusammen.
Wie das hier wohl alles gehen solle,
habe er sich damals immer wieder gefragt. Architektonisch muss Ewert so
etwas wie die eierlegende Wollmilchsau
erschaffen: Das Quartier mit schmalem
Budget auf links drehen. Immerhin hätten andere Fachleute ihn und seine Mitstreiter damals längst für ein bisschen
verrückt erklärt. Die schlichten Bauten,
und dann auch noch mit Klo im Treppenhaus, ließen sich nur abreißen, war die
ziemlich einhellige Meinung.
Aber Ewert brennt für das Ungewöhnliche. Die ersten Wohnblocks werden
FOTOS: ULF BUSCHMANN
Vom tristen Brennpunktviertel zu einer Gartenstadt mit vielen Spielplätzen und grünen Oasen: Bremerhavens Verantwortliche, allen voran
die Wohnungsbaugesellschaft STÄWOG, haben Wulsdorf städtebaulich weiterentwickelt – mit Mitteln aus dem Programm „Soziale Stadt“.
Geschäftsführer Christian Bruns, suchten
nach einem Ausweg. Die Entscheidung:
Statt die heruntergekommenen Wohnhäuser abzureißen und die Grundstücke
zu verkaufen, sollen das Quartier neu
gestaltet und die sozialen Probleme angegangen werden. Als es soweit ist,
müssen sich Bruns und Co gegen große
Widerstände durchsetzen. Doch es bleibt
dabei: Neuanfang statt Abriss. Letzteren
gibt es in den kommenden Jahren zwar
auch – aber nur dort, wo es unbedingt
notwendig ist.
Den Plänen entsprechend gibt es bald
einen Namen, der auch Programm ist:
„Gegen den Strom – Soziale Stadt Wulsdorf“. Für das Vorhaben kommt sogar
Geld vom Bund – aus dem 1999 gerade
neu geschaffenen Programm „Soziale
Stadt“. Das Wulsdorfer Quartier sei als
erstes in ganz Deutschland gefördert worden, erinnert sich Lückehe. Er freut sich:
„Nach 20 Jahren ist unsere Arbeit belohnt
worden.“ Der STÄWOG-Chef macht die
gleichen Erfahrungen wie sein Vorgänger: „Man braucht für solch ein Projekt
starke Partner und die politischen Mehrheiten.“ Und noch eines hält Lückehe für
unersetzlich: „An den entscheidenden
Stellen die richtigen Personen.“
TITEL 7
01-02/2020 DEMO
saniert. Er setzt dabei auf Schonung der
Bausubstanz. Jetzt – Quartiers-Spaziergang – bleibt er stehen und erklärt, wie
die Häuser etwa ein neues Dach bekommen haben. Ewert zeigt nach oben: „Das
sind Dachkonstruktionen, wie man sie
zum Beispiel für Scheunen in der Landwirtschaft benutzt. Wir haben sie einfach
gedreht. Es sieht jetzt ein bisschen aus
wie eine Landebahn.“ Weil die vorhandenen Häuser geschont wurden, blieben
auch die sozialen Strukturen im Stadtteil
erhalten. Das förderte den Zusammenhalt in der Siedlung – heute sind die
Menschen stolz, hier zu leben.
FOTOS: ULF BUSCHMANN; WOGE BREMERHAVEN
Grüne Orte der Begegnung
Dahinter steht so etwas wie eine städtebauliche Vision. „Wir wollen über
die Architektur etwas in den Köpfen
der Menschen ändern“, beschreibt es
Ewert. Und nicht nur das, der Planer
hat von Anfang an von einer „grünen
Gartenstadt“ geträumt. Um dieses Ziel
zu erreichen, sind in den vergangenen
20 Jahren schon rund sechs Kilometer
Hecken und mehr als 100 Bäume gepflanzt worden. So sind kleine grüne
Oasen vor den neu gestalteten Hauseingängen entstanden.
Grün ist es nicht nur vor den Häusern
an den Straßen. Auch hinter den Häusern entstanden grüne Orte der Begegnung. Darüber freut sich Klenner besonders: „Wir wollten auch aus diesem üblichen Abstandsgrün etwas entwickeln“,
sagt er und weist auf das, was sich vor
ihm und Ewert erhebt: Ein Spielplatz,
der an die Filme über die Abenteuer von
Sindbad, den Seefahrer, erinnert. „Dieser Spielplatz heißt ‚Tausend und eine
Nacht‘“, sagt Klenner.
Im Quartier leben Angehörige aus 20
Nationen – darunter 27 Prozent Türken.
Rund 60 Prozent seien Deutsche, darunter 40 Prozent Sinti und Roma, so Klenner. Zu ihnen den Kontakt zu halten und
sich immer wieder mit den Bewohnern
über den richtigen Weg zu verständigen, sei bis heute eine große Aufgabe,
berichtet er.
Den Zusammenhalt im Quartier zu
stärken, ist auch ein Ziel der „Bürgergemeinschaft Wulsdorf“. Sie vertritt die
Interessen der Menschen, die dort arbeiten oder leben. Ein kulturelles Veranstaltungsprogramm mit Ausstellungen oder
Vorträgen lockt die Leute an, die sich so
besser kennenlernen. Auch altes Brauchtum wird gepflegt.
Zusätzlich gibt es die Stadtteilkonferenz Wulsdorf (STK) mit diversen Projekten: den Arbeitskreis „Willkommen in
Wulsdorf“ der ein „Familiencafé“ und den
damit auch dort die Wohnzufriedenheit erhalten bleibt
und die Integrationsarbeit erfolgreich fortgesetzt werden
kann.
EXPERTEN-TIPP
„Treffpunkte zum
Kennenlernen
und Austausch“
Im Rahmen der Stadtteilkonferenz können sich Wulsdorfer treffen, austauschen und
konkrete Projekte vorantreiben. Die DEMO hat Sprecher
Carl Müller-Neumann befragt:
Was ist das Besondere am
Wulsdorfer Zusammenhalt?
Die Wulsdorfer eint nicht nur
die Hoffnung, dass die seit
Jahren angestrebte und jetzt
eingeleitete Wiederbelebung
des Stadtteilzentrums schnell
vorankommt. Sie haben auch,
den Wunsch, dort schon bald
angenehme Aufenthaltsqualitäten und attraktive Begegnungsmöglichkeiten vorzufinden. Letztere Wünsche
sollen sich mit einem eigenen
Stadtteilzentrum auch für den
nördlichen Ortsteil von Wulsdorf – Dreibergen – erfüllen,
Welche Bedeutung haben
Angebote wie das „Familiencafé“, der Kulturladen
oder Vorträge?
Treffpunkte, wo sich Flüchtlinge, zugewanderte Neubürgerinnen und -bürger, Wulsdorferinnen und Wulsdorfer
begegnen, sich gegenseitig
kennenlernen und austauschen können, sind sehr wichtig, wenn eine intakte Nachbarschaft erhalten bleiben
und Integration gelingen soll.
Ein umgestaltetes Fichtehaus
Heidacker könnte viel dazu
beitragen.
Welchen Rat geben Sie
anderen aufgrund Ihrer
Erfahrungen?
Fördern Sie Veranstaltungen, die es möglich machen,
dass Bewohner des Stadtteils
zusammenkommen, um gemeinsam Spaß zu haben, etwas zu erfahren, zu lernen und
vor allem auch, um zu besprechen und festzulegen, was ihrem Umfeld guttun kann und
das Wohnrevier fördert und
lebenswert erhält. Bemühen
Sie sich, die Bürgerinnen und
Bürger aktiv zu beteiligen und
eine versprochene Bürgernähe von Verwaltung und Politik
einzufordern.
http://www.wir-wulsdorfer.de
Die Gewinner des Preises „Soziale Stadt 2019“ im Bremerhaven. Ausruhen können
sie aber nicht: „Die soziale Stadt ist nie fertig“, sagt STÄWOG-Chef Sieghard
Lückehe (1. Reihe, 4.v.r.).
„Kulturladen Wulsdorf“ betreibt oder gemeinsame Ausflüge und Feste, Flohmarkt
oder Vorträge organisiert: Ziel ist es,
das Miteinander positiv zu fördern und
zu stärken und Wulsdorf lebenswerter
und attraktiver zu gestalten (siehe auch
Kasten Expertentipp). So soll etwa das
Stadtteilzentrum wiederbelebt werden
oder ein neuer, beleuchteter Radweg
geschaffen werden.
Dass Menschen unterschiedlicher
Kulturen und Nationalitäten harmonisch
nebeneinander leben können, betonen
auch Ewert und Klenner, als sie am Gemeinschaftsgarten stehen. Hier haben
die Bewohner des davorstehenden Hauses die Möglichkeit, gemeinsam zu gärtnern. „Das ist unsere Form von Urban
Gardening“, lächelt Architekt Ewert.
Das Spiralhaus
Der Gemeinschaftsgarten befindet sich
vor dem „Spiralhaus“, eingeweiht 2017 –
ein Objekt, das nicht nur in Bremerhaven
für Furore gesorgt hat. Ewert erklärt die
Philosophie dahinter: Im Quartier werden die Menschen älter, die 50er-JahreSchlichtbauten aber lassen keinen barrierefreien Umbau in der Substanz zu. Also
ist Ewert auf die Idee gekommen, die
entsprechende bauliche Ergänzung einfach davorzusetzen. Entstanden ist eine
Rampenkonstruktion aus Metall mit einer
Verkleidung aus Holz – unter Einhaltung
aller gesetzlichen Vorschriften wie einer
maximalen Steigung von sechs Prozent.
Diese ermöglicht auch Rollstuhlfahrern,
problemlos in die oberen Geschosse zu
gelangen.
Ewert und Klenner könnten weitere
Beispiele zeigen. Sie und die Bewohner
sind an diesem Nachmittag stolz auf das,
was sie gemeinsam geschaffen haben.
Der Gedanke, über Architektur in den
Köpfen etwas zu verändern und damit
auch für Menschen etwas zum Positiven,
scheint aufgegangen zu sein.
„Wenn ich sehe, wie man mir heute im Quartier begegnet, wie einfach
wir ins Gespräch kommen, dann denke
ich, dass ich vielleicht auch einiges richtig gemacht habe“, wird Sozialarbeiter
Klenner in der Broschüre zum Wulsdorfer Projekt zitiert. Doch ausruhen kommt
für die Beteiligten nicht infrage. „Die soziale Stadt ist nie fertig“, sagt STÄWOGGeschäftsführer Sieghard Lückehe. Müll
und Gewalt der Vergangenheit seien
ja noch nicht gänzlich verschwunden.
Aber, so betont er, der tägliche Umgang
damit sei nach 20 Jahren ein anderer.
staewog.de
buergergemeinschaft-wulsdorf.de
8 TITEL
DEMO 01-02/2020
Einfach dazugehören
Wie die Stadt Heilbronn Projekte für muslimische Jugendliche
begleitet – überregionaler Schulterschluss mit Berlin
Autor Uwe Roth
an überhaupt kein Problem gewesen,
so die Integrationsbeauftragte. Im Gegenteil: „Ich hatte das Gefühl, dass die
Jugendlichen geradezu darauf gewartet
haben, mit ihren Ideen an die Öffentlichkeit zu gehen“, sagt Keicher. Viele seien
es leid, auf den Islam reduziert und für
alles verantwortlich gemacht zu werden,
was im Namen ihrer Religion in der Welt
an Gewalttaten passiert. Sie wollten einfach dazugehören.
Nach Projektstart ging es Schlag auf
Schlag: „Ich habe mir einen Vormittag
Zeit genommen. Die Jugendlichen haben mir je eine halbe Stunde lang ihre
Ideen präsentiert, und ich habe mein
Adressverzeichnis gezückt und sie mit
den richtigen Leuten zusammengebracht“, beschreibt die städtische Mitarbeiterin die Startphase. Sie ist eine
Netzwerkerin mit vielen Kontakten im
Landkreis Heilbronn und in der Landeshauptstadt Stuttgart. Darüber fand sie
immer neue Unterstützer wie die Landeszentrale für politische Bildung. Ein
eigenes Budget aus dem kommunalen
Haushalt habe sie dafür nicht benötigt.
Teil eines überregionalen Projekts zu
sein, habe sicher als Türöffner geholfen.
Junge Musliminnen aus Heilbronn haben das Demokratielernspiel „Quararo“ entwickelt. Im Vordergrund ganz rechts: Roswitha Keicher,
Leiterin der Stabsstelle Partizipation und Integration.
H
eilbronn hat 126.000 Einwohnerinnen und Einwohner
aus 150 Nationen. Mehr als
die Hälfte der Bevölkerung hat einen
Migrationshintergrund. Bei den Kindern
und Jugendlichen sind es sogar mehr
als 70 Prozent. Die jungen Leute bleiben vielfach unter sich, auch wenn sie
bereits in dritter Generation hier leben
und einen deutschen Pass haben. In
den Gruppen, in denen sie regelmäßig
zusammenkommen, definieren sich die
Teilnehmenden weniger über die Länderherkunft ihrer Eltern oder Großeltern,
sondern vielmehr über ihre gemeinsame
Religion, den Islam. Angesichts hoher
Migrationsraten rückten die Aktivitäten
der jungen Menschen auch in den Fokus
der Kommunalpolitik.
Anfrage aus Berlin
Die Anfrage aus Berlin, ob sich die Stadt
am Pilotprojekt „Extrem Demokratisch
– Muslimische Jugendarbeit stärken“ beteiligen wolle, sei vor Jahren wie gerufen gekommen, erinnert sich Roswitha
Keicher, Leiterin der Stabsstelle Partizipation und Integration. Schon vor mehr
als sechs Jahren ist Tanja El Ghadouini
vom Verein Regionale Arbeitsstellen für
Bildung, Integration und Demokratie,
kurz RAA, auf sie zugekommen. Berlin,
wo der Verein seinen Sitz hat, war für die
Projektteilnahme gesetzt. Nun suchte El
Ghadouini eine weitere Kommune und
fand sie in Heilbronn. Zwischen 2015 und
2019 lief das Projekt, das im Rahmen des
Programms „Demokratie leben! Aktiv
gegen Rechtsextremismus, Gewalt und
Menschenfeindlichkeit“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend gefördert worden war.
Auch Heilbronns Oberbürgermeister
Harry Mergel (SPD) begrüßte die Herangehensweise: „Es ist nicht unser Anliegen,
Religionspolitik zu machen. Wir wollen
vielmehr die Religionsgemeinschaften
als wichtige Partner der Stadtverwaltung
sehen und diesen Prozess moderieren.“
Ihm sei es wichtig, „gemeinsam für ein
respektvolles Miteinander einzutreten
und zusammen Impulse zu setzen.“
Das Vorhaben war, Projekte mit Themen einer demokratischen Gesellschaft
zu initiieren, die die muslimische Jugend
beschäftigten. Mitstreiter in bestehenden Gruppen außerhalb islamischer Organisationen zu finden, sei von Beginn
Wir wollen
die Religionsgemeinschaften
als wichtige
Partner der
Stadtverwaltung
sehen und
diesen Prozess
moderieren.
Harry Mergel (SPD),
Oberbürgermeister in
Heilbronn
Die Workshops haben schnell eine Eigendynamik entwickelt. Die Motivation hat
trotz der langen Laufzeit nicht nachgelassen. Am Ende standen Projektergebnisse, die aufhorchen lassen: Mädchen
und Jungen vom Freitagskreis Heilbronn
im Alter zwischen neun und 14 Jahren
haben ein Theaterstück mit Namen „Déjàvu“ für ältere Menschen auf die Beine gestellt. Dazu recherchierten sie in
Altenheimen und befragten Bewohner.
Das baden-württembergischen Sozialministerium prämierte das Projekt mit dem
ersten Jugendbildungspreis. Als gutes
Beispiel nennt sie auch drei junge Musliminnen aus Heilbronn, die ein Demokratielernspiel entwickelt haben, das sie
„Quararo“ nennen. Das Wort leitet sich
vom türkischen Wort „karare“ oder dem
arabischen Wort „qarar“ ab und bedeutet „Entscheidung“. Bis zu 15 Personen
können mitspielen. Das Spiel hat gute
Chancen, auf den Markt zu kommen.
„Jedes Projekt hat inzwischen einen
Preis erhalten“, sagt Keicher stolz. Besonders erfreut ist sie darüber, dass Gruppen nach Projektende weiter existieren.
Die Jugendgruppe vom Freitagskreis investierte ihr Preisgeld in ein Buchprojekt
zum Thema „Inklusion für muslimische
Jugendliche mit und ohne Behinderung“.
jugendarbeit-staerken.de/heilbronn
FOTO: STADT HEILBRONN
Theater „Déjavu“
TITEL 9
01-02/2020 DEMO
Jobchancen für Geflüchtete
im Gesundheitswesen
In Essen ermöglichen lokale Kooperationen unterschiedlicher
Akteure Jugendlichen, einen Ausbildungsplatz zu finden
Teilnahme am Berufskolleg
Autorin Maicke Mackerodt
FOTO: STOCK.ADOBE.COM/GINA SANDERS
D
as Gesundheitswesen ist die am
stärksten wachsende Branche in
Essen. Die Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft stuft die Stadt als
„den führenden Gesundheitsstandort im
Ruhrgebiet“ ein. Aktuell sind gut 5.600
Menschen als medizinische Fachangestellte in Essener Arztpraxen und Krankenhäusern sozialversicherungspflichtig beschäftigt, teilt das Jobcenter Essen mit. Entsprechend hoch ist der Fachkräftebedarf.
Derzeit werden in der Ruhrgebietsstadt allein 200 medizinische Fachangestellte (früher Arzthelferinnen) für Kliniken
und Praxen gesucht. Auch deshalb werben Jobcenter und Ärztekammer Essen
mit dem Projekt „Eine Chance für Geflüchtete“ seit 2017 gemeinsam für den
Lehrberuf.
„Eine vergleichbare Ausbildung zum
medizinischen Fachangestellten gibt es
in den Herkunftsländern nicht“, weiß
Dr. Patricia Aden. Die stellvertretende
Kreisstellenvorsitzende der Ärztekammer
Essen hat das Projekt mitinitiiert und ist
stolz, dass „zum einen junge Menschen
integriert, aber auch Fachkräfte gewonnen werden“. Ziel des Projekts: Geflüchtete Menschen während einer einjährigen
Einstiegsqualifizierung (EQJ) ausbildungsreif machen, wie Patricia Aden es nennt.
Der Wert des Projekts liegt für die
Medizinerin in der Vorbildfunktion. Wenn
Essener Ärzte jungen Geflüchteten im sensiblen Medizinbereich vertrauen, könnten
das andere Kommunen übernehmen.
Patricia Adens Botschaft lautet: „Einfach
machen, es ist gar nicht so schwer.“
„Eine Chance für Geflüchtete“ geht
dieses Jahr im Mai in die vierte Runde.
Begründet wurde das Pilotprojekt von der
KAUSA Servicestelle Essen (KSE), die zunächst eine kluge Vorauswahl getroffen
hat. Dazu gehörte auch, die jungen Leute
darüber aufzuklären, dass die Ausbildung
drei Jahre dauert und so ein Abschluss
wertvoll ist. Mittlerweile wurde die
KAUSA geschlossen und die Vorauswahl
treffen nun die Ärztekammer Nordrhein
und ihre Kreisstelle Essen, das Jobcenter
zusammengebracht werden. Und das
offensichtlich sehr erfolgreich.“ In seiner
Rede in Düsseldorf sagte Frank-Walter
Steinmeier zum Abschluss seines Besuchs:
„Alle profitieren, wenn wir das Potential
aller Menschen in diesem Land nutzen.
Das beste Mittel zur Integration ist und
bleibt die Integration durch Arbeit. Und
Arbeit setzt Ausbildung voraus!“
HOHE NACHFRAGE
46.000
Beschäftigte arbeiten in Essen
im Gesundheitswesen.
5.600
Menschen sind als medizinische Fachangestellte in Essener Arztpraxen und Krankenhäusern sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
QUELLE: WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG ESSEN,
JOBCENTER ESSEN
Es werden zum
einen junge
Menschen
integriert, aber
auch Fachkräfte
gewonnen.
und die Agentur für Arbeit. Einmal im Jahr
können Migranten beim Speed-Dating für
„Medizinische Fachangestellte“ potenzielle „Traum“-Arbeitgeber kennenlernen. Zuletzt stellten sich Mitte vorigen Jahres 22
Geflüchtete u.a. aus Syrien und Afghanistan beim „Speed-Dating“ bei zwölf Essener Praxen und dem Alfred-Krupp-Krankenhaus als mögliche Arbeitgeber vor.
Für Geflüchtete ist dieser Ausbildungsweg besonders attraktiv, weil im Vorfeld
keine Zeugnisse notwendig sind. Sie können im Laufe des EQJ ihre Sprachkenntnisse verbessern oder erhalten Fachunterricht in Medizin und Verwaltung. „Einige
müssen sich an die formalistische Arbeitsweise in deutschen Kliniken gewöhnen.
Vor allem der sehr getaktete Umgang mit
Zeit ist eine Umstellung“, erzäht Aden.
Diese Vorstufe zur späteren Ausbildung
wird mit 260 Euro im Monat vergütet, die
das Job-Center zahlt.
Während der „Woche der beruflichen
Bildung“ besuchten Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier und seine Frau
Elke Büdenbender das als vorbildlich geltende Pilotprojekt. Jeder vierte Betrieb
bilde in Deutschland inzwischen geflüchtete Menschen aus, sagte der Bundespräsident: „Wir haben hier in Essen ein
wunderbares Beispiel gesehen, wo mögliche Arbeitgeber mit Auszubildenden
Dank des EQ-Probejahrs lernen die Betriebe die Jugendlichen über einen längeren
Zeitraum kennen. Im eigenen Klassenverband nehmen die Geflüchteten zudem
am Berufskolleg teil. Die Chance, danach
in einen Ausbildungsbetrieb übernommen zu werden, steigt damit enorm. Ein
Ausbildungsverhältnis wird aber meist
erst nach dem EQJ vermittelt. „Junge
Geflüchtete sind in der Regel hoch motiviert“, so Patricia Aden, die die Migranten
auch am Essener Berufskolleg unterrichtet. „Außerdem sprechen sie die Sprachen, die andere geflüchtete Menschen
sprechen, die irgendwann als Patienten
in die Praxen kommen.“
Den Erfolg des Projekts belegen Zahlen aus den Jahren 2017 und 2018: Mehr
als 30 Jugendliche schlossen Ausbildungsverträge in Arztpraxen oder Krankenhäusern ab. Manche wurden sogar direkt
übernommen. „Manchmal ist es ganz
einfach“, so der Essener Bundestagsabgeordnete Arno Klare (SPD). „Das Projekt
sollte Schule machen. So kann wirtschaftliche und gesellschaftliche Integration
gelingen. Mehr davon – auch in anderen
Branchen.“ Seit 2019 sind beim SpeedDating nicht nur Geflüchtete eingeladen,
sondern auch Migranten und Deutsche,
die Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt
haben. Für die Medizinerin Patricia Aden
„eine gute Lösung, weil nicht eine Bevölkerungsgruppe hervorgehoben wird Und
das wiederum stärkt die Kommune.
Dr. Patricia Aden,
stellvertretende
Kreisstellenvorsitzende
der Ärztekammer Essen
Die Ausbildung zum medizinischen Fachangestellten bietet viele Chancen – Nachwuchs wird gesucht.
10 TITEL
DEMO 01-02/2020
„Wir müssen den Bürgern
wieder mehr zutrauen“
Wie Dirk Neubauer, Bürgermeister von Augustusburg,
gegen den Politikfrust und die Zukunftsangst kämpft, indem
er Mitspracherechte und Beteiligungsmöglichkeiten schafft
Erzählen Sie bitte mehr über die Bürgerprojekte. Die Stadt hat dafür 2018
und 2019 je 50.000 Euro zur Verfügung gestellt. Wie lief das ab?
Ich habe mir überlegt, wie wir es so einfach
wie möglich machen können. Wir haben
Umgeben von Wald: die 4.500-Einwohner-Stadt Augustusburg bei Chemnitz
die Plattform www.meinaugustusburg.de
eingerichtet, wo sich jeder Bürger der
Stadt registrieren lassen und sagen kann:
„Ich habe eine Idee.“ Es braucht Menschen, die bereit sind, selbst etwas dafür
zu leisten – nach dem Motto: „Sag uns,
was du tun willst, und sag uns, was du
von uns als Hilfe brauchst.“ Es ist keine
100-Prozent-Förderung. 2018 hatten wir
23 Bewerber, 2019 waren es 19 Projekte.
Jeweils acht konnten wir tatsächlich berücksichtigen. Wichtig ist, dass wir keine
Partikularinteressen unterstützen wollen,
deshalb müssen sich jeweils mindestens
40 Augustusburger hinter ein Projekt
stellen. Sind es mehr, fließt das in das
Ranking der Projekte mit ein.
Auch mit dieser Aktion spricht die
Stadt Menschen über das Internet
an. Wie viele erreichen Sie so?
Bei den Bürgerprojekten läuft der Aufruf
immer noch parallel im Amtsblatt. Wir haben 416 aktiv registrierte Nutzerinnen und
Nutzer der Plattform, rund zehn Prozent
der Einwohner. Das ist eine ganze Menge,
wenn man unsere Demografie sieht. Wir
veröffentlichen auch eine Kurzbeschreibung aller Projekte im Amtsblatt und
Die Selbstwirksamkeit
halte ich
für ganz
entscheidend
für die
Wertschätzung
der Demokratie.
Sonst ist
Demokratie
nicht mehr
als ein Wort.
Dirk Neubauer,
Bürgermeister in
Augustusburg
Welche Formate der Bürgerbeteiligung nutzen Sie noch in der Stadt?
Wir haben verschiedene Formate, jetzt
kommen noch welche dazu. Das klassische, das wir sehr intensiv gemacht haben
und in diesem Jahr ein Stück ausbauen
werden, ist das Format der Bürgerkonferenz. Bei größeren Vorhaben oder wenn
wir etwas Neues beginnen, laden wir
regelmäßig Bürger ein. Ein Beispiel ist die
Umgestaltung des Marktplatzes: Als wir
uns dafür entschieden haben, da etwas
zu unternehmen, haben wir ganz unverbindlich einen ersten Planungs-Entwurf
mit unseren Ideen bestellt: mehr Grün,
ein Brunnen zum Beispiel. Dann haben
wir Bürgerinnen und Bürger eingeladen.
Deren Anmerkungen sammeln wir ein
und übergeben sie dem Planer. Er arbeitet es ein oder auch nicht – das gibt es ja
auch, dass etwas nicht geht – und dann
laden wir wieder ein.
Manchmal gibt es Bürgerbeteiligungsformate, bei denen die Leute angehört
werden, aber dann passiert nichts
mehr. So haben sie nicht das Gefühl,
dass sie wirklich beteiligt werden.
Das machen wir eben anders. Deshalb
laden wir ein zweites Mal ein und erklären: Hier, das war dein Vorschlag, der ist
jetzt drin. Und wir erklären auch den Leuten, die sich einbringen und nicht ans Ziel
kommen, warum das so ist. Dann sagensie: „OK, ich habe verstanden, warum das
nicht so geht, wie ich mir das vorstelle.“
Das halte ich für sehr wichtig, denn ich
denke, wir erklären in der Politik zu wenig.
Sie stellen in Ihrem Buch „Das Problem sind wir“ eine Entfremdung zwi-
FOTO: ADOBE.STOCK.COM/ EDLER VON RABENSTEIN
Auf der Webseite von Augustusburg
steht prominent: „Wir retten unseren
Wald! Macht mit!“. Was hat es damit
auf sich?
Das ist eine Aktion, um etwas für unseren
Wald zu tun. Wir sind in Mittelsachsen die
vom Borkenkäfer am stärksten betroffene Kommune. Durch extreme Trockenheit sind die Bäume sehr angeschlagen
und können sich gegen den Borkenkäfer
nicht wehren. Wir haben große Schäden und müssen den Wald umbauen.
Die klassische Fichte wird verschwinden,
und wir werden auf Sorten umstellen, die
mit diesen Gegebenheiten besser klarkommen, etwa auf die Eiche.
Einsatz für den Wald: Das ist ein konkretes Projekt. Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass man den Menschen die Möglichkeit geben muss,
etwas zu bewegen?
Definitiv. Das ist genau mein Text. Dafür
sprechen ja auch unsere Bürgerprojekte.
Ich glaube, dass wir generell gut beraten
wären, wenn wir unseren Bürgern wieder
ein bisschen mehr zutrauen würden. Das
setzt natürlich voraus, dass Kommunen
solche Möglichkeiten schaffen können.
Wie kommt das in der Stadt an?
Gut. Das erreicht sogar Leute, die mit mir
persönlich nicht viel anfangen können
(lacht). Ich glaube, das war die beste
Entscheidung in den sieben Jahren, seit
ich Bürgermeister bin.
Würden Sie sagen, dass diese Aktion
den Zusammenhalt gestärkt hat?
Ja. Die Menschen lernen sich auf diesem
Weg auch anders kennen, und es kommen immer mehr Leute dazu, die helfen.
Darunter auch solche, die nicht zu den
„üblichen Verdächtigen“ gehören, die
immer aktiv sind. Man trifft sich zwangsweise, und daraus entwickelt sich ein
Zusammengehörigkeitsgefühl.
Interview Karin Billanitsch
Wer kann bei dem Internet-Aufruf
mitmachen?
Wir haben ursprünglich nur unsere Bürgerinnen und Bürger im Blick gehabt.
Der Gedanke war: Ihr mögt euren Wald,
jetzt könnt ihr auch etwas dafür tun. Die
Resonanz ist grandios. Insgesamt haben
wir 11.000 Euro eingesammelt, um neue
Bäume zu pflanzen. Aber es sind nicht nur
Augustusburger, die sich angesprochen
gefühlt haben, sondern auch ganz viele
Leute von weiter weg.
weisen darauf hin, dass man aktiv werden, etwas unterstützen kann oder nicht.
Auch unsere Offline-Community findet
Berücksichtigung.
TITEL 11
01-02/2020 DEMO
FOTO: DIRK NEUBAUER
schen Bürgern und Politikern fest.
Eine tiefe Spaltung zwischen „denen
da oben“ und „wir da unten“. Der
Bürgermeister steht quasi dazwischen, wird je nachdem unterschiedlich wahrgenommen. Ihr Weg ist es,
selbst mitzumachen, indem Sie Verantwortung übernehmen, aber auch
andere motivieren. Was bringt das?
Es gibt eine Wahrnehmung der Leute,
dass die Politiker immer nur kommen,
wenn Wahl ist. Sie machen sich Gedanken, haben Ideen, aber haben gelernt,
dass niemanden das so richtig interessiert. Dem muss man begegnen. Ich halte
es für ganz wichtig, dass Leute erleben,
dass sie wirksam sind. Die Selbstwirksamkeit halte ich für ganz entscheidend für
die Wertschätzung der Demokratie. Sonst
ist Demokratie nicht mehr als ein Wort.
Sie kritisieren, dass die Kommunen
am finanziellen Tropf von vielen
Förderprogrammen hängen. Wie
kann man das aus Ihrer Sicht ändern?
Ich bin überzeugt davon, dass Geld in
unserem Land nicht das Limit ist. Ein Beispiel: Wir haben im sächsischen Doppelhaushalt rund fünf Milliarden Euro für Förderung ausgewiesen. Um meinen Ansatz
zu erklären, vereinfache ich: Aus den fünf
machen wir vier Milliarden, mit denen das
Land lenken, fördern und steuern kann.
Und eine Milliarde nehmen wir und teilen sie durch vier Millionen Sachsen. Das
sind 250 Euro pro Kopf. Auf meine Stadt
heruntergerechnet – rund 4.500 Einwohner – sind das 1,125 Millionen Euro. Diese
Summe hätte ich gern pauschal vom Land
zugesagt. Im Gegenzug würden Förderprogramme gestrichen. Alle Projekte, die
wir gemacht haben, hätte ich ebenso über
dieses Modell umsetzen können, und
sie werden wirklich umgesetzt. Weil die
Laufzeiten und Fristen wegfallen – auch
das Gefühl, sich beweisen zu müssen. Wir
werden ja ohnehin von der Kommunalaufsicht und vom Rechnungshof überprüft. Ich bräuchte dann nicht noch jeden
Euro gegenüber der sächsischen Aufbaubank zu rechtfertigen, die das im Auftrag
des sächsischen Freistaates macht.
Und es hätte einen zweiten Effekt:
Meine Stadträte wüssten, dass wir wirklich etwas beschließen. Wir beschließen
einen Sportplatz, und morgen stürzt sich
der Bürgermeister in die Umsetzung. Jetzt
ist es so: Wir beschließen, einen Sportplatz
zu bauen, aber wir wissen noch nicht, ob
wir das Geld kriegen und stellen einen
Antrag auf Förderung bei der Sächsischen
Aufbaubank. Der wurde in unserem Fall
abgelehnt, weil dort irgendjemand der
Meinung war, dass die Stadt Augustusburg aufgrund der Demografie keinen
Sportplatz mehr braucht. Ich habe protestiert und das Projekt erkämpft. Hätte ich
das nicht gemacht, wäre es „gestorben“.
Da hätte jemand entschieden, der in der
Stadt gar nicht legitimiert ist!
Wie wichtig ist es für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, früh bei
der politischen Bildung der Kinder
anzusetzen?
Sehr wichtig. Politische Bildung haben
wir, glaube ich, in diesem Land völlig
vernachlässigt. Ich kann es mir nur so
zusammenreimen, dass sich viele in der
Lehrerschaft – gerade mit Osthintergrund
und dem Wechsel in das neue System –
bei dem Thema raushalten. Früher war
das Thema Politik im Stundenplan vorgeschrieben, danach war man unsicher,
wie damit umzugehen ist. Das hat dazu
geführt, dass wir den Kindern so gut wie
überhaupt keine demokratische Bildung
geben. Die Möglichkeiten der Kommune sind hier begrenzt. Inhaltlich habe ich
nicht viel mitzureden. Das wird auch sehr
bitter sichtbar beim Thema Digitalisierung
in der Schule, dem ich mich ein bisschen
verschrieben habe. Das wird auch ein
schwieriges Feld, genau wie die politische
Bildung ein schwieriges Feld ist.
ZUR PERSON
Dirk Neubauer ist 1971 in Halle
geboren. Seit Oktober 2013 ist
er Bürgermeister von Augustusburg, einer Stadt im Einzugsbereich von Chemnitz. Neubauer
trat zunächst als Parteiloser
an, und wurde 2017 Mitglied
der SPD.
1993 begann Neubauer, als
Journalist zu arbeiten und war
rund zehn Jahre Reporter. Später war er als Geschäftsführer
eines lokalen Radiosenders
tätig sowie bei MDR JUMP und
SPUTNIK. Schließlich wechselte
er in die Selbstständigkeit
und entwickelte Konzepte für
Portallösungen von Zeitungshäusern.
Für die SPD in Sachsen arbeitet
er an einem Konzept für mehr
Bürgerbeteiligung auf Landesebene und setzt sich für ein
Digitalkonzept im ganzen Land
ein. 2019 erschien sein Buch:
„Das Problem sind wir. Ein Bürgermeister in Sachsen kämpft
für die Demokratie“ bei der
Deutschen Verlags-Anstalt. (KB)
Was läuft bei der Digitalisierung an
den Schulen schief?
Es ist doch so: Nicht jede Schule, nicht
jedes Lehrerkollegium will das. Dann wird
das einfach vorgeschrieben. Dabei kommt
aber nichts heraus, was funktioniert und
die Kinder mitnimmt. Beispiel digitale
Tafel: Wenn ich Lehrer frage, warum sie
eine digitale Tafel wollen, dann bekomme
ich als Antwort „weil das dazugehört“.
Das ist keine richtige Antwort. Es müsste
ausgehend vom Bildungsziel ein medienpolitisches Konzept erarbeitet werden.
Auch die Lehrer müssen geschult werden.
Digitalisierung heißt nicht nur, Menschen
für die künftige Arbeitswelt zu rüsten,
sondern ihnen zugleich Medienkompetenzen zu vermitteln. Das ist auch eine
Demokratie rettende Maßnahme.
Das ausführliche Interview: demo-online.de
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Schirmherren 2020
Digitaler Staat 2020 – agil, legitim und elegant
Dorothee Bär
Staatsministerin für Digitalisierung
im Bundeskanzleramt
Zukunftsfähige Antworten auf die Herausforderungen
apart der Digitalisierung der öffentlichen
vital
Verwaltung müssen agil, legitim und elegant sein. Diese drei Begriffe setzt der Kongress
Digitaler Staat 2020, zu dem erneut Innovatoren, Modernisierer und Trendsetter zu intensiven
Diskussionen zusammenkommen.
Die Schirmherrschaft des Kongresses haben erneut Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt, und Bremens Finanzstaatsrat Hans-Henning
Lühr
Übernommen.
responsive
design
Die begleitende Fachausstellung
und
verschiedene
Side-Events
bieten
zudem
die
Möglichkeit,
gamification
sich umfassend über Angebote für die digitale Verwaltung zu informieren sowie Netzwerke zu
knüpfen und zu pflegen.
ideal
usable
elegant
agil
disruptive
user-oriented
www.facebook.com/digitalerstaat
www.instagram.com/digitaler_staat
sustainable
twitter #digistaat
iterative
Hans-Henning Lühr
Staatsrat bei der Senatorin für
Finanzen der Freien Hansestadt
Bremen
collaborative
flexibel
digital
mind set
moveable
www.digitaler-staat.org
souverän
legitim
identifiable
Eine Veranstaltung des
12 TITEL
DEMO 01-02/2020
Der Bund plant eine Wohnungslosen-Berichterstattung,
Berlin zählt Obdachlose. Was bringt das? Eine Spurensuche
Autor Carl-Friedrich Höck
D
ie Zahl der Menschen ohne eigene Wohnung steigt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) schätzt deren Zahl
zum Stichtag 30. Juni 2018 auf 542.000.
Ein Großteil davon sind anerkannte Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften
oder in dezentraler Unterbringung. Klammert man diese aus der Rechnung aus,
verbleiben laut BAG W etwa 140.000
Wohnungslose im kommunalen und freigemeinnützigen Hilfesystem – ein Anstieg um elf Prozent binnen eines Jahres.
„Wir brauchen mehr Informationen”
Das ist aber eben nur eine Schätzung.
„Wir wissen viel zu wenig, wo die Wohnungslosigkeit auftritt“, sagt Ulrich
Ropertz, Sprecher des Deutschen Mieterbundes. „Wir wissen auch nicht mal hundertprozentig, in welchem Ausmaß die
Wohnungslosigkeit auftritt.“ Man brauche viel mehr Informationen. Von einem
neuen Gesetz erhofft er sich zumindest
erste Hinweise auf die „Hotspots“, um die
man sich primär kümmern müsse.
Der schwarz-rote Koalition plant nämlich, eine bundeseinheitliche Wohnungslosen-Berichterstattung einzuführen.
Stadträtin Birgit Monteiro
(Foto oben), Aktivist Steffen
Doebert
Zimmer in einem Übergangshaus für wohnungslose Menschen in Berlin-Pankow.
Wie groß der Bedarf für Angebote wie dieses ist, soll nun genau ermittelt werden.
Von dem Jahr 2022 an soll das Statistische Bundesamt eine zentrale Erhebung
durchführen. Darin soll etwa die Zahl der
Menschen erfasst werden, denen von
Kommunen und anderen Sozialleistungsträgern Übernachtungsmöglichkeiten
zur Verfügung gestellt worden sind. Die
Bundesregierung erhofft sich von dem
Vorhaben belastbare Informationen, um
„sozialpolitisch fundierte Entscheidungen“ treffen zu können, wie es im Gesetzentwurf heißt.
In einer Bundestagsanhörung begrüßten Vertreter von Sozialverbänden das
Gesetz als wichtigen Schritt. Auch der
Deutsche Landkreistag befürwortet das
Gesetz grundsätzlich, wenngleich eine
Statistik alleine noch niemandem helfe.
„Wohnungslosigkeit ist auch in den Landkreisen und in den ländlichen Räumen ein
drängendes und vor allem zunehmendes
Problem“, heißt es in einer Stellungnahme. Ein wesentlicher Kritikpunkt konnte
jedoch in der Anhörung nicht ausgeräumt
werden: Die geplante Statistik wird nur
einen kleinen Teil der Wohnungslosen erfassen, da sie lediglich die Personen aufführt, die bei Kommunen oder anderen
Trägern untergebracht sind. Statistisch
unsichtbar bleiben Menschen, die auf
der Straße leben, und Wohnungslose, die
vorübergehend bei Familie oder Freunden auf der Couch übernachten.
Der Berliner Senat hat gerade versucht, dieses Dilemma mit einer Zählaktion zu lösen. Während einer „Nacht
der Solidarität“ Ende Januar zogen 2.600
freiwillige Helferinnen und Helfer durch
die Straßen der Hauptstadt, um die Zahl
der Obdachlosen zu erfassen.
Die Aktion stieß bei manchen auf
Skepsis. Vor dem Roten Rathaus versammelte sich am Tag der Zählung eine
Handvoll linker Aktivisten, die sich für
Wohnungslose einsetzen und ein Wohnungslosenparlament gründen wollen.
Unter ihnen Steffen Doebert, ein erwerbsunfähiger Rentner Anfang 50.
„Die Zählung ist gut gemeint, aber wir
haben die Befürchtung, dass sich nicht
viel ändert“, sagt er. Den Wohnungslo-
Uni für Obdachlose
Und es gibt kleine, kreative Projekte. Im
Bezirk Lichtenberg etwa die „Obdachlosen-Uni“. Dies ist eine mobile Bildungseinrichtung für wohnungslose und arme
Menschen sowie deren Sympathisanten.
Die Grundidee fasst Maik Eimertenbrink
vom Träger „Outreach“ so zusammen:
„Jede/r kann was, was andere gern lernen
möchten.“ Obdachlose können hier Kurse
besuchen oder selbst welche geben – ob
in Philosophie, Kochen oder Trommeln.
Dafür nutzt die „Uni“ Räume der Berliner Wohnungsloseneinrichtungen. „Der
Teilnehmer findet so einen, zunächst
mentalen, Ausstieg aus seinen üblichen
Gedankenspiralen, bestehend aus Sucht,
Wohnungs- und Arbeitssuche“, heißt es
auf der Internetseite des Projektes.
Finanziert wird das Projekt mit Spenden und einem Zuschuss des Bezirksamtes
Lichtenberg. „Wohnungslose Menschen
kommen aus allen sozialen Schichten”,
sagt Stadträtin Monteiro. Es sei wichtig,
aus der Defizitperspektive herauszukommen und die Vielfalt dieser Menschen zu
sehen. Doch auch einer nackten Statistik
kann sie etwas abgewinnen, zumindest
auf lange Sicht. „Die Zahlen sind wertvoll,
wenn ich sie vergleichen und Entwicklungen sehen kann”, sagt sie.
FOTOS: CARL-FRIEDRICH HÖCK; THOMAS TRUTSCHEL /PHOTOTHEK.NET
Einstehen für die Menschen
hinter den Zahlen
sen helfen würde vor allem eines: mehr
günstige Wohnungen.
Doebert hat selbst erlebt, wie schnell
man seine Wohnung verlieren kann: Nach
einer Ehescheidung musste er ausziehen,
das Paar hatte sich zerstritten. Eine Bekannte half ihm: Für einige Wochen durfte er bei ihr unterkommen. Das war im
Jahr 2003, als der Berliner Mietenmarkt
noch entspannt war. Ob er heute noch in
so kurzer Zeit eine neue Wohnung finden
würde? Doebert hält das für undenkbar.
Dass mehr bezahlbare Wohnungen
die beste Hilfe sind, meint auch Birgit
Monteiro. Die SPD-Politikerin ist Sozialstadträtin im Berliner Bezirk Lichtenberg.
„Wir können ehrenamtlich an Schulen
Kaffee an Obdachlose ausgeben. Aber
wenn wir nicht genug Wohnungen haben
für diese Zielgruppe, wird es schwierig.“
Oft geht Wohnungslosigkeit mit weiteren Problemen einher: Einer Sucht oder
einer psychischen Erkrankung beispielsweise. Die Antwort der Bundeshauptstadt ist ein Modellprojekt „Housing
First“ – das allerdings auf wenige Plätze
begrenzt ist. Das Konzept: Auf der Straße
lebende Menschen erhalten ohne Vorbedingungen eine Wohnung. Im zweiten Schritt können sie sich der Jobsuche
oder einer Therapie widmen und werden
dabei beraten und unterstützt.
TITEL 13
01-02/2020 DEMO
N
ico Röger beobachtet das Geschehen zunächst vom Platzrand
aus: „Und abgeben!“, ruft er. Der
Trainer fixiert jeden Einzelnen. Nach wenigen Minuten ist er selbst auf dem Feld
und spielt mit. Schnelle Ball- und Richtungswechsel, Blocken, Sperren – alles
das findet da gerade auf dem Basketballfeld einer Halle in der niedersächsischen
Stadt Achim statt. Es ist ein typischer Trainingsabend beim TSV Achim: Die Spielerinnen und Spieler sind engagiert, treiben
sich an. Wenn etwas nicht klappt, darf es
auch mal ein kleiner Wutausbruch sein.
Und doch ist es anders als gewöhnlich. Die Spielerinnen und Spieler des TSV
Achim, die „Achim Lions“, laufen nicht
zwischen den Körben, sie rollen. Rollstuhlbasketball heißt die Sportart. Menschen
mit und ohne Handicap sind gemeinsam
auf der Jagd nach Punkten. Für die Mitglieder und Vorstände des Vereins kurz
hinter der südlichen Stadtgrenze Bremens
ist es die beste Form von Inklusion – und
das nicht nur in einer Sportart. Auf seiner
Internetseite bietet der TSV Achim gleich
mehrere Sportarten an: Neben Basketball
sind es Fußball und Rollstuhlrugby.
Wie Rollstuhlbasketball, ist auch Rollstuhlrugby eine sehr dynamische Sportart. Sie wird in Achim ebenfalls von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung
betrieben. Einer, der schon in den oberen
Ligen gespielt hat, ist Achims Trainer Nacer Menezla. „Rollstuhlrugby ist ein sehr
taktischer Sport. Behinderte sind gegenüber Nicht-Behinderten im Vorteil“, sagt
er. Denn wer auf einen Rollstuhl angewiesen sei, habe mehr Kraft im Oberkörper. Rollstuhlrugby können zudem
Jugendliche und Erwachsene gemeinsam
spielen – wie der 13-jährige Henry Fischer
aus Bremen. Er sei der der jüngste Spieler Deutschlands, so Trainer Menezla.
FOTOS: BERND HÄGERMANN
Gehende passen sich an
Inklusion, da sind sich viele Kenner einig,
klappt beim Rollstuhlbasketball am besten. „Die Gehenden passen sich den Rollstuhlsportlern an“, sagt Cem Seker, Spieler der „Achim Lions“. Roland Christian,
Pressesprecher des Teams und Spieler
ohne Beeinträchtigung, ergänzt: „Rollstuhlbasketball ist der inklusivste Sport
überhaupt.“ Unterstützung bekommt
er von Friedhelm Julius Beucher. Der ist
Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS). Ihm zufolge gehören auch Sitzvolleyball, Sportschießen
und Bogensport zu den bekanntesten
inklusivsten Sportarten.
„Der Sport ist der Inklusionsmotor
schlechthin“, sagt der DBS-Präsident.
Doch leider sei dies „noch nicht in allen
„eine ganz wichtige Rolle“ spiele, damit
Teilhabe realisiert werde – Menschen mit
und ohne Beeinträchtigungen kämen auf
niedrigschwelliger Ebene zusammen.
Doch bis es soweit ist, dass Inklusion
im Sport und überall Teil des Alltags ist,
dürfte es noch ein langer Weg sein – gerade im Bereich der Kommunen. So findet
DBS-Präsident Beucher, dass die Kommunen nicht genügend unternehmen. Die
wenigsten Sportanlagen, nämlich nur
rund zehn Prozent, seien barrierefrei, sagt
er. Es fehlten zum Beispiel abgesenkte
Bordsteine, behindertengerechte Toiletten
und entsprechende Türen. Und Sinnesgeschädigte finden ohne Assistenten so gut
wie keine Möglichkeit, Sport zu betreiben.
„Das alles umzusetzen, ist eine Riesenaufgabe“, sagt Beucher. Und: „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.“
Die „Achim Lions“ in Aktion: Rollstuhl-Basketball in einer der Hallen des TSV Achim
(Foto oben). Auch eine Rollstuhlrugby-Mannschaft gibt es beim niedersächsischen Verein in der Stadt Achim bei Bremen. In der Mitte spielt der 13-jährige Henry (Foto unten).
Spielen ohne
Hindernisse
Sport spielt bei der Inklusion eine
wichtige Rolle: Viele Hallen und
Plätze sind noch nicht barrierefrei
Autor Ulf Buschmann
Köpfen angekommen“. Beucher macht
keinen Hehl daraus, dass es um die Inklusion schlecht bestellt wäre, wenn nicht
neben den DBS-Vereinen auch noch viele
sogenannte Regelsportvereine Angebote
für Menschen mit und ohne Behinderung
machen würden. Der gleichen Meinung
ist Dagmar Freitag. Die SPD-Abgeordnete
ist Vorsitzende des Sportausschusses des
Deutschen Bundestages: „Bedauerlicherweise wird der Inklusionsgedanke noch
längst nicht überall miteinbezogen, so
dass es häufig genug eben doch noch Barrieren gibt, die Menschen ausschließen.“
Klaus Hebborn vom Deutschen Städtetag bezeichnet das Thema Inklusion als
„sehr komplexe Aufgabe“. Es gehe um die
Teilhabe von Menschen mit Handicap in
allen Lebensbereichen. Um diese umzusetzen, sei „Barrierefreiheit in jeder Form“
notwendig. Hebborn erinnert daran, dass
Inklusion ein Menschenrecht ist: Bei der
Umsetzung „ist auf jeden Fall noch Luft
nach oben“. Er ist überzeugt, dass Sport
Der Sport
spielt bei der
Umsetzung der
Teilhabe eine
ganz wichtige
Rolle.
Klaus Hebborn,
Beigeordneter des Deutschen
Städtetags, Leiter des
Dezernats Bildung, Kultur,
Sport und Gleichstellung
Kritik: Zu wenig Angebote
Fehlende Barrierefreiheit ist aus Sicht
des DBS die Hauptursache dafür, dass
nur jeder zweite Mensch mit Behinderung überhaupt Sport macht und es
noch viel zu wenige Angebote gibt. Vor
diesem Hintergrund hat der Verband im
Dezember 2019 einen „Goldenen Plan
barrierefreie Sportstätten“ gefordert.
Die Zugänglichkeit dürfe nicht ausschließlich unter baulichen Aspekten betrachtet werden, heißt es. Dies betreffe
zumeist nur Menschen mit körperlichen
Behinderungen. „Vielmehr müssten auch
akustische, taktile und visuelle Informationsquellen sowie Informationen in
leichter Sprache berücksichtigt werden“,
schreibt der DBS in einer Mitteilung.
Doch das ist nur eine Seite. So könnten die Kommunen zwar die Rahmenbedingungen zugunsten der Vereine
verschieben. Hierzu zählt Hebborn unter
anderem, den Aktiven zusätzliche Zeiten
in den kommunalen Sportstätten zuzugestehen. Die Inklusion mit Leben zu füllen, sei aber Aufgabe der Vereine – etwa
durch die Ausbildung von Übungsleitern
über die Bildungswerke der Landes- und
Kreissportbünde.
Obwohl noch viel zu tun ist, wird die
Inklusion im Sport „weiter voranschreiten“, ist SPD-Frau Freitag überzeugt –
„auch wenn ich natürlich nicht absehen
kann, wie viel Gemeinsamkeit am Ende
im sportlichen Alltag für jede Einzelne
und jeden Einzelnen Realität werden
wird“.
Das wünschen sich auch die Sportlerinnen und Sportler des TSV Achim, insbesondere in Sachen Nachwuchs. Rollstuhlrugby-Trainer Menezla: „Die Jugend
weiß nicht, dass es diesen Sport gibt.
Dabei bekommt man den Kopf frei.“
14 TITEL
Der schleichenden Einsamkeit
im Alter vorbeugen
Wie die Projekte „Hamburger Hausbesuch“ und „Lebendige
Nachbarschaft“ beitragen, frühzeitig Hilfebedarf zu erkennen
Autorin Susanne Dohrn
Vorbereitungen für das Hoffest: die Mieterinnen Heidi Kramp-Rusch, Leni Paap, Ursula Bankmann-Paul, Ingrid Jahnke, Silvia Vorhaben mit
selbstgebackenem Kuchen (v.l.)
I
n Hamburg erhalten in diesem Jahr
alle 15.000 Seniorinnen und Senioren,
die 80 Jahre alt werden, einen Geburtstagsbrief der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz. Der Brief ist
verbunden mit einem Terminangebot für
einen Hausbesuch samt Namen und Foto
der Besuchsperson. „Mit dem Hamburger
Hausbesuch wollen wir Einsamkeit im Alter vorbeugen und Hilfebedarf rechtzeitig
erkennen“, sagte Gesundheitssenatorin
Cornelia Prüfer-Storcks im Dezember 2019
bei einer Pressekonferenz. Dem stadtweiten Angebot war eine erfolgreiche Testphase in zwei Hamburger Stadtteilen
vorausgegangen. Vorbild sind ähnliche
Modelle, z.B. in Neuweiler, Rheinfelden,
Ulm oder München. Wer jünger oder älter
als 80 Jahre ist, kann sich direkt an die
Fachstelle Hamburger Hausbesuch wenden, um einen Termin zu vereinbaren.
Ziel des Hamburger Hausbesuchs ist es,
frühzeitig Hilfebedarf zu erkennen, damit
die Besuchten so lange wie möglich in
ihren eigenen Wohnungen bleiben können. Dazu vermittelt das Projekt Besuchspersonen z.B. an andere Beratungsstellen
oder Pflegestützpunkte. „Der ‚Hamburger
Hausbesuch‘ ist ein wichtiger Baustein,
um ein aktives und selbstbestimmtes
Altern im Quartier zu ermöglichen“, so
Ralf Zastrau, Geschäftsführer im Albertinen Haus – Zentrum für Geriatrie und Gerontologie. Das Zentrum hat das Besuchskonzept und den Gesprächsleitfaden entwickelt und schult die Besuchspersonen.
Lebendige Nachbarschaft
In der vertrauten Umgebung selbstbestimmt alt werden, unabhängig bleiben
und gleichzeitig aufgehoben sein in einer
Gemeinschaft, Rat und Hilfe erhalten,
wann immer nötig, rund um die Uhr –
das ist das Ziel von „LeNa“. Das Kürzel
steht für „Lebendige Nachbarschaft“ im
Hamburger Stadtteil Barmbek-Nord. Hier
gehören viele Wohnungen der SAGA
Unternehmensgruppe, dem kommunalen
Gemütliche Sitzecken laden zum
Verweilen ein: Petra Fischer (l.)
und Ilse Westermann im Foyer
des Rungetreffs.
Wohnungsunternehmen Hamburgs, auch
die 73 barrierefreien Neubauwohnungen
im Rungehaus in der Rungestraße. Sie
sind 49 und 65 Quadratmeter groß und
können über die SAGA angemietet werden. Die meisten Mieter sind über 60, viele noch fit und selbstständig, andere sind
mit zunehmendem Alter hilfebedürftiger
geworden. In zehn Wohnungen wohnen
Menschen mit einem Pflege- und Assistenzbedarf, die der Kooperationspartner
Alsterdorf Assistenz Ost, ein Dienstleistungsunternehmen der Evangelischen
Stiftung Alsterdorf, vorgeschlagen hat.
Zentrale Anlaufstelle von „LeNa“ ist
der Rungetreff im Rungehaus. Das Foyer
ist großzügig und rollstuhlgerecht. Durch
bodentiefe Fenster blickt man in einen
grünen Innenhof mit Spielplätzen. Sitzecken im Foyer laden zum Verweilen ein,
im Nachbarschaftsbüro steht von Montag- bis Freitagvormittag jemand ehrenamtlich für Fragen oder einen Plausch zur
Verfügung. In der großen Gemeinschaftsküche klappern die Töpfe. An diesem Tag
gibt es Sauerkraut mit Kasseler, gekocht
von Freiwilligen im Projekt „Nachbarn
kochen für Nachbarn“. Ilse Westermann
vom Quartiersbüro führt herum. Sie ist die
„Kümmererin“ vor Ort und bei der Alsterdorf Assistenz Ost angestellt. Die Stiftung
Alsterdorf garantiert, dass das Quartiersbüro sieben Tage rund um die Uhr besetzt
ist, sodass immer jemand da ist, falls es
Fragen gibt oder Hilfebedarf besteht. Im
Krankheits- oder Pflegefall muss niemand
ausziehen, denn das Quartiersbüro vermittelt die notwendige Unterstützung.
Das Herzstück von „LeNa“ ist jedoch
die Hilfe zur Selbsthilfe, die täglich gelebte
Nachbarschaft. Hier zieht man nicht ein
mit dem Wunsch nach einer Rundumversorgung, sondern weil man so lange
wie möglich aktiv bleiben will, erklärt Petra Fischer, die bei ProQuartier Hamburg,
einem Tochterunternehmen der SAGA, für
die Projektentwicklung „LeNa“ zuständig
ist. Ilse Westermann, die alle Bewohner
beim Namen kennt vermittelt – falls notwendig – Kontakte untereinander oder zu
Freiwilligen. Man versammelt sich im Rungetreff zum Singen, Kartenspielen und
Basteln für den Basar, zu Yoga und Gymnastik oder verabredet sich zum Walken.
Einmal im Monat tagt der „LeNa-Rat“, ein
Gremium aus Nachbarn und Freiwilligen,
um gemeinsam den jährlich stattfindenden Flohmarkt, das große Sommerfest
und neue Projekte zu planen. Das zukunftsweisende Wohn- und Versorgungskonzept ist so erfolgreich, dass die SAGA
es auch in den Stadtteilen Steilshoop und
Horn umgesetzt hat. Weitere „LeNa-Projekte“ sind in Vorbereitung.
FOTOS: SAGA UNTERNEHMENSGRUPPE
DEMO 01-02/2020
TITEL 15
01-02/2020 DEMO
Brücken bauen zwischen
Alt und Jung
Das Seniorenamt Regensburg steht für ein Miteinander
der Generationen
Autor Michael Kniess
FOTOS: STOCK.ADOBE.COM/ WIROJSID; STADT REGENSBURG, PETER FERSTL
K
inder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren sollen sich im
Alltag selbstverständlich begegnen, sich ergänzen und voneinander
lernen. Soviel zur Theorie. Wie dieser
Satz erfolgreich mit Leben gefüllt werden kann, zeigt die Stadt Regensburg.
Mit einer Vielzahl an generationsübergreifenden Projekten macht die bayerische Donaumetropole deutlich: Alt und
Jung ergänzen sich hervorragend. „Das
Miteinander der Generationen hat einen
großen Stellenwert für eine funktionierende Stadtgesellschaft“, betont Petra
Frauenstein, Leiterin des Regensburger
Seniorenamtes. Konkret bedeutet das:
Junge Menschen helfen den älteren im
Alltag – und umgekehrt.
Ein Beispiel ist das Projekt der „Lesepaten“. Rund 40 ehrenamtlich engagierte Regensburger haben es sich zur
Aufgabe gemacht, in Kindergärten,
Schulen, Nachmittagsbetreuungen und
Horten vorzulesen und damit die Lesekompetenz der Jüngsten zu fördern.
„Die Kinder erfahren dadurch, dass Lesen Spaß macht. Zusätzlich bekommen
leseschwache Kinder eine sanfte Lernunterstützung“, sagt Petra Frauenstein.
Nicht nur deshalb ist es auch für Ursula
Templin eine Herzensangelegenheit,
bei den Kindern die Freude am Lesen
zu wecken. „Es ist es ein schönes Miteinander“, unterstreicht die Teamverantwortliche der „Lesepaten“. „Die Kinder
freuen sich, wenn wir zu ihnen kommen
und uns tut es auch gut, wenn wir von
Lehrern die Rückmeldung bekommen,
dass sich die Noten durch das Lesen verbessert haben.“
Für jeden,
der Gutes tun
möchte, finden
wir auch etwas.
Gertrud Maltz-Schwarzfischer
(SPD), Bürgermeisterin in
Regensburg
Gesundheit.“ Egal ob bei den „Lesepaten“ oder bei der „Hausaufgabenhilfe“,
wo Senioren Kindern in Horten bei den
Hausaufgaben helfen und gemeinsam
mit ihnen üben und lernen – wichtig
ist Petra Frauenstein vor allem eines:
„Wenn Kinder die Erfahrung machen,
dass ältere Menschen für sie da sind,
ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich
später einmal selbst für die Gesellschaft
engagieren, wesentlich größer, als bei
Kindern, die das nie erlebt haben.“
Außerdem liegt der Brückenbauerin
zwischen den Generationen noch etwas
anderes am Herzen: Mit Projekten, wie
der „Kinderbetreuung“, will das Regensburger Seniorenamt die Synergie der
Großfamilie wieder nutzen und pflegen.
Um Eltern zu entlasten, gehen ehrenamtliche Betreuer mit deren Kindern
spazieren, spielen gemeinsam oder erzählen Geschichten. „Damit stellen wir
uns einem Kernproblem moderner Gesellschaft: Immer weniger Kinder erleben im Aufwachsen ihre Großeltern und
vielen Seniorinnen und Senioren fehlt
der Kontakt zu den Enkeln, weil es den
generationenübergreifenden Familienverband im gleichen Haus oder zumindest
in Wohnortnähe kaum noch gibt“, sagt
Petra Frauenstein. „Das führt dazu, dass
es ganz praktisch an alltäglicher Unterstützung fehlt.“
Außerdem erinnern sich viele Eltern
an die eigenen Erfahrungen mit ihren
Großeltern und erkennen, wie wichtig
diese Begegnung zwischen den Generationen für ihre Kinder wäre. Die
„Seniorenwerkstatt“ ist ein solches Beispiel. Sie ist ein Treffpunkt der Generationen, wo gemeinsam gebaut, gebastelt
und repariert wird. Dadurch lernt man
voneinander, hat gemeinsam Spaß und
hält nach getaner Arbeit sein Ergebnis
stolz in den Händen. Beim Projekt „Mit
Nadel und Zwirn“ gibt eine gelernte
Schneiderin Fertigkeiten, die sonst in
Vergessenheit geraten, an die nächste Generation weiter. „Bei all unseren
Projekten wird die Generationenbarriere spielerisch überwunden. Das Altersbild der Kinder bekommt eine positive
Prägung“, so Petra Frauenstein.
Etabliert seit 30 Jahren
Regensburgs Bürgermeisterin Gertrud
Maltz-Schwarzfischer (SPD) sieht im Austausch der Generationen eine klare Winwin-Situation: „Wer Gutes tut, bekommt
Dank zurück. Deshalb haben wir viele
junge wie alte Menschen, reiche wie bedürftige, Menschen jeglicher Glaubensrichtung und Hautfarbe, die sich engagieren. Für jeden, der Gutes tun möchte,
finden wir auch etwas. Unser Treffpunkt
„Seniorenbüro“ zum Beispiel entwickelte sich seit seiner Etablierung vor fast 30
Jahren zu einem Markt der Möglichkeiten: Es gibt über 50 verschiedene Projekte.“ Das Miteinander von Alt und Jung in
Regensburg ist es mehr als bloße Theorie.
Wichtige Erfolgserlebnisse
Erfolgserlebnisse wie diese sind wichtig für die engagierten Seniorinnen und
Senioren. Davon ist Petra Frauenstein
überzeugt: „Das Gefühl, auch nach dem
Eintritt ins Rentenalter noch gebraucht
zu werden und einer sinnstiftenden
Tätigkeit nachgehen zu können, ist für
viele auch ein Beitrag zur seelischen
„Das Miteinander der Generationen hat einen
großen Stellenwert für eine funktionierende
Stadtgesellschaft“, sagt Regensburgs Seniorenamtsleiterin Petra Frauenstein.
Lesekompetenz der Jüngsten fördern, ist die Aufgabe von Lesepaten, die sich ehrenamtlich engagieren, zum Beispiel in Regensburg.
regensburg.de/leben/senioren/alt-jung
16 TITEL
DEMO 01-02/2020
hinab. Das Ledigenheim ist ein mondänes Seehotel. Vis-à-vis öffnet sich ein Hafen – gerahmt von Schulturnhalle, Spielplatz, Kleingewerbe, weißen Traumhäusern. Gerade rüstet sich der inzwischen
58-Jährige für Verhandlungen, um in
Großräschen ein „Innovatives Bildungszentrum Lausitz“ zu etablieren. Auch das
Projekt „Campus IBA-Terrassen“ hat der
SPD-Mann auf der Agenda, will damit
seine Stadt „in einer Mischung aus Tourismus und digitalen Arbeitsangeboten
für neue Arbeitswelten und sich wandelnde Lebensentwürfe“ fit machen.
Teile der letzten Förderanlage im Tagebau Meuro in Großräschen sind bis heute stehen geblieben – als Seebrücke.
„Seenland
aus Bergmannshand“
Wie Bürgermeister Thomas Zenker (SPD) aus Großräschen
im Lausitzer Braunkohlerevier den Strukturwandel vorantreibt
Autor Harald Lachmann
B
ereits seit 1994 leitet der frühere Bergbauingenieur Thomas
Zenker (SPD) ununterbrochen
die Geschicke von Großräschen, einer
traditionsreichen Industriestadt im Lausitzer Braunkohlerevier. Heute ist es eine
lebenswerte Seestadt mit vielfältigem
Gewerbe, einem touristischem Hafen,
wachsendem Zuzug und ganz neuen
Perspektiven. Doch noch immer prägen
auch Risse die umbrechende Region.
Das Arbeitszimmer von Thomas
Zenker erinnert eher an das Büro eines
Landschaftsarchitekten als an das eines
Kleinstadtchefs. Alle Wände sind von
Karten bedeckt, die Seengebiete, Hafenanlagen, Bergbaufolgereviere zeigen. „Ja,
wir bewirken hier wahrscheinlich mehr,
als man bei einer 8.500-Einwohner-Stadt
vermutet“, sagt er mit erkennbarem
Stolz. Immerhin ist der Bürgermeister ein
waschechtes Kind von Großräschen.
Im Jahr 1994 war er gerade 32, kommunalpolitisch ein Seiteneinsteiger. Dennoch gewann er das Rathaus auf Anhieb,
holte 65 Prozent – bei vier Kandidaten.
Seither wurde er stets wiedergewählt,
nun ohne Gegenkandidaten. „Die Zeiten
waren eben so, dass man nur noch dachte, wer macht als Letzter das Licht aus“,
erinnert er sich an die 1990er Jahre. In der
Lausitz brachen mehr als 100.000 Jobs in
Bergbau und Energie weg. Die Arbeitslosigkeit lag „real bei 50 Prozent, leicht
gemildert durch ABM“. Das Land blutete
aus. „Das schweißte uns quer durch die
Parteien zusammen. Jeder wusste, hier
geht es nur noch ums nackte Überleben
der Stadt…“
Auch Zenker war früher im Bergbau
tätig. Doch statt Verlockungen der Headhunter zu erliegen, die überall gut ausgebildete Ingenieure wie ihn gen Westen
ködern wollten, blieb er. Ja, er begann
sogar zu träumen: Teile der letzten Förderanlage im Tagebau Meuro, der direkt
an den Stadtrand reichte, ließ er stehen:
als Seebrücke. Viele griffen sich an den
Kopf. Denn es gab keinen See, nur eine
Kohlegrube, die verfüllt werden sollte.
Gemeinsam mit einem Stadtplaner ersann Zenker abenteuerliche Ideen für
eine Internationale Bauausstellung (IBA)
inmitten der Mondlandschaft. Daneben
kreierten sie das touristische Entwicklungsprojekt „Seestadt Großräschen“.
Tourismus im tristen Braunkohlerevier.
Doch so trieben sie, als noch keine Politik
über die Zeit nach der Kohle nachdachte,
den Strukturwandel voran.
Heute führen die IBA-Terrassen durch
einen Weinhang bis zum gefluteten See
Die Zeiten
waren eben so,
dass man nur
noch dachte,
wer macht als
Letzter das
Licht aus.
Thomas Zenker (SPD)
Bürgermeister in
Großräschen
Was so einfach klingt, war natürlich nie
einfach. Denn jene, die hier 150 Jahre
gefeiert wurden, weil sie mit ihrer Arbeit
für Wohlstand und Reichtum sorgten,
fühlen sich plötzlich als Prügelknaben
der Nation. Es nagt am Selbstbewusstsein der Kumpel, „von irgendwelchen
Besserwissern aus entfernten Großstädten, die ihren Strom eben aus der Steckdose ziehen, arrogant herabgewürdigt
zu werden“, weiß Zenker. So ist er auch
genau der Richtige, um diese und jene
Großräschener zusammenzubringen:
die Bergleute, die teils Arbeit fanden
in vier neuen Industriegewerbegebieten, wo sich die Zahl der Jobs wieder
auf 3.000 summiert, und die Zuzügler
in den ebenfalls neuen Wohngebieten
und Seegrundstücken, die längst alle
verkauft sind. Doch manche Neubürger
wünschten sich am liebsten einen „Luftkurort ohne alle Schornsteine“. Aber ohne diesen Branchenmix, ist Zenker überzeugt, nähme man heute nicht wieder
3,5 Millionen Euro Gewerbesteuern ein.
Eindringlich warnt der SPD-Mann vor
Kritikern von außen, die das mühsam ausgehandelte Kohleausstiegsjahr 2038 attackieren: „Wie so vieles in den letzten Jahrzehnten Großräschen von außen aufgedrückt wurde“, sagt er mißbilligend. Und
ganz offen bekennt er sich zur Bergbautradition. „Seenland aus Bergmannshand“
benennt ein Stoffwimpel in seinem Büro
jenen Brückenschlag, dem Großräschen
und die ganze Region ihre neue Zukunft
verdanken. Strukturwandel, sagt er, sei
eben nicht nur eine ökonomische Aufgabe, sondern auch ein emotionales Thema.
Heute sieht er die größte Leistung der
zehn IBA-Jahre nicht in tollen Bauwerken
sondern den damit einhergegangenen
neuen Partizipations- und Diskussionsangeboten: Erstmals durften die Menschen
beim Strukturwandel mitreden, erstmals
„zeichneten wir mit ihnen positive Zukunftsbilder“, so Thomas Zenker. Eben
dies brauche es auch heute wieder.
FOTOS: HARALD LACHMANN
Notwendiger Branchenmix
01-02/2020 Anzeigen-Sonderveröffentlichung
Kampf gegen Hass und Hetze
Der Bundestag beschäftigte sich in einer Aktuellen Stunde
mit Gewalt und Drohungen gegen Amts- und Mandatsträger
Autor Bernhard Daldrup
Justizministerin Christine Lambrecht wird dem Nährboden für Hetze und Rechtsextremismus im Netz mit einem Aktionsplan entgegenwirken.
FOTO: THOMAS TRUTSCHEL /PHOTOTHEK.DE
G
ewalt und Drohungen gegenüber Mandatsträgern, Politikern, Polizisten und Rettungskräften nehmen in erschreckender Weise
zu, auch der politische Mord an Walter
Lübcke zählt zur Bilanz des abgelaufenen
Jahres. Deshalb gehört der Kampf gegen
Hetze, Rechtsextremismus und Hasskriminalität auf die Tagesordnung. Was die Aktuelle Stunde am 16. Januar im Deutschen
Bundestag offenbarte, war erschreckend:
Tags zuvor war ein Anschlag auf das Büro
des SPD-MdB Karamba Diaby in Halle verübt worden. Auch andere Abgeordnete
werden bedroht.
Dem Bundeskriminalamt sind für das
Jahr 2019 bislang 1.241 politisch motivierte Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger gemeldet worden, wobei 440
Übergriffe Rechtsextremisten zugeordnet
werden konnten und 246 Taten Linksextremisten. Auch Polizeibeamte sowie andere Einsatz- und Rettungskräfte waren
immer wieder Ziel gewalttätiger Angriffe.
Fünf Punkte sollten wir als dauerhafte
Aufgabe verstehen:
1. Der Rechtsstaat muss beweisen, dass
das Gewaltmonopol ausschließlich beim
Staat liegt. Er muss zeigen, dass er die
Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger wirksam schützt und Verfahren zu
Ende führt. Justizministerin Christine
Lambrecht wird dem Nährboden für Het-
ze und Rechtsextremismus im Netz mit
einem Aktionsplan entgegenwirken, der
u.a. folgende Regelungen enthält:
a. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz
(NetzDG) wird verschärft, Morddrohungen und Volksverhetzungen sollen besser verfolgt werden,
b. der Paragraf 188 Strafgesetzbuch wird
so angepasst, dass auch auf kommunaler Ebene üble Nachrede und Verleumdungen gegen Personen des öffentlichen Lebens verfolgt werden können,
c. und der strafrechtliche Schutz des
Paragrafen 113 StGB wird auf Notärzte
und Sanitäter ausgeweitet.
d. Auch das Waffen- und Sprengstoffrecht ist verschärft worden, denn
die Bewaffnung von Bürgermeistern ist
keine Alternative!
2. So sehr strafrechtliches Handeln notwendig ist, kann es nicht darüber hinwegtäuschen, dass die zunehmende
Gewalt und der Hass Ursachen haben –
soziale, aber auch solche, die unsere politische Kultur bedrohen. Demokratie muss
immer wieder neu gelernt, neu erkämpft,
neu gelebt werden. Deshalb ist Prävention so wichtig, wie sie beispielsweise mit
dem Programm „Demokratie leben“ gefördert wird, für das immerhin 115 Millionen Euro bereitgestellt werden.
3. Carlo Schmid hat einmal das Merkmal
des bundesdeutschen Rechtsstaats damit
Jeder muss
wissen, dass
hetzerische
Sprache die
Vorhut der
Gewalt ist.
Frank-Walter Steinmeier,
Bundespräsident
begründet, dass er nicht nur formalen
staatsrechtlichen Anforderungen genügt,
sondern an der sittlichen Idee der Gerechtigkeit orientiert ist. Daran dürfen die
Menschen ebenso wenig zweifeln, wie
am Ringen um politische Ziele mit der Bereitschaft zum Kompromiss im demokratischen Staat. Der „faule Kompromiss“ war
auch die diffamierende Formel der Nazis
gegenüber dem Ringen um die Demokratie in der Weimarer Republik. „Diese Haltung verspottet die Diskussion als Gerede
und das Parlament als Schwatzbude. Wo
sich die Unfähigkeit zum Kompromiss mit
Macht verbindet und auf Minderheiten
zielt, entsteht Brutalität, das hat uns die
Geschichte gelehrt. Jeder muss wissen,
dass hetzerische Sprache die Vorhut der
Gewalt ist“, so Bundespräsident FrankWalter Steinmeier. „Die Demokratie verlässt sich nicht auf Zwang und Kontrolle,
und sie beruft sich nicht auf göttliche Gnaden. Sondern Demokratie ist und bleibt
ein Wagnis, weil sie sich völlig ihren Bürgern anvertraut! Jeder, der sich abwendet,
fehlt der Demokratie. Und deshalb dürfen
wir niemanden achselzuckend ziehen lassen“, so der Bundespräsident. Niemanden
ziehen zu lassen, heißt, das öffentliche
Bewusstsein für unsere Demokratie und
ihre Geschichte zu stärken.
4. Ich bin bisweilen erschrocken, wenn ich
etwa bei Besuchergruppen feststelle, dass
die politische Bildung in unseren Schulen,
aber auch in der Gesellschaft offenbar
stark vernachlässigt wird – auch wenn
viele Schulen und die Zivilgesellschaft
in großer Zahl aus Solidarität und mit
Leidenschaft unsere Demokratie, Rechtsund Sozialstaatlichkeit verteidigen.
5. Wenn wir wirksam gegen Hass und
Hetze, Ausländerfeindlichkeit und Gewalt
vorgehen wollen, ist die Stärkung einer
der Säulen unserer Demokratie, nämlich
der Städte und Gemeinden geboten. Wer
Kommunen stärkt, macht die Gesellschaft
stark. Es ist deshalb zu begrüßen, dass
es mittlerweile zahlreiche Initiativen und
Aktionen auf kommunaler Ebene gibt.
Alle Ebenen sind gefordert: Bund,
Länder, aber eben auch die Kommunen
müssen alle Anstrengungen zur Stärkung
der Zivilgesellschaft und Förderung der
demokratischen politischen Kultur unternehmen.
Die Resolution des Deutschen Städte- und
Gemeindebundes „Kommunale Amts- und
Mandatsträger/innen wirksam schützen“
findet sich unter www.dstgb.de
V.i.S.d.P.:
Carsten Schneider, 1. Parlamentarischer Geschäftsführer,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Tel.: (030) 227-744 20,
carsten.schneider@spdfraktion.de
18 NEWS
DEMO 01-02/2020
Wie soziale Klimapolitik
vor Ort gelingen kann
Die SPD-Bundestagsfraktion lud Ende Januar
zu einer Kommunalkonferenz ein
Frank Baranowski, Vorsitzender der Bundes-SGK
Es werden immer neue Fälle von Drohungen und Gewaltattacken
gegen Mandatsträger und -trägerinnen bekannt, insbesondere
auch gegen Kommunalpolitikerinnen und -politiker. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Die Zuspitzung der Situation halte ich für unerträglich. Traurige Höhepunkte der letzten Wochen waren nicht zuletzt die Schüsse auf
das Wahlkreisbüro des Bundestagsabgeordneten Dr. Karamba Diaby
(SPD) in Halle und des nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten Michael Hübner (SPD) in Dorsten. Wenn ich sehe, dass ein
gestandener SPD-Kommunalpolitiker wie Arnd Focke aus Niedersachsen, nach Wochen der rechten Hetze im Internet, Hackenkreuzschmierereien und nächtlichen Drohanrufen von seinem Amt als
Bürgermeister zurückgetreten ist, sorge ich mich ernsthaft um die
demokratische Grundordnung unserer Gesellschaft. Auch aus eigener Erfahrung finde ich es schwer verständlich, dass Anzeigen immer
wieder von der Staatsanwaltschaft niedergeschlagen werden.
Wie sehen Sie den öffentlichen Diskurs zu diesem Thema?
Es ist die Aufgabe von Politik, Polizei und Justiz, gerade diejenigen zu
schützen, die sich in öffentlichen Ämtern für unser Gemeinwesen engagieren. Aber auch die breite Masse der Gesellschaft, eine jede und
ein jeder von uns, muss Stellung beziehen. Wir müssen unsere Stimme erheben und uns solidarisch mit den Betroffenen zeigen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat klare Worte dazu gefunden: „Wenn Angehörige von Polizei, Rettungsdiensten, wenn sogar
Bedienstete im öffentlichen Nahverkehr, wenn Bürgermeisterinnen,
Bürgermeister oder Gemeinderäte heute angefeindet, bedroht oder
sogar körperlich angegriffen werden, dann geht das uns alle an, alle
Demokratinnen und Demokraten.
Was muss aus Ihrer Sicht für mehr Schutz von Kommunalpolitikerinnen und -politikern getan werden?
Der Staat muss Kommunalpolitikerinnen und -politiker, die aufgrund
politischer oder sonstiger gesellschaftlicher Aktivitäten in der Öffentlichkeit stehen, besser schützen und die Justiz konsequent durchgreifen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat hierzu erste
Vorschläge zur Veränderung des Strafgesetzbuches vorgelegt, diese
begrüße ich ausdrücklich. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen
wurden z.B. Schwerpunktstaatsanwaltschaften ins Leben gerufen die
mit zusätzlichem Personal besonders im IT Bereich ausgestattet
wurden. Jedoch sollte nicht nur die Verschärfung der Gesetze im
Fokus der Bemühungen stehen. Auch präventive Maßnahmen müssen in den Blick genommen werden. Denkbar und wünschenswert
wäre es, bereits in der Schule das Verständnis für die Bedeutung
der kommunalen Selbstverwaltung zu wecken. Schon bei Jugendlichen muss ein Verständnis für demokratischen Diskurs und die
Akzeptanz kontroverser Meinungen geschärft werden. Nicht zuletzt müssen die Hilfeangebote für Betroffene und deren Familien
ausgebaut werden, sei es durch aktive Schutzmaßnahmen oder
auch durch psychologische Betreuung.
Ü
ber „Kommunen und Klimaschutz“ wurde kürzlich auf einer
Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion diskutiert. Dazu waren Gäste aus ganz Deutschland in den Berliner
Reichstag gekommen. Im Mittelpunkt
stand die Frage, wie der Klimaschutz
vorangetrieben werden kann, ohne den
sozialen Frieden zu gefährden. Fraktionschef Rolf Mützenich forderte: Man müsse
in der Gesellschaft einen Konsens herstellen über die nötigen Schritte.
Der Weg dahin führt nach Ansicht von
Bundesumweltministerin Svenja Schulze
über die Kommunen. Man dürfe in der
Klimapolitik keine dunkle Zukunft malen,
sondern müsse Hoffnung vermitteln.
Das gelinge nur, wenn man es konkret
mache. Also darüber rede, wie sich die
Verkehrsplanung verändern wird, welche
Auswirkungen Klimapolitik auf die kommunale Daseinsvorsorge oder auch die
lokale Wirtschaft hat.
Umfangreiche Förderprogramme
Der Bund unterstütze die Städte und Gemeinden zum einen mit der Nationalen
Klimaschutzinitiative. Seit 2008 würden
über Förderprogramme zahlreiche Maßnahmen mitfinanziert, etwa der Bau von
Radwegen, das Austauschen der Beleuchtung in der Sporthalle oder intelligente Verkehrssteuerung. Neu geschaffen habe man nun Förderlotsen, die den
Kommunen helfen sollen, das für sie
passende Förderprogramm zu finden.
Zweitens verwies Schulze auf die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Damit will der Bund zum Beispiel Maßnahmen gegen Überschwemmung oder für mehr Schattenplätze
unterstützen. Und drittens spielten die
Kommunen auch im „Klimaschutzprogramm 2030“ der Bundesregierung eine
wichtige Rolle, betonte Schulze.
Wie die Klimawende im Quartier konkret aussehen kann, war Thema einer
Debattenrunde. Bernd Tischler, Oberbürgermeister von Bottrop, stellte das 2010
gestartete Projekt „Innovation City“ vor,
mit dem die Stadt ihre CO2-Emmissionen
binnen zehn Jahren halbieren will. Das
werde auch gelingen, berichtete der
Oberbürgermeister. Melanie WeberMoritz vom Deutschen Mieterbund betonte die große Bedeutung des Gebäudebereiches für den Klimaschutz, plädierte aber dafür, die Möglichkeiten für
eine Mieterhöhung nach Modernisierung
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD)
weiter zu beschränken. Kommunen hätten dabei durchaus Spielräume. So könnten sie ihren Wohnungsbaugesellschaften eine Selbstverpflichtung auferlegen.
Eine zweite Debattenrunde stellte die
„klimagerechte Mobilität“ in den Mittelpunkt. Zuvor hatte der Bundestag beschlossen, die Förderung für den ÖPNV
in den Kommunen deutlich zu erhöhen.
Man müsse mehr Qualität in das System
kriegen, das Angebot ausbauen und sich
auch den Preis anschauen, sagte SPDFraktionsvize Sören Bartol. Deshalb sei
zu überlegen, wie man gegebenenfalls
neben dem Fahrpreis noch andere Einnahmen für den Nahverkehr generieren
könne. Marion Jungbluth von der „Verbraucherzentrale Bundesverband“ nannte Hamburg als Beispiel, wie der ÖPNV
attraktiver gemacht werden könne. Die
Hansestadt wolle „Fünf-Minuten-Stadt“
sein. Was bedeute: Von jedem Wohnhaus aus soll man in fünf Minuten den
nächsten ÖPNV-Anschluss erreichen.
demo-online.de/aktuelles
FOTOS: DIRK BLEICKER, ANDREAS AMANN/SPD-BUNDESTAGSFRAKTION
Drei Fragen an …
Autor Carl-Friedrich Höck
GEMEINSAM GEGEN RECHTS 19
01-02/2020 DEMO
„Wir müssen uns unterhaken“
Nach Bedrohungen von rechts nicht zurückweichen, sagt Patrick Dahlemann
Autorin Karin Billanitsch
FOTO: RALF ROLETSCHEK / WWW.ROLETSCHEK.AT/CC BY-SA 3.0 DE VIA WIKIMEDIA COMMONS
Sie sind bekannt geworden, als Sie
bei einer NPD-Veranstaltung das Mikro genommen und eine Gegenrede
gehalten haben. Was können Kommunale aus Ihrer Erfahrung heraus tun,
um sich gegen rechts zu positionieren?
Die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus ist seitdem eine andere geworden. Früher waren es die Rechtsextremen
mit dem Parteibuch der NPD, die durch
die Region gezogen sind und ihre Parolen
herausgedröhnt haben. Heute ist es durch
die Rechtspopulisten salonfähig geworden, etwas unter dem Deckmantel der
Meinungsfreiheit zu sagen. Das macht die
Auseinandersetzung viel schwerer.
Gerade deshalb ist es umso wichtiger,
den rechten Tendenzen zu widersprechen. Es ist sorgfältig darauf zu achten,
sich mit guter Sacharbeit abzugrenzen
und sich nicht instrumentalisieren oder
aufs Glatteis führen zu lassen, wie
das jetzt gerade in Thüringen passiert
ist. Das darf auf kommunaler Ebene
nicht wiederholt werden. Es darf keine
Zusammenarbeit mit der AfD geben.
Sie kommen aus MecklenburgVorpommern. Sehen Sie regionale
Unterschiede, was die Bedrohung
von rechts angeht?
Es wird häufig der Fehler gemacht,
Rechtspopulismus in ein Ost-West-Denken
einzuordnen. Ich bin Jahrgang 1988 – für
mich gibt es diese Ost-West-Denke gar
nicht. Aber wenn wir uns ansehen, wo
die Zustimmung zu den Rechten besonders groß ist, dann kommt man zu dem
Ergebnis: überall da, wo der Staat sich
zurückgezogen hat. Gerade im ländlichen Raum, wo Fragen der Mobilität, der
nächsten Schule die Menschen umtreiben,
wo die Präsenz von Behörden oder Polizei
nachgelassen hat, können Rechte in eine
DEMO-SERIE
Immer häufiger sind
Amts- und Mandatsträger Drohungen und Beleidigungen ausgesetzt.
Zuletzt gaben ehrenamtliche Kommunalpolitikerinnen und -politiker
sogar auf. Wie mit den
Anfeindungen umgehen?
Welche Netzwerke für
Betroffene existieren,
was leisten staatliche
Förderprogramme?
Welche guten Aktionen
gegen Hass und Hetze
gibt es in den Kommunen? „Gemeinsam gegen
rechts“ heißt die neue
Artikelserie, die diese
Themen beleuchtet.
Patrick Dahlemann ist seit 2014
Abgeordneter des Landtages
Mecklenburg-Vorpommern
und seit November 2016
parlamentarischer Staatssekretär für Vorpommern.
Kerbe schlagen. Daraus lässt sich ableiten:
Der Staat, die Kommunen müssen für den
Bürger mit ihren verschiedenen Angeboten präsent und sichtbar sein.
Jüngst gab es Rücktritte von ehrenamtlichen Politikern, die die Angriffe nicht mehr ertragen konnten.
Sie berichten nicht selten, dass sie
von Strafverfolgungsbehörden nicht
ernst genommen wurden oder Anzeigen im Sand verlaufen. Was sind
hier Ihre Erfahrungen?
Zunächst kann ich gut mitfühlen, wenn
jemand durch gewisse Bedrohungslagen
verunsichert ist. Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder erleben müssen, wie durch Sachbeschädigung oder
Drohungen der Versuch der Einschüchterung gemacht wird. Etwa durch Steinschläge oder einen Buttersäureanschlag
auf mein Bürgerbüro, Einbrüche, Schäden
am Dienstwagen, einen Farbanschlag zu
Hause bis hin zu Morddrohungen. Das
sind Dinge, die einen nicht kaltlassen.
Aber als Konsequenz zu weichen, wäre
falsch. Man muss sich Hilfe suchen, sich
unterhaken. Gerade in der sozialdemokratischen Familie sind wir viele, und gemeinsam sind wir stark. Deshalb ist der Aufruf
von Lars Klingbeil der richtige Weg. Wir
dürfen den Rechten nicht die Präsenz in
der Fläche überlassen. Deshalb mein Appell an jeden Einzelnen: Wer sich bedroht
fühlt, muss sich Hilfe suchen. Staatliche
Behörden müssen das ernst nehmen: Die
Politik muss geschützt werden. Das hat
man bei dem traurigen Mordfall Walter
Lübcke gesehen. Davon müssen die richtigen Konsequenzen abgeleitet werden.
Das erwarte ich von Behörden und Polizei.
Lars Klingbeil hat einen Runden Tisch
zum Schutz von Politikerinnen und
Politikern vor Bedrohungen initiiert.
Ein Vorschlag ist, dass es eine Anlaufstelle geben soll. Wie finden Sie das?
Ich finde den Ansatz von Lars Klingbeil,
einen Ansprechpartner zu haben, ganz
wichtig. In der tatsächlichen Bedrohungssituation ist man verunsichert. Bei dem
Einbruch auf mein Bürgerbüro am Tag der
Deutschen Einheit zum Beispiel habe ich
mich gefragt: Wie gehe ich vor? Worauf
muss ich achten? Eine Anlaufstelle für ganz
Deutschland, die aufklärt und auch über
rechtliche Fragen berät, wäre sehr gut.
Wo sollte sie angesiedelt sein?
Sie sollte unbedingt bei einer staatlichen
Behörde angesiedelt sein, nicht bei den
Parteien. Der Schutz der Demokratie ist
eine Aufgabe des Staates und deshalb
wäre es gut, einen bundeseinheitlichen
Ansprechpartner zu haben, wohin sich
jeder wenden kann.
Manchen Betroffenen fehlt der Rückhalt in der Kommune, wenn sie offenlegen, dass sie von rechts bedroht
werden. Die Kommune würde in ein
schlechtes Licht gerückt, heißt es. Wie
lässt sich das auflösen?
Die Kommune kann sich doch dann in ein
rechtes Licht rücken, wenn sie sagt: „Damit wollen wir nichts zu tun haben. Das
ist nicht unsere Stadt!“ Immer dann, wenn
ein solcher Anschlag passiert, hänge ich
ein Plakat in die Fenster meines Bürgerbüros: „Eure Gewalt ist nur ein stummer
Schrei nach Liebe“ – nach einem Lied der
Band „Die Ärzte“. Ich gehe damit sehr offensiv, sehr entschlossen um. Wir lassen
uns nicht einschüchtern, keinen Fußbreit
den Faschisten. Dann sagen auch ganz
viele Menschen: Damit wollen wir nichts
zu tun haben, das geht zu weit. Das muss
die vorbildliche Reaktion sein.
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„Überlassen Sie die Besetzung
“
von Führungspositionen nicht dem Zufall …
– Edmund Mastiaux, Inhaber
zfm • Seit 25 Jahren Personalberatung für Verwaltungen und kommunale Unternehmen
www.zfm-bonn.de
20 REPORT
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 01-02/2020
Für das Kohleausstiegsgesetz besteht Nachbesserungsbedarf –
Perspektiven für KWK und Erneuerbare Energien fehlen
Autor Michael Wübbels, VKU
D
as Energiesystem ist ein komplexes Gefüge, bei dem alles miteinander zusammenhängt. Die
Herausforderungen der Energiewende
können daher nur mit einem ganzheitlichen Ansatz gelöst werden. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit. Und dennoch
überrascht, dass diese Erkenntnis noch
nicht überall verinnerlicht ist. So muss der
Ausbau des Stromnetzes mit der Entwicklung des Erzeugungsparks und des Stromverbrauchs zusammengedacht werden,
der Ausbau des Gasnetzes zunehmend
mit dem der Strom- und Wärmenetze, die
Stromerzeugung mit der Wärmeversorgung, die Erneuerbaren Energien mit der
flexiblen Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).
Diese Liste ließe sich beliebig verlängern.
Energiepolitik, die überwiegend fragmentarische Lösungen entwickelt, ohne die
Zusammenhänge zu anderen Segmenten
des Energiesystems zu berücksichtigen,
läuft Gefahr, in einen permanenten Reparaturmodus zu geraten.
Report
Kommunalwirtschaft
Ein Beispiel dafür ist der Entwurf des sogenannten Kohleausstiegsgesetzes, den
die Bundesregierung gerade in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht hat.
Hier spielte bei der Ausgestaltung der
Regelungen zur Reduzierung der Steinkohlekraftwerkskapazitäten die kommunale Wärmeversorgung offenbar eine
nachrangige Rolle. Als eine Auswirkung
entsteht nun das Risiko, dass die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit der
Wärmeversorgung in einigen Kommunen infrage gestellt wird. Strom- und
Wärmeversorgung müssen allerdings
– und zukünftig verstärkt – systemisch
betrachtet werden.
Beitrag zur Wärmewende essenziell
KWK-Anlagen produzieren in einem gekoppelten Prozess Strom und zugleich
Wärme, die in Wärmenetze eingespeist
wird. Mehr als 40 Prozent der Stromerzeugungskapazitäten, das heißt rund
12 GW kommunaler Unternehmen sind
Anreize für Um- und Ausbau
der KWK zu gering
Klimaschutz, Versorgungssicherheit und
Flexibilität kann es nicht zum Nulltarif geben. Dringend notwendige Investitionen,
die in eine unbestimmte Zukunft verschoben oder überhaupt nicht ausgelöst werden können, gefährden das Erreichen der
Klimaziele und gehen zulasten des Portemonnaies künftiger Generationen.
Um ein Beispiel zu nennen: Das Kohleausstiegsgesetz sieht eine Verlängerung des KWK-Gesetzes (KWKG) bis Ende 2029 vor, ohne jedoch wirtschaftliche Anreize des Wechsels von Kohle- auf
Gas-KWK zu setzen. Gleichzeitig ist das
noch geltende KWKG von der EU-Kommission lediglich bis 2022 genehmigt.
Die beihilferechtliche Kategorisierung
des KWKG hat die Bundesregierung mit
der EU-Kommission bisher noch nicht
ausreichend geklärt. Damit stehen Stadtwerke, die heute ihre Kommunen mit
Wärme aus Steinkohle-KWK vorsorgen,
vor enormen Herausforderungen bei der
Transformation der Wärmeversorgung.
Zu wenig Planungssicherheit und eine
ungeklärte Refinanzierung halten sie
davon ab, in den Umbau zu investieren.
Außerdem wird der im Kohleausstiegsgesetz angesetzte Fuel-SwitchBonus in Höhe von 180 Euro je Kilowatt elektrische KWK-Leistung nicht
annähernd reichen, um Investitionen
im größeren Maßstab für den Bau einer Gas-KWK-Anlage auszulösen. Die
Unternehmen brauchen einen Bonus in
Höhe von mindestens 450 Euro je Kilowatt. Wenn das Stadtwerk von heute
den Umbau nicht anstoßen kann, besteht die Gefahr, dass das Unternehmen
kurzfristig in ineffiziente ungekoppelte
GRAFIK: VKU
Stadtwerke zahlen die Zeche
KWK-Anlagen. Stadtwerke betreiben zudem Wärmenetze mit einer Länge von
21.000 Kilometern – der Hälfte des Erdumfangs. Besonders in hochverdichteten
Ballungsräumen sind die Potenziale für
erneuerbare Wärmeerzeugung im Gebäude begrenzt. Dort bieten Wärmenetze die einzige Möglichkeit, Erneuerbare
Energien und Abwärme im großen Stil
in die Wärmeversorgung zu integrieren.
Fortschritte bei der Dekarbonisierung der
Wärmeversorgung mit Hilfe von Wärmenetzen sind kurz- und mittelfristig nur
mit wirtschaftlich erzeugter KWK-Wärme
erzielbar. Dazu kommt: KWK-Anlagen
können mit biogenen Brennstoffen und
perspektivisch mit Wasserstoff und synthetischem Gas betrieben werden. Damit
wird die KWK auch langfristig eine zentrale Rolle in einer weitgehend treibhausgasneutralen Energieversorgung innehaben.
REPORT 21
01-02/2020 Anzeigen-Sonderveröffentlichung
Wärmeerzeugung investieren muss. Das
ist weder gut für das Klima noch für den
Geldbeutel der Wärmekunden.
Aber nicht nur der Fuel-Switch, auch
die Modernisierung bestehender und der
Neubau von KWK-Anlagen werden im
Gesetzentwurf nicht ausreichend flankiert. Mit der aktuellen Grundförderung
– das hat der Evaluierungsbericht des
Bundeswirtschaftsministeriums deutlich
gezeigt – kann der überwiegende Teil
der potenziellen Neuanlagen nicht wirtschaftlich kalkuliert werden.
FOTO UND GRAFIK: VKU
Keine Stilllegung ohne
Entschädigung
Ein weiteres massives Problem beim Kohleausstiegsgesetz: Steinkohlekraftwerke
insgesamt werden erheblich benachteiligt. Anders als die Kohlekommission
empfohlen hat, wird die Reduzierung
der Braunkohle nach hinten verschoben,
die Reduzierung der Steinkohle vorgezogen. Moderne Steinkohle- gehen danach
deutlich vor alten Braunkohlekraftwerken
vom Netz. Dabei sieht der Gesetzentwurf
vor, dass ab 2027 Steinkohlekraftwerke
per Ordnungsrecht nach Altersreihung
entschädigungslos stillgelegt werden
sollen. Das verursacht insbesondere bei
den Stadtwerken erheblichen wirtschaftlichen Schaden, die an modernen Kraftwerken beteiligt sind, die seit 2013 oder
später ans Netz gegangen sind. Dieser
Vorgang hat auch weit über die Grenzen
der Energiewirtschaft hinaus Bedeutung,
weil hier die Investitionssicherheit am
Wirtschaftsstandort Deutschland – vor
allem auch für Kommunen und kommunale Unternehmen – infrage gestellt wird.
Der VKU wird daher im parlamentarischen Verfahren dafür werben, dringend
notwendige Korrekturen im Gesetzentwurf vorzunehmen. Gleichzeitig ist hervorzuheben: Wir kommen um eine zusätzliche, grundlegende Reform des KWKG
nicht herum, wenn wir unsere Stromund Wärmeversorgung zukunftssicher
machen wollen. Zudem müssen wir zügig
den gesetzlichen Rahmen anpassen, um
zum einen aus der Ausbaukrise bei der
Windenergie herauszukommen und zum
anderen nicht in eine neue Ausbaukrise
bei Photovoltaik hineinzugeraten.
Kritik am Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes: Michael
Wübbels, stellvertretender
VKU-Hauptgeschäftsführer
vku.de
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22 REPORT
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 01-02/2020
Baumaßnahmen für andere Versorgungsnetze wie Wasser oder Strom dar.
Dabei werden auch künftig Fördermittel
eine wesentliche Rolle spielen, um die
Wirtschaftlichkeitslücke für den Breitbandausbau – möglichst effizient – zu
schließen. Diese Konstellation macht die
Kommune selbst zum idealen Träger für
den Aufbau der passiven Glasfaser-Infrastruktur – sei es über ein Betreibermodell oder über eine eigene kommunale
Gesellschaft, welche die Rolle des Infrastrukturpartners übernimmt.
Breitband für Städte und Gemeinden: Der aufwendige Infrastrukturausbau lässt sich am besten in Kooperation von Kommunen und
Netzbetreibern realisieren.
Glasfaser bis zur Milchkanne
Um schnelle Leitungen bis in die Wohnung wirtschaftlicher
zu machen, muss die Netzauslastung gesteigert werden
Autor Hans-Jürgen Merz, M-net Telekommunikations-GmbH
D
urch die Breitband-Förderprogramme und die damit
verbundene Erschließung der
Kabelverzweiger mit Glasfaser (FTTC)
ist in Deutschland eine solide InternetGrundversorgung erreicht. Die weitere Erschließung mit Glasfaser bis in die
Wohnung (FTTH) für die Bereitstellung
von Gigabit-fähigen Anschlüssen wird
im ländlichen Raum durch einzelne Anbieter in vielen Fällen jedoch nicht wirtschaftlich zu stemmen sein. Neben einer
gezielten Förderung durch die öffentliche Hand und einer möglichst effizienten Verlegung der Infrastruktur ist dafür
auch die Steigerung der Netzauslastung
durch Kooperationen mehrerer Netzbetreiber entscheidend. Für die Kommunen sind hier regionale Partner auf
Augenhöhe gefragt.
Die Infrastruktur der Zukunft heißt
„FTTH“, also Glasfaser bis in die Wohnung oder das Büro. Darin sind sich alle Experten einig – von der Politik über
die Wissenschaft bis hin zu den meisten
Anbietern und Netzbetreibern. Keine
andere Übertragungstechnologie wird
in der Lage sein, den Bandbreitenbedarf
der Nutzer langfristig zukunftssicher abzudecken. Die Herausforderung für die
ausbauenden Betriebe, aber auch für
unsere Gesellschaft als Ganzes besteht
darin, den Ausbau gerade in dünner
besiedelten Regionen und in Zeiten der
dramatischen Baukostenentwicklung
wirtschaftlich darstellbar zu gestalten.
Passiver Glasfaserausbau
durch die Kommune
Hans-Jürgen Merz,
Bereichsleiter Strategie und
Unternehmensentwicklung
bei M-net
Für die Wirtschaftlichkeit eines Ausbauprojekts sind drei wesentliche Faktoren
ausschlaggebend: Der erzielte Umsatz
pro Kunde, die Baukosten und die Netzauslastung – also die Marktdurchdringung im Bestand der angeschlossenen
Haushalte mit aktiven Kunden.
Kaum Spielraum für eine wesentliche
Steigerung des Deckungsbeitrags bietet der Umsatz pro Kunde. Hier kennt
der Markt seit vielen Jahren eigentlich
nur eine Entwicklung: Während die angebotenen Bandbreiten kontinuierlich
steigen, bleiben die entsprechenden
Preispunkte für Einsteiger, Standardnutzer und Heavy User im Wesentlichen
immer gleich.
Die Baukosten für die Erstellung des
Netzes lassen sich durch die Einführung neuer, günstigerer Verlegetechniken auch nur geringfügig senken. Einen
größeren Hebel stellt hier die Mitverlegung der Glasfasern mit geplanten
Der entscheidende Faktor für die Steigerung der Wirtschaftlichkeit ist schließlich
die Netzauslastung. Indem das Netz für
die Vermarktung durch mehrere Anbieter geöffnet wird, lassen sich in Summe
deutlich höhere Marktanteile erzielen –
und deutlich mehr Nutzer tragen dazu
bei, den Netzausbau zu refinanzieren.
Als Anbieter aus der Region für die Region bekennt sich M-net klar zu einem
Open Access im Interesse der kommunalen Partner: Nach diesem Modell besorgt
M-net den Aufbau der aktiven Netzinfrastruktur und betreibt das kommunale Netz mit Telekommunikationsdiensten. Gleichzeitig steht die Infrastruktur
durch Wholesale-Kooperationen auch
für die Versorgung von Kunden anderer
Anbieter zur Verfügung.
Auf diese Weise entstehen am Ende
eine größere Anbieter- und Produktvielfalt für die Kunden, größere Vermarktungschancen für die einzelnen Anbieter
und höhere Pachterträge für die kommunale Gesellschaft – ein Win-Win-Win
für alle Beteiligten.
Über M-net
Als Tochtergesellschaft der Stadtwerke
in den bayerischen Ballungsräumen
München, Augsburg, Nürnberg, Fürth,
Erlangen und Kempten sowie Partner
zahlreicher Städte und Gemeinden
im ländlichen Raum versorgt M-net
große Teile des Freistaats Bayern, den
Großraum Ulm und weite Teile des
hessischen Main-Kinzig-Kreises mit zukunftssicherer Kommunikationstechnologie. M-net setzt als Anbieter aus der
Region für die Region auf eine starke
Kunden- und Serviceorientierung und
wurde beim Connect-Festnetztest
viermal in Folge als bester lokaler
Anbieter Deutschlands ausgezeichnet.
m-net.de
FOTOS: M-NET TELEKOMMUNIK ATIONS GMBH
Win-Win-Win für alle Beteiligten
23
01-02/2020 Anzeigen-Sonderveröffentlichung
Das neue Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG)
Ein Meilenstein für die Zukunft des öffentlichen
Personennahverkehrs
Autor Detlef Müller
Förderhürde abgesenkt
Mit der Novelle des GVFG wird der Grundstein für die Zukunft eines leistungsfähigen schienengebundenen öffentlichen Nahverkehrs gelegt.
FOTOS: THOMAS TRUTSCHEL /PHOTOTHEK.NET; MICHAEL ALLMAIER /MA-PHOTOGRAPHY
M
it dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG)
unterstützt der Bund die
Länder und Kommunen bei der Verbesserung ihrer lokalen Verkehrsverhältnisse. Die Mittel aus dem GVFG sind dabei
eine der zentralen Finanzierungsquellen
der Länder und Kommunen für den
Ausbau ihrer kommunalen Schienenverkehrsinfrastruktur.
Mit der Novelle des GVFG werden
nun der Grundstein für die Zukunft eines
leistungsfähigen schienengebundenen
öffentlichen Nahverkehrs gelegt und die
Voraussetzungen für die Mobilität von
morgen in Ländern und Kommunen geschaffen.
Im Koalitionsvertrag 2018 haben sich
SPD und Union auf eine Novelle des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes geeinigt. Ziel war eine Verdreifachung der
seit langem festgelegten Programmsumme von knapp 333 Millionen Euro pro Jahr
auf eine Milliarde Euro ab 2021. Mit der
vom Deutschen Bundestag beschlossenen
Änderung des GVFG werden diese Zielsetzungen nochmals deutlich übertroffen.
bau von Bahnhöfen, Haltestellen, Umsteigeanlagen aber auch Planungskosten
– eingeführt. Durch die Absenkung der
zuwendungsfähigen Kosten auf 30 (u. a.
Bau und Ausbau) bzw. 10 Millionen Euro
(u. a. Grunderneuerung oder Reaktivierung) pro Projekt und die Aufhebung der
Beschränkung auf Verdichtungsräume
ist sichergestellt, dass diese Mittel auch
flächendeckend im Bundesgebiet genutzt werden können.
Der Bundestag hat das GVFG entfristet
und bereits im laufenden Kalenderjahr
die zur Verfügung stehenden Mittel auf
über 665 Millionen Euro verdoppelt. In
den Jahren 2021 bis 2024 werden dann
jeweils eine Milliarde Euro zur Verfügung stehen. Im Jahr 2025 wird der Etat
sogar auf zwei Milliarden Euro anwachsen. 2026 beginnt dann eine Dynamisierung der Mittel um 1,8 Prozent pro Jahr.
Damit stellt der Bund den Ländern und
Kommunen in den kommenden sechs
Jahren 4,6 Milliarden Euro zusätzlich für
die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung
und löst die sogenannte Versteinerung
des GVFG auf.
Neben der Erhöhung der Mittel wurde
das GVFG aber auch inhaltlich neu aufgestellt. Wir haben das GVFG bis zum Jahr
2030 für Grunderneuerungen von Verkehrswegen der Straßenbahnen, Hochund Untergrundbahnen geöffnet und
Förderhürden abgesenkt. Zudem wurde
der Förderanteil des Bundes auf bis zu 90
Prozent erhöht und es wurden neue Fördertatbestände – wie die Reaktivierung
von Schienenstrecken, der Bau und Aus-
Detlef Müller ist Mitglied des
Deutschen Bundestages, Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung und Mobilität,
Vorsitzender der SPD-Fraktion
Chemnitz
Im parlamentarischen Verfahren konnte der Gesetzesentwurf zudem verbessert werden. So ist die Nutzen-KostenBewertung bei Grunderneuerungen entbehrlich, da beim ursprünglichen Bau
von Strecken der gesamtgesellschaftliche Nutzen bereits nachgewiesen wurde. Diese Änderung allein kann die Umsetzungsdauer von Maßnahmen um bis
zu zwei Jahre verkürzen.
Vielfach wurde darauf hingewiesen,
dass die Förderung von Straßenbahnprojekten in Innenstadtlagen durch das
GVFG häufig nicht möglich wäre, da eine
gesonderte Verkehrsführung von Straßenbahnen aus städtebaulichen Gründen nicht zu realisieren sei. Daher wurde
eine Absenkung der Förderhürde „besonderer Bahnkörper“ umgesetzt: Während der ursprüngliche Gesetzesentwurf
vorsah, dass nur Maßnahmen gefördert
werden können, die sich weit überwiegend und damit mindestens zu 80 Prozent auf „besonderem Bahnkörper“ befinden, konnte diese Anforderung auf 50
Prozent pro Projekt begrenzt werden.
Darüber hinaus können auch andere
technische und bauliche Bevorzugungen
der Bahn (z.B. Ampelvorrangschaltungen) auf dieses Kriterium angerechnet
werden. Damit werden auch Investitionen innerhalb gewachsener städtischer
Strukturen möglich, bei denen eine bauliche Abtrennung von Straßenbahnen
ansonsten nicht umsetzbar ist.
Mit dem neuen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz unterstützt der Bund
die Länder und Kommunen maßgeblich
bei der Umsetzung der Verkehrswende.
Wir schaffen mit zusätzlichen Investitionsmöglichkeiten in die Verkehrsinfrastruktur die Voraussetzung für ein
nachhaltiges und vor allem attraktives
Verkehrsangebot für die Menschen in
unserem Land. Und all das nicht in kleinen Schritten, sondern in einem großen
Satz.
V.i.S.d.P.:
Carsten Schneider, 1. Parlamentarischer Geschäftsführer,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Tel.: (030) 227-744 20,
carsten.schneider@spdfraktion.de
24 REPORT
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 01-02/2020
Gemeinden stärker an Wertschöpfung
von Windenergieprojekten beteiligen
Vier Fragen an Andreas Pick, Leiter Projektentwicklung Windkraft bei der EnBW
Die Fragen stellte Till Rasch
Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung
angekündigten Mindestabstände
für Windenergieanlagen?
Die Diskussion über Abstandsregelungen als Akzeptanzmaßnahme ist schon
an sich paradox, da pauschale Abstände keine positiven Auswirkungen auf
die Akzeptanz haben. Umweltpsychologische Studien bestätigen das. Durch
Mindestabstände wird der Eindruck
erweckt, dass Windenergieanlagen
etwas Bedrohliches sind, vor dem der
Gesetzgeber die Bevölkerung schützen
muss. Dabei gibt es bereits klare Regelungen, zum Beispiel für zulässige Geräuschpegel oder Schattenwurfdauer,
aus denen sich dann auch der einzuhaltende Abstand ergibt. Pauschale
Mindestabstände führen lediglich dazu, dass der weitere Zubau durch Einschränkung der potenziellen Flächen
verhindert wird. Eine tatsächliche Steigerung der Akzeptanz erfolgt dagegen
durch eine frühzeitige Einbeziehung
der Bürger vor Ort in die Planung und
könnte noch weiter gesteigert werden,
wenn Standortkommunen über das
bereits heute bestehende Maß hinaus
finanziell beteiligt würden. Maßnahmen, die vor Ort einen erlebbaren
Nutzen schaffen, finden in den öffentlichen Diskursen auch Akzeptanz. Und
das gilt dann auch für die Windenergie!
Wie soll so eine finanzielle Beteiligung der Gemeinden aussehen?
Wir plädieren für eine Abgabe, die
Windparkbetreiber regelmäßig an die
Standortkommunen abführen müssen.
Die Gemeinden sollen frei darüber
befinden können, wie sie die Mittel
verwenden. Entscheidend ist für uns,
dass eine bundeseinheitliche Regelung
geschaffen wird und die Kriterien für
die Abgabe so definiert werden, dass
Wettbewerbsverzerrungen bei den
EEG-Ausschreibungen vermieden werden. Eine solche Verzerrung wäre bei
einer Abgabe in Abhängigkeit der Anlagenhöhe der Fall, da sonst Projekte
in Süddeutschland, wo aufgrund des
Maßnahmen,
die vor Ort
einen erlebbaren
Nutzen schaffen,
finden in den
öffentlichen
Diskursen auch
Akzeptanz.
Andreas Pick
Die Energiewende muss auf allen politischen Ebenen vom Bund, den Ländern und
auch den Gemeinden verteidigt werden, meint Andreas Pick.
schwächeren Windaufkommens größere Nabenhöhen notwendig sind, noch
mehr benachteiligt würden. Die Politik
muss sicherstellen, dass die Einnahmen
den Gemeinden auch tatsächlich erhalten bleiben und nicht im kommunalen
Finanzausgleich oder in der Haushaltssicherung untergehen. Darüber hinaus wäre auch eine Transparenz über
die erzielten Einnahmen und die Verwendung der Mittel wünschenswert.
Wenn der Bürger nachvollziehen kann,
welche zusätzlichen Maßnahme seine
Gemeinde durch diese zusätzlichen
Gelder finanzieren kann, wird auch die
Akzeptanz für das Windenergieprojekt
entsprechend größer.
Wird das ausreichen, um den
drastisch zurückgegangenen Ausbau der Windenergie wieder in
Schwung zu bringen?
Nein. Auch eine Kommunalabgabe
wird voraussichtlich nicht zu schnelleren Genehmigungsverfahren und mehr
Flächenausweisungen führen. Hier
ist die Politik gefordert, die ihr selbst
auferlegten Hausaufgaben schnellstmöglich zu erledigen. Besonders hilfreich wäre aus Sicht der EnBW, wenn
Planungsverbände die Regional- und
Flächennutzungspläne konsequent
voranbringen würden. Notwendig wäre ein zeitlich gestraffter Prozess mit
klaren Kriterien für Windkraftflächen.
Damit ließen sich Unsicherheiten darüber, wo Windparks entstehen werden
und wo nicht, schnell auflösen. Derzeit
gibt es jahrelange Hängepartien, während derer Projektgegner und -befürworter die Behörden mit gegenläufigen
Anträgen und Stellungnahmen lähmen.
Unabhängig von diesen Überlegungen
muss die Energiewende auf allen politischen Ebenen vom Bund, den Ländern,
aber auch den Gemeinden verteidigt
werden. Nur mit politischer Standhaftigkeit, vernünftiger Kommunikation
und Beteiligung der Menschen an den
Projektplanungen bringt eine Abgabe
von Windparkbetreibern einen positiven Nutzen.
FOTOS: ENBW
In der Politik wird seit vielen Monaten um Maßnahmen für mehr Akzeptanz bei der Energiewende vor
Ort gerungen. Hat die Windkraft
wirklich ein Akzeptanzproblem?
Alle uns bekannten Umfragen zeigen
immer wieder, dass die überwiegende
Mehrheit der Bevölkerung für den weiteren ambitionierten Ausbau der Windenergie plädiert. Allerdings, und das ist
nicht wegzudiskutieren, formiert sich
oft Widerstand vor Ort. Nach unseren konkreten Erfahrungen handelt es
sich dabei in den allermeisten Fällen
um eine kleine, aber gut organisierte,
laute Minderheit, die gegen Windenergieprojekte agitiert. In einer aktuellen
Forsa-Umfrage wurde explizit die Haltung der „schweigenden Mehrheit“ abgefragt, also bei denjenigen, die sich
nicht öffentlich in Debatten zur Windenergie vor Ort einbringen. In dieser
Gruppe ist die Zustimmung sogar noch
größer als beim Gesamtdurchschnitt
der Befragten.
REPORT 25
01-02/2020 Anzeigen-Sonderveröffentlichung
Die Odenwald-RegionalGesellschaft mbH (OREG)
Die Odenwald-Regional-Gesellschaft
mbH (OREG) mit Sitz in Erbach im
Odenwaldkreis wurde im Jahr 1994
gegründet. Mehrheitsgesellschafter
ist der Landkreis Odenwald (88,18
Prozent), der auch den Aufsichtsratsvorsitzenden stellt. Aufgabe der OREG
ist es, mit den Geschäftsbereichen
Nahverkehr, Wirtschafts-Service,
Breitbandversorgung und regenerative
Energien die Wirtschafts- und
Sozialstruktur im Odenwaldkreis zu
entwickeln und zu stärken.
Photovoltaik-Anlagen auf den Bunkerreihen des ehemaligen US-Munitionsdepots Hainhaus
Odenwaldkreis trägt
zu mehr Klimaschutz bei
Neue Photovoltaikanlage bietet Solarstrom für immer
mehr Haushalte
Autor Rainer Kaffenberger, OREG
D
er südhessische Odenwaldkreis bringt über seine Odenwald-Regional- Gesellschaf t
(OREG) den Klimaschutz voran. Auf
dem Hainhaus-Areal in der Gemeinde
Lützelbach, einem ehemaligen USMunitionsdepot, geht demnächst eine
weitere Photovoltaik-Anlage in Betrieb. Am 15. Januar nahmen Landrat
Frank Matiaske, OREG-Geschäftsführer
Marius Schwabe und sein Stellvertreter Detlef Kuhn sowie der Lützelbacher Bürgermeister Uwe Olt und Gerd
Schöller, Geschäftsführer des Unternehmens Schoenergie, den symbolischen ersten Spatenstich vor.
PHOTOVOLTAIK
2.610
Module sind im ersten von drei
Bauabschnitten verbaut. Damit
wird Strom für
200
Haushalte erzeugt.
QUELLE:OREG
samt wurden im vergangenen Jahr fast
700 Haushalte mit Solarstrom beliefert,
in diesem Jahr werden es mehr als 900
sein und im nächsten Jahr fast 1.100.
„Die Entwicklung zeigt, dass der Odenwaldkreis das Anliegen ernst nimmt,
Erneuerbare Energien auszubauen. Auf
dem Hainhaus-Gelände ist noch Platz
für weitere Anlagen“, sagte Landrat
Matiaske.
Klimaschutzmanager
Dazu hat der Kreis eine direkt beim
Landrat angesiedelte Stelle eines Klima-
FOTOS: RAINER K AFFENBERGER /OREG
Strom für 600 Haushalte
Die neue Freiflächenanlage wird
750.000 Kilowattstunden Strom produzieren. Es ist bereits die zweite Anlage,
die Schoenergie auf dem Gelände baut.
Eine dritte ist für das nächste Jahr in Planung. Insgesamt werden künftig allein
mit Hilfe dieser drei Anlagen rechnerisch 600 Haushalte mit Strom beliefert
werden. Das Investitionsvolumen liegt
alles in allem bei 1,8 Millionen Euro.
Bereits auf dem Gelände stehen
zwei Anlagen der Hainhaus GbR und
zwei kleinere Anlagen der OREG. Insge-
Vorzeige-Projekt: Gerd Schöller, Geschäftsführer von Schoenergie, OREG-Geschäftsführer Marius Schwabe, sein Stellvertreter Detlef Kuhn, Bürgermeister Uwe Olt und
Landrat Frank Matiaske (v. l.) beim Spatenstich für eine Photovoltaik-Anlage auf dem
Hainhaus-Areal
schutzmanagers geschaffen. Der neue
Klimaschutzmanager hat seine Position
Mitte Februar angetreten. „Ich werde
ein Auge darauf haben, dass der Klimaschutz eine noch größere Rolle im Odenwaldkreis spielen wird“, so Matiaske.
Überdies sieht er eine zentrale Aufgabe
des Klimaschutzmanagers des Kreises
für 2020 darin, „Informationsarbeit für
mehr private PV-Anlagen und die Möglichkeiten der Warmwassergewinnung
durch die Sonne zu leisten“.
Sinnvolles Investment
Wie er, so ist auch OREG-Geschäftsführer Schwabe erfreut darüber, dass der
Ausbau der Photovoltaik auf dem Hainhaus-Areal fortgesetzt wird. „Das ist ein
sinnvolles Investment für die OREG und
die Umwelt. Die Anlage ist einzigartig
in Hessen und hat Vorbildcharakter.“
Schwabe lobte die gute Zusammenarbeit mit Schoenergie, einem Familienunternehmen aus Föhren bei Trier. Überdies seien zahlreiche Unternehmen aus
der Region an dem Aufbau der Anlage
beteiligt.
Der Landrat unterstrich: „Gemeinsam mit unseren anderen Aktivitäten,
etwa modernen Heizungsanlagen in
den Schulen, der Gebäudedämmung
und der Umstellung des Fuhrparks der
Kreisverwaltung auf Elektrofahrzeuge,
kann sich der Odenwaldkreis in Sachen
Klimaschutz sehen lassen.“
Die Anlage wird von einem ortsansässigen Schäfer mit seinen Schafen
extensiv beweidet, für die der OREGGeschäftsführer Marius Schwab bereits
eine „Schafpatenschaft“ übernommen
hat.
oreg.de
schoenergie.de
26 REPORT
Teile einer ehemaligen Stahl-Produktionshalle (r.) sollen erhalten werden und den industriellen Charakter betonen.
d-Port21 – Dortmunds
nächstes Leuchtturmprojekt
Nach Stadtkrone-Ost, PHOENIX-See, Hohenbuschei und
Westfalenhütte wollen die Stadtwerke jetzt im Hafen die
nächste Erfolgsgeschichte schreiben
Autor Henning Witzel
S
chimanski lässt grüßen – oder wie
man im Ruhrgebiet sagt: Schön
is‘ anders! Die Speicherstraße im
Dortmunder Hafen, dem größten Kanalhafen Europas immerhin, sieht exakt so
aus, wie man sich die Speicherstraße
in einem Hafen vorstellt, wenn man in
den 1980er Jahren regelmäßig „Tatort“
geguckt hat. Ein städtebauliches Kleinod
ist das Quartier entlang der Spundwände und Kaimauern von Stadthafen und
Schmiedinghafen wahrlich nicht.
Noch nicht! Denn das Erscheinungsbild wird sich in den kommenden Jahren dramatisch verbessern: Während
an der südlichen Speicherstraße unter
städtischer Regie ein Digital-Quartier
entsteht, soll sich auch die nördliche
Speicherstraße vom grauen Entlein
zum schönen Schwan mausern. Als
Treiber für diesen Transformationsprozess wurde die d-Port21 Entwicklungsgesellschaft gegründet – eine Tochter
der Dortmunder Stadtwerke AG, kurz
DSW21 (51 Prozent), und die Dortmunder Hafen AG (49 Prozent), die ihrerseits zur DSW21-Gruppe gehört.
Das Modell ist bewährt. Lässt man den
gewaltigen Strukturwandel der zurückliegenden drei Jahrzehnte im Zeitraffer
an sich vorbeiziehen, wird man feststellen: Bei nahezu allen relevanten Stadtentwicklungsprojekten hatte DSW21
die Federführung. Und schrieb stets
eine Erfolgsgeschichte. Nach dem Abzug der britischen Rheinarmee erwarb
die Stadtkrone-Ost-Entwicklungsgesellschaft, eine Stadtwerke-Tochter, 1997 eine 55 Hektar große Konversionsfläche in
feinster Lage. Heute ist das Areal direkt
an der B1 einer der Top-Business- und
Wohnstandorte in der Region. Führende
Dienstleister und IT-Unternehmen haben
sich angesiedelt, 5.000 Arbeitsplätze
sind entstanden. Demnächst nimmt die
Deutsche Bundesbank ihre neue Filiale
in Betrieb. Rund 300 Millionen Euro hat
sie investiert. Und die ContinentaleVersicherungsgruppe poliert schon die
Schüppe für den ersten Spatenstich zum
Bau ihrer neuen Konzernzentrale.
Noch spektakulärer: der PHOENIX-See
im Stadtteil Hörde. Wo bis 2001 ein gigantisches Stahlwerk stand, zieht heute
So könnte es in einigen Jahren
im Schmiedinghafen aussehen.
Rechts das historische Silogebäude, in der Bildmitte die
Drehbrücke
VIEL GRÜN
13,5
Hektar beträgt die Gesamtfläche, die im neuen Hafenquartier
zu entwickeln ist. Das Gros entfällt mit rund 10 Hektar auf die
Nördliche Speicherstraße.
30.700
Quadratmeter Grün- und Freifläche (rund 30 Prozent) sieht
der Siegerentwurf vor.
QUELLE: DSW21
ein 24 Hektar großer See die Menschen
magnetisch an. Freizeit- und Naherholung
verbinden sich mit rund 2.000 hochwertigen Wohneinheiten, Gastronomie und
Gewerbeimmobilien zu einer innerstädtischen Landschaft, die Dortmund 2018
den Deutschen Städtebaupreis einbrachte. Verantwortlich für die Entwicklung
und Vermarktung zeichnete die PHOENIX
See Entwicklungsgesellschaft – eine Tochter der Stadtwerke. Die Liste lässt sich
fortsetzen. Im Stadtteil Brackel entwickelte eine andere DSW21-Tochter ein verlassenes Militärgelände zum Wohnquartier
Hohenbuschei und baut(e) nebenbei in
mehreren Stufen das Trainingszentrum
des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund. Auf der Westfalenhütte, einer riesigen Stahlbrache in der Nähe des Borsigplatzes, entwickelt eine DSW21-Tochter
derzeit ein Logistikzentrum.
Und nun also das Hafenquartier Nördliche Speicherstraße. Den Wettbewerb
zur städtebaulichen Rahmenplanung
entschied im Januar das renommierte
Kopenhagener Büro COBE Architects für
sich. Die Jury geriet über die Ideen der
Dänen regelrecht ins Schwärmen. Eine
Promenade entlang der Kaimauer. Großzügige Grün- und Freiflächen. Moderne
Bürogebäude. Ein Berufskolleg mit Sporthalle. Eine schwenkbare Brücke über das
Hafenbecken. Ein attraktiver Liegeplatz
für das beliebte Partyschiff „Herr Walter“.
Kunst und Kultur im alten Silogebäude.
Dazu soll die dem Abriss geweihte Produktionshalle eines früheren Stahlwerks
nun doch in Teilen erhalten werden und
die Kulisse für ein modernes Quartier mit
altem Industriecharme bilden. „Der Entwurf bedeutet eine hervorragende urbane Aufwertung am Rande des Hafens
und respektiert die Interessen des Industrie- und Gewerbegebietes mit seinen
160 Unternehmen und mehr als 5.000
Beschäftigten“, sagt Uwe Büscher. Der
Hafen-Vorstand ist zugleich einer von drei
Geschäftsführern von d-Port21 – die beiden anderen: DSW21-Finanzvorstand Jörg
Jacoby und Ludger Schürholz, der schon
den PHOENIX-See und die StadtkroneOst federführend mitentwickelt hat.
Auf diese Leuchtturm-Projekte verweist auch Guntram Pehlke: „Wir übernehmen solche Herausforderungen gerne, um für die Stadt und ihre Bürgerinnen
und Bürger das bestmögliche Ergebnis
zu erzielen“, sagt der Vorstandsvorsitzende von DSW21. „Dass wir große und
prominente Flächen einer neuen städtebaulichen Nutzung zuführen können,
haben wir jetzt mehrfach eindrucksvoll
bewiesen. Ich bin daher sicher, dass auch
d-Port21 eine Erfolgsstory wird.“
FOTOS: DSW21
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 01-02/2020
WIR
MACHEN’S
EINFACH.
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28 REPORT
Cross-industrielle Netzwerke
Wissenschaft und Unternehmen zukunftsfähige Schnittstellenprojekte für
die Energie- und Grundstoffwirtschaft.
Kommunale Industrieregionen stärken
Dynamische Betriebsführung
Autor Sebastian Hagedorn, Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT
D
ie Energiewende ist eine tragende Säule des Strukturwandels und erfordert ein
Umdenken in vielen Bereichen. Energie- und Grundstoffindustrie wachsen
im Rahmen der Sektorenkopplung zusammen. Damit in einem zunehmend
dynamischen und volatilen Umfeld
erfolgreiche Wirtschafts-Ökosysteme
wachsen können, sind aufeinander
abgestimmte, anpassungsfähige Lösungen notwendig. Das Leistungszentrum DYNAFLEX® entwickelt unter
Federführung des Fraunhofer-Instituts
für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT aus Oberhausen
zukunftsfähige Lösungen für diese
Fragen. In Thüringen in Bad Langensalza entsteht zurzeit ein Pilotstandort,
der als Vorreiter für cross-industrielle
Netzwerke dienen soll und neue Wertschöpfungsketten erschließt.
Im Mittelpunkt aktueller Geschäftstätigkeiten und Unternehmensstrategien
stehen zunehmend Technologien zur
Effizienzsteigerung und zur Vermeidung
von CO2-Emissionen. Eine nachhaltige
und umweltschonende Wertschöpfung
bedeutet zwar zunächst eine Umstellung für die Beteiligten, dient aber auch
als klarer Wettbewerbsvorteil.
Um den deutschen Mittelstand im
Wettbewerb gut zu positionieren und
die Herausforderungen für einzelne
Unternehmen zu senken, sehen Experten die Zukunft in einem gemeinsamen
Vorgehen der Akteure in regionalen
cross-industriellen Netzwerken. „Wertschöpfungsketten müssen künftig über
die bisherigen Sektor- und Branchengrenzen hinausgehen. Warum nicht gemeinsam lokale Stoff- und Energieströme bestmöglich vor Ort verwerten? So
können entscheidende Vorteile durch
regionale Synergien entstehen”, erklärt
Dr. Georg Janicki vom Fraunhofer UMSICHT in seiner Funktion als Manager
des Leistungszentrums. Das Zentrum
plant in enger Zusammenarbeit von
Bei der
Energie- und
Rohstoffwende
wird es
zukünftig
darauf
ankommen,
industrielle
Symbiosen
zu generieren.
Dr. Georg Janicki,
Fraunhofer UMSICHT
Dr. Georg Janicki vom Fraunhofer UMSICHT, Manager des DYNAFLEX®-Leistungszentrums
Um die lokalen Energie- und Stoffströme
nachhaltig zu gestalten, muss bereits die
Energieversorgung entsprechend ausgelegt sein. Die Einbindung von Strom aus
Erneuerbaren Energien in z. B. Produktionsanlagen unterliegt jedoch zeitlichen
und standortspezifischen Schwankungen
– bedingt durch Tages-/Nachtzeit und
Windaufkommen. Hinzu kommen Aspekte wie eine kundenspezifische Fertigung
und damit variierende Anforderungen an
Produkte, die zudem Just-in-Time gefertigt und geliefert werden müssen. Und
auch variierende Rohstoffe aufgrund von
sich verändernden Rahmenbedingungen
(markt- und kundenseitig) und die Umstellung auf umweltfreundlichere Rohstoffe müssen berücksichtigt werden.
In einem Gewerbegebiet in Bad Langensalza wird ein Pilotprojekt umgesetzt,
in dem ein Netzwerk mit unterschiedlichen Akteuren auf Basis von regenerativen Energien und nachhaltigen Rohstoffen implementiert wird. Das Projekt
nimmt eine nationale und internationale
Vorreiterrolle bei der Umsetzung klimaschonender und sektorübergreifender
Technologien ein. Verschiedene Partner
aus der Wirtschaft wollen mit Unterstützung des Fraunhofer UMSICHT in einem
gemeinsamen Vorhaben eine FreiflächenPhotovoltaikanlage errichten. Der produzierte Strom soll durch innovative und
nachhaltige Konzepte direkt in bereits bestehende und neue Wertschöpfungsketten der benachbarten Wirtschaftsunternehmen eingebunden werden. Die Konzepte tragen zur Netzstabilität bei und
ermöglichen den Aufbau eines neuen
Technologieclusters auf Basis nachhaltiger Rohstoffe und Energieträger. Dadurch
wiederum sollen sich neue Unternehmen
in der Region ansiedeln.
Unabhängig von fossilen Rohstoffen
Die Fraunhofer-Forscher arbeiten des
Weiteren an einem Power-to-GasKonzept. Mit PV-Strom betriebene
Elektrolyseanlagen sollen Wasserstoff
erzeugen, der direkt ins Erdgasnetz eingespeist und für Produktionsprozesse
verwendet werden kann. Auch kann der
Wasserstoff mit CO2 zu Methan veredelt
beziehungsweise zu Basisprodukten der
chemischen Industrie, Kunststoffindustrie, Düngemittelindustrie oder Treibstoffindustrie weiterverarbeitet werden.
dynaflex.de
FOTOS: FRAUNHOFER UMSICHT; FRAUNHOFER UMSICHT/PR FOTOGRAFIE KOEHRING
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 01-02/2020
BÜCHER / WAHLEN / TERMINE 29
01-02/2020 DEMO
Boden gehört zur Daseinsvorsorge
Wahlen
Hans-Jochen Vogel fordert Reformen
In Baden-Württemberg sind zwei
parteilose Oberbürgermeister für
eine weitere Amtszeit gewählt worden: In Sinsheim gelang dies Jörg
Albrecht mit einem Wahlergebnis
von 98,7 Prozent (2. Februar). Auf
fast das gleiche Ergebnis kam in
Eppingen, wo am 26. Januar gewählt wurde, der amtierende Oberbürgermeister Klaus Holaschke.
Er erhielt 98,6 Prozent der abgegebenen Stimmen. Weiter spannend
bleibt es in Sachsens Metropole
Leipzig. Seit 2006 amtiert der Sozialdemokrat Burkhard Jung als
Oberbürgermeister. (Er ist außerdem
Präsident des Deutschen Städtetages.) Im ersten Wahlgang am 2.
Februar erreichte Jung mit 29,8 Prozent Stimmenanteil das zweitbeste
Ergebnis nach CDU-Herausforderer
Sebastian Gemkow (31,6 Prozent).
Die Entscheidung fällt am 1. März.
Dann genügt im zweiten Wahlgang
eine einfache Mehrheit zum Sieg.
„Grund und Boden ist keine beliebige Ware, sondern eine Grundvoraussetzung menschlicher Existenz”,
schreibt Hans-Jochen Vogel. Boden
sei unvermehrbar und unverzichtbar.
Er dürfe daher nicht dem unübersehbaren Spiel der Marktkräfte und
dem Belieben des Einzelnen überlassen werden. Der Autor plädiert
dafür, mehr wohnbaurelevante
Grundstücke in Gemeindeeigentum
zu überführen.
Vogel war nicht nur Partei- und
Fraktionsvorsitzender der SPD im
Bund, sondern von 1960 bis 1972
auch Oberbürgermeister von München. Schon damals drängte die
Stadt gegenüber dem Bund angesichts rasant steigender Bodenpreise
auf eine Reform des Bodenrechts. In
seinem Buch „Mehr Gerechtigkeit”
schildert Vogel, wie einige der damaligen Ideen umgesetzt wurden
und andere in Vergessenheit gerieten. Nun greift er damalige Vorschläge wieder auf. Darunter den, einen
Planungswertausgleich einzuführen,
um leistungslose Bodengewinne zu
bremsen und den Kommunen neue
finanzielle Spielräume zu eröffnen.
Für wohnungsrelevante Grundstücke
möchte Vogel den Gemeinden ein
„erweitertes und preislimitiertes Vorkaufsrecht” verschaffen. Diese und
weitere Ansätze stellt er im unlängst
erschienenen Büchlein vor. Seine
Ideen haben auch den jüngsten SPDParteitagsbeschluss zur Wohnungspolitik wesentlich beeinflusst. CFH
Hans-Jochen Vogel:
Mehr Gerechtigkeit.
Wir brauchen eine neue
Bodenordnung – nur dann wird
auch Wohnen wieder bezahlbar
Herder-Verlag, 2019, 80 Seiten,
12 Euro, ISBN 978-3-451-07216-1
Mehr Kunst im öffentlichen Raum
Plädoyer: Kleine Gemeinden brauchen mehr Kunst
Mit seinem kürzlich erschienenen
Buch hält Anton Knapp ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr
Kunst im öffentlichen Raum. Sein
Appell richtet sich vor allem an
Kommunalpolitiker, wie er selbst
einer ist. Von 1988 bis 2016 war der
Sozialdemokrat Bürgermeister der
Stadt Hüfingen. Sein Resümee aus
insgesamt vier Jahrzehnten kommunalpolitischem Engagement: Die
Bedeutung von Kunst und Kultur
werden insbesondere in kleineren
Kommunen unterschätzt, wenn
nicht sogar völlig übersehen.
Knapps gut 150 Seiten starkes
Büchlein bietet zunächst eine kurze
theoretische Einführung in das Thema und geht auf die Geschichte von
Kunst im öffentlichen Raum ein. Im
zweiten Block des Buches gibt der
ehemalige Bürgermeister handfeste
praktische Tipps für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker.
Etwa, wie ein Wettbewerbsverfahren erfahrungsgemäß am besten
gestaltet werden kann, welche
Termine
Der ländliche Raum neu gedacht
05.03.2020 – 06.03.2020, Schwerte
kircheundgesellschaft.de/veranstaltungen
Seminar Entwicklungspolitische
Handlungsoptionen in Ihrem Landkreis
09.03.2020, Ludwigslust
skew.engagement-global.de
DStGB-Konferenz
Kommunen aktiv für den Klimaschutz
10.03.2010, Bonn
dstgb.de
Finanzierungsmöglichkeiten es gibt
und was bei der Pflege und Erhaltung von Kunstwerken zu beachten
ist. Im dritten Abschnitt geht er der
Frage nach, was Kunst eigentlich
leisten soll: Als „Provokation und
Störung“ beispielsweise oder als
Standort- und Entwicklungsfaktor
für die Kommune. Sein Fazit: Kommunale Kulturpolitik müsse, auch
im Hinblick auf den Einsatz kommunaler Finanzmittel, höhere Priorität
erhalten als bisher. CFH
Anton Knapp:
Ist das Kunst oder „muss” das weg?
Impulse für die Debatte um Kunst im
öffentlichen Raum
Dold-Verlag, 2019, 156 Seiten,
19,80 Euro, ISBN 978-3-948461-00-3
Tagung Integrierte Sozialplanung für
Städte und Landkreise
16.03.2020 – 18.03.2020, Göttingen
vsop.de
BMVI-Fachkonferenz
Elektromobilität vor Ort
17.03.2020 – 18.03.2020, Hannover
now-gmbh.de
Zukunftswerkstatt Mobilität
17.03.2020, Bonn
dstgb.de
Konferenz Tourismus des Deutschen
Städtetages
17.03.2020 – 19.03.2020, Heilbronn
städtetag.de
Jugendpolitik auf Kurs!?
18.03.2020 – 19.03.2020, Berlin
jugendgerecht.de
Fachkongress für die Öffentliche Hand –
Infrastrukturplanung
18.03.2020 – 19.03.2020, Weimar
partner-regio.de/39.html
Bereits am 1. Dezember wurden
die Bürgerinnen und Bürger im
Landkreis Stendal an die Wahlurne gebeten. Dem Sozialdemokraten Patrick Puhlmann gelang,
unterstützt von den Grünen und
Linken, ein beeindruckender Sieg.
Mit 68,9 Prozent setzte er sich in
der Stichwahl gegen Amtsinhaber
Carsten Wulfänger (CDU) durch.
Dagegen unterlag die sozialdemokratische Amtsinhaberin Angelika
Matt-Heidecker bei der Oberbürgermeister-Wahl in der Stadt Kirchheim
unter Teck dem parteilosen Kandidaten Pascal Bader. Auf MattHeidecker entfielen 28,9 und auf
Bader 70,9 Prozent der Stimmen.
Einen neuen Oberbürgermeister gibt
es auch in Eisleben. Dort gewann
Carsten Straub (parteilos, unterstützt von der CDU) mit 67,6 Prozent die Stichwahl gegen Kathrin
Gantz (Die Linke). Die bisherige
sozialdemokratische Amtsinhaberin
Jutta Fischer war nicht wieder zur
Wahl angetreten.
Intensivcoaching für Amtsinhaberinnen
20.03.2020 – 22.03.2020, Berlin
bundes-sgk.de/veranstaltungen
Kommunalwahlcamp der Bundes-SGK
28.03.2020 – 29.03.2020, Hofgeismar
bundes-sgk.de/veranstaltungen-bundessgk
25. Deutscher Fachkongress
für kommunales Energiemanagement
27.04.2020 – 28.04.2020, Eisenach
difu.de
Messe IFAT
04.05.2020 – 08.05.2020, München
ifat.de
Polis Convention
06.05.2020 – 07.05.2020, Düsseldorf
polis-convention.com
Seminar der Bundes-SGK
Mein Weg zur Bürgermeisterin –
Frauen ins Rathaus
15.05.2020 – 16.05.2020, Springe
bundes-sgk.de/veranstaltungen-bundessgk
Tag der Städtebauförderung 2020
16.05.2020, bundesweit
tag-der-staedtebaufoerderung.de
Fachkonferenz Kommunen innovativ
19.05.2020 – 20.05.2020, Wuppertal
kommunen-innovativ.de
Seminar der Bundes-SGK Geschäftsführung von Rats- und Kreistagsfraktionen
03.06.– 04.06.2020, Springe bei Hannover
bundes-sgk.de/veranstaltungen-bundessgk
15. DEMO-Kommunalkongress
29.10.2020 – 30.10.2020, Berlin
www.demo-kommunalkongress.de
30 DAS LETZTE
DEMO 01-02/2020
Klare Botschaft ans Regime
Dem Atomprogramm Nordkoreas will das Bezirksamt Berlin-Mitte
nicht tatenlos zusehen – und schickt Ordnungshüter
Autor Carl-Friedrich Höck
Impressum
Demokratische Gemeinde,
Fachorgan der Sozialdemokratischen
Gemeinschaft für Kommunalpolitik
(Bundes-SGK)
Stresemannstraße 30, 10963 Berlin
Postfach 61 03 22, 10925 Berlin
Telefon: (030) 255 94- 200
Telefax: (030) 255 94- 290
E-Mail:
redaktion@demo-online.de
Internet: www.demo-online.de
Herausgeber:
Frank Baranowski, Vorsitzender der Bundes-SGK
N
ordkorea gilt als weitgehend abgeschottetes Land.
Journalisten wird die Einreise des Öfteren verweigert. Urlaub
machen ist in der „Demokratischen
Volksrepublik“ zwar möglich, doch
frei bewegen darf man sich nicht.
Wesentlich einfacher ist es, seinen
Urlaub auf dem Gelände der nordkoreanischen Botschaft in Berlin zu verbringen. Dazu muss man nur Übernachtungen im „City Hostel“ buchen.
Eine Schlafmöglichkeit im Achtbettzimmer kostet zwölf Euro pro Nacht.
Fotos auf der Internetseite zeigen
junge Menschen, die Billard spielen
und sich fröhlich mit Bier zuprosten.
Die Sehenswürdigkeiten der deut-
schen Hauptstadt liegen ganz in der
Nähe: 1,2 Kilometer sind es bis zum
Brandenburger Tor, 1,5 Kilometer bis
zum Bundestag und 1,6 Kilometer zur
DEMO-Redaktion.
Jetzt aber macht das Bezirksamt
Mitte dem fröhlichen Treiben den
Garaus. Es hat den Hostel-Betrieb verboten. Die Gründe sind hochpolitisch.
Das Hostel wird seit 2007 von einer
GmbH betrieben, die hierfür viele Jahre lang Miete an Nordkorea gezahlt
hat. Für das international geächtete Land ist das eine nette DevisenEinnahmequelle. Doch wegen seines
Atomprogramms haben die Vereinten
Nationen Sanktionen gegen Nordkorea verhängt. Umgesetzt werden
DEMO 03-04/2020
erscheint am 8. Mai 2020
mit folgenden Themen:
In der kommenden Ausgabe der DEMO dreht sich
alles um unsere Lebensräume. Gute Stadtentwicklung und Aufenthaltsqualität im öffentlichen
Raum, die neue Verteilung des Platzes für Verkehrsteilnehmer sind ebenso Themen wie der Umgang mit
Innenräumen in öffentlichen Gebäuden. Klimaund Umweltschutz sind Schwerpunkte im Report.
Redaktion: Karin Nink (Chefredakteurin),
Karin Billanitsch (Leitende Redakteurin),
Carl-Friedrich Höck (Redakteur)
Telefon: (030) 255 94- 355
Produktionsleitung: Dagmar Günther
Layout/Sekretariat: Heidemarie Lehmann
Telefon: (030) 255 94- 200
Verlag: Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH,
Stresemannstraße 30, 10963 Berlin, Postfach
61 03 22, 10925 Berlin
Telefon: (030) 255 94- 100
Telefax: (030) 255 94- 192
Geschäftsführung: Karin Nink,
Kerstin Thomberg
Anzeigen/Vertrieb: ASK. Agentur für
Sales und Kommunikation GmbH,
Gewerbehof Bülowbogen,Hof D, Eingang D1,
Bülowstraße 66, 10783 Berlin
Telefon: (030) 740 73 16- 00
Telefax: (030) 740 73 16- 20
Anzeigen: Henning Witzel
(Verkauf/Projektleitung)
Telefon: (030) 740 73 16- 36
Gültige Anzeigen-Preisliste: Nr. 37 vom
1. Januar 2020
Vertrieb: Stefanie Martin
Telefon: (030) 740 73 16- 61
Die DEMO erscheint mit sechs Ausgaben im Jahr
Abonnementverwaltung:
IPS Datenservice GmbH,
Carl-Zeiss-Str. 5, 53340 Meckenheim
Telefon: (02225) 70 85 -366
Telefax: (02225) 70 85 -399
E-Mail:
abo-vorwaerts@ips-d.de
Einzelverkaufspreis: 10 €
Jahres-Abonnement: 60 € (inkl. Versand
und 7 % MwSt.); für Schüler und Studenten
(Nachweis erforderlich) 40 €
Jahres-Abonnement (Ausland): 60 €
zzgl. Versandkosten
Die Abonnements verlängern sich jeweils
um ein Jahr, sofern nicht spätestens drei Monate vor
Ablauf schriftlich gekündigt wird.
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und im Falle höherer Gewalt besteht kein
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& Co. KG, Industriestraße 20, 33689 Bielefeld,
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Telefax: (05205) 14 704
E-Mail:
kontakt@kuester-pressedruck.de
Zugleich Versandanschrift für Beilagen und Beihefter
mit Zusatz „Warenannahme“.
Mitteilung nach § 7a Berliner Pressegesetz:
Alleinige Gesellschafterin der Berliner
vorwärts Verlagsgesellschaft mbH ist die
Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft
mbH, Berlin, deren Gesellschafter sind
Dietmar Nietan, Berlin, als Treuhänder für
den Treugeber Parteivorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD)
mit 94,67 Prozent und die Solidarität Verwaltungsund Treuhandgesellschaft mbH,
Berlin, als Treuhänderin für den Treugeber
Parteivorstand der Sozialdemokratischen
Partei Deutschlands (SPD) mit 5,33 Prozent.
Sponsoring/Anzeigen: Der Berliner vorwärtsVerlag (BvVG) hat sich entschieden, Transparenz
zu zeigen und veröffentlicht seit 2017 freiwillig auf
demo-online.de Sponsoren und Anzeigenkunden.
Der Verlag folgt damit auch einem Beschluss des
SPD-Parteivorstandes von Dezember 2016.
FOTOS: CARL-FRIEDRICH HÖCK; STOCK.ADOBE.COM/HAMSTER4711
Das „City Hostel” auf dem Gelände der nordkoreanischen Botschaft
diese in der EU mit einer 2017 erlassenen Verordnung. Sie untersagt es
unter anderem, Gebäude von Nordkorea zu mieten oder zu nutzen.
Was in der Theorie eindeutig klingt,
erweist sich im konkreten Fall als kompliziert. Dabei hat die nordkoreanische
Botschaft laut Medienberichten sogar
selbst den Mietvertrag gekündigt und
Räumungsklage eingereicht, offenbar
auf Druck des Auswärtigen Amtes.
Nur wird die Klage nicht verhandelt,
weil die Botschaft dafür einen Gerichtskostenzuschuss zahlen müsste
– was nicht geschehen ist.
Wo das Bundesaußenministerium
scheitert, muss es die Kommune richten. Deshalb macht das Bezirksamt
Mitte jetzt ernst und das Hostel dicht.
Es stützt sich auf eine Rechtsklausel,
wonach die Ordnungsbehörden „die
notwendigen Maßnahmen treffen
können, um eine im einzelnen Falle
bestehende Gefahr für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung abzuwehren“. Und was bitte könnte die öffentliche Ordnung mehr gefährden, als
dass EU-Verordnungen einfach nicht
umgesetzt werden?
Das Berliner Verwaltungsgericht
gab dem Bezirksamt recht. So können wir offiziell festhalten: Kommunen sind nicht nur dafür zuständig,
Schulen zu bauen und Verwaltungen
am Laufen zu halten. Manchmal müssen sie sich auch noch um den Weltfrieden kümmern.
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Am 15. Januar
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„Das wollen wir ändern,
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Von Jonas Jordan
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im Internet
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Weitere Ideen
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sollen folgen.
„Ich möchvorwärts.de/beck
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in der SPD weiß,
wo ihm
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wenn er bedroht
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wird“,
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die Richtung
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mehr denn je
„Die SPD sollte
gebraucht,
dafür sorgen,
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dass wir
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sagte Kathari
na Zacharias
nach dem Treffen
Wie die SPD bedrohte
. Eine zentrale
PoliAnlaufstelle findet sie
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will, erklärt
BundesGeneralsekretär
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d weiß und
Klingbeil im Interview
Hilfestellung leisten kann.“
.
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vorwärts
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ift „Eine
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Gegen Rassism
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im Stadion und
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im Freundeskreis.
Für Vielfalt,
gegen
Faschismus
„Ich wollte aktiver
gegen die Entwick
lung eintrete
n, dass Faschis
mus und
Rassismus wieder
salonfä higer
geworden sind“, sagt
Braun. Er ist
überrascht
über die positive
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SIE WOLLEN WISSEN, WIE DIE ENERGIEWENDE
IN DEUTSCHLAND UMGESETZT WIRD?
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