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DEMO
71. JG | A02125
EINZELPREIS 6,00 €
11/12 2019
VO R WÄ R T S - KO M M U N A L ■ DA S S OZ I A L D EM O K R AT I S C H E M AG A Z I N F Ü R KO M M U N A L P O L I T I K
Niedersachsen
Landes-SGK
Extra
Hef tmit te
SAUBERKEIT IN DEN KOMMUNEN
FOTO: STOCK.ADOBE.COM/ LOVELYDAY12
Alles
muss rein
Was Städte, Gemeinden und Landkreise
für ein aufgeräumtes Straßenbild und
eine gute Müllentsorgung unternehmen
Die
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INHALT 3
11-12/2019 DEMO
Titel
Saubere Kommune
4
Liebe Leserin, lieber Leser,
FOTOS: DIRK BLEICKER, STOCK.ADOBE.COM/PHOTOPHLOX; HARALD LACHMANN; PHOTOTHEK.NET/JÖRG CARSTENSEN; CDW STIFTUNG GGMBH
wir leben alle sehr gerne in einer sauberen und
gepflegten Umgebung. Da fühlen wir uns wohl.
Bereit, viel dafür zu tun, sind wir aber offenbar
nicht. Stattdessen geht es oft nach dem Motto:
Die Kommune wird es schon richten. Und in der
Tat unternehmen die Städte, Gemeinden und
Landkreise sehr viel, um den Bürgerinnen und
Bürgern eine gute Müllentsorgung und saubere
Straßen zu bieten. Wir zeigen in dieser DEMO,
wie viel Mühe und Fantasie Kommunen aufwenden, dieses Ziel zu erreichen.
Doch es hilft alles nichts, wenn wir uns nicht alle
an die eigene Nase fassen. Wenn wir tagtäglich
den Coffee-to-go-Becher und die Plastikfolie vom
Vollkornbrötchen in öffentliche Mülleimer werfen.
Warum nehmen wir uns nicht die Zeit, in Ruhe zu
Hause zu frühstücken? Das wäre einiges an Müll
weniger und auch eine Form der viel beschworenen Work-Life-Balance. Stattdessen stressen
wir uns gleich doppelt: Wir rennen mit dem am
Bahnhof gekauften Kaffee Richtung Büro, werfen
den Müll achtlos weg – und ärgern uns über die
übervollen Mülleimer am Straßenrand. Natürlich
fällt dann auch schnell mal was daneben.
Oder die Parks, Felder und Stadtwälder, die wir
so genießen. Wie oft werden sie immer noch als
illegale Müllkippe missbraucht. Frei nach dem
Motto, was schert mich die Natur und ein intaktes Gemeinwesen, wenn ich meine alte Matratze
im Wald entsorge, nur um ein paar Euro für den
Sperrmüllservice zu sparen – oder den Aufwand
scheue, die Sachen zum Wertstoffhof zu bringen.
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„Höhere Bußgelder allein bringen zunächst wenig“ | Interview mit Thomas Patermann, Vorstandssprecher
der Wirtschaftsbetriebe Duisburg
Leben ohne Müll – geht das? | Wie die Stadt Kiel eine der ersten deutschen Zero-Waste-Cities werden will
Mühsamer Kampf gegen die Verpackungsflut | Seit Januar ist das Verpackungsgesetz in Kraft
Der gelbe Sack hat ausgedient | Nürnberg setzt bei der Entsorgung von Verpackungsmüll auf die gelbe Tonne
Die Stadt soll schöner werden | Der Stadtraumservice in Mannheim nimmt am 1. Januar 2020 die Arbeit auf
Mit Detektoren Biomüll-Schummlern auf der Spur | Schärfere Kontrollen im Rhein-Sieg-Kreis und Kreis Lippe
Coffee to go – and come back | Wie Leipzig gegen die Flut von Einweg-Kaffeebechern kämpft
Ein „High-Tech-Hai“ schluckt Plauener Innenstadtmüll | Einführung eines intelligenten Papierkorb-Systems
Beutel in der Diskussion | Sind nachhaltige Hundekot-Tüten eine sinnvolle Alternative?
„Müllpolizei“ geht Streife | In Elmshorns Straßen ist ein Ermittler Müllsündern auf der Spur
Perspektive für Langzeitarbeitslose | Das Umweltwächter-Projekt in Bremen-Nord
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DEMO-Kommunalkongress
Kommune – Konkret – Gestalten
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Visionen für lebenswerte Städte, Landkreise und Gemeinden | Der 14. DEMO-Kommunalkongress
bot Politikerinnen und Politikern eine Plattform zum Austausch von Ideen und Meinungen
Berichte aus den Fachforen
Ausgefuchste Politik | Drei Preisträger standen beim kommunalen Abend im Mittelpunkt
Report
Kommunale Dienstleistungen
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Nachhaltigkeit kommunal | Sozial, ökonomisch und ökologisch tragfähige Lösungen finden
Energiewende auf kommunaler Ebene | Mit dem Finanzierungsmodell Intracting kostenneutral
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Lebensqualität im ländlichen Raum sichern | Leitfaden zum Thema demografischer Wandel
Im Norden viel Neues | Der lange Weg zur flächendeckenden Glasfaser-Infrastruktur in Schleswig-Holstein
Internet in kommunale Hände! | Wie Kooperationsmodelle Farbe in die weißen Flecken bringen können
Kommunal-Kaufhaus mit e-Rechnung | Elektronische Fakturierung in Rheinland-Pfalz
zum Klimaschutz beitragen
Die Liste der Umweltsünden ließe sich problemlos fortsetzen. Und die (Plastik)-Müllberge
wachsen immer weiter, während wir uns über
die neuen Zahlen zum Klimawandel erschrecken
und uns Gedanken über die Gefährdung durch
Mikroplastik machen. Wir sind nicht konsequent.
Konsequent sein aber wäre der erste große
Schritt in eine nachhaltige Welt und Gesellschaft.
Ich wünsche Ihnen schon jetzt ein gutes neues
Jahr!
Karin Nink, Chefredakteurin
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Friedliche Revolution | Aufbruch zur demokratischen Erneuerung
Bücher | Wahlen | Termine
Das Letzte | Impressum
4 TITEL
DEMO 11-12/2019
„Höhere Bußgelder allein
bringen zunächst wenig“
Ein Gespräch mit dem Sprecher des Vorstands der Wirtschaftsbetriebe Duisburg
Thomas Patermann über den Erfolg von Sauberkeitskampagnen, Erfahrungen mit der
gelben Tonne, den Kampf gegen wilden Müll und Strategien zur Abfallvermeidung
Interview Karin Billanitsch
ZUR PERSON
Thomas Patermann, geboren
in Duisburg im Jahr 1963.
Nach abgeschlossenen Studien
des Bauingenieurwesens und
der Betriebswirtschaft hat
Patermann sein Berufsleben
überweigend bei den Wirtschaftsbetrieben Duisburg
(WBD) bzw. deren Vorläufer,
den Entsorgungsbetrieben
Duisburg, verbracht. Der Eigenbetrieb wurde 2007 in eine
Anstalt öffentlichen Rechts
umgewandelt.
Bei der Gründung der Wirtschaftsbetriebe Duisburg – Anstalt öffentlichen Rechts (AöR)
ist Patermann zum 01.01.2007
zum Vorstand ernannt worden.
Nach der Erweiterung des Vorstands ist er seit Januar 2013
Sprecher des Vorstands.
Patermann ist außerdem
ehrenamtlicher Landesvorsitzender des Verbandes kommunaler Unternehmen VKU/VKS
in Nordrhein-Westfalen.
Er gehört seit 1993 der SPD
an. Patermann ist verheiratet
und hat zwei erwachsene Kinder. KB
In Duisburg hängen großflächige
Plakate der Wirtschaftsbetriebe
Duisburg, auf denen steht: „Dein
Kaffeebecher ist bald leer, der Abfalleimer schreit: Gib her!“. Was hat
es damit auf sich?
Wir wollten mit dieser Aktion das Bewusstsein wecken für eine saubere
und damit liebens- und lebenswerte
Stadt. Wir haben einen Wettbewerb
gestaltet, diesmal unter dem Titel:
„Dichten für Duisburg“. Daran konnte jeder Duisburger und jede Duisburgerin teilnehmen, mittels eines Reimgenerators auf unserer Internet-Seite.
Weggeworfene Kaffeebecher sind
ein großes Problem, aber auch Zigarettenkippen oder Kaugummis.
20 Euro Strafe müssen Müllsünder in
Duisburg bezahlen – 55 in München.
Plädieren Sie für schärfere Strafen?
Die Diskussion gibt es bei uns auch: Müssen die Strafen hochgesetzt werden oder
nicht? Ich bin der Auffassung, höhere
Bußgelder allein bringen zunächst wenig.
Es ist fast unerheblich, ob das Bußgeld
20 oder 60 Euro beträgt, wenn das nicht
in der Praxis geahndet wird. Es ist ganz
wichtig, dass auch die Ordnungsbehörden mit so viel Personal ausgestattet
werden, dass sie den Vollzug organisieren können und gut mit den Abfallwirtschaftsbetrieben vor Ort zusammenarbeiten. Ich schließe für die Zukunft zwar
keine Erhöhungen aus, aber, wie gesagt,
beides muss ineinandergreifen.
Sind in Duisburg sogenannte Müll
sheriffs unterwegs, die auf illegal
entsorgten Müll achten?
Ja, das nennt sich bei uns schlicht Abfallaufsicht. Müllsheriff klang uns zu martialisch. Das Ordnungsamt achtet ganz
bewusst darauf, ob jemand einen Kaugummi oder einen Coffee-to-go-Becher
wegwirft. Das geht allerdings nur, wenn
man dafür wirbt, dass das auch eine Aufgabe des Ordnungsamts ist, die wahrgenommen wird.
Sind dafür beim Ordnungsamt zusätzliche Stellen geschaffen worden?
Ja. Aktuell sind für 2020 noch einmal
zehn zusätzliche Stellen eingerichtet worden.
Oft entstehen in Großstädten wilde
Müllkippen, die dann teuer entsorgt
werden müssen. Was unternehmen
Kommune und die Wirtschaftsbetriebe Duisburg (WBD) dagegen?
Ich möchte vorweg etwas einschieben,
das aus meiner Sicht eine Grundlage bildet, um das Thema „wilde Kippen“ anzugehen: Zunächst muss jede Kommune
ihren Bürgerinnen und Bürgern einen
sehr guten Service anbieten. Hier sind
zwei Punkte wichtig: einmal das Thema
Recyclinghöfe, zum anderen das Thema
Sperrmüllsammlung. Damit die Ausrede
„ich konnte das nicht entsorgen“ weg-
Thomas Patermann: „Bewusstsein wecken für
eine saubere und damit lebenswerte Stadt.“
fällt, muss sichergestellt werden, dass es
eine genügende Zahl von Recyclinghöfen
gibt – mit ordentlichen Öffnungszeiten,
die auch in den Abend hineingehen und
auch samstags relativ lang sind. Zweitens
muss auch der Sperrgutservice kurze Vorlaufzeiten haben, sodass man nicht lange
auf seinen Termin warten muss, und eine
gute Erreichbarkeit, beispielsweise über
digitale Medien. Das sind die Voraussetzungen, die jeder schaffen muss, damit
die Grundlage gelegt ist.
Nun zu Ihrer Frage: Bei dem Thema
„wilde Kippen“ setzen wir auf drei Säulen: Das eine ist bürgerschaftliches Engagement. Wir haben einen Verein, „Offensive für ein sauberes Duisburg“, der
Aufräumaktionen macht und auch zur
Sensibilisierung beiträgt. Die zweite Säule ist die Vorgabe, wilde Kippen innerhalb
kurzer Zeit wegzuräumen, damit nicht
noch mehr abgelagert wird. Deshalb
gibt es seit längerer Zeit ein sogenanntes
„48-Stunden-Dreck-weg-Versprechen“.
Das heißt, dass jeder, der uns den Standort einer wilden Kippe meldet, die im
öffentlichen Raum liegt, davon ausgehen
kann, dass sie spätestens innerhalb von
48 Stunden entsorgt ist. Das halten wir
auch fast zu 100 Prozent ein. Die dritte
Säule ist der ordnungsrechtliche Teil: Wir
schauen, dass wir Verursacher finden
können, was nicht immer gelingt – aber
bisweilen schon. Dann sind die Bußgelder
deutlich höher als die eben genannten.
Das können mehrere 100 Euro mit Entsorgungskosten sein, die wir dann auch
in Rechnung stellen.
In Duisburg gibt es seit 2012 eine
Wertstofftonne, die die gelbe Tonne
abgelöst hat. Wie sind die Erfahrungen?
Positiv. Den Bürgerinnen und Bürgern
ist aus meiner Sicht kaum zu erklären,
warum Verpackungen in die gelbe Ton-
FOTO: WBD-AÖR
Saubere
Kommune
TITEL 5
11-12/2019 DEMO
ne dürfen, aber Nicht-Verpackungen aus
den gleichen Materialien nicht eingeworfen werden können. Sie verstehen nicht,
dass man danach sortiert, ob die Verwertung einer Verpackung von den Inverkehrbringern bezahlt worden ist – oder
eine „Nicht-Verpackung“ eben nicht bezahlt worden ist. Sie fragen sich stattdessen, welche Stoffart das ist und welcher
Verwertungsweg. Die Sorge, die bei den
Dualen Systemen da war und auch heute noch da ist, ist die Störstoffquote bei
der Wertstofftonne. Deshalb haben wir
von Anfang an sporadisch kontrolliert,
ob auch wirklich nur Verpackungen und
stoffgleiche Nichtverpackungen eingeworfen werden. Die Gefahr ist natürlich
da – aber ihr kann man begegnen.
Das Verpackungsgesetz räumt den
Kommunen mehr Spielräume gegenüber den Systembetreibern ein, doch
das anvisierte Wertstoffgesetz kam
nicht zustande. Ist die neue Regelung dennoch gelungen?
Nur zum Teil. Die Intention des Gesetzgebers war gut und ich bin auch sicher,
sie war ernst gemeint. Allerdings ist in
der Praxis festzustellen, dass es vor Ort
dann doch schwierig ist, die Interessen
der Kommunen durchzusetzen.
FOTOS: WBD-AÖR
Wo liegen die größten Probleme?
In der Regel immer in der Umstellung
vom Sacksystem auf Behälter. Eigentlich
ist im Gesetz vorgesehen, dass die Kommune das bestimmen kann. Die Dualen
Systeme erschweren allerdings in vielen
Gebieten dann doch die Umstellung. Das
zweite Problem sind immer noch die Unterflurbehälter ...
… also ein unterirdischer Behälter
mit oberirdischem Einwurf zum Sammeln von Abfällen oder Wertstoffen
… auch da gibt es erhebliche Probleme,
so dass das Gesetz zwar vom Ansatz her
gut gemeint ist, aber wenn Stadträte und
Kreistage Beschlüsse fassen, heißt das
noch nicht, dass sie umgesetzt werden.
Für die Mitbenutzung der kommunalen Papier-Pappe-Karton-Sammlung durch die Dualen Systeme gibt
es nach langen Verhandlungen eine
Einigung. So sollen sich etwa die
Entgelte am reinen Masseanteil der
Verpackungen aus PPK orientieren,
nicht am Volumen. Funktioniert das
in der Praxis?
Es ist noch zu früh, den Kompromiss zu
bewerten. Es gibt unterschiedliche Auffassungen im kommunalen Lager, ob das
ein guter Kompromiss ist oder nicht. Es
geht im Wesentlichen um den Volumen-
Unterwegs für saubere Plätze und Straßen: Kleinkehrmaschinen der Wirtschaftsbetriebe Duisburg
faktor, der umstritten ist. Wir sind im Moment in einer Situation, in der das Vermarktungsrisiko im Rahmen dieses Kompromisses komplett bei den Kommunen
liegt, weil die Papiererlöse bei den Kommunen landen, sie im Gegenzug aber auf
die Berechnung nach dem Volumen der
Verpackungen verzichtet haben. Jetzt
hängt es ganz stark von der konkreten
Situation vor Ort ab: Wie hoch sind wirklich die Sammlungskosten? Wie sind die
Verwertungswege? Hat man hohe Vermarktungserlöse aus Papier oder nicht?
Der beste Müll ist der, der gar nicht
erst entsteht, sei es Plastikmüll oder
Restmüll. Was halten Sie von einer
Strategie, Müll zu reduzieren, im Idealfall auf null? Gibt es schon gemeinsame Überlegungen dazu mit der
Stadtspitze?
Es ist ein verfolgenswertes Ziel, aber realistisch gesehen wird es uns nicht gelingen, Müll komplett zu vermeiden. Wir
müssen auch unterscheiden, welche Einflussmöglichkeiten auf kommunaler Ebene bestehen. Ein wesentlicher Punkt ist
natürlich das Thema Produkt- und Produzentenverantwortung. Da muss aus meiner Sicht deutlich nachgeschärft werden.
Das ist aber eher eine Diskussion auf europäischer Ebene – was aber nicht heißen
soll, dass wir auf kommunaler Ebene die
Hände in den Schoss legen und nur auf
Berlin und Brüssel zeigen. Wir nutzen unsere Möglichkeiten. Ich denke da im Wesentlichen an Repair-Cafés, Gebrauchtmöbelhäuser, Tauschbörsen, Unterstützung von Aktivitäten zur Vorbereitung
zur Wiederverwendung. Das machen wir
hier auch in Duisburg.
Gibt es Aufklärungskampagnen?
Schließlich entscheidet der Bürger,
Das Ziel, null Müll zu produzieren, hält Patermann für
verfolgungswert – aber in der
Realität nicht komplett erreichbar.
EINE MENGE MÜLL
600.000
bis 700.000 Euro kostet die
Entsorgung wilder Müllkippen
in Duisburg jedes Jahr.
Und mehr als
500
Kilogramm an Müllmenge fällt
pro Kopf und Jahr in Duisburg
an. Dabei sind auch gewerbliche Abfälle und Bauabfälle
eingerechnet.
QUELLE: EIGENE RECHERCHE; DWB-AÖR
was er aus dem Regal nimmt – oder
was er einfach wegwirft.
Ja! Ein Schwerpunkt bei uns sind Kinder- und Jugendliche. Wir haben einen
außerschulischen Lernort aufgebaut. Zu
einem unserer Recyclinghöfe können
Schulklassen hingehen und sich von unserer Abfallberatung aufklären lassen.
Draußen ist ein Parcours mit verschiedenen Stationen aufgebaut: Abfallvermeidung und Wiederverwendung,
Gebrauchtmöbel und Gebrauchtwarenhäuser. Das ist sehr gut angenommen
worden. Wir haben die Abfallberatung
personell noch einmal verstärkt und
arbeiten sehr intensiv mit der Verbraucherzentrale zusammen. Das Thema Abfallberatung hat aus meiner Sicht zuletzt
eine Renaissance erfahren.
Das geht sicher einher mit der aktuellen Klimaschutz-Diskussion, die
überall läuft. Auch Abfallwirtschaftsbetriebe können einen Beitrag leisten, Stichwort CO2-Ausstoss. Welche
Maßnahmen gibt es hier?
Der Fokus liegt bei uns auf der FahrzeugFlotte, die im Stadtgebiet unterwegs ist.
Sie ist derzeit noch fast ausschließlich mit
Diesel angetrieben. Hier haben wir eine
Grundsatzentscheidung getroffen, alle
Kleinfahrzeuge in den nächsten Jahren
auf Elektroantrieb umzustellen und bei
den großen Fahrzeugen auf Wasserstoff zu setzen. Wir werden im nächsten
Jahr den ersten Abfallsammelwagen mit
Brennstoffzelle haben. Gleichzeitig werden wir über eine Förderung des Bundes
ein elektrisches Sammelfahrzeug bekommen, so dass wir beide Technologien
testen können. Das machen wir auch mit
Blick auf Bestrebungen in der Stadt, neue
Stadtquartiere möglichst insgesamt CO2neutral umzugestalten.
6 TITEL
DEMO 11-12/2019
Mehl selbst einfüllt, Stoffbeutel für Gemüse, Gläser für Reis, Linsen, Getreide,
Müsli und was sonst noch benötigt wird.
„Es ist eine ganz andere Art einzukaufen“, erklärt sie.
Schluss mit Verpackungen: der Unverpackt-Laden in Kiel
Leben ohne Müll – geht das?
Ein Geschäft, ein Café, ein Kaufhaus, eine ganze Stadt – Kiel
hat dem Abfall den Kampf angesagt. Die Stadt will Teil
der Zero-Waste-Bewegung sein. Projekte zum Nachahmen
Autorin Susanne Dohrn
D
as Weckglas ist gefüllt mit
Kunststoff-Schnipseln, vor allem
Preisschilder. Unter dem Foto
steht: „Der Müll meiner Familie 2018.“
Es ist der Abfall eines Vier-PersonenHaushalts bestehend aus Bea Johnson,
ihrem Mann und zwei Söhnen. 2008
begann sie mit ihrer Familie Abfall zu reduzieren und schrieb darüber das Buch
„Glücklich leben ohne Müll“. Es wurde
zum Weltbestseller und die in Kalifornien lebende Autorin zur Ikone der ZeroWaste-Bewegung.
Eine der ersten Null-Müll-Städte
Null Müll hat auch die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt Kiel erfasst.
2018 beschloss der Rat der Stadt einstimmig, dass Kiel „die erste oder zumindest eine der ersten Zero-Waste-Cities in
Deutschland“ werden soll. Kiel hat sich
beim Netzwerk Zero Waste Europe registriert, das sich europaweit für eine
ressourcenschonende, abfallvermeidende Lebensweise einsetzt. Oberbürger-
Marie Delaperrière in ihrem
Unverpackt-Laden: Bei ihr
bringt man seine Gefäße
selbst mit.
meister Dr. Ulf Kämpfer: „Kiel liegt an
der Ostsee. Wir alle wissen, wie schädlich Plastikmüll für die Meere ist.“ Seit
Jahren sammelt er zusammen mit vielen
Kielerinnen und Kielern Plastikmüll am
Strand ein und sagt: „Es ist bitter zu sehen, dass nach zwei oder drei Stunden
regelrechte Müllberge entstehen.“ So
dürfe es nicht weitergehen. Deshalb sei
Zero Waste ein wichtiger Lösungsansatz
für den Schutz unserer Umwelt.
In Deutschland entstehen jedes Jahr
220 Kilo Verpackungsmüll pro Kopf, so
das Umweltbundesamt, ein Spitzenwert
in Europa. Ein Kulturwandel ist nötig,
wie Uwe Schneidewind, Präsident des
Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt,
Energie es in seinem Buch „Die Große
Transformation“ fordert. Der begann
in Kiel mit einem Unverpackt-Laden.
Gegründet hat ihn Marie Delaperrière
2014, nachdem sie Bea Johnsons Buch
gelesen hatte. Bei ihr nimmt man keine
Kilo-Tüte Mehl aus dem Regal, sondern
bringt ein Behältnis mit, in das man das
Inzwischen ist sie mit „Unverpackt-Kiel“
zweimal umgezogen, Ladenfläche und
Angebotsvielfalt haben sich verdoppelt.
Marie Delaperrière gibt Workshops und
hält Vorträge über Zero Waste. Die Zahl
der Unverpackt-Läden in Deutschland ist
auf 140 angewachsen, weitere 70 sind
in Planung. 2016 folgte die Gründung
des Vereins Zero Waste Kiel e.V. Er hat
das Ziel, „die Vermeidung von unnötigen
Verpackungen und Abfällen im privaten,
gewerblichen und öffentlichen Bereich
zu fördern“. Der Beschluss der Stadt, Zero-Waste-City zu werden, geht vor allem
auf dessen Initiative zurück. Zudem hat
die Stadt sich, inspiriert von ihrer Partnerstadt San Francisco, vorgenommen,
erste müllfreie Stadt Deutschlands zu
werden. Marie Delaperrière: „Das war
unsere Chance als Verein, Kiels Verwaltung vorzuschlagen, es der Twin-City
nachzumachen.“ Ein Volltreffer, wie der
Ratsbeschluss von 2018 zeigt. Die wirkliche Arbeit hat damit erst begonnen,
denn nun muss die Verwaltung den Beschluss der Politik umsetzen.
„Es ist ein Riesenarbeitsfeld und ein
wahnsinnig wichtiges Thema“, sagt der
Leiter des Umweltschutzamtes Kiel Andreas von der Heydt. Zum Glück trägt
die Nationale Klimaschutzinitiative des
Bundesumweltministeriums 70 Prozent
der Projektkosten von maximal 116.257
Euro für den Zeitraum vom 1. Mai 2019
bis 30. April 2020. Mit dem Geld soll
ein Zero-Waste-Konzept erstellt und die
Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden.
Den verbleibenden Eigenanteil trägt die
Stadt. Zudem hat die Stadt Tatjana Allers eingestellt, als Bindeglied zwischen
Zivilgesellschaft und Stadt, zwischen
Wirtschaft, der Kommunikationsagentur und dem Wuppertal Institut, das das
Konzept erstellt: Wo kommt der Abfall
her? Wo sind Einsparpotentiale? Wie
hoch ist das CO2-Aufkommen? Aber vor
allem: Wie können die Abfallmengen in
Kiel reduziert werden? Dies sind nur einige Fragen, denen das Wuppertal Institut
nachgeht.
Während die Strategieentwicklung
Geld kostet, kann die Vermeidung von
Abfällen in der Umsetzungsphase Geld
sparen. Zwei Zahlen gibt es schon:
330.000 Tonnen Gesamtmüll produziert
die Stadt jährlich. Die Einsparmöglichkeiten sind riesig, und sie nutzen auch dem
FOTOS: SUSANNE DOHRN
Vorbild San Francisco
TITEL 7
11-12/2019 DEMO
Antik-Abteilung im Kaufhaus Stilbruch: Betriebsleiter Roman Hottgenroth mit einem Rattan-Schwingsessel
Klima. OB Dr. Kämpfer: „Die Produktion,
Verarbeitung und Entsorgung von Verpackungen und sonstigen Abfällen setzt
enorme Mengen an Treibhausgasen frei.
Das begünstigt den Klimawandel. Hinzu
kommt, dass Plastik zu 99 Prozent aus
fossilen Rohstoffen besteht und damit
besonders viele CO2-Emissionen frei
setzt. Wenn gar nicht erst produziert
wird, was anschließend weggeworfen
wird, ist allen geholfen und am meisten
unserem Klima.“
FOTOS: SUSANNE DOHRN; MARCO KNOPP, LANDESHAUPTSTADT KIEL
Gebrauchtes nutzen wird schick
Kiels Prioritäten sind klar. „Wir sollten
den Vermeidungsgedanken ganz nach
vorn stellen“, so von der Heydt. Das entspricht auch der Zero-Waste-Hierarchie:
vermeiden, wiederverwenden, recyceln,
verwerten, beseitigen. Um das Konzept
in der Öffentlichkeit zu verankern, werden Teilbereiche wie Gewerbe, Haushalte, Abfallwirtschaft, Kommune in
verschiedenen Workshops bearbeitet.
Schon jetzt setzt Kiel flächendeckend
auf ein Pfandsystem für Coffee-to-goBecher. Eine Mehrwegauflage für Großveranstaltungen ist denkbar ebenso wie
die Förderung von Second-Hand-Läden.
Von der Heydt: „Wir müssen es schick
machen, dass man gute gebrauchte Sachen weiter nutzt, statt sie zu entsorgen.“
Genau das ist das Konzept von Stilbruch in Hamburg. Es ist 9:45 Uhr.
Vor dem Kaufhaus im Stadtteil Altona
wartet eine Menschentraube, obwohl
es erst um zehn Uhr öffnet. „Das sind
Schnäppchenjäger“, erklärt Betriebsleiter Roman Hottgenroth, als er durch die
Hallen führt. Hier gibt es alles, von Pfer-
desattel bis Fahrrad, Möbel, Geschirr,
Kleidung, Kunst, Bücher. Hottgenroth:
„Was Sie bei sich zu Hause haben, kann
bei uns landen.“ Stilbruch ist kein Sozialkaufhaus, darauf legt der Betriebsleiter
Wert. Hier kann und soll jeder einkaufen. Er sieht Stilbruch als Teil eines Wertewandels, als „best-case“ für Wiederverwendung. „Stilbruch ist ökologisch,
denn wir vermeiden Müll, und es ist ökonomisch, denn wir machen sogar einen
kleinen Gewinn.“
Das Tochterunternehmen der Hamburger Stadtreinigung wurde 2001
gegründet, hat 4.500 Quadratmeter
Verkaufsfläche verteilt auf drei Stadtteile und 75 Beschäftigte, vom Tischler, Elektriker, Einzelhändler bis zum
LKW-Fahrer. Die Adressen findet man
in Hamburgs Zero-Waste-App, mit der
die Stadtreinigung Hamburg (SRH) die
Vermeidung von Müll unterstützt. 40
Prozent der Waren stammen von Recyclinghöfen, 12 Prozent von der schonenden Sperrmüllabfuhr, bei der geschaut wird, was wiederverwertbar ist,
40 Prozent werden privat angeliefert,
der Rest kommt aus Haushaltsauflösungen und Gewerbebetrieben – 2018 alles in allem 1.500 LKW-Ladungen. Was
reparierbar ist, wird repariert, die Preisgestaltung obliegt den Beschäftigten.
„Es für den geforderten Preis verkaufen
zu können, ist ein tolles Gefühl für die
Mitarbeiter“, so Hottgenroth. Die sind
„mit Herz und Leidenschaft“ dabei, wie
der Betriebsleiter selbst. Die knapp eine
Million Besucher pro Jahr wissen das zu
schätzen.
Trotzdem bleibt der beste Müll der,
der gar nicht erst entsteht. Das erste
Es ist bitter
zu sehen, dass
nach zwei bis
drei Stunden
regelrechte
Müllberge
entstehen.
Zero-Waste-Café in Deutschland verfährt nach diesem Prinzip. Es heißt „In
guter Gesellschaft“, liegt im angesagten Hamburger Schanzenviertel. Alana
Zubritz, eine der beiden Gründerinnen,
hat in Brighton/England „Sustainable
Design“ (nachhaltiges Design) studiert.
Beim Besuch des Zero-Waste-Restaurants „Silo“ in Brighton entstand die
Idee mit dem Café. Milch, Yoghurt, Käse
und Öl kommen bei ihr in Pfandbehältern, Getränke aus Mehrwegflaschen,
Plastikverpacktes ist Tabu, Mandeln
und Hafer für die selbst hergestellte Hafermilch in Jute-Beuteln, die Möbel sind
vom Recycling, die Servietten aus Stoff.
Im Angebot überwiegen Bioprodukte
und Selbstgemachtes. Letzteres kostet
Zeit, aber da die Grundstoffe günstiger
seien als Fertigprodukte, komme es am
Ende aufs Gleiche heraus, so Alana.
Ulf Kämpfer
Oberbürgermeister, Kiel
Wirtschaft ist gefordert
OB Ulf Kämpfer plädiert für
„Precycling“, bei dem
Verpackungsmüll gar nicht erst
entsteht.
Und doch: Allein geändertes Verbraucherverhalten schafft keine „große
Transformation“. Kunststoffe bestehen
häufig aus vielen Komponenten und
sind deshalb nicht recycelbar. Ein großer Schritt wäre es, Produkte so herzustellen, dass sie mit möglichst geringem
Energieeinsatz wiederverwendet oder
-verwertet werden können, sagt Reinhard Fiedler von der SRH. Hier ist der
Gesetzgeber gefragt. Der im November
wiedergewählte OB Kämpfer plädiert
für „Precycling“, bei dem Verpackungsmüll gar nicht erst entsteht. Dafür werde
die Wirtschaft verbraucherfreundliche
Lösungen anbieten müssen. Kämpfer:
„In sechs Jahren möchte ich bei Müllsammelaktionen am Strand nach drei
Stunden möglichst keinen Plastikabfall
mehr finden. Das wäre dann im wahrsten Sinne des Wortes Zero.Waste.“
https://zerowasteeurope.eu
Ob mit Tasse oder Pfandbecher: Tatjana Allers und Andreas von der Heydt vom
Umweltschutzamt Kiel trinken ihren Kaffee umweltfreundlich.
8 TITEL
Mühsamer Kampf
gegen die Verpackungsflut
Seit Januar ist das Verpackungsgesetz in Kraft. Es soll der
Umwelt nützen und den Markt gerechter machen
Autor Carl-Friedrich Höck
Verpackungsmüll fällt mit fast jedem Einkauf im Supermarkt an. Nicht alle Verpackungen lassen sich gut recyceln.
D
er Kampf gegen Verpackungssünder hat an Fahrt aufgenommen. Zum 1. Januar 2019 ist ein
neues Verpackungsgesetz in Kraft getreten. Es setzt diejenigen unter Druck, die
verpackte Produkte in Umlauf bringen,
ohne sich an den Kosten für die Entsorgung zu beteiligen. Ein knappes Jahr
nach Einführung des Gesetzes zieht die
neu geschaffene Kontrollinstanz – die
„Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister“ (ZSVR) – ein überwiegend positives Fazit. Die Zahl der registrierten
Händler habe sich seit 2016 fast verdreifacht, wurde Ende Oktober vermeldet.
Nämlich von 60.000 auf rund 170.000
Unternehmen.
Um eine Reform der Verpackungsverordnung war jahrelang gerungen worden. Diese existierte in Deutschland seit
1991 und sollte die kommunalen Müllentsorger entlasten. Seitdem muss die
Wirtschaft sich selbst darum kümmern,
dass in Umlauf gebrachte Verpackungen
auch wieder entsorgt und recycelt werden. Dies geschieht, indem die Unternehmen Beteiligungsentgelte an die Dualen Systeme zahlen – das bekannteste
Die
Schonzeit
ist vorbei.
Gunda Rachut,
Vorstand „Stiftung Zentrale
Stelle Verpackungsregister”
ist „Der Grüne Punkt“. Doch das System
hatte Schwachstellen. Die erhoffte Lenkungswirkung der Beteiligungsentgelte
blieb aus. Das Aufkommen an Kunststoffverpackungen hat sich seit 1991 fast
verdoppelt. Hinzu kam, dass sich viele
Unternehmen gar nicht an den Dualen
Systemen beteiligten. Andere gaben die
Menge der in Umlauf gebrachten Verpackungen zu niedrig an.
Das neue Verpackungsgesetz soll das
ändern. Es sieht ein öffentliches Register
vor, das von der 2017 gegründeten ZSVR
betrieben wird. Die Stiftung nimmt – unter der Aufsicht des Umweltbundesamtes – hoheitliche Aufgaben wahr. Stifter
sind mehrere Industrie- und Handelsverbände. Dem Kuratorium gehören außerdem Vertreter von Bund, Ländern und
kommunalen Spitzenverbänden an.
Der Kontrolldruck steigt
Das transparente Register sorgt dafür,
dass Schwarze Schafe leichter ermittelt
und angezeigt werden können – etwa
von den Konkurrenten, denen ein Wettbewerbsnachteil entsteht, wenn Unternehmen sich den Dualen Systemen
entziehen. Auch prüft die ZSVR, welche
Verpackungsmengen in Umlauf sind und
kontrolliert die staatlich vorgeschriebenen Recyclingquoten. Diese steigen in
den kommenden Jahren aufgrund des
Verpackungsgesetzes. Kunststoffverpackungen sollen bis 2022 zu 63 Prozent
„werkstofflich“ recycelt, also tatsächlich
wiederverwertet werden. Bisher lag die
Quote bei 36 Prozent. Für Papier und
Glas gilt ab 2022 sogar eine 90-ProzentQuote.
Eine Kuriosität bleibt jedoch bestehen,
wie der SPD-Bundestagsabgeordnete
Michael Thews bedauert: Dass Müll nicht
anhand des Materials getrennt wird. So
müsse etwa eine Plastikpuppe in den
Restmüll entsorgt werden, die Plastikverpackung aber in der gelben Tonne.
Jedenfalls dort, wo die Kommunen nicht
freiwillig eine Wertstofftonne eingeführt
haben. „Eine unsinnige Sache“, meint
der Sozialdemokrat. Die Versuche der
Politik, das mit einem Wertstoffgesetz
verpflichtend zu ändern, scheiterten.
Nicht zuletzt, weil kommunale Unternehmen und private Entsorger erbittert darum stritten, wer für die Sammlung der
Wertstofftonnen zuständig wäre. „Ich
glaube aber, dass wir die Diskussion um
ein Wertstoffgesetz wieder aufnehmen
müssten“, sagt Thews.
Für die Kommunen hat sich mit dem
Verpackungsgesetz trotzdem einiges
verbessert: Sie können den Dualen Systemen nun Vorgaben zum Sammlungsrhythmus machen und festlegen, in welchen Behältern – Tonne oder Plastiksäcke – die Verpackungsabfälle gesammelt
werden. Die Säcke sind für die Entsorger
günstiger, jedoch reißen sie leicht. In vielen Städten und Gemeinden hatten sich
deshalb die Klagen über herumliegenden
Müll gehäuft.
Kommunen haben weiterhin die Möglichkeit, sich mit dem Dualen System vor
Ort auf eine Wertstofftonne zu verständigen. Dort können Verbraucher zum
Beispiel Kunststoffe und Metalle einwerfen, unabhängig davon, ob sie als Verpackung klassifiziert sind oder nicht. Die
Entsorgungsaufgaben teilen kommunale
und private Entsorger dann untereinander auf – in der Regel übernehmen die
Kommunen etwa 20 Prozent der Leistung. Beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hat man beobachtet,
dass solche Kooperationen zunehmen:
Wenn die Dualen Systeme ohnehin teure
Tonnen aufstellen müssen, „ist die Kostensteigerung zur Wertstofftonne nicht
mehr so groß“, sagt eine VKU-Sprecherin.
Ein weiterer Eckpunkt des Verpackungsgesetzes: Der Handel soll dazu motiviert
FOTOS: FLORIAN GAERTNER /PHOTOTHEK.NET; CONNY BORCK /ZSVR
DEMO 11-12/2019
TITEL 9
FOTOS: THOMAS TRUTSCHEL /PHOTOTHEK.NET; UTE GRABOWSKY/PHOTOTHEK /BMU
11-12/2019 DEMO
werden, möglichst recyclinggerechte
Verpackungen und Rezyklate (wiederverwertete Kunststoffe) zu verwenden.
Als problematisch gelten etwa gemischte Materialien – wie Einwegkaffeebecher
aus Pappe und Kunststoff – sowie mit
Ruß schwarz gefärbte Kunststoffe. Deshalb wurde die ZSVR beauftragt, im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt
Mindeststandards zu entwickeln, um die
Recyclingfähigkeit von Verpackungen zu
bemessen.
Die Dualen Systeme sind nun verpflichtet, finanzielle Anreize zu schaffen,
damit Händler möglichst ökologische
Verpackungen verwenden. Wer leicht
wiederverwertbares Material oder Rezyklate einsetzt, soll niedrigere Entgelte
zahlen. Wie genau die Systeme diese
Vorgabe umsetzen, bleibt ihnen weitgehend selbst überlassen. Kritiker bezweifelten deshalb, dass das Gesetz die
gewünschte Lenkungswirkung entfalten
werde. Schließlich stehen die Systeme
untereinander im Wettbewerb, es gibt
keine einheitlichen Preislisten. Bis 2022
will die Bundesregierung entscheiden, ob
sie weitergehende Vorgaben macht.
Mittlerweile ist die ZSVR allerdings
überrascht, wie gut die neuen Regeln
funktionieren. „Wir sehen, dass die Handelshäuser sich die Mindeststandards
zunutze machen, um Vorgaben für Verpackungen zu entwickeln“, sagt Stiftungsvorstand Gunda Rachut. Sie meint:
Die Verpackungshersteller stünden unter
Druck, die neuen Standards einzuhalten,
wenn sie beispielsweise die großen Supermarktketten weiter beliefern wollen.
Erste Mahnbescheide verschickt
Noch ist die ZSVR nicht am Ziel. Viele kleine Online-Händler haben sich weiterhin
nicht beim Verpackungsregister angemeldet. Bei mittleren und großen Unternehmen sind die Angaben oft unvollständig.
Vor allem im Bereich der Leichtstoffverpackungen klafft eine große Lücke zwischen den Mengen, die bei Dualen Systemen gemeldet sind, und denen, die tatsächlich in Umlauf gebracht wurden. Nun
erhöht die ZSVR den Druck. Im Juni hat
Die „Gelben Säcke” haben womöglich bald ausgedient – zugunsten der Tonne.
sie erstmals 2.000 Ordnungswidrigkeiten
an die Länder übergeben, damit diese
den Vollzug in die Wege leiten. Denn
wer gegen die Registrierungspflichten
verstößt, handelt rechtswidrig und kann
mit hohen Bußgeldern belegt werden.
„Die Schonzeit ist vorbei“, droht Rachut.
Auf die kommunalen Ordnungsbehörden
dürfte demnächst weitere Arbeit zukommen. Um deren Mitarbeiter für das neue
Regelwerk fit zu machen, bietet die ZSVR
sogar Webinare für Vollzugsbehörden an.
Die Recyclingvorgaben des Verpackungsgesetzes sollen 2022 noch einmal
verschärft werden. Der SPD-Abgeordnete Thews würde gerne weitere Elemente
in das Gesetz aufnehmen, darunter eine
verbindliche Quote für die Verwendung
von Rezyklaten. Das würde einen größeren Markt und somit mehr Nachfrage für
wiederaufbereitete Materialien schaffen.
Thews schlägt auch einen Fonds vor,
finanziert mit Lizenzentgelten, um Recycling- und Vermeidungsstrategien zu
fördern. Und er wünscht sich eine klare Kennzeichnung recyclingfreundlicher
Verpackungen auf dem Produkt. „Das
wäre eine große Erleichterung für die
Verbraucherinnen und Verbraucher, aber
auch zum Beispiel für die Beschaffung im
öffentlichen Dienst oder bei den Unternehmen.”
Unterdessen läuft die politische Debatte weiter. Das Bundeskabinett hat im
November ein Verbot von leichten Plastiktüten beschlossen. Der Bundesrat for-
VERPACKUNGEN
7,7
Millionen Tonnen Verpackungsabfälle sind 1991 in
Deutschland bei privaten Endverbrauchern angefallen.
8,8
Millionen Tonnen waren es
2017. Das entspricht 107 Kilogramm pro Kopf.
QUELLE: UMWELTBUNDESAMT
Der zunehmende Versandhandel verursacht neue Abfälle.
dert die Regierung auf, ein solches Verbot auch für andere Einwegverpackungen zu prüfen. Weil Coffee-to-go-Becher
und Imbissschalen häufig gar nicht in der
gelben Tonne, sondern in die Straßenabfalleimer entsorgt werden, drängt die
Länderkammer darauf, dass die Unternehmen den Kommunen ein angemessenes Entgelt zahlen.
Einen ähnlichen Konflikt haben Entsorgungswirtschaft und kommunale
Spitzenverbände gerade erst um die Papiertonnen ausgefochten. Für diese sind
hauptsächlich die Kommunen zuständig.
Wegen des zunehmenden Online-Handels füllen diese Tonnen sich immer mehr
mit Verpackungsabfällen. Zwei Drittel
des Volumens machen die Versandkartons mittlerweile aus, hat ein vom VKU
beauftragtes Gutachten ermittelt. Trotzdem haben sich die Dualen Systeme bisher nur zu etwa 20 Prozent an den Entsorgungskosten beteiligt.
Das Verpackungsgesetz regelt, dass
die Systeme ein „angemessenes Entgelt“
zahlen müssen, wenn sie die kommunale Sammelstruktur mitnutzen. Nur: Was
heißt das? Die Kommunen und die Dualen Systeme haben sich am 1. Oktober auf
eine Empfehlung verständigt: Abgerechnet wird nicht nach Volumen, sondern
dem Masseanteil der Verpackungen. Der
liegt im Durchschnitt bei nur einem Drittel des Tonneninhaltes, die Mitnutzungsgebühr fällt also vergleichsweise niedrig
aus. Im Gegenzug dürfen die Kommunalen Unternehmen die Erlöse komplett behalten, die sie mit dem Rohstoff Papier/
Pappe generieren. Die Empfehlung gilt
zunächst für die Jahre 2019 bis 2021 und
ist für die Vertragsparteien vor Ort nicht
verbindlich.
Was das Verpackungsgesetz den
Kommunen und der Umwelt wirklich
bringt, bleibt weiter abzuwarten. Für
eine Bewertung ist es noch zu früh. Elf
Monate nach Inkrafttreten lässt sich aber
festhalten: Das Gesetz hat die Branche in
Bewegung gebracht.
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10 TITEL
DEMO 11-12/2019
Der Gelbe Sack
hat ausgedient
Nürnberg setzt bei der Entsorgung von Verpackungsmüll
auf die Gelbe Tonne
G
lascontainer, Wertstoff-, Biound Papiertonne, Gelber Sack:
Abfalltrennen gehört für die
Deutschen längst zum Alltag. Letzterer hat in Nürnberg jedoch ausgedient.
Seit Jahresbeginn werden in der fränkischen Metropole Folien, Plastikverpackungen und Kunststoff stattdessen in
Gelben Tonnen entsorgt. Das Sammeln
in Säcken und damit ein zuletzt großes
Ärgernis hat so ein Ende. Seit den 90er
Jahren wurden im Stadtgebiet Nürnberg
Verkaufsverpackungen über das Sammelsystem „Gelber Sack“ gesammelt,
mit dem jedoch seit Jahren zunehmend
Unzufriedenheit in der Bevölkerung
herrschte.
Stadtbild litt unter den Säcken
Die Gelbe Tonne kommt von 2020 an im Nürnberger Stadtgebiet. In der Metropolregion ist Nürnberg damit Vorreiter. Die Akzeptanz der Bürger ist hoch.
Tatsächlich
bietet die
Gelbe Tonne
viele Vorteile
gegenüber dem
gelben Sack.
Thomas Braun,
Nürnberger Abfallwirtschaftsbetrieb
selbst zu organisieren, denn dies bleibt
in der Hand von privatwirtschaftlichen
Systembetreibern. Aber durch das neue
Gesetz haben die Städte erstmals ein
erweitertes Mitspracherecht und die
Möglichkeit, Eckpunkte zu definieren.
Deshalb hat der zuständige Stadtratsausschuss im SPD-dominierten
Stadtrat die Umstellung des Sammelsystems von Gelben Säcken auf Gelbe
Tonnen im Nürnberger Stadtgebiet ab
2020 beschlossen. In der Metropolregion ist Nürnberg damit Vorreiter. Rund
80.000 Gelbe Tonnen wurden in enger
Der offensichtlichste ist wohl, dass die
Gelbe Tonne erheblich stabiler ist: Sowohl
Wind und Wetter, als auch Tiere, die sich
nachts auf Futtersuche begeben, können
der Gelben Tonne nichts anhaben. Der
Verpackungsabfall wird somit nicht mehr
in der Nachbarschaft verteilt. Ein weiterer Vorteil liegt für Thomas Braun darin,
dass die Geruchsbelästigung deutlich
vermindert werden kann: „Besonders im
Sommer kann der Verpackungsabfall zu
unangenehmen Gerüchen führen. Dank
des Deckels bleibt dieser überwiegend in
der Tonne.“
Trotz der zahlreichen positiven Aspekte galt es für die Stadtverantwortlichen im Vorfeld auch einige Herausforderungen zu bewältigen. Wirbel um die
Gelbe Tonne gab es etwa in der Nürnberger Altstadt. Diese würden kreuz
und quer auf Gehwegen stehen und
dort Fußgänger behindern, so die Kritik.
„Mittlerweile hat sich das Erscheinungsbild aber wieder normalisiert und die
Tonnen haben ihren Standort gefunden
oder wurden von der Entsorgungsfirma
auf Antrag wieder abgeholt, denn die
Gelbe Tonne ist nicht verpflichtend und
kann zurückgegeben werden“, unterstreicht Thomas Braun.
Von dieser Möglichkeit haben bislang aber nur rund zwei Prozent der
Hauseigentümer Gebrauch gemacht.
Die Akzeptanz der Bürger, sie ist hoch.
Dafür wurde bereits im Vorfeld von
allen Beteiligten (Abfallwirtschaftsbetrieb der Stadt Nürnberg, Umweltreferent und Entsorgungsfirma) viel getan.
Vor Beginn der Verteilarbeiten wurde
die Presse umfassend informiert. Zudem wurden ausführliche Informationen in Form einer FAQ-Liste veröffentlicht, in der die wichtigsten Fragen zum
Systemwechsel beantwortet werden.
Die Stadt Nürnberg hat ergänzend in
den sozialen Netzwerken über den Systemwechsel berichtet. Die dünnhäutigen, schnell reißenden Plastiksäcke,
in Nürnberg wird ihnen kaum jemand
nachtrauern.
nuernberg.de/internet/abfallwirtschaft/
aktuell_61783.html
FOTO: STOCK.ADOBE.COM/NEMO1963
Tonne erheblich stabiler
Autor Michael Kniess
Die Gründe hierfür liegen im Wesentlichen in der mangelnden Reißfestigkeit
der Gelben Säcke und der daraus resultierenden Verschmutzung. Darüber hinaus litt das Stadtbild unter den oft ungeordnet, zu früh und am falschen Ort
zur Abholung bereitliegenden Plastiksäcken. Denn im Gegensatz zur Rest- und
Biomüllabfuhr, die der Abfallwirtschaftsbetrieb Stadt Nürnberg (ASN) in eigener
Regie durchführt, sind für die Entsorgung
von Verkaufsverpackungen, zum Beispiel
im Gelben Sack oder in der Gelben Tonne, die sogenannten Dualen Systembetreiber mit ihren Entsorgern auf rein privatwirtschaftlicher Basis zuständig.
Jahrelang flatterten so die dünnhäutigen Plastiksäcke durch die Straßenzüge. Eben jenen Anblick wollten die
Stadtverantwortlichen verbannen. Zunutze machen sie sich dabei das zum
1. Januar 2019 in Kraft getretene neue
Verpackungsgesetz (siehe dazu den
Bericht auf den Seiten 8 und 9.) Denn
bis dato waren den Städten bei der
Entsorgung von Verpackungsabfällen
die Hände gebunden, weil diese in die
Zuständigkeit der Dualen Systeme gefallen ist. Zwar erlaubt auch die neue
gesetzliche Regelung der Stadt nicht,
die Entsorgung des Verpackungsmülls
Zusammenarbeit zwischen der Stadt
und der vom Systembetreiber beauftragten, lokal ansässigen Entsorgungsfirma deswegen bis Jahresende an die
Haushalte verteilt. „Tatsächlich bietet
die Gelbe Tonne viele Vorteile gegenüber dem gelben Sack“, betont Thomas
Braun vom Abfallwirtschaftsbetrieb der
Stadt Nürnberg.
TITEL 11
11-12/2019 DEMO
raumservices viel zu tun haben werden:
Nicht weniger als 800 Straßenkilometer
und knapp 300 Kilometer an Radwegen müssen gepflegt, von Müll befreit
und unterhalten werden. Neben Straßen und Plätzen müssen auch gewaltige Flächen der Fußgängerzonen, der
Grün- und Sportanlagen, Spielplätze
und Brücken im Blick behalten werden.
Zu schweigen von Laternen, Lampen,
Forstrevieren, Trimm-Dich-Pfaden und
Tiergehegen, von zigtausenden von
Müllbehältern, von Grünschnittsammlungen und allem anderen mehr.
Aktionen gegen wilden Müll
Bürgermeisterin Felicitas Kubala (l.) und Alexandra Kriegel präsentieren ein Plakat zu einer Sauberkeitskampagne in Mannheim.
Die Stadt soll schöner werden
Stadtraumservice heißt ein neuer Eigenbetrieb der Stadt
Mannheim, der am 1. Januar 2020 die Arbeit aufnimmt
Autor Harald Sawatzki
FOTO: STADT MANNHEIM/ THOMAS TRÖSTER
D
ie Metropolregion Rhein-Neckar hat sich viel vorgenommen:
Im Rahmen der „Stadtstrategie
Mannheim 2030“ will Mannheim einen
Zehn-Punkte-Plan innerhalb der nächsten Dekade abarbeiten. Vereinfacht gesagt will die Stadt die Hoheit über den
öffentlichen Raum erhalten und – wo
nötig – zurückgewinnen. Eine vielschichtige, vielseitige Aufgabe, die alleine von
einzelnen Ämtern oder Fachbereichen
nicht bewältigt werden kann. Nach jahrelangen Voruntersuchungen, Diskussionen und im Erfahrungsaustausch mit
anderen Städten der Republik, entschieden sich Verwaltung und Gemeinderat,
einen neuen städtischen Eigenbetrieb zu
schaffen, der wohl nicht von ungefähr
den Namen „Stadtraumservice“ erhielt:
Stadt – Raum – Service also.
Es entstand eine der größten städtischen Dienststellen mit rund 1.000 Beschäftigten, die aus der Fusion der drei
Fachbereiche Tiefbau, Grünpflege und
Stadtreinigung herrührt. Finanziert wird
der Betrieb, der am 1. Januar 2020 seine
Arbeit aufnehmen wird, aus städtischen
Zuschüssen in Höhe von knapp 75 Millionen Euro pro Jahr und weiteren etwa 60
Millionen Euro aus erwartbaren Gebüh-
reneinnahmen. An der Spitze des Eigenbetriebes steht eine dreiköpfige Crew.
Alexandra Kriegel, die in diesem Führungstrio unter anderem für die Verwaltung des Mammutbetriebes Verantwortung trägt, ist zuversichtlich: „Wir machen Mannheim grüner, lebenswerter
und schöner“. Man werde „innovativ,
bürgernah, klimafreundlich und nachhaltig“ zu Werke gehen. Kriegel stellt
klar, dass man sich das künftige Zusammenwirken der Experten nicht etwa so
vorstellen solle, „dass der öffentliche
Stadtraum künftig von jeweils dreiköpfigen Task Forces überwacht wird“.
Geplant seien vielmehr separate „Straßenbegehungen der drei Gewerke Grünflächen, Straßenbetrieb und Stadtreinigung“. In einer für den Hauptausschuss
des Gemeinderats erarbeiteten Vorlage
über die eigenbetrieblichen Aufgaben
heißt es dazu: „Unsere Arbeitsweise
ist vernetzt und kooperativ“. Das heißt
unter anderem, zahlreiche „räumliche
Ansprechpartner“ in den unterschiedlichen Stadtgebieten werden sich fortan
„ganzheitlich um die Belange vor Ort
kümmern.“ Ein Blick in die Statistik des
öffentlichen Raums in Mannheim zeigt,
dass die Experten des neuen Stadt-
Wir werden
innovativ,
bürgernah,
klimafreundlich
und nachhaltig
zu Werke
gehen.
Alexandra Kriegel,
Leiterin der
Abfallwirtschaft Mannheim
Die Reinigungsaktionen gegen Berge
„wilden Mülls“ etwa sind tägliches Brot
der Stadtreinigung. Ob in manchen
Ecken der Innenstadt, im Umfeld von
Müllcontainern oder im Grünen, immer
wieder behindert das Wegwerfverhalten Unbekannter die Bemühungen um
eine „saubere Stadt“. Es gibt längst regelrechte Hotspots wilden Mülls, wie
Werner Knon, Leiter der Stadtreinigung,
sagt. Und das, obgleich man „gute Möglichkeiten“ zur geordneten Entsorgung
anbiete: zum Beispiel mit telefonisch zu
vereinbarenden Sperrmüllterminen oder
auch mit Recyclinghöfen. Um den Wildwuchs einzudämmen, setzt die Stadt
inzwischen einen speziellen Sperrmüllwagen ein, der gewissermaßen „Streife“
fährt und auch zu gemeldeten wilden
Deponien im Stadtgebiet unterwegs ist.
Er bekommt immer mehr zu tun, weil die
Stadt wächst: Immer neue Wohngebiete
– beispielsweise Konversionsflächen –
fordern ihren Tribut.
Eine effektivere Bewirtschaftung des
gesamten öffentlichen Raumes mit all
seinen technischen Einrichtungen und
Hilfsmitteln soll dazu beitragen, dass
die Stadt mit einer „hohen Aufenthaltsqualität und gut sichtbaren Standards“
bei ihren Einwohnern punkten kann.
Dazu gehört sicher auch die „aktive Information“ Betroffener über geplante
zehn „Top-Bauprojekte“ und laufende
Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität in der Stadt. Womit der
eingangs erwähnte Zehn-Punkte-Plan
wieder ins Spiel kommt. Der sieht unter anderem vor: ganzjährige Verkehrssicherheit, artenreiche und nachhaltig
entwickelte Grünflächen, intakte Verkehrswege für umweltfreundliche Mobilitätsformen, eine an den Klimawandel
angepasste Gestaltung und Pflege des
öffentlichen Raumes, umweltgerechte
Abfallentsorgung und ein letztlich „barrierefreier öffentlicher Raum, der allen
für Begegnungen zur Verfügung steht.
12 TITEL
DEMO 11-12/2019
Im Rhein-Sieg-Kreis setzt der örtliche Entsorger RSAG
auf schärfere Kontrolle der Einwürfe in die Biotonne
Autorin Maicke Mackerodt
V
iele Kommunen machen ähnliche Erfahrungen: Plastikmüll
und Glasflaschen, Dosen sowie
gekochte Essensreste landen in der Biotonne. Solche Abfälle gehören da nicht
hinein, weil sie den späteren Kompostierungsprozess schädigen. Und zusätzlich führen sie zu hohen Kosten, weil
Plastiktüten oder Deckel von Joghurtbechern meist von Hand aussortiert werden müssen. Und trotzdem landet noch
viel zu viel Mikroplastik im Kompost. Öffentlichkeitsarbeit hat bislang wenig bewirkt. Deshalb werden Müllwagen jetzt
mit Scannern ausgestattet, um Störstoffe in der Biotonne aufzuspüren.
146.000 Biotonnen im Kreis
Der Rhein-Sieg-Kreis ist mit fast 600.000
Bürgerinnen und Bürgern der drittgrößte Landkreis Deutschlands. Die SPD ist in
allen Kommunen des Kreises aktiv, trägt
viele Entscheidungen in Sachen Müllentsorgung mit. Der örtliche Entsorger
RSAG hat Müll-Schummlern jetzt den
Kampf angesagt. Siegburg, mitten in der
Innenstadt. Stefan Kämmerer öffnet die
Biomülltonne am Straßenrand, schaut
hinein. Mit bloßem Auge kann der Müllwerker nur obenliegende Plastikteile oder
Restmüllbeutel erkennen. Diesmal scheint
alles okay. Seit knapp 19 Jahren ist er
Müllmann und kennt die „Hotspots“ der
Kreisstadt. Er weiß, wo der Biomüll „mit
ziemlicher Sicherheit verunreinigt ist“ –
trotz intensiver Aufklärungsarbeit in den
vergangenen drei Jahren.
Seit dem Jahr 1995 ist die Biotonne im
Rhein-Sieg-Kreis verpflichtend, 146.000
Bio-Behälter werden mittlerweile geleert. Es sei denn, man kompostiert
Küchenabfälle und Grünschnitt selbst.
„Früher war es vielen völlig egal, was im
Biomüll landete“, so Stefan Kämmerer,
„seit wir im März intensiver hinschauen,
ist es besser geworden“.
Der Müllwerker schiebt die braune
Tonne routiniert zum Müllfahrzeug. Ein
Knopfdruck, der Behälter fährt hoch,
wird automatisch gekippt und entla-
Tipps für die
Biotonne:
Kompostierbare Abfälle
sind Gemüse, Obstschalen, Eierschalen, Laub,
Blumen, Rasenschnitt
und kleine Äste, sowie
Teebeutel und Kaffeesatz.
Plastiktüten, auch biologisch abbaubare, gehören
ebenso wenig in die
Biotonne wie Restmüll,
Textilien, Brikettaschen.
Holzkohle und Grillasche
ist im Biomüll erlaubt.
Ein Stück dicke Pappe
sollte den Boden der
Biotonne bedecken. Besonders feuchte Küchenabfälle sollten zusätzlich
in Zeitungspapier eingewickelt werden. Im Sommer gehört die Biotonne
in den Schatten; das reduziert die Geruchs- und
Madenbildung. MM
den. Bei der nächsten Tonne ertönt ein
schriller Warnton. Seit gut drei Monaten wird mit spezieller Scanner-Technik,
sogenannten Detektoren, geprüft, ob
Blechdosen oder Tetra Paks im Biomüll
gelandet sind. Die Tonne bleibt auf halber Strecke hängen, bewegt sich keinen
Millimeter. Die Hebesteuerung hat ausgesetzt. Das Müllfahrzeug weigert sich,
verunreinigten Biomüll anzunehmen.
Bisher waren nur gut vier Prozent „kontaminiert“. Dass klingt wenig, liegt aber
sicher auch mit daran, dass erst seit März
der erste Müllwagen im Rhein-Sieg-Kreis
mit Detektor im Einsatz ist. „Und erst
seit September ist der Detektor scharf
gestellt“, weiß Stefan Kämmerer.
Die beiden weiße Platten hinten am
Müllfahrzeug fallen kaum auf. Sie überprüfen mit feinster Sensorik, ähnlich wie
bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen, den gesamten Tonneninhalt. Per
Magnetfeld spürt das Detektionssystem
bedruckte Folien, Batterien oder Energiesparlampen auf. Müllwagen zusätzlich mit
Detektoren auszurüsten kostet 60.000
Euro pro Fahrzeug. Das klingt viel, aber
es kostet kommunale Entsorger wie die
RSAG jährlich 300.000 Euro, Biomüll von
Störstoffen zu säubern. Ab 2020 hat die
RSAG einen zweiten Müllwagen mit der
neuen Technik im Einsatz. Der fährt im
vierwöchigen Wechsel durch die 19 Städte und Gemeinden.
Oben: Verunreinigte Biomülltonnen bekommen einen grünen Aufkleber verpasst.
Unten: Müllwerker des RSAG unterwegs. Ist die Tonne falsch gefüllt, ertönt ein Warnton.
Konsequente Kontrolle
Das System wird in Nordrhein-Westfalen
bereits erfolgreich in Euskirchen, Zülpich
und Bad Münstereifel eingesetzt. Auch
im Kreis Lippe ist ein erster Müllwagen
der Abfallentsorgung Lippe (GAL) mit
Detektor unterwegs. Der Schwerpunkt
der Kontrollen liegt in Gebieten mit
besonders schlechter Bioabfallqualität.
„Es ist notwendig, die Biotonnen konsequent zu kontrollieren, so können wir
wertvollen Kompost gewinnen und bringen kein Mikroplastik in die Umwelt ein“,
sagt Dr. Axel Lehmann (SPD), seit vier
Jahren Landrat vom Kreis Lippe. „Erste
Erfahrungen zeigen deutlich, unsere intensiven Prüfungen zeigen Wirkung.“
Bei der ersten Prüfung der „Müllsheriffs“ des Kreises wurden im Sommer bis
zu 50 Prozent der kontrollierten Tonnen
mit roten Karten versehen und nicht
entleert. Bei der Nachkontrolle war die
Qualität wesentlich besser, nur 18 Prozent der Tonnen blieben stehen. „Die
Kontrollen werden fortgesetzt und auf
weitere Gebiete ausgedehnt“, so Landrat Lehmann. Das Kompostwerk Lemgo
ist seit den 70er Jahren Bestandteil der
umweltverträglichen Abfallentsorgung.
Das Verarbeiten kompostierbarer Abfälle sichert in der Region Lippe über 40
Arbeitsplätze.
Etwa 30.000 Tonnen Kompost werden ortsnah in der Landwirtschaft und
im Landschaftsbau eingesetzt. „Durch
unsere Bioabfallvergärung können
mehr als sechs Millionen kWh an regenerativer Energie in das Stromnetz
eingespeist werden“, so Axel Lehmann.
Ganz ohne Störstoffe könnte der Biomüll sogar vollständig zu wertvollem
Dünger verarbeitet und weitere 8.000
Tonnen Naturdünger in den Nährstoffkreislauf zurückgeführt werden.
rsag.de/unternehmen/aktuelles-presse/
kundenhinweise/einzelansicht/meldung/filmklaert-auf-kein-plastik-in-die-biotonne/
FOTOS: MAICKE MACKERODT
Mit Detektoren BiomüllSchummlern auf der Spur
Ist eine Biotonne verunreinigt, verklebt
Kevin van Kampen in Siegburg den Deckel mit einem leuchtend grünen Aufkleber. Dann informiert der Müllwerker die
Verwaltung in Sankt Augustin per Email,
welche Tonne angeschlagen hat und
weshalb sie stehen bleibt. Es gibt keine
Nachleerung, selbst wenn der Besitzer
versucht, den Aufkleber „verschwinden“
zu lassen. Der informiert darüber, dass
der Biomüll per Hand „nachsortiert“
werden soll. Oder man entsorgt ihn kostenpflichtig als Restmüll. Viele Gemeinden verhängen ein Bußgeld von mindestens 25 Euro.
TITEL 13
11-12/2019 DEMO
Coffee to go – and come back
Wie Leipzig gegen die Flut von Einweg-Kaffeebechern kämpft
Autor Harald Lachmann
FOTO: HARALD LACHMANN
K
affee zum Mitnehmen oder
Coffee to go – ein Zauberwort
für unausgeschlafene Frühaufsteher in vollen S-Bahnen, Studenten
auf dem Campus, eilige Kaffeetrinker
schlechthin. Die Wegwerfbecher liegen
im Trend – und damit viel zu oft dann
auch in überquellenden Papierkörben.
Das Umweltbundesamt ermittelte, dass
die Deutschen im Jahr 2,8 Milliarden dieser Einweggefäße nutzen und danach als
Abfall entsorgen. Diese Becherflut summiere sich auf 400 000 Kubikmeter und
blockiere 15 Prozent des Volumens aller
Papierkörbe in deutschen Innenstädten.
Erschreckende Zahlen, die nun auch
die Kommunen wachrütteln. So gab die
Stadt Leipzig unlängst knapp 30.000 Euro
frei und ermöglichte damit die Weiterführung eines Projektes, das der BUND Ende
2018 zunächst probeweise in der größten sächsischen Metropole angestoßen
hatte – es basierte auf einem Stadtratsbeschlusses 2017. Das Projekt nennt sich
„Recycling2go“ und findet zunehmend
Anklang bei Bäckern, Cafébetreibern und
Bahnhofsshops. Ganze Ketten, wie zum
Beispiel der Lukas-Bäcker mit gut 20 Filialen, verkaufen ihren Kaffee zum Mitnehmen nur noch in Pfandbechern.
50 Partner in Leipzig
Das sei auch nötig, so BUND-Projektleiterin Steffi Mühleder. Damit das System
dauerhaft erfolgreich ist, sind mindestens
30 beteiligte Betriebe nötig, erläutert
Mühleder. Denn das Modell fuße darauf,
dass die leeren Cups auch in anderen Geschäften zurückgegeben werden können.
Inzwischen bieten allein in Leipzig um die
Pfandbecher von Recup bieten
in Leipzig schon rund 50 Geschäfte an. Der Deckel kostet
allerdings extra und kann
nicht zurückgegeben werden.
50 Geschäfte die Mehrwegbecher zum
Pfand von einem Euro an.
Projektpartner ist die Recup GmbH
in München, die nun daran strickt, das
Pfandsystem bundesweit zu etablieren.
Seit dem Start vor drei Jahren schließen
sich immer mehr Städte und Kommunen
dem Becher-Pfandsystem an, darunter
München in 2017. Bundesweit sind es
schon Hunderte, so in Augsburg, Berlin,
Chemnitz, Lübeck und Nürnberg. Nach
dem Gewinn einer Ausschreibung der
Behörde für Umwelt und Energie wurde
Recup auch zum offiziellen Pfandsystem
der Stadt Hamburg ausgewählt.
Da viele Gastronomen, die sich dem
System anschließen wollen, indes einen
Teil ihrer Logistik dafür umstellen müssen,
„steht ihnen der BUND hierbei beratend
zur Seite“, so Sebastian Gerstenhöfer,
BUND Leipzig. In der Stadt werde dazu
jetzt sogar eine Beratungsstelle aufgebaut. Wer übrigens einen Deckel zum Becher braucht, muss diesen für 1,30 Euro
extra kaufen. Er kann aber – aus Hygienegründen – nicht zurückgegeben werden.
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Gemeinderat und
in den Aufsichtsräten kommunaler
Unternehmen gelten. Mit vielen
praxisnahen Hinweisen aus langjähriger Erfahrung stellen sie ein
fundiertes und übersichtliches
Hilfsmittel bereit.
Achim Grunke /
Alexander Thomas
Ein Handbuch
217 Seiten; 6,90 €; ISBN 978-3-945564-09-7
Infos und Bestellungen
Telefon 0351 48279-45
www.kommunalforum-sachsen.de
14 TITEL
DEMO 11-12/2019
Ein „High-Tech-Hai“ schluckt Plauener
Innenstadtmüll
Die sächsische Kreisstadt führt ein intelligentes Papierkorb-System auf Mietbasis ein
Autor Harald Lachmann
K
ben, bisher nur gemietet.“ Mit diesem
Modell wurden die Plauener sogar Vorreiter in Deutschland. Mietbeginn war
Ende August, und die Konditionen für
14 Behälter à 110 Liter und einen à 150
Liter hält er für gut kalkulierbar: „Wir
zahlen pro Gefäß und Tag 1,10 Euro.“
Der Vertrag sehe auch vor, dass die
Schweizer die Tonnen einmal im Jahr
reinigen.
ommt Enrico Schmidt morgens
gegen sieben Uhr in sein Büro,
surft er als erstes auf die „HaiInsel“. Mit einem Blick sieht er dann im
Computer, was Sache ist: Der Altmarkt
signalisiert Rot, am Theaterplatz und
vorm Wöhrl-Kaufhaus leuchtet es Gelb,
die anderen Standorte liegen noch im
grünen Bereich. So kann der Vorarbeiter
der Straßenaufsicht im Plauener Bauhof
seine Leute gezielt zum Leeren der „Abfallhaie“ in die richtige Spur schicken.
Denn ein „Hai-Auge“ im Inneren
jedes Behälters erfasst den Füllstand,
klassifiziert ihn nach einem Ampelsystem und liefert die Daten mittels eines
eingebauten 3G-Modems online an
jene „Hai-Insel“. Das ist eine speziell
hierfür entwickelte Internet-Plattform,
die jeden Behälterstandort via Google
Maps sogar mit Foto erfasst hat. Ihr Inhalt kann per Smartphone, Tablet oder
PC in Echtzeit abgerufen werden.
Unnötige Fahrten entfallen
„So muss ich die Fahrzeuge nur rausschicken, wenn wirklich eine Leerung
ansteht“, erläutert Schmidt. „Unnötige Fahrten entfallen also, so dass die
Männer mehr Zeit für andere Arbeiten haben. Immerhin betreuen wir in
Plauen 806 Papierkörbe und 58 Hundekotbeutelspender.“ Clever findet es
der 37-Jährige auch, dass er dank der
intelligenten Abfallkörbe nun unkompliziert eine Statistik darüber führen
kann, welche Standorte besonders frequentiert sind: „So kann ich den Leerungsrhythmus präziser anpassen, teils
auch abhängig vom Wochentag und
vom Wetter.“
Einige der Müllbehälter im Zentrum
der sächsischen Vogtlandgemeinde
gehören nun also zur „Hai“-Familie:
Erdacht hat sie die Herstellerfirma im
schweizerischen Knonau bei Zürich. Die
großvolumigen, stabilen und mit ihrer
gebürsteten matten Edelstahloberfläche auch optisch ansprechenden Abfallbehälter haben die Verantwortlichen in Plauen überzeugt. Die bisher
vor allem in der Altstadt genutzten
Bauhofmanager Enrico Schmidt prüft den Füllstand des „Abfall-Hais“ in Plauen.
So muss ich die
Fahrzeuge nur
rausschicken,
wenn wirklich
eine Leerung
ansteht.
Enrico Schmidt, Chef der
Straßenaufsicht in Plauen
Papierkörbe sahen zwar auch gut aus,
aber sie fassten weit weniger Müll, zudem waren sie anfälliger gegen Schäden und Vandalismus, mussten dann
immer wieder komplett ausgetauscht
werden.
Doch die Schweizer Offerte war
auch nicht preiswert. „Ab 900 Euro
aufwärts pro Behälter aus 3 mm starkem Edelstahl“, berichtet Schmidt.
Das ist kein Pappenstiel für eine
65.000-Einwohner-Stadt. So zögerte
man anfangs, um sich dann aber auf
einen guten Kompromiss zu einigen:
„Wir haben jene 15 Abfallbehälter, die
wir alle in der Innenstadt installiert ha-
Im März will man dann in der Gebäude- und Anlagenverwaltung (GAV) –
ein städtischer Regiebetrieb, zu dem
der Bauhof gehört – eine größere Zwischenbilanz ziehen und beraten, ob
man den Mietvertrag verlängert. Vielleicht kaufen wir auch einen Teil der
Gefäße, so Schmidt, ohne sich über
konkrete Preise auszulassen.
Auf jeden Fall wirkt der Bauhofmanager sichtlich zufrieden mit dem
„Abfallhai“-System: „Alles geht schneller,
effektiver und sauberer als bisher.“ Der
Edelstahl roste nicht, und Schmierereien
ließen sich so auch leichter entfernen.
Man merke, dass sich die Entwickler dieses Systems in der Materie auskennen:
„Bis in Nuancen wissen sie, was für jene,
die damit arbeiten müssen, nützlich ist.“
So stünden die Tonnen auf einem Drehfuß, um Steigungen im Straßenpflaster
auszugleichen, sie ließen sich problemlos montieren, und auch die Türöffnung
springe beim Leeren von allein auf, sobald man den Schlüssel drehe.
Zu den erwähnten nützlichen Nuancen gehört auch ein „Hai-Zahn“, der
inmitten des Einwurfschlitzes platziert
ist. Eine simple Idee, die sich jedoch als
sehr wirksam erweist. Denn so lassen
sich hier keine großen Hausmülltüten
illegal entsorgen. Dieses Problem hatte
der Bauhof zuvor, weil einige Einwohner plötzlich in der Innenstadt ihren
Hausabfall entsorgten, nachdem der
Vogtlandkreis die Müllgebühren verteuert hatte. Damit waren die Entsorgungskosten von 200 Euro pro Tonne
plötzlich bei der Stadt hängen geblieben.
FOTO: HARALD LACHMANN
Zwischenbilanz im März
TITEL 15
11-12/2019 DEMO
Beutel in der Diskussion
Sind nachhaltige Hundekot-Tüten eine sinnvolle Alternative?
Autor Uwe Roth
I
n die Diskussion über vermeidbaren
Plastikmüll sind die Hundekotbeutel
geraten. Die sind in der Regel aus
Polyethylen. Kommunen verteilen solche
Kottüten an Hundehalter – in der Hoffnung, dass diese die Hinterlassenschaft
ihres Vierbeiners nicht auf öffentlichen
Flächen liegen lassen. In Deutschland
leben mehr als neun Millionen Hunde in
fast 20 Prozent der Haushalte. Bereits in
kleineren Städten kommen da erstaunliche Mengen zusammen: Leonberg mit
48.000 Einwohnern grenzt westlich an
Stuttgart. 1.500 Vierbeiner sind gemeldet. Die Verwaltung schafft jährlich nach
Angaben des Sprechers von Oberbürgermeister Martin Cohn (SPD) 1,3 Millionen
Tüten an. Die belasten den Haushalt mit
etwa 4.000 Euro.
Gewichtiger ist der Entsorgungsaufwand. Ein Beutel wiegt 1,7 Gramm. In der
Summe sind das 2,55 Tonnen Plastik im
Jahr. Im Schnitt bringt ein Hundehaufen
60 Gramm auf die Waage. Alles in allem
landen in Leonberg etwa 80 Tonnen befüllte Beutel im Restmüll. In der Region
Stuttgart kommt der in die thermische
Abfallentsorgung. In einer Großstadt wie
Mannheim wird in anderen Dimensionen
gerechnet: „Jährlich werden über 3,5 Millionen Hundekottüten an Paten ausgegeben, die die Spenderboxen im Stadtgebiet befüllen“, berichtet eine Sprecherin
von Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD).
Neben 25.000 Euro für die Beschaffung
fallen 217 Tonnen Kot und Plastik an.
Bußgeld droht
Wie viele Beutel tatsächlich im Müll
eimer landen, weiß niemand. Nicht wenige bleiben gefüllt in der Landschaft liegen. Wer Hundekot liegen lässt, begeht
eine Ordnungswidrigkeit. Das Bußgeld ist
unterschiedlich hoch: In Leonberg sind es
bis zu 150 Euro, in Mannheim 250 Euro,
wenn der Hundedreck in einem Sandkasten landet. Die Gefahr, erwischt zu
werden, scheint gering zu sein. In Mannheim wurden 2019 bisher drei Bußgeldbescheide erlassen. In manchen Kommunen wird eine Diskussion geführt, Tüten
aus Maismehl anzuschaffen, auch wenn
der Preis höher liegt. Aus Sicht der Wissenschaft ist die thermische Entsorgung
VIELE HAUFEN
25.000
Euro fallen für die Beschaffung
von Hundekot-Tüten in
Mannheim an.
3,5
217
Tonnen befüllte Plastikbeutel
landen im Restmüll.
QUELLE: EIGENE RECHERCHE
In Elmhorns Straßen ist ein Ermittler Müllsündern auf der Spur
Autor Carsten Wittmaack
FOTOS: STOCK.ADOBE.COM/RICHTSTEIGER; CARSTEN WITTMA ACK
M
Rolf Valentin: Erst Reden, dann
erst Bußgeld verhängen.
bussgeldkatalog.org/umwelt-hundekot/
Millionen Plastiktüten für die
Hinterlassenschaft von Hunden
gibt Stuttgart pro Jahr aus.
„Müllpolizei“ geht Streife
it Humor erreicht man am
meisten“, sagt Elmshorns
Ordnungamtschefin Martina
Sözen. Das habe eine Langzeitstudie der
Berliner Humboldt-Universität gezeigt,
die sich mit dem Thema Sauberkeit in
Großstädten auseinandergesetzt habe.
Nun ist die 50.000-Einwohner-Stadt
Elmshorn keine wirkliche Großstadt,
doch das Konzept wurde zumindest im
Kern übernommen. Eine „Müllpolizei“
und ein per Flyer zusammengefasster
Strafenkatalog sollen helfen, die Stadt
im Norden des Kreises Pinneberg sauberer zu machen. Und die Bürger für das
Thema zu sensibilisieren.
Müllpolizei und Strafenkatalog – nach
Humor klingt das auf den ersten Blick
nicht. Doch es ist der Mann hinter dem
von Hundekot in normalen Tüten unproblematisch: „Grundsätzlich wäre eine
Wiederverwertung von Kunststoffen der
Verbrennung natürlich vorzuziehen, aber
das ist bei Hundekot in Beuteln wohl kein
gangbarer Weg“, sagt Professor Günter
Scheffknecht, vom Institut für Feuerungsund Kraftwerkstechnik an der Universität Stuttgart. „Die Mitverbrennung von
Polyethylenbeuteln in den thermischen
Verwertungsanlagen ist – zumal es sich
im Vergleich zum Gesamtmüllaufkommen um eher kleine Mengen handelt
– sicherlich unproblematisch.“ Tüten
aus Maismehl oder Pappe bringen aus
seiner Sicht in der Verbrennung keinen
Vorteil. Trotz allem, sagt er, die Mengen
an Hundekot seien „beeindruckend“.
Konzept, der genau diese Komponente
in seine Alltagsarbeit einfließen lassen
soll. Rolf Valentin ist jener zentrale Ermittlungsbeamte, der als „Müllpolizist“
auf den Straßen Elmshorn unterwegs
ist. Valentin war Feuerwehr-Gerätewart
in Elmshorn und ist als Zugführer vielen
Einwohner ein Begriff. „Das ist wichtig“,
betont Sözen, allein schon, um Vertrauen herzustellen. Der Ur-Elmshorner hat
bereits mehr als 600 Fälle von weggeworfenen Zigarettenkippen, gut 100
nicht angeleinte Hunde im Innenstadtbereich und 90 Parkverstöße am Bahnhof geahndet.
„Die Verursacher wurden direkt auf
ihr Fehlverhalten hingewiesen“, sagt
Ordnunsgamtschefin Sözen. Und zwar
auf freundliche Art. Und wenn möglich
Wer Hundekot liegen lässt, begeht eine
Ordnungswidrigkeit.
auch mit dem schon angesprochenen
Schuss Humor. Alles unter dem Motto:
Erst reden, dann erst ein Verwarnungsgeld verhängen. Doch der Kuschelkurs
kann auch schnell vorbei sein. „Wir werden – vor allem im Wiederholungsfall –
Bußgelder verhängen“, betont Stadtrat
Dirk Moritz.
Wer Hundekot liegen lässt oder seinen Abfall nicht beseitigt, muss bis zu
150 Euro zahlen. Der achtlos weggeschmissene Kaugummi und die Zigarettenkippe, die zu Boden geschnippt wird,
kosten 20 Euro. Wer wiederholt gegen
die Anleinpflicht von Hunden verstößt,
muss sogar mit einer Strafe von bis zu
500 Euro rechnen. Die Stadtverwaltung
hat unter dem Titel „Elmshorn supersauber“ die Delikte und möglichen Strafen
in dem Flyer zusammengestellt. „Wir
wollen das Verhalten der Menschen ändern, damit Elmshorn lebenswert und
attraktiv bleibt“, betont der parteilose
Bürgermeister Volker Hatje. Aus Sicht
der Verwaltung zeigt der Kurs bereits
Wirkung. „An vielen Ecken der Stadt ist
es schon sauberer“, sagt Moritz.
16 TITEL
Perspektiven für
Langzeitarbeitslose
In Bremen-Nord sorgen die Umweltwächter für ein Stück
Sauberkeit – Zustimmung aus der Bevölkerung
Autor Ulf Buschmann
M
orgens, 7 Uhr: Detlef Michel
und Lars Friesecke sind einsatzbereit. Vom Arbeits- und
Lernzentrum (ALZ) aus starten die beiden
Männer in ihrer leuchtend gelben Arbeitskleidung zu ihrer Tour. Bis zu 15 Kilometer
sind sie unterwegs – montags bis donnerstags von 7 bis 16 Uhr, freitags von 7
bis 13 Uhr. Ihre Arbeitsgeräte: ein Handwagen mit Müllsack, zwei Eimer und zwei
Greifer sowie Schaufel und Besen. Damit
sorgen Detlef Michel und Lars Friesecke
im Stadtteil Vegesack für Sauberkeit.
„Umweltwächter“ steht hinten auf ihren
Jacken.
Mitarbeiter der Bremer Stadtreinigung
sind Detlef Michel und Lars Friesecke jedoch nicht. Sie stehen in einem besonderen Beschäftigungsverhältnis: Ihr Arbeitgeber ist die Bremer Senatskanzlei, angestellt sind sie über das Ortsamt und koordiniert wird ihr Einsatz über das Arbeit
und Lernzentrum (ALZ), einem der größten und ältesten Beschäftigungsträger der
Stadt. Die „Umweltwächter“, von denen
es im Stadtbezirk – mit seinen Stadtteilen
Blumenthal, Burglesum und Vegesack –
15 gibt, sind Langzeitarbeitslose.
Suche nach Alternativen läuft
So auch Detlef Michel und Lars Friesecke.
Beide haben jahrelang Arbeitslosengeld II
bezogen. Als „Umweltwächter“ werden
sie für die Dauer ihrer Beschäftigung nach
dem geltenden Tarifvertrag der Länder,
TVL, bezahlt. Sie bekommen monatlich
zwischen 2.100 und 2.400 Euro brutto.
Das Geld kommt aus dem „Landesprogramm ,Perspektive Arbeit‘ für SGB-IIBeziehende“ (LAZLO) – allerdings nur
bis Ende des Jahres, denn das Programm
läuft aus. Aufgeben jedoch möchte die
Stadt ihre „Umweltwächter“ nicht. Deshalb läuft die Suche nach Alternativen
derzeit auf Hochtouren. „Das ist im Abstimmungsprozess“, sagt Senatssprecher
Christian Dohle.
Papier, Plastik, achtlos weggeworfene
Verpackungen und sogar volle Babywindeln: Detlef Michel und Lars Friesecke
werden auf ihren Touren mit den Über-
Es ist ein
Instrument
der Arbeitsförderung.
Christian Dohle,
Senatssprecher
bleibseln der hiesigen Zivilisation konfrontiert. Dafür, dass es jetzt Menschen gibt,
die das alles einsammeln und für ein viel
saubereres Erscheinungsbild im Stadtteil
sorgen, gibt es viel Zustimmung aus der
Bevölkerung. Während Detlef Michel wieder ein Stück Plastik in seinen Eimer füllt,
überlegt er kurz. „Ich würde sagen 90 bis
95 Prozent der Menschen begrüßen unsere Arbeit“, meint er. Lars Friesecke nickt
zustimmend. Ihr Chef Holger Degwitz,
Projektleiter Integrationsförderung beim
ALZ, wagt sich gar an die 98-ProzentMarke. Die „Umweltwächter“ seien eine
echte Erfolgsgeschichte.
Sie reicht zurück bis zum Ende des Jahres 2016. Damals fiel beim Förderverein
Bürgerstiftung im Stadtteil Blumenthal
die Entscheidung, etwas gegen die Vermüllung der öffentlichen Flächen zu tun.
Doch auf die Mitarbeiter der Kommune
konnten die Blumenthaler nicht zählen,
weil es für die Grünflächenunterhaltung
zu wenig Leute gibt. Also suchte der Vorsitzende des Vereins, Ortsamtsleiter Peter
Nowack, nach Alternativen und fand sie
in LAZLO und „Pass“, dem Bildungs- und
Teilhabepaket des Landes Bremen. Über
den Verein wurden Langzeitarbeitslose
als erste „Umweltwächter“ eingestellt. Sie
nahmen ihre Arbeit zum 1. April 2017 auf.
Detlef Michel (l.) und Lars Friesecke arbeiten als „Umweltwächter“ in Bremen-Nord.
Damit gelang den Blumenthalern ein
mehrfacher Coup: Die „Umweltwächter“
sorgten für weniger Müll und Menschen,
die zum Teil mehrere Jahre arbeitslos gewesen waren, bekamen einen regulär bezahlten Job. „Wir zeigen ihnen, dass sie
noch zu etwas nutze sind“, sagt Nowack.
Hinzu kam schon vor mehr als zwei Jahren, dass ihre Tätigkeit bis heute auf allgemeines Wohlwollen gestoßen ist. Deshalb
fiel alsbald die Entscheidung, das Projekt
„Umweltwächter“ auf die beiden anderen
Stadtteile Bremen-Nords auszudehnen.
Wie gut das Ganze läuft, sprach sich
alsbald in ganz Bremen herum. Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD)
bekräftigte denn auch in seiner Regierungserklärung Ende August, die „Umweltwächter“ für die ganze Stadtgemeinde „verstetigen“ zu wollen. Jedoch: Im
Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und
Linken finden sich die „Umweltwächter“
nicht wieder. Und dass sie als Mitarbeiter
der Bremer Stadtreinigung in den ersten
Arbeitsmarkt übernommen werden, sei
auch nicht geplant, erklärt Senatssprecher
Dohle: „Es ist ein Instrument der Arbeitsförderung.“
Genau das ist die Krux. Da das Programm LAZLO zum Jahresende ausläuft,
müssen andere Finanzierungsmöglichkeiten her. Diese haben die Verantwortlichen
bereits ausgemacht. Detlef Michel, Lars
Friesecke und ihre Kollegen sollen über
Paragraf 16i des Sozialgesetzbuchs (SGB)
II bezahlt werden. „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ ist diese Regelung überschrieben.
Darüber ist die Finanzierung für insgesamt fünf Jahre geregelt. Demnach zahlt
das Jobcenter laut Gesetz „in den ersten
beiden Jahren des Arbeitsverhältnisses
100 Prozent“ der Lohn- und Gehaltskosten. Im dritten Jahr sind es noch 90
Prozent, im vierten 80 sowie im fünften
Jahr 70 Prozent. Ob diese Regelung indes schon zum 1. Januar greift, ist zurzeit
noch ungewiss. Klar ist nur, dass es mit
den „Umweltwächtern“ weitergehen soll.
Sowohl Degwitz als auch Dohle sind zuversichtlich. Für die betroffenen Mitarbeiter wie Detlef Michel und Lars Friesecke
ist es eine Hängepartie. Wenn sie nämlich
bis zum 1. Januar 2020 keinen Anschlussvertrag bekommen haben, bleibt ihnen
erst einmal nichts anderes als der Bezug
von Arbeitslosengeld II. Besser geht es da
zwei ihrer Blumenthaler Kollegen. Sie sind
über den Bürgerstiftungs-Förderverein
angestellt. Dafür nutzt dieser das PassProgramm. Vorteil laut Nowack: Diese
„Umweltwächter“ ließen sich nach den
hiesigen Bedarfen einsetzen.
https://alz-bremen.de/
FOTO: ULF BUSCHMANN
DEMO 11-12/2019
11-12/2019 Anzeigen-Sonderveröffentlichung
Kommunalen Einfluss gestärkt
Verpackungsgesetz: Mehr Spielräume für die öffentlich-rechtlichen Entsorger,
höhere Recyclingquoten und Anreize für ökologischeres Design und Material
Autor Michael Thews, MdB
FOTO: JANINE SCHMITZ /PHOTOTHEK.NET
F
ür die SPD-Fraktion ist die Stärkung der Kommunen und ihrer
kommunalen Unternehmen eine
Grundsatzposition. Nach unserer Auffassung unterliegt die Sammlung und
Erfassung von Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen der Daseinsvorsorge und gehört in die Verantwortung der Kommunen. Die kommunale
Zuständigkeit verhindert Lohndumping
und niedrige soziale Standards, garantiert die Beachtung örtlicher Gegebenheiten und schafft Zuverlässigkeit für
Bürgerinnen und Bürger.
In diesem Sinne hat sich auch die
SPD-Bundestagsfraktion in der Vergangenheit immer eingesetzt. Gemeinsam
mit kommunalen Spitzenverbänden, öffentlich-rechtlichen Entsorgern und der
Gewerkschaft ver.di haben wir gegen
Privatisierungen in der Abfallwirtschaft
gekämpft und versucht, „Rosinenpickerei“ durch die Privatwirtschaft zu verhindern. Wir haben auf Bundesebene
in der letzten Legislaturperiode das Verpackungsgesetz auf den Weg gebracht,
das Anfang dieses Jahres in Kraft getreten ist. Ein Gesetz, das gut für die Umwelt und gut für die Kommunen ist, davon bin ich fest überzeugt. Wir erhöhen
deutlich die Recyclingquoten und geben
Anreize für ökologischeres Design und
Verwendung von Recyclingmaterial.
Die Kommunen erhalten mit dem Gesetz mehr Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten bei der Entsorgung als sie bisher hatten. Die wichtigste Ausweitung
der Einflussmöglichkeiten der Kommunen betrifft die Abstimmungsregelungen. Hier kann jetzt der öffentlich rechtliche Entsorger bestimmte Vorgaben
für die Sammlung einseitig per Verwaltungsakt festlegen. Dies ist ein Paradigmenwechsel zu dem bisher bestehenden
Kooperationsprinzip zwischen öffentlich
rechtlichem Entsorger und dualem System und stellt eine deutliche Verbesserung dar.
Obwohl wir in Deutschland über eine funktionierende Entsorgungsstruktur
und Recyclingwirtschaft verfügen, in
den vergangenen Jahren viel im Bereich
Kreislaufwirtschaft vorangebracht, den
einer Mindestquote für den Einsatz von
Rezyklaten bei der Herstellung bestimmter Produkte ökologisch sinnvoll ist. Generell gilt, eine moderne Kreislaufwirtschaft muss vom Anfang, nicht vom Ende her, gedacht werden. Bereits bei der
Produktion muss die Wiederverwertung
und ein möglichst einfaches, effizientes
Recycling beachtet werden. Das betrifft
den Joghurtbecher genauso wie das TShirt und den Lithium-Ionen-Akku.
Abfallvermeidung im Fokus
Ein Schild informiert über Mülltrennung in Berlin. Eine moderne Abfallwirtschaft
muss Abfallentsorgung, -trennung und -verwertung im Blick haben.
Eintrag von Abfällen in die Umwelt reduziert haben, produzieren wir noch
immer zu viel Müll und verschwenden Ressourcen. Die Menge an Verpackungsmüll ist 2017 wieder um 3 Prozent
gestiegen – auf rechnerisch 226,5 kg pro
Person. Aktuelle Konsumgewohnheiten
wie der Coffe to Go, Take-Away oder
Online-Einkäufe haben zu einem enormen Anstieg an Verpackungsabfällen
geführt. Darüber hinaus sind Produkte
kurzlebiger geworden, werden seltener
repariert und zu schnell weggeworfen.
Deshalb müssen aus Sicht der SPDBundestagsfraktion noch stärker die
Vermeidung und das „hochwertige“
Recycling bereits bei der Planung von
neuen Produkten berücksichtigt werden. Hier halten wir eine Ausweitung
der Verantwortung der Hersteller für
dringend erforderlich. Entsprechende
Ansätze haben wir im Verpackungsgesetz durch die Ökologisierung der Lizenzentgelte geschaffen. Dabei wollen wir
aber nicht stehenbleiben. Wir müssen
prüfen, ob durch die Schaffung eines
Fonds nachhaltiges Produktdesign verstärkt angereizt werden kann. Ebenso
muss geprüft werden, ob die Einführung
Noch stärker
müssen die
Vermeidung
und das hochwertige Recycling bereits bei
der Planung
von neuen
Produkten
berücksichtigt
werden.
Michael Thews,
MdB
Eine moderne Kreislaufwirtschaft darf
nicht allein die Abfallentsorgung, -trennung und -verwertung im Blick haben.
Vielmehr steht die Abfallvermeidung im
Mittelpunkt unserer Überlegungen. Die
Ausweitung der Herstellerverantwortung, Vorgaben beim Produktdesign,
Förderung von Mehrwegsystemen und
der vermehrte Einsatz von Sekundärrohstoffen sind Lösungsmöglichkeiten.
Die EU hat in ihrer Kunststoffstrategie
weitere Vorschläge zur Verminderung
von Plastikabfällen vorgelegt. So sollen
2030 alle auf dem EU-Markt in Verkehr
gebrachten Kunststoffverpackungen
wiederverwendbar oder recycelbar sein.
Ein wichtiges und richtiges Ziel!
Daneben enthält die Strategie Vorgaben zur Herstellung von Kunststoffprodukten, Maßnahmen zur Förderung
alternativer Produkte und zur Müllvermeidung. So werden die zehn „Topverursacher“, also die am häufigsten an den
Stränden gefundenen Einwegplastikartikel, verboten. Das trifft z.B. Einweggeschirr aus Plastik, Einweg-Plastikbecher,
Strohhalme und Wattestäbchen. Dies
ist richtig, denn für die vom Verbot vorgeschlagenen Produkte gibt es bereits
heute ökologische Alternativen. Die
SPD-Bundestagsfraktion wird die Umsetzung der europäischen Vorgaben aktiv begleiten und dabei den Aspekt der
Daseinsvorsorge, die Beachtung sozialer
Standards und „gute Löhne für gute Arbeit“ nicht aus den Augen verlieren.
V.i.S.d.P.:
Carsten Schneider, 1. Parlamentarischer Geschäftsführer,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Tel.: (030) 227-744 20,
carsten.schneider@spdfraktion.de
18 FRIEDLICHE REVOLUTION
DEMO 11-12/2019
Aufbruch zur demokratischen
Erneuerung
Viele in der Gesellschaft fühlen sich politisch verlassen –
Kommunen müssen ihre Gestaltungskraft zurückgewinnen
G
und infrastrukurelle Fragen überlagern
sich daher oft mit ostdeutschen Identitätsfragen.
Auch deshalb wurden Geflüchtete
zu Projektionsflächen von Ungerechtigkeitsgefühlen: Der Staat kümmert sich
um so vieles, aber nicht um uns. Alltägliche Probleme würden durch die Politik
nicht anerkannt, zum Beispiel, dass der
Lohn nicht zum Leben reicht. Bei der Einführung des Mindestlohns von 8,50 Euro
profitierte ein Viertel der Arbeitnehmer
in Sachsen, gerade im ländlichen Raum.
Gerade hier gibt es viel zu selten „hidden champions“ (heimliche Weltmarktführer, d.Red.), wie man sie im Westen
in ländlichen Regionen findet!
Gleichzeitig erleben wir eine Krise
der repräsentativen Demokratie in Ostdeutschland. Landkreise wurden zu riesigen Gebilden zusammengelegt, Polizeireviere eingespart, Finanzämter fusioniert:
Die Verwaltung wurde immer ferner.
Kreistage und Gemeinderäte immer unnahbarer. Manche behaupten sogar, dass
der Populismus desto besser gedeiht, je
größer die Gemeindezusammenschlüsse
und Landkreise werden. Das Problem
sind hier unterschiedliche Rahmenbedingungen zwischen Ost und West: In
Sachsen sind Parteien, Zivilgesellschaft
und ehrenamtliches Engagement schwächer. Viele pflegen eine schon in der DDR
entwickelte Halbdistanz zu politischen
Entscheidungsträgern und sind kritischer
gegenüber dem Funktionieren der Demokratie. Das repräsentative System ist
überaus ausgedünnt.
DEMO-SERIE
Die Friedliche Revolution
setzte 1989 der Herrschaft der SED im Osten
Deutschlands ein Ende.
Im Jahr darauf folgte die
Deutsche Einheit. Beide
Ereignisse prägen die
Bundesrepublik bis heute.
Auch auf kommunaler
Ebene: In den neuen Bundesländern wurden Politik, Verwaltung und Wirtschaft neu organisiert.
Ganze Landstriche erlebten einen Strukturwandel.
Mit diesem Gastbeitrag
endet die Artikelserie über
die Friedliche Revolution
und ihre Folgen. CFH
Staatsministerin Petra Köpping
fordert eine bessere finanzielle
kommunale Grundausstattung.
Was also tun? Wir müssen die Themen
Sicherheit und soziale Fragen sozialdemokratisch, vernünftig, grundlegend
und zugleich kreativ beantworten. Wir
brauchen einen Paradigmenwechsel:
Reine Rendite-Interessen dürfen bei der
öffentlichen Daseinsvorsorge nicht im
Vordergrund stehen. Wir brauchen Ansprechpartner vor Ort und nicht 30 km
entfernt, wo man keinen kennt. Wir
brauchen Menschen, die sich in jedem
Dorf um andere kümmern. Bei der Digitalisierung darf sich nicht der Fehler von
Landkreisreformen wiederholen, nur
die Spareffekte zu sehen: Jeder Verwaltungsmitarbeiter sollte durch Digitalisierung einfacher Verwaltungsangelegenheiten mehr Zeit erhalten, sich um die
konkreten Bedürfnisse und Probleme vor
Ort zu kümmern.
Wir brauchen schließlich einen Aufbruch zur demokratischen Erneuerung.
Wie einst fast 30 Jahre nach Kriegsende
Willy Brandt notwendige DemokratieReformen in der alten Bundesrepublik
begann und „mehr Demokratie“ wagte,
brauchen wir 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution einen ebensolchen
Aufbruch. Etwa durch die Einrichtung
von Bürgerhaushalten in jeder Kommune, und durch eine stabile, planbare,
deutlich bessere finanzielle kommunale
Grundausstattung, so dass die gewählten Gremien auch Spielraum bekommen. Kommunen müssen ihre Gestaltungskraft zurückgewinnen, durch eine
Verwaltung, die handlungsfähig und
eine Bürgerschaft, die beteiligungsbereit
ist. Damit beleben und erneuern wir unsere Demokratie.
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„Überlassen Sie die Besetzung
“
von Führungspositionen nicht dem Zufall …
– Edmund Mastiaux, Inhaber
zfm • Seit 25 Jahren Personalberatung für Verwaltungen und kommunale Unternehmen
www.zfm-bonn.de
FOTO: PHOTOTHEK.NET/JÖRG CARSTENSEN
Grundlegende Antworten finden
Gastbeitrag Petra Köpping
enau 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution sind Ostdeutschland und Sachsen offensichtlich ziemlich gespalten. In den
kleineren und mittleren Städten und Gemeinden erhielt die AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen mehr 30 Prozent.
In den großen Städten blieb sie knapp
unter 20 Prozent. Zum Teil ist die AfD
dort stark, wo auch die NPD in der Vergangenheit hohe Ergebnisse erzielte.
Doch die Mobilisierung extrem rechter
Wähler ist eben nur ein Teil der Erklärung.
Derzeit sehen wir etwa die gesellschaftlichen Folgen des Wegbrechens
von Sozial- und Verkehrsinfrastruktur der
2000er Jahre. Wie in der Studie „Rückkehr zu den politisch Verlassenen“ des
Progressiven Zentrums beschrieben, erlebten viele Menschen aus ländlichen
sowie klein- und vorstädtischen Gebieten
eine Strukturschwächung der eigenen
Umgebung als persönliches Entwertungsgefühl, „sei es durch das Abmontieren des öffentlichen Briefkastens oder die
Streichung von Busverbindungen.“ Diese
subjektive Entwertung traf den Osten das
zweite Mal in kurzer Zeit – denn die Erfahrungen mit Treuhand und Abwanderung sind fest im kollektiven Gedächtnis
verankert. Denn wenn damals Betriebe
im ländlichen Raum und in ehemals stolzen Klein- und Mittelstädten der DDR
geschlossen wurden, bedeutete das nicht
nur hohe Arbeitslosigkeit, sondern auch
den Verlust sozialer Aktivitäten, die zuvor
über Betriebe organisiert waren. Soziale
Schließlich ist noch das Thema „Sicherheit“ zu nennen, und zwar nicht nur in
den grenznahen Regionen Ostsachsens,
sondern auch in den Städten: Die AfD
wird v.a. von Männern gewählt, doch
auch Frauen über 60 Jahre stimmten
diesmal in den Städten häufiger für die
AfD: Die Angst-Debatte, man „könne
sich nachts nicht mehr auf die Straße
trauen“, hat scheinbar funktioniert.
DEMO-KOMMUNALKONGRESS 19
11-12/2019 DEMO
Visionen für lebenswerte Städte,
Landkreise und Gemeinden
Auf dem Weg zum kommunalen
Familientreffen
Der 14. DEMO-Kommunalkongress bot Politikerinnen und Politikern
aller Ebenen eine Plattform zum Austausch von Ideen und Meinungen
Autorin Karin Billanitsch, Benedikt Dittrich, Carl-Friedrich Höck
A
Der Stand des DEMO-Teams im
Ausstellerbereich
Gut gefüllte Reihen zum
Auftakt des Kongresses
FOTOS: PHOTOTHEK.NET/JÖRG CARSTENSEN
Macht sich für das „Rote
Wien“ stark: Michael Ludwig
Im Gespräch: Bernhard
Daldrup und Cansel Kiziltepe
uf dem 14. DEMO-Kommunalkongress gab es viel zu sehen,
hören und richtig was zu feiern:
Mehr als 400 Menschen kamen in diesem
Jahr nach Berlin, um sich Inspirationen für
ihre Arbeit zu holen unter dem Motto:
„Kommune – Konkret – Gestalten“. Nicht
zuletzt konnten die Teilnehmer gleich
drei Jubiläen miteinander feiern: 30 Jahre Friedliche Revolution. 100 Jahre „Rotes Wien“ und – nicht zuletzt – 70 Jahre
DEMO. Dass die Herausforderungen und
Probleme nicht weniger werden, aber angepackt werden müssen, machte Chefredakteurin Karin Nink zum Kongressauftakt deutlich und versicherte: „Wir von
der DEMO wollen Sie dabei, so gut es
geht, unterstützen.“
Blick in die Zukunft
„Denn am Ende geht es darum, den sozialen Zusammenhalt und die Demokratie in Deutschland zu wahren
– und das geht nur vor Ort“: Bundesfamilienministerin Franziska Giffey redete vor Kommunalen.
In welcher Gesellschaft, in welchen Kommunen wollen wir künftig leben? Diese
Frage stellte Nink und beantwortete sie
sogleich: „2030 werden wir in unseren
Städten, Gemeinden und Landkreisen
in einer starken Demokratie leben und
Rechtsradikale und Rechtspopulisten jeden Einfluss genommen haben.“ Den
Wählerinnen und Wählern der rechten
Fanatiker werden die sozialdemokratischen Politiker gezeigt haben, „dass diese keine Lösungen für ihre Sorgen haben,
sondern mit ihren rückwärts gewandten
Fantasien nur die Gesellschaft spalten.“
Nink: „Das werden wir nicht zulassen.
Um das zu verhindern, kämpfen wir!“
Eine Bundespolitikerin, die als ehemalige Kommunale die Themen kennt, die die
Gemeinden, Städte und Landkreise beschäftigen, ergriff als Hauptrednerin das
Wort: Bundesfamilienministerin Franziska
Giffey, die jahrelang auf dem Bürgermeistersessel im Berliner Bezirk Neukölln saß,
hat eine wichtige Nachricht im Gepäck:
Alle 16 Bundesländer haben sich auf gemeinsame Handlungsfelder zur Weiterentwicklung der Qualität in den Kindertageseinrichtungen geeinigt – das heißt,
die Gelder für das Gute-Kita-Gesetz können fließen. Insgesamt geht es um 5,5
Milliarden Euro bis 2022. Und die zweite
Nachricht war besonders wichtig für alle,
die vor Ort genügend Betreuungsplätze
schaffen müssen: Die Finanzierung sei,
wie die Ministerin versicherte, auch nach
dem Jahr 2022 gesichert.
Bessere Vereinbarkeit von Beruf und
Familie durch eine ausreichende Zahl von
Betreuungsplätzen ist eines von Giffeys
Zielen, wie auch Abbau von Bürokratie,
wenn es um Familienleistungen geht:
„Mit dem Projekt ELFE wollen wir es
schaffen, dass Menschen Familienleistungen einfach und leicht online beantragen
können.“ Wie Franziska Giffey weiß, bereitet es vor Ort große Schwierigkeiten,
dass Menschen ihre Rechte nicht in Anspruch nehmen und Anträge nicht stellen.
Mit dem „Starke-Familien-Gesetz“ will sie
gegensteuern: Zum Beispiel fallen die Eigenanteile der Eltern für das gemeinsame
Mittagessen in Kita und Schule sowie für
die Schülerfahrkarte weg – was nicht nur
Eltern entlastet, sondern auch den Bürokratieaufwand der Verwaltungen senkt.
Schließlich äußerte sich Giffey auch
zum Thema Demokratie. „Es besorgt
mich auch zutiefst, in welcher Lage wir
sind. Wir müssen als Sozialdemokraten
auch da klare Kante zeigen!“ Das Bun-
desfamilienministerium setze sich dafür
ein, dass die Demokratiearbeit vor Ort
gestärkt wird, etwa indem das Programm
„Demokratie leben!“ auf gleichem Niveau
verstetigt werden soll. „Denn am Ende
geht es darum, den sozialen Zusammenhalt und die Demokratie in Deutschland
zu wahren – und das geht nur vor Ort.“
Richtschnur „Rotes Wien“
Viele deutsche Kommunalpolitiker schauen sehnsüchtig nach Wien. Während hierzulande die Mieten in den Metropolen
steigen und die Politik Mühe hat, gegenzusteuern, sitzen die Wiener Genossen
auf einem gewaltigen Schatz: Fast zwei
Drittel der Wiener leben in Wohnungen,
die der Stadt gehören. Der Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien,
Michael Ludwig, schilderte den Gästen,
wie es dazu gekommen ist. Denn als die
Sozialdemokraten im Jahr 1919 die politische Mehrheit in Wien übernommen
haben, sah es noch ganz anders aus.
Die meisten Wiener lebten eben nicht in
den Prachtbauten, die das Bild von Wien
prägen, sondern hausten unter elenden
Verhältnissen. „Es hat kein Mietrecht gegeben, keine Beschränkung der Spekula-
20 DEMO-KOMMUNALKONGRESS
DEMO 11-12/2019
tion. Die Menschen sind tatsächlich ausgebeutet worden“, sagte Ludwig. Vor 100
Jahren starteten die Sozialdemokraten in
Wien eine soziale Wohnungspolitik. Die
Österreicher trotzten auch den Privatisierungstrends der 1980er und 90er. „Wir
wissen heute, dass das richtig war“, sagte
Bürgermeister Michael Ludwig.
MIT HERZ
GEGEN RECHTS
Hetze und Gewalt von
Rechts, Bedrohung von
Kommunalpolitikern und
-politikerinnen als Gefahr
für die Demokratie: Das
Thema beschäftigte einige
Kongressteilnehmer auf
und vor der Bühne. (siehe
Bericht).
Am zweiten Kongresstag besuchten Klara Geywitz, Saskia Esken und Norbert
Walter-Borjans den DEMO-Kommunalkongress in Berlin und brachten ihre Zukunftsvisionen für die lokale Ebene mit.
(Olaf Scholz war zeitgleich am Freitag
auf dem europäischen Banken-Kongress
in Frankfurt am Main.) Ein Thema spielte
dabei eine überragende Rolle: Die finanzielle Ausstattung der lokalen Ebene. Denn
um die steht es nicht gut: Viele Kommunen sind hoch verschuldet, haben schon
große Mühe, ihren Pflichtaufgaben nachzukommen, während von Bund und Ländern – so der Eindruck – viele Aufgaben
auf die unterste Verwaltungsebene abgewälzt werden.
Deswegen plädierten beide Duos auch
dafür, die finanzielle Lage der Kommunen wieder deutlich zu verbessern, damit
sie mehr als ihrer Pflicht nachkommen
können. Hochverschuldete Gemeinden
sollten dauerhaft entschuldet werden.
Als Möglichkeit dafür umschrieb Walter-Borjans eine bessere Lastenverteilung
der Gemeinden untereinander: „Die Solidarität untereinander wird gefragt sein.“
Sowohl Klara Geywitz als auch Walter-
Debattenreihe
„Wachstum und
Wohlstand”
Podium
zu kommunaler
Prävention
Netzwerke und
Partnerschaften für
ein starkes Europa
Wie sichern wir Wachstum und Wohlstand? Dieser Frage näherten sich drei
Fachpodien auf unterschiedliche Weise.
Zunächst wurde darüber gesprochen,
wohin die kommunalen Unternehmen
steuern. Klar wurde: Es gibt einen Trend
zur Rekommunalisierung. Ein Stadtwerk
zu gründen kann jedoch ein großer
Kraftakt sein, wusste Nils Wieruch von
der SPD Schenefeld zu berichten. Peter
Lamers (KMPG Law) riet Politikern dazu,
sich nicht zu stark in das operative Geschäft kommunaler Unternehmen einzumischen. Matthias Send (Entega) und
Gesine Strohmeyer (Zweckverband Ostholstein) beschrieben, wie kommunale
Unternehmen die Energiewende und den
Breitbandausbau vorantreiben können
– und welche Steine ihnen dabei in den
Weg gelegt werden.
Ein Podium zum Thema „Wohnen als
soziale Frage” bot Raum, um die Rede
von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig
(siehe oben) vertiefend zu diskutieren.
Eine Diskussion zur „Digitalen Zukunft“
rundete die Fachpodien-Reihe ab. Dort
wurde kontrovers über die Chancen und
Gefahren der Digitalisierung und über
Datenschutz debattiert. CFH
Gewalt, Gefährdungen und Radikalisierung vorzubeugen sind Ziele von Prävention. Melanie Blinzler, seit 2009 Geschäftsführerin des Präventionsrates der Stadt
Oldenburg, setzt für die Stärkung des
Sicherheitsempfindens auf die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die kommunale Präventionsarbeit. Über die Aufgaben und neuen Anforderungen der Kommune in einer bunteren und älter werdenden Gesellschaft mit ihren Reibungen und
Problemen referierte Dirk Wurm, seit 2014
SPD-Stadtrat in Augsburg. „Prävention ist
eine Frage der Haltung“, sagte Wurm.
Die offensive Nichteinhaltung von Regeln
unserer Gesellschaft stelle das Vertrauen
der Bevölkerung auf die Probe: Das ist eine der Thesen des Berliner Innensenators
Andreas Geisel, die er für die Teilnehmenden des DEMO-Kommunalkongresses
vorbereitet hatte. Da er kurzfristig nicht
kommen konnte, referierte Moderator Ulf
Buschmann dessen Thesen. Sehr guten
Anklag fanden auch die Fachpodien der
Reihe „Schutz und Teilhabe“ zum Thema „Gute Kitas“ und „Bürgerfreundliche
Kommunen“. Suse Laue, Bürgermeisterin
im niedersächsischen Syke, hat das Auskunftswesen anders aufgestellt. KW, KB
Möglichkeiten der Kooperationen zwischen dem Ausschuss der Regionen
(AdR) und den Kommunen lotete ein
Fachpodium der Reihe „Kooperation und
Verantwortung“ aus. Die „ProgressiveLocalLabs“ der SPE-Fraktion im AdR sollen
Netzwerke knüpfen. Gaby Bischoff, Mitglied der S&D-Fraktion des Europäischen
Parlaments, warb zudem für die geplante
„Konferenz zur Zukunft Europas“. Man
wolle aus der Lähmung herauskommen,
die Europa erfasst habe. Eine Arbeitsgruppe wurde eingerichtet, eine breite
Bürgerbeteiligung sei geplant, berichtete
Bischoff. „Die Idee wird nur funktionieren, wenn wir es schaffen, eine Debatte
bis hin zu jeder Kommune zu führen.
Auch kommunale Partnerschaftsarbeit hat Europa vorangebracht, da
waren sich die Teilnehmer eines Panels
zum Thema einig. Die klassische Partnerschaftsarbeit sei toll, lobte Uwe Zimmermann vom Deutschen Städte- und
Gemeindebund. Doch er benannte auch
Probleme: „Viele Folgen der Europäischen Union haben einen Gewöhnungseffekt.“ Es fehle auch Nachwuchs – deshalb sei zu überlegen, wie diese Lücke
geschlossen werden könne. KB
Im Gespräch: Norbert Walter-Borjans, Saskia Esken, Moderatorin Katharina Gerlach und Klara Geywitz (v.l.)
Borjans begründeten die Ungleichheiten
mit Verwerfungen durch den Strukturwandel, die ausgeglichen werden müssten. Eine gesamtdeutsche Solidarität unter den Kommunen forderte auch Klara
Geywitz als ostdeutsche Politikerin. „Die
Altschulden sind ein Anschlag auf die
kommunale Selbstverwaltung.“
Mehr Berichte zu Reden und Fachpodien
demo-online.de/demo-kommunalkongress
Fachpodium über Möglichkeiten
und Grenzen kommunaler
Präventionsarbeit
Die Situation der kommunalen
Unternehmen wurde rege
diskutiert.
Spannendes Thema: Wie lassen
sich Nachhaltigkeitsziele der
Agenda 2030 lokal umsetzen?
Bürgermeister Ralph Brodel aus Sundern veröffentlichte die Erklärung „Demokratie jetzt schützen“
und warb um Unterstützung durch Unterschriften.
Klara Geywitz, Kandidierende für den SPD-Vorsitz
und Petra Köpping, die
sächsische Ministerin für
Integration und Gleichstellung, riefen am Kommunalen Abend zu Solidarität
mit Martina Angermann
aus Arnsdorf in Sachsen
auf, die nach Morddrohungen ihr Amt aufgibt. KB
FOTOS: PHOTOTHEK.NET/JÖRG CARSTENSEN
Besuch der SPD-Spitzenduos
DEMO-KOMMUNALKONGRESS 21
11-12/2019 DEMO
Ausgefuchste Politik
Das Jubiläum 70 Jahre DEMO und drei Preisträger
standen beim Kommunalen Abend im Mittelpunkt
FOTOS: JÖRG CARSTENSEN / PHOTOTHEK.NET
D
er erste Kongresstag endete mit dem „Kommunalen
Abend“ in der „Bar jeder Vernunft“. Hannovers langjähriger Bürgermeister Herbert Schmalstieg nutzte die
Gelegenheit, um der DEMO zum Jubiläum zu gratulieren. „70 Jahre DEMO –
das heißt 70 Jahre kommunalpolitische
Beratung und Erfahrungsaustausch“,
resümierte der SGK-Ehrenvorsitzende.
Anschließend verlieh Schmalstieg den
ersten DEMO-Kommunalfuchs – eine
Auszeichnung für herausragende kommunalpolitische Leistungen. Diesen
konnte der Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien, Michael Ludwig,
entgegennehmen – stellvertretend für
die Stadt Wien und die Leistungen
der SPÖ. Grund für die Ehrung ist das
Jubiläum „100 Jahre Rotes Wien“. Als
bestes kommunalpolitisches Einzelprojekt wurde das Ortsteilbüro Moskauer
Platz in Erfurt ausgezeichnet. Ortsteilbürgermeister Torsten Haß nahm den
Preis aus den Händen von Thüringens
Innen- und Kommunalminister Georg
Maier entgegen. Der Kommunalfuchs
für das Lebenswerk ging in diesem
Jahr nach Hennigsdorf in Brandenburg.
Dort war Andreas Schulz fast 28 Jahre
lang Bürgermeister. Gemeinsam mit
den Bürgerinnen und Bürgern kämpfte er nach der Friedlichen Revolution
für den Erhalt des Stahlwerkes und
steuerte die Stadt erfolgreich durch
schwierige Umbruchszeiten. Sachsens
Staatsministerin für Gleichstellung und
Integration Petra Köpping hielt die
Laudatio. CFH
Fotos im Uhrzeigersinn: Preisträger Schulz,
Haß und Ludwig (v.l.); Herbert Schmalstieg
mit DEMO-Chefredakteurin Karin Nink; Gäste,
Laudatoren und Preisträger in der „Bar jeder
Vernunft”; Kommunalfüchse
Anzeige
high-quality print.
Herzlichen Glückwunsch zu 70 Jahren „DEMO“
22 REPORT
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 11-12/2019
Nachhaltigkeit kommunal
Sozial, ökonomisch und ökologisch tragfähige Lösungen für die Stadtgemeinschaft
der Zukunft
Autor Oliver Haubner, Senior Project Manager und Nachhaltigkeitsexperte in der Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
L
Die letzte Warnung
So weit, so gut. Vor fast genau einem
Jahr allerdings, im Oktober 2018, hat
der Weltklimarat in einem dramatischen Appell weit größere und radikalere Anstrengungen angemahnt,
um die Erderwärmung doch noch auf
1,5 Grad zu begrenzen. Notwendig
seien „schnelle, weitreichende und
beispiellose Anforderungen in allen
gesellschaftlichen Bereichen“ heißt es
in dem Sonderbericht des Gremiums.
Sollte das 1,5-Grad Ziel verfehlt werden, drohen ungeahnte Folgen für das
Leben auf der Erde. Die 91 Autoren
aus 40 Staaten halten nie dagewesene
Veränderungen für nötig. Eine „letzte
Warnung“ also, ein Aufruf zum energischen Handeln.
kommunaler Ebene gestalten“ unterzeichnet. Damit signalisieren sie ihre
Bereitschaft, sich für ausgewählte Themen der Nachhaltigkeit zu engagieren
und im Rahmen ihrer Möglichkeiten
die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Das können Projekte der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit
vor Ort sein, kommunale Strategien für
ein Nachhaltigkeitsmanagement oder
kommunale Partnerschaftsnetzwerke.
Deutscher Nachhaltigkeitspreis für
Städte und Gemeinden
Ziel 11: Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten. Die Kommunen sind die Basis der Umsetzung aller 17 Nachhaltigkeitsziele.
Kommunen sind das Fundament
der Nachhaltigkeit
Wenn die
Kommunen
nicht
funktionieren,
kann auch
das Land nicht
funktionieren.
Ban Ki-moon, ehemaliger
Generalsekretär der
Vereinten Nationen
Kommunale
Dienstleistungen
Fest steht: Nachhaltigkeit beginnt in
den Kommunen, sie sind die Basis der
Umsetzung der 17 Sustainable Development Goals (kurz: SDGs) und ihrer
169 Unterziele. Deshalb ist die Art und
Weise, wie Kommunen das Thema
Nachhaltigkeit angehen und weiterentwickeln von zentraler Bedeutung. Das
High-Level-Panel für die 2030-Agenda
für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen erklärt: „Es sind die
Städte, wo der Kampf um eine nachhaltige Entwicklung gewonnen oder
verloren wird.“ Hier werden Fehlentwicklungen, Probleme und Erfolge wie
durch ein Brennglas sichtbar.
Knapp 130 Kommunen übernehmen
Verantwortung vor Ort
Mittlerweile haben knapp 130 Kommunen in Deutschland – von Freiburg
im Süden bis Kiel im Norden – die
Musterresolution des Deutschen Städtetages „Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit auf
Eine stattliche Zahl von Kommunen bewirbt sich jedes Jahr um den Deutschen
Nachhaltigkeitspreis.
In der Stadt Osnabrück, Deutschlands nachhaltigster Großstadt 2020,
sorgt der „Masterplan Innenstadt“ für
mehr Grünflächen mit hoher Aufenthaltsqualität in der Innenstadt – zu
Lasten des motorisierten Individualverkehrs. Der „Masterplan 100 Prozent Klimaschutz“ verlangt bis zum Jahr 2050
eine Senkung der CO2-Emissionen um
95 Prozent. Zur Erreichung dieses ambitionierten Zieles hat Osnabrück schon
2008 das bundesweit erste Solardachpotenzialkataster implementiert und
aktuell eine große Solarstromoffensive
gestartet.
Aschaffenburg, Preisträger in der
Kategorie mittlerer Größe, setzt ebenfalls auf Klimaschutz und Ressourcenschonung. Aschaffenburg „summt“:
Der Schutz der Artenvielfalt steht ganz
oben auf der Agenda. Und als bislang
bundesweit einzige Kommune hat die
unterfränkische Hochschulstadt bereits
zweimal eine Eine-Welt-Bilanz erstellt.
In Bad Berleburg, der „Stadt der
Dörfer“ sorgt die „Digitale Agenda
BLB“ für eine aktive Gestaltung des digitalen Wandels. Bei der Konversion einer Industriebrache zum Lern- und Gemeinschaftszentrum „Via Adrina“ setzt
die Stadt strikt auf nachhaltige Baumaterialien, gemeinschaftliche Raumnutzung und einen niedrigen Ressourcenverbrauch.
sdg-portal.de
FOTO: SKEW/ENGAGEMENT GLOBAL
ange hat es gedauert – nun ist
der Ruf nach mehr Nachhaltigkeit (endlich) nicht mehr zu
überhören. Und immer deutlicher wird:
Nachhaltigkeit ist eine ressortübergreifende kommunalpolitische Gestaltungsaufgabe. Das Thema muss als
Querschnittsaufgabe verstanden und
umgesetzt werden. Nur dann können
wir die Vision der Agenda 2030 mit ihren 17 Nachhaltigkeitszielen mit Leben
füllen.
Unsere Ausgangslage in Sachen
Nachhaltigkeit schien selten so komfortabel wie zum Ende des Jahres 2019.
Zumindest auf den ersten Blick. Wir
haben eine überarbeitete Version der
Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie auf
Bundesebene, Nachhaltigkeitsstrategien in der Mehrzahl der Bundesländer
und immer mehr Kommunen machen
sich auf den Weg der Umsetzung der
Agenda 2030.
„Ein Land ist die Summe seiner Kommunen. Wenn die Kommunen nicht
funktionieren, kann auch das Land
nicht funktionieren“, hat der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, einmal gesagt.
Und in der Tat: In den Kommunen wird
sich letztendlich entscheiden, ob nachhaltige Entwicklung ein Erfolg wird – in
Deutschland, in Europa und weltweit.
REPORT 23
11-12/2019 Anzeigen-Sonderveröffentlichung
genen Anschubfinanzierung flankieren,
erwirtschaften sie weitere Mittel, die
ihnen die Beschäftigung eines Energiemanagers ermöglichen.
Wissenschaftliche Begleitung
Rathaus Kassel: Oberbürgermeister Christian Geselle, Stadtbaurat Christof Nolda, Thomas Flügge und Peter Drews (v.l., beide cdw-Stiftung)
Das Wäscherei-Prinzip
Energiewende auf
kommunaler Ebene
Kommunen und Landkreise können mit dem Finanzierungsmodell Intracting kostenneutral zum Klimaschutz beitragen
Autor Thomas Flügge, Geschäftsführer der cdw-Stiftung gGmbH
dieses Potenzial mit hohem Tempo heben. Von der Kasseler cdw-Stiftung erhalten sie innerhalb der nächsten zehn
Jahre jährlich PV-Anlagen im Wert von
insgesamt 150.000 Euro. Die dadurch
eingesparten Energiekosten nutzen Kassel und der Werra-Meißner-Kreis wiederum als Investitionskosten, um weitere
PV-Anlagen zu installieren und Energieeffizienzmaßnahmen zu finanzieren.
Wenn sie diese Kostenstelle mit einer ei-
Hochschulhaushalt
Einmalige
Mittelfristige
Anschubfinanzierung
Entlastung
30 % der Einsparung1
PV-Anlagen
70 % der Einsparung1
Einsparungen
Erlöse
Kostenstelle Intracting
Energiemanager
cdw-Bürogebäude: 40,32 kWp installierte Leistung, spart jährlich
27 Tonnen CO2
finanziert
Überall in Kommunen schlummert Potenzial. Die Kommunalpolitik kann
Dachflächen bereitstellen oder sie selbst
für PV nutzen. In Nordhessen werden
die Stadt Kassel mit Oberbürgermeister
Christian Geselle und der Werra-Meißner-Kreis mit dem Landrat Stefan Reuß
www.cdw-stiftung.de
DAS INTRACTING-MODELL AM BEISPIEL HOCHSCHULE
cdw Stiftung
finanziert
Zubau im Intracting-Verfahren
Ebenfalls neu ist die Möglichkeit, PVAnlagen gemeinnützig zu realisieren.
In Absprache mit dem Finanzamt hat
die cdw-Stiftung eine Solaranlage mit
der Wäscherei eines Krankenhauses
verglichen. Diese darf bis zu 20 Prozent Fremdaufträge annehmen und gilt
immer noch als gemeinnützig. Im Umkehrschluss kann auch die PV-Anlage als
gemeinnützig betrachtet werden, wenn
der erzeugte Strom zu mindestens 80
Prozent gemeinnützig verbraucht wird.
Das Gesamtkapital deutscher Stiftungen
beträgt 68 Milliarden Euro. Damit haben
sie einen maßgeblichen Anteil an der
Gestaltung der Gesellschaft. Angesichts
des akuten Handlungsdrucks beim Klimaschutz und des damit verbundenen
kostenintensiven Umbaus unserer Energieversorgung können Kooperationen
zwischen Kommunen und gemeinnützigen Finanzierern den Prozess entscheidend beschleunigen.
EnergieeffizienzMaßnahmen
Nutzermotivation
finanziert
Studierendenhaus: 57,3 kWp installierte Leistung, spart jährlich
28 Tonnen CO2
finanziert
FOTOS: STADT K ASSEL /HARRY SOREMSKI; CDW STIFTUNG GGMBH; PROF. DR. J. KNISSEL, UNIVERSITÄT K ASSEL
D
er Ausbau der Photovoltaik (PV)
gilt vielen Experten als Schlüsselfaktor der Energiewende. SolarAnlagen weisen in der Bevölkerung eine
Akzeptanzquote von über 90 Prozent auf,
sind schnell installiert und verbessern unmittelbar die CO2-Bilanz. Außerdem sorgen PV-Anlagen für eine hohe kommunale
Wertschöpfung im Betrieb und Bestand.
In Nordhessen beispielsweise beträgt die
jährliche Wertschöpfung durch den Betrieb von Erneuerbare-Energie-Anlagen
112 Millionen Euro – allein 100 Millionen
generiert die PV. Der Rhein-HunsrückKreis in Rheinland-Pfalz, von der Agentur
für Erneuerbare Energie als Energiekommune des Jahrzehnts ausgezeichnet, will
250 Millionen Euro der heutigen 290 Millionen Euro Stromimportkosten bis 2050
regional binden.
Neu ist Intracting nicht: Schon 1995
hatte Stuttgart das Konzept eingeführt.
Inzwischen sind bundesweit einige Kommunen dazugekommen, die Intracting
einsetzen. Neu ist jedoch, dass mit der
Förderung vom Bundeswirtschaftsministerium mehrere Hochschulen diesen
Finanzierungsweg pilotieren, evaluieren
und durch fehlende Berechnungstools
weiterentwickeln. Über die Kooperation
mit der Uni Kassel profitieren so auch
die Stadt Kassel und der Werra-MeißnerKreis von diesen Ergebnissen.
1) Bis alle geeigneten Dachflächen mit PV belegt sind
Schaubild Finanzierungsweg
EINSPARUNGEN DURCH INTRACTING AM BEISPIEL LANDKREIS
identifiziert und setzt um
225 mm
breit und
152
24 REPORT
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 11-12/2019
Lebensqualität im
ländlichen Raum sichern
Leitfaden für Kommunen, um Auswirkungen des
demografischen Wandels abzufedern
Autorinnen Sybille Wenke-Thiem, Difu, Melanie Neugart, Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE)
C
hronische Unterfinanzierung,
Personalengpässe, Unterauslastung von Infrastrukturen und
Lücken in der Nahversorgung: Der demografische Wandel beeinträchtigt die
Lebensqualität in vielen ländlichen Regionen. Eine verstärkte Zusammenarbeit
von Kommunen kann dazu beitragen,
Infrastrukturen der Daseinsvorsorge aufrechtzuerhalten und damit Lebensqualität zu sichern. Ein Forschungsteam entwickelte nun einen Leitfaden für Kommunen, der zeigt, wie verstärkte Kooperation zu einem nachhaltigen regionalen
Sich mit etwas
Abstand den
strategischen
Zukunftsfragen
der Gemeinde
zu widmen ist
wichtig.
Jutta Deffner, ISOE
Management der Daseinsvorsorge beitragen kann. Er entstand unter Leitung
des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung – in Kooperation mit
dem Deutschen Institut für Urbanistik
(Difu) im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) geförderten Forschungsprojekts
„LebensWert“.
Wenn die Bevölkerung altert, die
Jüngeren wegziehen und Wohnungsleerstand das Gesicht einer Gemeinde
ebenso prägt wie fehlende Einkaufsmöglichkeiten und Arbeitsplätze vor
Ort, dann sinkt die Lebensqualität.
Kommunen geraten unter Druck, denn
die Sicherung der Daseinsvorsorge wird
zur Herausforderung. Zur Daseinsvorsorge gehören grundlegende Leistungen für das Gemeinwesen. Diese sollten einen gleichberechtigten Zugang
ermöglichen, akzeptable Preise haben
und kontinuierlich und gleichbleibend
in Qualität und Umfang erbracht werden. Die Daseinsvorsorge umfasst die
Bereiche Energie, Wasserversorgung,
Abwasser- und Abfallentsorgung, Gesundheit, Pflege, Bildung, Jugend- und
Altenhilfe sowie eine angemessene Versorgung mit Wohnraum und Einkaufsmöglichkeiten.
Kommunale Kooperationen können
helfen, diese notwendigen Versorgungsleistungen weiterhin zu gewährleisten.
„Interkommunale Kooperation kann Akteure in kleinen Kommunen im Alltag in
ihren vielfältigen praktischen Aufgaben
der Daseinsvorsorge entlasten und so
Freiräume und Anlässe für den Blick auf
strategische Fragen schaffen“, sagt Jutta
Deffner vom ISOE und Leiterin des Forschungsprojekts „LebensWert“. Denn
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Schnelles Internet ist ein entscheidender Standortfaktor für Betriebe im ländlichen Raum. Wir beraten
Gemeinden und Unternehmen in allen rechtlichen
Fragen rund um den Breitbandausbau.
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REPORT 25
11-12/2019 Anzeigen-Sonderveröffentlichung
häufig seien Entscheidungsträgerinnen
und -träger mit dringlichen Aufgaben im
Alltagsgeschäft konfrontiert.
FOTO: WIKIMEDIA COMMENS/CARSTEN VOGEL
Gemeinsam zukunftsfähig bleiben
Dörfer und Kleinstädte wie im WerraMeißner-Kreis kooperieren bereits heute miteinander, um die Auswirkungen
des demografischen Wandels abzufedern und die Lebensqualität aufrechtzuerhalten und zu verbessern. „Wir
haben im Rahmen des Forschungsprojekts ‚LebensWert‘, an dem die Stadt
Eschwege und umliegende Gemeinden
beteiligt waren, gesehen, wie groß das
Potenzial zur Weiterentwicklung der
regionalen Zusammenarbeit ist“, sagt
Projektleiter Martin Zimmermann vom
ISOE. Das Projektteam hat gemeinsam
mit den Verantwortlichen in der Region
Kooperationsmöglichkeiten in den Bereichen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, Wohnen und Nahraum
untersucht und einen Leitfaden erstellt,
der Wege für ein kooperatives Entwicklungsmanagement sowie entsprechende
organisatorische Strukturen und konkrete Maßnahmen aufzeigt.
Eschwege: Blick auf Werrabrücke und „Brückenhausen“
Der Leitfaden bietet Kommunen eine
Orientierung, wie bestehende Kooperationen vertieft, gestärkt und verstetigt werden können. Verantwortliche
in Kommunen erhalten damit konkrete
Anregungen und Hilfestellungen, wenn
es zum Beispiel darum geht, Lösungen
für Leerstandsimmobilien zu finden oder
das Wohnungsangebot einer Kommune
alters- und einkommensgerecht zu gestalten bzw. energetische Sanierungen
Download
Leitfaden (PDF)
„Lebensqualität und
Daseinsvorsorge durch
interkommunale Kooperation“
difu.de/node/12825
im Wohnbereich umzusetzen. „Die Bereiche Wasser, Wohnen und Nahraum
stehen beispielhaft für die Potenziale interkommunaler Zusammenarbeit“, sagt
Difu-Wissenschaftler Jan Hendrik Trapp.
Die möglichen Formate und Organisationsformen dafür reichen von Austauschforen und informellen Netzwerken über
Zweckverbände und öffentliche Körperschaften bis hin zu privatrechtlichen Unternehmensformen.
Der Leitfaden hält für Kommunen viele Beispiele bereit, die zeigen, welche Organisationsform sich für welches Aufgabengebiet eignet und gibt Anregungen,
die Kooperationen nicht nur aufgabenbezogen und sektoral anzulegen. „Eine
Zusammenarbeit zwischen Kommunen,
die die unterschiedlichen Handlungsfelder einschließt, ist ein wichtiger Baustein zur langfristigen Gewährleistung
der Daseinsvorsorge. Denn so können
Zukunftsthemen besser identifiziert und
die regionale Entwicklung insgesamt in
den Blick genommen werden“, so DifuWissenschaftler Jan Hendrik Trapp.
https://kommunen-innovativ.de/lebenswert
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26 REPORT
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 11-12/2019
geplanten vier Teilabschnitte. Bis zum
Abschluss der ersten Etappe Mitte 2019
wurden mehr als 210 Kilometer Glasfasertrasse errichtet, um rund 4.500
Haushalte anzuschließen. Der Zweckverband und Projektpartner pepcom
setzen für die umfangreichen Tiefbauarbeiten vor allem auf Unternehmen
aus der Region. Das Glasfasernetz im
Kreis wird in modernster FTTH-Technik
errichtet. So endet die Glasfaser erst im
Haus und bietet von Beginn an Internetbandbreiten bis zu 1.000 Mbit pro
Sekunde. Damit ist das Netz um ein
Vielfaches schneller als jede DSL-Verbindung.
Musterbeispiel Plön: mit Eigeninitiative und vereinten Kräften zum schnellen Internet
Im Norden viel Neues
Der lange Weg zur flächendeckenden Glasfaser-Infrastruktur
in Schleswig-Holstein
Autorin Susanne Dietrich, Tele Columbus
P
lattes Land und schnelles Internet
geht für viele nicht zusammen,
denn Glasfaseranschlüsse mit Gigabitgeschwindigkeiten stehen derzeit
vor allem in großen Städten und Ballungszentren zur Verfügung. Aber es gibt
Ausnahmen. Mit einem guten Plan und
den richtigen Partnern gelingt der Breitbandausbau auch in ländlichen Gebieten. Wie das funktioniert, führt Schleswig-Holstein sehr eindrucksvoll vor.
Das Bundesland im Norden führt
bundesweit bei den Flächenländern in
Sachen Glasfaserquote – über 35 Prozent der angeschlossenen Haushalte
verfügen dort über einen FTTB-/FTTHAnschluss. Tendenz steigend. Und das
im Jahr 2018 gegründete Bündnis für
den Glasfaserausbau in Schleswig-Holstein hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt:
Bis zum Jahr 2025 soll das Bundesland
flächendeckend über eine leistungsstarke Glasfaserinfrastruktur verfügen und
jedermann Zugang zu Highspeed-Internet bieten. Das Glasfaserprojekt im Kreis
Plön etwa ist ein echtes Musterbeispiel.
Hier sieht man, wie Kommunen durch
eigene Initiative und in Zusammenarbeit
mit privatwirtschaftlichen Betreibern ein
Kreis Plön: 46 Gemeinden, ein
Glasfasernetz
VORREITER
35
Prozent der Haushalte in
Schleswig-Holstein haben
Glasfaser-Anschlüsse.
2025
soll Schleswig-Holstein
flächendeckend über eine
Glasfaser-Infrastruktur
verfügen.
QUELLE: WEBSITE DER LANDESREGIERUNG
SCHLESWIG-HOLSTEIN
Versorgungskonzept schaffen können,
das die nahezu flächendeckende Anbindung der Bürger in ländlichen Regionen
erreicht und dennoch tragfähig ist. Der
kommunale Breitband-Zweckverband
errichtet in Kooperation mit der pepcom
GmbH, einer Tochtergesellschaft der Tele Columbus AG, ein Glasfasernetz zur
Anbindung der 46 zum Zweckverband
gehörenden Gemeinden.
Gemeinsam zum Ziel
Was im Jahr 2009 mit einer Machbarkeitsstudie der Ämter Lütjenburg und
Selent/Schlesen begann, nahm in den
Folgejahren Schritt für Schritt Gestalt
an; weitere Gemeinden schlossen sich
den Initiatoren an und das Engagement
mündete 2014 in der Gründung des
Zweckverbands für den Breitbandausbau im Kreis Plön. Ziel war es, den
Breitbandausbau im Gemeindeverbund
eigeninitiativ voranzutreiben, damit
die Region in punkto Digitalisierung
und Zukunftsfähigkeit nicht abgehängt
wird. Mit der pepcom GmbH hatte man
einen erfahrenen Partner für den Glasfaserausbau gefunden. Mitte 2017 starteten die Arbeiten für den ersten der
Nach dem Abschluss des Breitbandausbaus werden rund 12.000 Haushalte an
das neue Netz angebunden sein und
die ländlichen Gemeinden des Kreises
Plön mit dem neuen Netz in der Region zum Vorreiter in Sachen Zukunftssicherung und Wettbewerbsfähigkeit
machen. Die neue Infrastruktur leistet
einen erheblichen Beitrag zur Standortattraktivität der Region und der
Kommunen. Privathaushalte, Unternehmen und Institutionen profitieren
dabei gleichermaßen. Bereits weit vor
dem Start der Anschlussarbeiten startete die Tele-Columbus-Gruppe die
Vermarktung der Anschlüsse in rund
50 Informationsveranstaltungen und
170 Bürgersprechstunden. Die Unternehmensgruppe, die seit 2015 durch
das Zusammenwachsen der früheren
Wettbewerber Tele Columbus, pepcom
und primacom entstand, ist in Schleswig-Holstein bereits seit vielen Jahren
stark engagiert: In Kiel, Flensburg, Lübeck, Neumünster und weiteren Städten versorgt das Unternehmen unter
der Marke PYUR zahlreiche Haushalte
mit Internet, Telefonie und Kabelfernsehen. Bundesweit versorgt die Tele
Columbus als führender Glasfasernetzbetreiber in Deutschland mehr als drei
Millionen Haushalte. Als Partner der
Wohnungs- und Immobilienwirtschaft
bietet die Tele-Columbus-Gruppe maßgeschneiderte Versorgungskonzepte
sowie mit der Sparte „PYUR Business”
Unternehmenslösungen, Telemetriedienste, Digital-Signage-Systeme und
Carrierdienste an. Als Kooperationspartner für Stadtwerke, Netzbetreiber
und Kommunen hat sich Tele Columbus
als Experte für die Digitalisierung und
den glasfaserbasierten Breitbandausbau etabliert.
pyur.com/infrastruktur
FOTOS: DANIEL SCHÖN; GETTY IMAGES
Standortvorteil Infrastruktur
REPORT 27
11-12/2019 Anzeigen-Sonderveröffentlichung
Internet in
kommunale Hände!
Wie Kooperationsmodelle Farbe in die weißen Flecken
bringen können
Autoren Dr. Dominik Lück, Dr. Maximilian Dombert
FOTOS: DOMBERT RECHTSANWÄLTE
V
on schneller Internetverbindung
können viele Bewohner auf dem
Land nur träumen. Das muss sich
jedoch dringend ändern, damit sich auch
der ländliche Raum entwickeln kann und
für Unternehmen sowie für die Bewohner
attraktiver wird. Denn die Menschen werden nur dort bleiben, wo sie – wenn sie
schon nicht mehr bei „Tante Emma“ einkaufen können – doch wenigstens Zugriff
auf Amazon haben.
Bislang kommt jedoch der Breitbandausbau auf dem Land nur schleppend voran. Das hat einen einfachen
Grund: Für private Versorger lohnt sich
der Ausbau oftmals nicht. In der Folge
entstehen sogenannte „weiße Flecken“.
Dabei handelt es sich um Gebiete, in
denen eine Breitbandversorgung heute, aber auch in naher Zukunft nicht
vorhanden sein wird. Angesichts dieser
Unterversorgung drängt sich die Frage
auf, ob Städte und Gemeinden in diesen
Gegenden aktiv werden und die Breitbandversorgung selbst übernehmen
sollten. Aber ist ihr Tätigwerden überhaupt kommunalrechtlich zulässig?
Sämtliche Kommunalgesetze der bundesdeutschen Flächenstaaten stellen die
wirtschaftliche Betätigung von Kommunen unter eine so genannte „Schrankentrias“. Sie dürfen insbesondere dort
nicht aktiv werden, wo Private ebenso
gut und wirtschaftlich tätig sein können. Allerdings funktioniert das private
Engagement bei Breitband in den „weißen Flecken“ gerade nicht. Die Kommunalgesetze hindern die Kommunen also
nicht daran, wirtschaftlich tätig zu werden.
Gerade kleinere Kommunen werden
regelmäßig jedoch sowohl organisatorisch als auch wirtschaftlich nicht in der
Lage sein, den Breitbandausbau selbst
vorzunehmen. In Betracht kommen daher verschiedene Kooperationsmodelle.
Eines davon ist beispielsweise die Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen. In
diesem Fall müssen die Vorgaben des
europäischen Beihilfenrechts genau beachtet werden, wobei unter Umständen
auch eine Lockerung des Beihilfeverbots
für die Breitbandversorgung geprüft
werden sollte.
Wenn sich einzelne Gemeinden dazu
entschließen, den Breitbandausbau gemeinsam voranzutreiben, stellt die interkommunale Zusammenarbeit eine interessante Möglichkeit dar. Nicht immer ist
es dafür notwendig, einen Zweckverband zu gründen. Denkbar ist auch, dass
eine – mutmaßlich die wirtschaftlich
leistungsfähigere – Gemeinde, beispielsweise durch ihre Stadt- oder Gemeindewerke, den Ausbau auch außerhalb des
eigenen Gemeindegebietes übernimmt.
Denn auch außerhalb des eigenen Hoheitsgebietes kann eine Kommune in
vielen Fällen tätig werden. Das ist insbesondere immer dann zulässig, wenn
die Zielgemeinde ausdrücklich zustimmt,
dass die andere auf ihrem Gemeindegebiet aktiv werden darf. Aber auch wenn
diese ausdrückliche Zustimmung nicht
erfolgt, sehen einige Kommunalgesetze
der Länder vor, dass Gemeinden außerhalb ihres Gemeindegebietes tätig sein
dürfen, wenn die berechtigten Interessen der Zielgemeinde gewahrt sind.
Praktisch bedeutet dies: Weiße Flecken
müssen nicht weiß bleiben, Breitband ist
auch im ländlichen Raum möglich. Die
Kommunen können und sollten selbst
handeln. Dabei sollten sie sich auf jeden
Fall von einem rechtlichen Berater begleiten lassen. Er kann ihnen aufzeigen, welche Chancen ihnen das Kommunalwirtschaftsrecht sowohl für ein kooperatives
wie auch Gemeindegrenzen überschreitendes Tätigwerden bietet.
Dombert Rechtsanwälte
www.dombert.de
Dr. Dominik Lück, Fachanwalt
für Verwaltungsrecht
Weiße
Flecken müssen
nicht weiß
bleiben.
Dombert Rechtsanwälte
Dr. Maximilian Dombert,
Rechtsanwalt
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MOBIL
28 REPORT
Anzeigen-Sonderveröffentlichung 11-12/2019
Die TEKSERVICE AG
Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz fakturiert über
sein landesweites Kommunal-Kaufhaus (KOKA) elektronisch
Autorin Ruxandra Receanu
D
ie Kommunalberatung Rheinland-Pfalz, Tochter des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz (GStB RLP), bietet mit ihrem
Kommunal-Kaufhaus (KOKA) seit 2016
eine landesweite Einkaufslösung für Gemeinden, Städte und Kreisverwaltungen.
Neben wirtschaftlichen Vorteilen
stand von Anfang an die durchgängige
Digitalisierung von Verfahren des Einkaufs, der Vergabe und der Abrechnung
im Vordergrund. Als kommunaler Dachverband sieht man sich damit als „Innovationstreiber“, der die Vorteile und Effekte
von Digitalisierungsstrategien für seine
Mitglieder erschließt. Jüngstes Beispiel ist
die Umstellung von der papiergestützten
auf die elektronische Rechnungslegung.
Mit KOKA stand rheinland-pfälzischen
Städten und Gemeinden 2016 erstmals
ein Kommunal-Kaufhaus zur Verfügung.
Die Steuerung im operativen Tagesgeschäft erfolgt seither über die webbasierte Einkaufslösung des GStB RLP. Zielstellungen, wie höhere Wirtschaftlichkeit
und Effizienz oder die Erweiterung von
Sortimenten und Mitgliedern, wurden
erreicht. Die Digitalisierung von Verfahrensabläufen wurde sukzessive ausgebaut. Die durch den e-Einkauf gewonnenen Daten sind seither die Grundlage
für Ausschreibungen. „Gerade an dieser
Stelle ist der Leidensdruck von Gemein-
den deutlich spürbar. Knappe Personalressourcen, stete Veränderung sowie zunehmende Komplexität im Vergaberecht
stellen große Herausforderungen für Rathäuser und Verbandsgemeinden dar“, so
Klaus Faßnacht, Vergabeexperte und Projektleiter der KOKA im GStB RLP. „Das Angebot unseres Dachverbandes, für unsere
Mitglieder gebündelte Ausschreibungen
beziehungsweise Vergaben durchzuführen, stieß daher von Anfang an auf große
Resonanz.“
Damit dies alles effizient möglich wurde, rekrutierte der GStB RLP einen Dienstleister für die Bereitstellung von Technologie, Service und Support. Das Lörracher
Unternehmen TEK-Service, Technologieund Servicedienstleiser für den elektronischen Einkauf, sorgt unter anderem für
das Katalogmanagement, die Pflege der
Besteller-Stammdaten sowie für die Verknüpfung der Abläufe zwischen Kunden
und Lieferantenkette. Auf Grundlage einer Neuentwicklung des Unternehmens
ist es Lieferanten und Kunden möglich,
e-Rechnungen gemäß EU-Vorgaben (XRechnung und Zugferd 2.0) zu erzeugen.
Neben technischen Herausforderungen, die im Allgemeinen mit der Umsetzung des e-Rechnungsverfahrens einhergehen, sorgen zudem unterschiedliche
Fristen oder Schwellenwerte bei Verwaltungen für Irritationen. Seitens GStB RLP
Das Ausschreibungsverfahren kommunaler Aufträge soll bis zur Rechnungsstellung digitalisiert werden.
Klaus Faßnacht
Strategie
und Taktik
sind bei
Digitalisierungsmaßnahmen ein
Muss.
Klaus Faßnacht,
Kommunalberatung
Rheinland-Pfalz GmbH
feiert im November ihr 20-jähriges
Firmenjubiläum. Vor 20 Jahren kam der
erste Auftrag von der Stadtverwaltung
Lörrach. Vor dem Hintergrund zahlreicher Strukturveränderungen und Digitalisierungsstrategien erkannte man dort
die Möglichkeit, Praxiserfahrungen in
Sachen e-Procurement zu sammeln. Für
das Start-up war es die Chance, einen
Prototyp zu entwickeln, der in der Folge
als Modell für andere Stadtverwaltungen dienen konnte.
Heute kümmern sich zwölf Mitarbeiter
um Technologie und Service. Bundesweit nutzen Rathäuser und Landratsämter den Support aus Lörrach, um
Einkaufsprozesse digital zu steuern.
Mittlerweile gehören auch landesweite
Einkaufsverbünde unter Federführung
des jeweiligen kommunalen Dachverbandes zum Kundenkreis.
sieht man sich von Haus aus eher in der
Vorreiterrolle denn in der Rolle des Getriebenen. Entsprechend lohnt der frühzeitige Blick auf die Vorteile, die sich grundsätzlich aus der Digitalisierung der Rechnungsverarbeitung ergeben. Indem der
GStB RLP selbst e-Rechnungen erzeugt,
versetzt man auch die Mitglieder in die
Lage, elektronische Rechnungsdaten zu
empfangen und zu verarbeiten. Ertüchtigung wird möglich. Klaus Faßnacht, Projektleiter der KOKA, meint: „Wir haben
gelernt, mit gutem Beispiel voranzugehen, aus unseren Erfahrungen zu lernen
und unser Wissen an unsere Mitglieder
weiterzugeben. Effekte moderner Technologie muss man erleben; der Diskurs
am grünen Tisch reicht irgendwann nicht
mehr aus.“
Mit diesem „Aufschlag“, noch vor
Ablauf aller Fristen und EU-Vorgaben, eRechnungen in größerem Stil zu erzeugen
und zu versenden, leistet der GStB RLP einen bundesweit herausragenden Beitrag
zur Etablierung der elektronischen Rechnung. Zukünftig werden alle Rechnungen
an die Mitglieder der KOKA elektronisch
versandt. „Damit schließt sich für uns der
Kreis vom Einkauf über die Ausschreibung
bis hin zur Abrechnung. Wie ein roter
Faden zieht sich der Aspekt der Digitalisierung durch alle Bereiche hindurch. Bis
zum Jahresende werden wir voraussichtlich 350 bis 400 Zugferdrechnungen 2.0
versandt haben. Tendenz steigend.“ So
fasst Klaus Faßnacht das Ergebnis zusammen. „Wir haben schon wieder weitere
Ideen; man darf gespannt sein.“
www.kommunalberatung-rlp.de
FOTOS: KOMMUNALBERAZTEUNG RHEINLAND-PFALZU GMBH, MUHAMMAD RIBK AHN/PIXABAY
Kommunal-Kaufhaus
mit e-Rechnung
BÜCHER / WAHLEN / TERMINE 29
11-12/2019 DEMO
Tipps für die Bürgerbeteiligung
Wahlen
Ein Ratgeber schildert Grundlagen und Beispiele
Den Start in die „fünfte Jahreszeit“
am 11.11. konnte Mainz´ Oberbürgermeister Michael Ebling in diesem
Jahr besonders ausgelassen feiern.
Nur einen Tag zuvor war er nämlich
für eine weitere Amtszeit gewählt
worden. 55,2 Prozent der Mainzer
stimmten in der Stichwahl für Ebling, auf Kontrahent Nino Haase
(parteilos) entfielen 44,8 Prozent.
Hannover wird dagegen erstmals
seit dem Zweiten Weltkrieg nicht
von einem sozialdemokratischen
Oberbürgermeister regiert. In die
Stichwahl am 10. November hatten es Belit Onay (Bündnis 90/Die
Grünen) und Eckhard Scholz (CDU)
geschafft. Nach Auszählung aller
Wahlzettel hatte Onay mit 52,9 Prozent Stimmenanteil schließlich die
Nase vorn.
In der Stadt Vechta wurde am 3.
November gewählt. Kristian Kater,
der für die SPD und das Bürgerbündnis Vechta ins Rennen gegangen war, erzielte mit 67,6 Prozent in
Wie kann Bürgerbeteiligung bestmöglich organisiert werden? Diese Frage wird immer wieder neu
diskutiert und beantwortet – mit
Dialogverfahren und Bürgerwerkstätten, aber auch Open-GovernmentAnsätzen und Online-Beteiligung. Die
Landrätin von Marburg-Biedenkopf
Kirsten Fründt und ihr Büroleiter Ralf
Laumer haben nun ein Handbuch
herausgegeben, dass sich gleichermaßen an „Beteiligungs-Einsteiger“
wie erfahrene Akteure richtet. 20
Autorinnen und Autoren haben dafür
ihre Expertise beigesteuert.
Aufgeteilt ist der Sammelband in
drei Abschnitte: Der erste widmet
sich den Grundlagen der Bürgerbeteiligung, benennt Leitlinien und
Werkzeuge. Der umfangreiche zweite Teil schildert Praxisbeispiele und
Erfahrungen aus zahlreichen großen
und kleinen Kommunen. Eines verbindet alle gelungenen Projekte,
stellen Fründt und Laumer fest: dass
sie „geplant und strukturiert, mit ausreichenden personellen Ressourcen
ausgestattet, politisch gewollt und in
der Verwaltungs-Hierarchie sinnvoll
angesiedelt sein müssen“. Im dritten
Abschnitt geht es um die Zukunft:
Dort werden neue Konzepte diskutiert, wie Politik, Verwaltung und
Zivilgesellschaft zusammenarbeiten
können. Den Autoren wurden große
Freiheiten gelassen. Deshalb ist das
Buch kein durchkomponiertes Nachschlagewerk, aber ein Konglomerat
an Wissen, aus dem sich jeder etwas
Nützliches herausziehen kann. CFH
Kirsten Fründt, Ralf Laumer (Hrsg.):
Mitreden. So gelingt kommunale
Bürgerbeteiligung – ein Ratgeber aus
der Praxis
Büchner-Verlag, 2019, 234 Seiten,
18,00 Euro, ISBN 978-3-96317-158-1
Wege zu mehr Stadtnatur
Jürgen Breuste legt ein Lehrbuch zur „Grünen Stadt” vor
Der Zuzug in die Städte lässt die
Menschen dort enger zusammenrücken. Der Platz für Grünflächen
oder wilde Brachen wird knapper.
Umso drängender müssen sich die
Stadtplaner mit der Frage befassen,
wo und wie sie der Natur genügend
Raum geben. Verzichten wollen auch
Stadtbewohner nicht auf sie. Denn
Stadtnatur schafft Lebensqualität,
fördert die Gesundheit und sichert
die Artenvielfalt.
Der Salzburger Stadtökologe Jürgen
Breuste beleuchtet das Thema nun
aus einer wissenschaftlichen Perspektive. Er schreibt: „Die Gestaltung
der Stadtnatur, die in erster Linie
auch Gestaltung des menschlichen
Lebensraumes ist, bedarf der Ergebnisse aus Ökologie, Sozialwissenschaften, Psychologie, Urbanistik,
Architektur und Stadtplanung“. Sein
Buch beantwortet Fragen wie: Was
ist Stadtnatur und wie ist sie entstanden? Was leisten die Parks, Bäume, Gärten und Gewässer für das
Ökosystem? Was macht Biodiversität
der Stichwahl einen deutlichen Sieg
gegen Heribert Mählmann (CDU).
In Tuttlingen bleibt Amtsinhaber
Michael Beck (CDU) weiterhin
Oberbürgermeister. 91,9 Prozent der
Wählenden gaben ihm ihre Stimme.
Auch in Kiel gab es am 27. Oktober
einen Erfolg des Amtsinhabers: Der
Sozialdemokrat Ulf Kämpfer setzte
sich mit 65,8 Prozent der Stimmen
gegen drei weitere Bewerber durch.
Und in Halle bleibt der parteilose
Bernd Wiegand Oberbürgermeister. 61,4 Prozent der Wählerinnen
und Wähler votierten für seine Wiederwahl.
Termine
15. DEMO-Kommunalkongress
29.10.2020 – 30.10.2020, Berlin
www.demo-kommunalkongress.de
Weitere Termine
haben wir auf unserer Website für Sie
zusammengestellt:
demo-online.de/seite/termine
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Die Verbandsgemeinde Bad Hönningen, mit ihren 12.000 Einwohnern, liegt
rechtsrheinisch am Beginn des Welterbes Limes zwischen den Städten Koblenz und
Bonn im Kreis Neuwied am nördlichen Rand von Rheinland-Pfalz. Sie besteht aus
der Stadt Bad Hönningen und den Ortsgemeinden Rheinbrohl, Hammerstein und
Leutesdorf und zeichnet sich durch viele Wanderwege (Rheinsteig/Beginn des
Westerwaldsteiges), große Waldgebiete, Weinbau sowie ein großes vielfältiges
Sport- und Vereinsleben aus.
Touristische und kulturelle Highlights sind die Römerwelt, Rheinparktherme,
Jugendherberge und das Schloss Arenfels.
Im Frühjahr 2020 steht für die Verbandsgemeinde Bad Hönningen die Neuwahl für
das Amt der Verbandsbürgermeisterin/des Verbandsbürgermeisters an.
Als SPD Ortsvereine aus der Verbandsgemeinde möchten wir unseren Bürgerinnen
und Bürgern einen überzeugenden Wahlvorschlag machen.
Daher suchen wir eine/einen
aus? Und welche Handlungskonzepte und Wege zur „Grünen Stadt“
gibt es? Den Texten merkt man an,
dass sie mehr für den akademischen
Einsatz als für die politische Praxis
geschrieben wurden. Dafür sind die
Kapitel mit zahlreichen Exkursen,
Grafiken und Karten angereichert,
die konkrete Beispiele aus Kommunen in aller Welt veranschaulichen.
Somit sei das Buch allen empfohlen,
die sich tiefergehend mit dem Thema Stadtnatur befassen wollen. CFH
Jürgen Breuste:
Die Grüne Stadt.
Stadtnatur als Ideal, Leistungsträger
und Konzept für Stadtgestaltung
Springer-Verlag, 2019, 233 Seiten,
32,99 Euro, ISBN 978-3-662-59070-6
Kandidatin/Kandidaten für die Wahl zur
Verbandsbürgermeisterin/zum Verbandsbürgermeister. [m/w/d]
(Besoldungsgruppe A16)
Ihr Profil:
q Kommunalpolitische Erfahrung
q Verwaltungserfahrung bzw. vergleichbare berufliche Erfahrung
q Führungserfahrung im Verwaltungsbereich und Durchsetzungsvermögen
q Repräsentationsfähigkeit in allen relevanten Funktionen und Gremien
q Erfahrung in der Zusammenarbeit mit ehrenamtlicher Arbeit bzw. Ehrenamtlern
Unsere Anforderungen:
q Gewinnende Persönlichkeit, die vertrauensvoll mit allen Gremien und Akteuren
zusammenarbeitet
q Engagierte und dynamische Persönlichkeit, mit hoher sozialer Kompetenz und
Fingerspitzengefühl, um den vielfältigen Aufgaben des Amtes einer
Bürgermeisterin/eines Bürgermeisters gerecht zu werden.
q Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Verbandsgemeinderat und den
Einwohnern für die Belange der Verbandsgemeinde
Verbunden mit dem Amt des Bürgermeisters sind die Aufgaben als Verbandsvorsteher des Kindergartenzweckverbandes mit drei kommunalen Kitas sowie dem
Stiftungsvorsitz der Römerwelt. Weitere Informationen sind auf der Internetseite
VG-Bad-Hönningen.de ersichtlich.
Bewerbungen werden erbeten bis Ende Dezember 2019.
Jörg Honnef | SPD-Bad Hönningen | Rudolf-Buse-Str. 9 | 53557 Bad Hönningen
Tel. 02635/1645 | Mail: Joerg-Honnef@t-online.de
30 DAS LETZTE
DEMO 11-12/2019
Kommunale Unternehmen üben sich gern in Sprachakrobatik.
Die Grenzen zwischen Witz und Wahnsinn sind fließend
Autoren Carl-Friedrich Höck, Karin Billanitsch
W
ährend die einen sich
darauf freuen, graut es
anderen davor: Dem
„Tag der schlechten Wortspiele“ wird
vornehmlich auf Twitter gefrönt.
Viele nutzen ihn als Freibrief, selbst
den größten Unsinn ins Internet zu
posaunen, ohne den Verlust der eigenen Würde befürchten zu müssen.
Dass der Wortspieltag am 12. November stattfindet, einen Tag nach
Beginn der Karnevalssaison, macht
es nicht besser – Restalkohol beseitigt Hemmungen. Unsere Sympathie
gilt daher dem Twitternutzer, der
freimütig einräumte: „Ich hab‘ japanische Angst vor Wortspielen.“
Warum wir all das hier schreiben?
Weil sich auch die Marketingabteilungen auf kommunaler Ebene fleißig an dem Wettstreit um den beklopptesten Spruch beteiligen. Etwa
das Berliner Verkehrsunternehmen
BVG. Es twitterte zum Wortspieltag:
„Dass es heutzutage für jeden Mist
einen kuriosen Feiertag gibt, … das
ist doch bahnsinnig.“ Rechtfertigend
schob ein BVG-Mitarbeiter hinterher:
„Wir wollten eben auch mal auf den
Zug aufspringen“, und ergänzte: „Eigentlich sind Wortspiele gar nicht so
Mainz.“ Uff, Niveau wie eine U-Bahn!
Dabei können es kommunale Unternehmen doch besser. Ihre Marketingabteilungen sind in Sprachakrobatik geübt, Wortspiele haben dort
nämlich ganzjährig Saison. Zu sehen
Tapf... nein: Abfallbehälter in Berlin
ist das auf den Abfalleimern, die in
diversen Städten am Straßenrand
stehen. Mit launigen aufgedruckten
Sprüchen buhlen sie um die Aufmerksamkeit der Passanten. „Für die Zigarette danach“, ist in Berlin etwa zu lesen, oder „Eimer liebt dich“. In Erfurt
werden die Bürgerinnen und Bürger
in barscherem Ton zur Ordnung gerufen: „Ihre Papiere bitte“, bellt die
Aufschrift auf den Müllkörben.
Unsere Leserinnen und Leser
wussten uns ebenfalls von Beispielen
zu berichten. In Nordseebad Carolinensiel-Harlesiel weht wahrscheinlich öfter eine steife Brise. Daher
heißt es auf den Behältern: „Bevor es
... vom Winde verweht ... bitte hier
hinein!“ Zum Glück sind die kleinen
Abfallfilialen „Rund um die Uhr geöffnet“, wie eine andere Aufschrift
verkündet. In Adelsheim setzte man
vor einiger Zeit auf den örtlichen
Dialekt, um die Zuwendung der geschätzten Kundschaft zu erlangen:
„Bei mir kannsch dei Gschmeeß
neischmeiße!“
Ob ein Spruch lustig oder lästig
ist, liegt natürlich im Auge des Betrachters. Gleichwohl hat sich im
Netz vieles angesammelt, bei dem
die Frage „Ist das Kunst oder kann
das weg?“ klar mit Zweiterem beantwortet werden darf. Was sollte
man damit tun? Der Kolumnist Axel
Hacke hat sich vor einigen Jahren
ähnliche Gedanken gemacht – und
einen Sprach-Wertstoffhof eingerichtet. Dort sammelt er falsche
Übersetzungen oder kindliche Verhörer. „Es ist alles unnütz, Sprachmüll“, schrieb Hacke. „Und doch: Der
Behalter in mir sagt: Man könnte es
vielleicht nochmal gebrauchen. Man
soll Wörter nicht wegwerfen.“ Recht
hatte er: Den recycelten Sprachabfall
hat er mittlerweile zu zahlreichen
Bestsellern verarbeitet, darunter die
„Handbücher des Verhörens“.
Wörter und Sprüche sammeln,
wiederverwerten und etwas Besseres daraus machen – das scheint
also ein vielversprechendes Konzept
zu sein. Sie haben jetzt nur Bahnhof
verstanden? Kein Problem, wie die
Deutsche Bahn am Tag der schlechten Wortspiele betonte: „Nicht jeder
spricht bahnisch!“
Frohe Weihnachten
und ein gutes
neues Jahr 2020
wünscht
Ihre DEMO-Redaktion
Impressum
Demokratische Gemeinde,
Fachorgan der Sozialdemokratischen
Gemeinschaft für Kommunalpolitik
(Bundes-SGK)
Stresemannstraße 30, 10963 Berlin
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